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3 Zur Zulassung von Frauen zum Studium in Österreich vgl

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„Daß die männliche Herrschaft sich nicht mehr mit der Evidenz dessen, was sich von selbst versteht, aufzwingt, ist sicher die wichtigste Verände- rung“, schrieb Pierre Bourdieu in seiner Analyse der gesellschaftlichen Ordnung und ihrer Geschlechterverhältnisse.1 Und tatsächlich lässt sich diese Aussage auch hinsichtlich der Zulassung von Frauen zum akademi- schen Studium in Österreich bestätigen. Dieser Zulassungsprozess war zunächst nämlich von einem Verbot gekennzeichnet: Am 6. Mai 1878 verfügte das Ministerium für Kultus und Unterricht erstmals einen Erlass, der Frauen die Immatrikulation an den Universitäten ausdrücklich un- tersagte.2 Anlass für diese Abwehrreaktion waren konkrete Anträge von Studienbewerberinnen, durch die sich das Ministerium nach einem jahr- hundertelangen, stillschweigend praktizierten Ausschluss zum ersten Mal genötigt sah, diesen auch explizit zu formulieren. Der Erlass lässt sich als Akt patriarchaler Machtdemonstration lesen; mit Blick auf Funktions- prinzipien sozialer Ordnung und Mechanismen der Exklusion verweist das 1878 erlassene Verbot aber eher darauf, dass die Macht dieses Ausschlusses dadurch, dass er nun in legitimatorischen Diskursen artikuliert werden musste, bereits im Schwinden begriffen war. Knapp zwanzig Jahre später, im Wintersemester 1897, wurden Frauen an der philosophischen und 1900 an der medizinischen Fakultät der Universität Wien zum Studium zugelassen.3

Das Fach Deutsche Philologie gehörte von Anfang an zu den von Frauen am häufigsten gewählten Studienrichtungen. Bis 1938 promo- vierten an der Wiener Germanistik über 600 Studentinnen.4 Dass das

1 Bourdieu: Die männliche Herrschaft (2005), S. 154.

2 Verordnung des Ministers für Cultus und Unterricht an die Rectorate sämmtlicher Universitäten betreffend die Zulassung von Frauen zu Universitäts-Vorlesungen vom 6. Mai 1878.

3 Zur Zulassung von Frauen zum Studium in Österreich vgl. Heindl/Tichy (Hg.):

„Durch Erkenntnis zu Freiheit und Glück …“ (1990).

4 Zusammengestellt nach [Gebauer:] Verzeichnis über die seit dem Jahre 1872 an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien eingereichten und approbierten Dissertationen. Bd. 2 (1936), S. 1–106, Bd. 4 (1937), S. 37–61; Alker: Ver-

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Studium der deutschen Sprache und Literatur eine besondere Attraktivität auf Frauen ausübte, unterschied das Wiener Institut nicht von anderen Germanistikinstituten im deutschsprachigen Raum.5 Einen Sonderfall stellte die Wiener Germanistik aber im Hinblick auf die Zulassung von Frauen zur Privatdozentur dar. In den 1920er Jahren wurde in Wien in- nerhalb von nur sechs Jahren drei Wissenschaftlerinnen die Venia Legendi verliehen: 1921 der Literaturhistorikerin und Jakob Minor-Schülerin Christine Touaillon (1878–1928) aufgrund ihrer über 600 Seiten um- fassenden ArbeitDer deutsche Frauenroman des 18. Jahrhunderts, 1924 der Romantikforscherin Marianne Thalmann (1888–1975) aufgrund ihres zum Standardwerk avancierten BuchsDer Trivialroman und der romanti- sche Roman und 1927 der Volkskundlerin und späteren Ahnenerbe-Mit- arbeiterin Lily Weiser (1898–1987) aufgrund der nur knapp neunzig Seiten starken Broschüre Altgermanische Jünglingsweihen und Männer- bünde. Mit diesen drei Wissenschaftlerinnen nahm die Wiener Germa- nistik bezüglich der Zulassung von Frauen zur Habilitation sowohl im Vergleich mit allen anderen Fächern der damaligen philosophischen Fa- kultät6als auch im Vergleich mit allen anderen Germanistikinstituten im deutschsprachigen Raum eine Ausnahmestellung ein. So konnten sich in Deutschland bis zum Ende der Weimarer Republik insgesamt zwar fünf Germanistinnen habilitieren, jede von ihnen bezeichnenderweise aber an einer anderen Universität.7Die Schweiz, die bei der Zulassung von Frauen zum Studium im europäischen Vergleich eine Vorreiterrolle einnahm, hat im selben Zeitraum nur eine einzige Privatdozentin der Germanistik vorzuweisen.8

zeichnis der an der Universität Wien approbierten Dissertationen 1937–1944 (1954), S. 77–101.

5 Vgl. u.a. Birn: Bildung und Gleichberechtigung (2012); Harders: Studiert, promoviert, arriviert? (2004); Dickmann/Schöck-Quinteros (Hg.): Barrieren und Karrieren (2000); Verein Feministische Wissenschaft Schweiz (Hg.): „Ebenso neu als kühn“ (1988).

6 An der Universität Wien wurde bis 1938 die Lehrbefugnis (neben den drei Ger- manistinnen) der Romanistin Elise Richter, der Psychologin Charlotte Bühler, der Historikerin Erna Patzelt, der Klassischen Philologin Gertrud Herzog-Hauser, den Physikerinnen Franziska Seidl und Bertha Kralik, der Biologin Elisabeth Hof- mann, der Chemikerin Anna Simona Spiegel-Adolf und den Medizinerinnen Carmen Coronini-Cronberg, Helene Wastl und Carla Zawisch-Ossenitz verliehen.

7 1919 Agathe Lasch in Hamburg, 1923 Luise Berthold in Marburg, 1924 Johanna Kohlund in Freiburg, 1925 Edda Tille-Hankammer in Köln und 1927 Melitta Gerhard in Kiel.

8 Adeline Rittershaus habilitierte sich 1902 in Zürich.

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Ausgehend von dieser Feststellung stellt sich die Frage, wie es möglich war, dass in Wien in den 1920er Jahren drei Privatdozentinnen an der Germanistik lehrten, während an allen anderen Instituten des deutschen Sprachraums zeitgleich keine Frau oder eben nur eine Frau zur Habilitation zugelassen wurde. Bei der Beantwortung dieser Frage gehe ich davon aus, dass die Sonderstellung der Wiener Germanistik auf grundlegende Ver- änderungen des Wissenschaftsbetriebs im ersten Drittel des 20. Jahrhun- derts zurückzuführen ist, die sich sowohl auf institutioneller, fachlicher, habitueller als auch auf politischer und rechtlicher Ebene zeigen. Die vorliegende Studie beschäftigt sich also mit dem Zusammenhang zwischen der spezifischen Verfasstheit einer lokalen Wissenschaftskultur und der Position der dem akademischen Betrieb neu hinzutretenden Frauen. Um Handlungsspielräume, Machtkonstellationen, Abhängigkeiten sowie wis- senschaftliche und institutionelle Bedingungen sichtbar zu machen, wer- den Strukturen und Funktionsmechanismen des Feldes ebenso analysiert wie soziale Praktiken der diesem Kräftefeld innewohnenden Akteure.

Darüber hinaus werden aber auch das jeweilige Verhalten der Wissen- schaftlerinnen zu den sie umgebenden Strukturen, Möglichkeiten der wissenschaftlichen und institutionellen Etablierung sowie Formen des Widerstands untersucht. Ich gehe also davon aus, dass nicht die Leistung und das Verhalten von Einzelnen die personelle Zusammensetzung eines Universitätsinstituts bestimmen, sondern dessen Strukturen und Funkti- onsmechanismen wesentlichen Einfluss auf den Status und die Akzeptanz von Außenseitern, mithin von Frauen, im Wissenschaftsbetrieb haben.

Bei der Beantwortung der Forschungsfrage unterscheide ich zwischen zwei Ebenen, die die strukturbedingte Logik der Integration und des Ausschlusses von Wissenschaftlerinnen beeinflussen und die gleichzeitig den Aufbau der vorliegenden Studie bestimmen. Der erste Abschnitt be- handelt die Verfasstheit und das Selbstverständnis der Wiener Germanistik, die in der Zusammenschau von sowohl Wissenschafts-, Institutionen- als auch Studierendengeschichte analysiert werden. Dabei werden der Ab- folgemodus von Lehrstuhlbesetzungen, innerfachliche Richtungskonflikte, Aufgabe und Funktion der Privatdozentur sowie das Verhältnis zwischen Lehrenden und Studierenden beschrieben. Einen besonderen Stellenwert nimmt dabei die Amtszeit Walther Brechts ein, der von 1914 bis 1926 das neugermanistische Ordinariat innehatte, also für zwei der insgesamt drei Habilitationen von Frauen verantwortlich zeichnete. Darauf aufbauend folgen Einzeldarstellungen der ersten habilitierten Germanistinnen Christine Touaillon, Marianne Thalmann und Lily Weiser, in denen ihre Positionierungsbemühungen innerhalb des wissenschaftlichen Feldes

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ebenso in den Blick genommen werden wie ihre fachlichen Spezialisie- rungen und institutionellen Netzwerke. Im Abschnitt über Christine Touaillon findet sich außerdem eine Auseinandersetzung mit den recht- lichen Bedingungen der Habilitation von Frauen, die trotz der Gleich- stellung von Männern und Frauen durch die Verfassung der Ersten Re- publik an den Universitäten teilweise auf erheblichen Widerstand stieß.

Besonderes Augenmerk wird im Zuge der Besprechung von Touaillons Habilitationsschrift Der deutsche Frauenroman des 18. Jahrhunderts in diesem Kapitel auch dem Stellenwert von Literatur von Frauen in der universitären Literaturwissenschaft geschenkt, um den Ort von Touaillons Forschung innerhalb des akademischen Themenkanons bestimmen zu können. Im Abschnitt über Marianne Thalmann werden ihre Forschungen über die Romantik und das Drama des 19. Jahrhunderts dargestellt und die methodischen, stilistischen und politischen Veränderungen innerhalb der deutschsprachigen Literaturwissenschaft in den 1920er und frühen 1930er Jahren diskutiert. Zudem wird die prominente und in der Universitäts- germanistik erstmalige Verwendung des Begriffs ,Trivialroman‘ in ihren historischen, innerfachlichen und karriereökonomischen Bedingungen analysiert. Das letzte Kapitel befasst sich mit Lily Weiser, der einzigen Germanistin, die sich in den 1920er Jahren nicht im neueren, sondern im älteren Fach habilitierte. Die Geschichte und die wissenschaftlichen Vor- aussetzungen der älteren Abteilung werden hier ebenso besprochen wie die aus ihr resultierenden Spezialisierungen auf Altertums-, Germanen- und Volkskunde. Vor allem die Tätigkeit des Altertumskundlers Rudolf Much, bei dem sich Weiser habilitierte, führte zu einer universitätspolitischen, thematischen und methodischen Verschiebung des Status der älteren Ab- teilung. Weisers DissertationJul. Weihnachtsgeschenke und Weihnachtsbaum sowie ihre HabilitationsschriftAltgermanische Jünglingsweihen und Män- nerbündewerden innerhalb dieser Konstellation besprochen und in ihren ideologischen Folgen sowie ihrer auf germanische Kontinuitätserzählungen konzentrierten Wissenschaftsauffassung dargestellt. Wie gezeigt werden wird, stand Weisers Habilitation in engem Zusammenhang mit Muchs Bemühungen um den Aufbau einer ganzen ,Männerbundschule‘.

Die Zäsuren, die im Titel gesetzt sind, die Jahre 1897 und 1933, beziehen sich zum einen auf die Zulassung von Frauen zum Studium an der philosophischen Fakultät in Wien, zum anderen auf den Weggang von Marianne Thalmann an das Wellesley College in Massachusetts, der das Ende dieser ersten Phase von Privatdozentinnen an der Wiener Germa- nistik bedeutete. Bis mit Blanka Horacek 1955 erneut eine Frau an der Wiener Germanistik habilitiert wurde, dauerte es über zwanzig Jahre. Die

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Jahre 1897 und 1933 markieren also den Beginn der universitären Ak- kreditierung von Frauen und das vorläufige Ende ihrer akademischen Lehrtätigkeit.

Meine Studie stützt sich nicht nur auf literaturwissenschaftliche, his- torische, politikwissenschaftliche und soziologische Forschungsliteratur, sondern zu einem Gutteil auch auf zeitgenössische Publikationen, Zei- tungsberichte, Gesetzestexte und vor allem auf Archivmaterialien.9 Zu danken ist deshalb einer großen Anzahl von Institutionen, die mir bei der Recherche und Bereitstellung der benutzten Quellen behilflich waren. Für Österreich sind hier die Universitätsarchive in Wien und Graz, das Wiener Stadt- und Landesarchiv, das Österreichische Staatsarchiv, die Hand- schriftensammlungen der Österreichischen Nationalbibliothek und der Wienbibliothek im Rathaus, das Adalbert-Stifter-Institut des Landes Oberösterreich und die Sammlung Frauennachlässe am Institut für Ge- schichte der Universität Wien zu nennen. In Deutschland war es mir möglich, Handschriftenbestände der Bayerischen Staatsbibliothek in München, der Universitätsbibliothek Heidelberg und des Deutschen Li- teraturarchivs in Marbach zu sichten. Außerdem konnte ich im Zuge eines Forschungsaufenthalts am Wellesley College in Massachusetts im Oktober 2012 im dortigen Archiv wichtige Dokumente zu Marianne Thalmann einsehen.

Beim vorliegenden Buch handelt es sich um die geringfügig veränderte Fassung meiner Dissertationsschrift, die im Dezember 2014 von der Philologisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien an- genommen wurde; später erschienene Forschungsliteratur konnte nur im Einzelfall nachgetragen werden. Die Finanzierung meiner Studie wurde durch ein Junior-Fellowship des Internationalen Forschungszentrums Kulturwissenschaften (IFK, Wien), ein DOC-Stipendium der Österrei- chischen Akademie der Wissenschaften und eine Praedoc-Stelle am Institut für Germanistik der Universität Wien ermöglicht. All diesen Institutionen bin ich nicht nur für die finanzielle Unterstützung, sondern ihren Mit- arbeitern auch für die wissenschaftliche Förderung meiner Arbeit dank- bar. Dem FWF danke ich für die gewährte Druckkostenförderung, Ernst Osterkamp und Werner Röcke für die freundliche Aufnahme in die von 9 Die zitierten Originaldokumente sind in der Studie getreu der Vorlage wieder- gegeben. Hervorhebungen durch Sperrungen werden ebenso beibehalten wie Kursivierungen, Unter- und Durchstreichungen. Offensichtliche Fehler werden entweder mit [!] gekennzeichnet oder, wenn sie das Verständnis erschweren, in eckigen Klammern korrigiert.

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Wilhelm Scherer begründete ReiheQuellen und Forschungen zur Literatur- und Kulturgeschichte und De Gruyter, insbesondere Anja-Simone Mi- chalski und dem Lektor Rainer Rutz, für die verlegerische Betreuung.

Im Laufe der Jahre, in denen diese Studie entstanden ist, haben sich viele unterstützende und ratgebende Helfer eingefunden: In der Phase, in der ich das Thema entwickelte und das Forschungskonzept ausarbeitete, war Werner Michler, der auch Teile der Arbeit einer kritischen Lektüre unterzog, ein wichtiger Gesprächspartner. Wesentliche Hinweise und Korrekturen ergaben sich außerdem im Austausch mit Sebastian Meissl, Konstanze Fliedl und Wendelin Schmidt-Dengler, der die Arbeit bis zu seinem Tod 2008 betreute. Darüber hinaus waren mir Mirko Nottscheid, Herbert Posch und Myriam Richter mit fachlichem Rat und Hinweisen auf wichtige Dokumente behilflich. Thomas Assinger, Florian Bettel, Nina Hacker, Katharina Krcˇal, Nora Ruck und Manuel Swatek haben freund- licherweise die Endlektüre übernommen. Besonderer Dank gebührt schließlich den beiden Betreuern meiner Dissertation: Michael Rohr- wasser, der stets unterstützend, wohlwollend und, wenn nötig, korrigierend den Fortgang meiner Arbeit begleitete, und Hans-Harald Müller, der mir nicht nur bei kleinen und großen Fragen zur Fachgeschichte der Germa- nistik behilflich war, sondern mir auch mit recherchepraktischen Hin- weisen zur Seite stand und bei seinen Archivgängen oftmals für meine Arbeit relevante Dokumente zutage förderte.

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