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Flächeninhalt und Volumen

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Flächeninhalt und Volumen

Sebastian Kuntze

Flächeninhalt und Rauminhalt bzw. Volumen bezeichnen Eigenschaften von Figuren bzw.

Körpern, die diesen durch Aktivitäten des Messens zugeordnet werden können. Das Mes- sen ist daher Ausgangspunkt und Grundlage dieses Kapitels, denn auch das Berechnen von Flächen- und Rauminhalten ist letztlich eine Methode des Messens. Dieses Kapitel ist nach Ideen gegliedert, die beim Umgang mit Flächeninhalten und Volumina – und damit natürlich auch beim Lernen in diesem Bereich – eine Rolle spielen. Da es beim Messen von Flächen- und Rauminhalten in besonderer Weise um Umwelterfahrung und -erschließung geht, besteht ein Ziel des Kapitels auch darin, Anregungen für eine kom- petenzorientierte Aufgabenkultur zum Modellieren im Bereich der Leitidee Messen zu geben.

Aus fachinhaltlicher Sicht bietet die Flächen- und Rauminhaltsberechnung einen hohen Facettenreichtum, in den hier exemplarisch eingeführt wird. Eine umfassende Darstellung zu didaktischen Einzelüberlegungen und zu fachinhaltlichen Vorgehensweisen gibt Fricke (1983).

Zwischen Flächeninhalts- und Volumenbegriff gibt es eine ganze Reihe von Analogien und Ähnlichkeiten. Aus diesem Grund werden die Gedanken dieses Kapitels weitgehend gleichzeitig für Flächeninhalts- und Volumenberechnung entwickelt. Dies findet sich in Schulbüchern in der Regel so nicht wieder, was bei Schülerinnen und Schülern zu insel- artigen Vorstellungen zu Flächeninhalt und Volumen führen kann. Leserinnen und Leser sind durch das Vorgehen in diesem Kapitel also ausdrücklich dazu aufgefordert, Bezüge, Parallelen und Analogien zwischen Flächeninhalts- und Volumenbestimmung aufzuspü- ren, da dies zwei Aspekte einer Grundidee sind: der des Messens.

Im Folgenden bildet die Idee des Messens den roten Faden. Im ersten Abschnitt wird der Begriff des Messens in Bezug zur Flächen- und Raummessung näher erörtert. Der zweite Abschnitt enthält vertiefende Betrachtungen zu Flächeninhalts- und Volumenbegriff und zu Wegen, Flächeninhalte und Volumina zu bestimmen. Wie funktionale Zusammenhänge bei der Flächeninhalts- und Volumenmessung in den Mittelpunkt rücken können, zeigt der dritte Abschnitt. Im vierten Abschnitt werden schließlich Ausblicke gegeben.

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© Springer-Verlag GmbH Deutschland 2018

H.-G. Weigand et al.,Didaktik der Geometrie für die Sekundarstufe I, Mathematik Primarstufe und Sekundarstufe I + II,

https://doi.org/10.1007/978-3-662-56217-8_7

Kuntze, S. (2018). Flächeninhalt und Volumen. In H.-G. et al Weigand (Hrsg.), Didaktik der Geometrie für die Sekundarstufe I (3., erweiterte und überarbeitete Auflage., S. 157–177).

Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag.

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7.1 Messen als Leitidee für Flächeninhalts- und Volumenbestimmungen

Wie „groß“ ist ein Blechstück, wie kann die „Größe“ oder das Fassungsvermögen ei- nes Kartons beschrieben werden? Für das Bestimmen von Flächen- und Rauminhalten muss gemessen werden. Denn oft genügt es nicht, Figuren oder Körper nach bestimmten Kriterien bzw. Eigenschaften zu vergleichen oder zu sortieren, sondern bestimmte ihrer Eigenschaften sollen durch Maße beschrieben werden. Doch was ist Messen überhaupt?

Und wie kann Messen als Leitidee helfen, Unterricht zum Thema Flächen- und Raum- inhalte zu strukturieren? Im Folgenden werden Grundlagen für die Beantwortung dieser Fragen erarbeitet.

7.1.1 Ziele

Mit dem Messen von Flächen- und Rauminhalten verbundene Aspekte mathematischer Kompetenz sind sowohl für eine Reihe von Lebensbereichen relevant als auch für die Ent- wicklung mathematischen Wissens und mathematischer Fähigkeiten insgesamt. Im Rah- men der Leitidee „Messen“ der Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz (KMK 2004) sollen die Schülerinnen und Schüler sowohl für den Hauptschulabschluss wie auch für den Mittleren Schulabschluss u. a.

„das Grundprinzip des Messens, insbesondere bei der Längen-, Flächen- und Volumen- messung, auch in Naturwissenschaften und in anderen Bereichen“ nutzen können;

„Einheiten und Größen situationsgerecht“ auswählen können;

„Größen mit Hilfe von Vorstellungen über alltagsbezogene Repräsentanten“ schätzen können;

„Flächeninhalt und Umfang von Rechteck, Dreieck und Kreis sowie daraus zusammen- gesetzten Figuren“ ermitteln können;

„Volumen und Oberflächeninhalt von Prisma, Pyramide, Zylinder [. . . ] sowie daraus zusammengesetzten Körpern [. . . ]“ ermitteln können sowie

„in ihrer Umwelt gezielt Messungen“ vornehmen oder „Maßangaben aus Quellenma- terial“ entnehmen können, Berechnungen durchführen und die Ergebnisse sowie „den gewählten Weg in Bezug auf die Sachsituation“ bewerten können (KMK 2004, S. 10).

Diese Ziele, auf die im Verlauf des Kapitels mit Beispielen Bezug genommen wird, stecken die curriculare Breite ab, auf die sich Kompetenzen von Schülerinnen und Schü- lern nach der 9. bzw. 10. Jahrgangsstufe beziehen sollen. Die Ziele geben auch Hinweise darauf, bis zu welcher Tiefe die Grundidee des Messens im Mathematikunterricht zur Flä- cheninhalts- und Volumenberechnung eine Rolle spielen sollte.

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7.1 Messen als Leitidee für Flächeninhalts- und Volumenbestimmungen 151

7.1.2 Flächen- und Volumenmessung im Laufe der Schuljahre

Flächen- und Volumenmessung beginnt bereits in der Grundschule, wenn mit Hilfe von konkreten Gegenständen die „Größe“ von Figuren und Körpern verglichen wird: „Der Ball passt in den Karton“ wird dahingehend interpretiert, dass der Karton „größer“ als der Ball ist. Üblicherweise wird die Flächenmessung in der 5. Jahrgangsstufe mit Fokus auf das Rechteck systematisch entwickelt. Im Anschluss bzw. im Laufe der weiteren Schuljahre werden dann zusätzlich zum Rechteck weitere Figurentypen betrachtet: Parallelogramm, Dreieck, bis hin zu beliebigen Polygonen, Kreis. Ähnlich baut die Erarbeitung von Mög- lichkeiten der Volumenberechnung für Prisma, Pyramide etc. auf dem systematischen Einstieg in die Volumenberechnung auf, der üblicherweise in der 6. Jahrgangsstufe seinen Platz hat (zur Spiral- und Stufenstruktur im curricularen Aufbau vgl. Vollrath 1999). Das Thema Flächen- und Rauminhaltsmessung spielt bis zum Abitur eine Rolle, wenn etwa mit Integral- oder Vektorrechnung Flächen- oder auch Rauminhalte bestimmt werden.

Insgesamt besteht bei diesem Thema die Gefahr, dass angesichts der verwendeten Re- chenverfahren die Idee des Messens für Schülerinnen und Schüler in den Hintergrund tritt.

Oft wird ja auch eher von „Flächeninhalts- und Volumenberechnung“ als vom Messen ge- sprochen. Darin kommt aber eine bedauerliche Verkürzung der Idee des Messens zum Ausdruck, bei der viel von deren Reichtum verloren geht. Daher wird im Folgenden auf Aspekte der Idee des Messens eingegangen, um deren Facettenvielfalt zutage treten zu lassen.

7.1.3 Aspekte des Messens

Die Grundidee des Messens hat viele Gesichter oder Aspekte. Messen kann bedeuten, dass

. . . verglichenwird (Vergleichsaspekt): Im Zentrum des Interesses steht die Frage, ob zwei Größen gleich groß sind oder nicht. Dies kann bei Flächeninhalten in einfachen Fällen durch Aufeinanderlegen, im Falle von Volumina durch Ineinanderstellen von Körpern veranschaulicht werden: In Beispiel7.1(obere Abbildungen) passt das linke Rechteck in das Quadrat, sein Flächeninhalt ist also kleiner, bzw. der Knetmassezylin- der passt in den silbernen Zylinder, sein Volumen ist also kleiner. Evtl. kann hier auch mit Zerlegen oder Ergänzen (vgl. Abschn.7.2.4) gearbeitet werden: In Beispiel 7.1 (untere Abbildungen) ermöglicht ein Zerlegen in Teilfiguren bzw. Teilkörper eine ver- gleichende Aussage.

Das Vergleichen ist eine erste, bereits in der Grundschule durchgeführte handlungsge- stützte Aktivität (vgl. Franke 2007, S. 263). Dies bezieht sich auch auf Flächeninhalte (Franke 2007, S. 267) und Volumina (Franke 2007, S. 279): Das Hineinstellen (direkter Vergleich ohne Zerlegungsschritt) kann als Vorstufe zum Ausfüllen gesehen werden.

Mit Zerlegungsschritten kann außerdem die Idee der Zerlegungsgleichheit vorberei-

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tet werden (vgl. Abschn. 7.2.4und Vollrath 1982, S. 53 f.). Als Material bietet sich hier Knetmasse oder Ton an. Das indirekte Vergleichen durch Auslegen mit einer Ver- gleichseinheit (z. B. Streichholzschachteln) bereitet das Auslegen mit Einheitswürfeln (z. B. 1 cm3-Messwürfelchen) vor.

Beispiel 7.1: Elementares Vergleichen

Elementares Vergleichen mit Zerlegungsschritt:

. . . mit einer ausgezeichneten Größe ausgelegt wird (Messen-durch-Auslegen-und- Zählen-Aspekt): Beispielsweise kann der Rauminhalt bestimmter Quader durch Aus- füllen mit Kubikzentimeter-Würfeln bestimmt werden.

. . . abgelesen wird (Messgerät-Aspekt): So kann beispielsweise an der Skala eines Meterstabs eine Länge abgelesen werden. Oft handelt es sich um technische Lösun- gen, bei denen Maßangaben auf eine Längenmaßbestimmung zurückgeführt werden, z. B. Füllstandsanzeige eines Löschwassertanks bei einem Feuerwehrauto mittels ei- nes Schwimmers, Temperaturmessung etc. Das Ablesen an einer Längenskala kann als Variante des Messen-durch-Auslegen-Aspekts angesehen werden.

. . . gerechnet wird (Messen-als-Berechnen-Aspekt): Beispielsweise können Flächen- oder Rauminhalte mit Hilfe von Formeln bestimmt werden. Insofern können Aktivitä- ten des Rechnens oder auch des Generierens von Rechenalgorithmen zum Messen von Flächen- und Rauminhalten beitragen.

7.1.4 Kontexte des Messens

Wann und wozu wird das Messen benötigt? Gerade mit Blick auf den Unterricht sollte klar werden, dass es zahlreiche Anlässe für das Messen gibt: Einbauküche kaufen, Tapezieren eines Zimmers, Anlegen eines Gartens. Maßangaben können problemlos archiviert und

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7.1 Messen als Leitidee für Flächeninhalts- und Volumenbestimmungen 153 per Telefon, Fax oder Mail übermittelt werden – und sie sind unabhängig von Personen reproduzierbar.

Bei der Gestaltung von anwendungsbezogenen Lernumgebungen sollten Situations- bezüge jedoch „ehrlich“ sein. Das bedeutet, dass die Beschränkung auf „eingekleidete“

Aufgaben, bei denen es letztlich nur auf die innermathematische Seite des Problems an- kommt, in der Regel weder den Interessen der Schülerinnen und Schüler noch dem Messen als Idee gerecht wird. Dies gilt gerade bei der Flächen- und Volumenmessung, wo sich An- wendungsaufgaben auf echte Situationskontexte beziehen sollten. Gemessen wird nämlich in ganz unterschiedlichen Situationen. Solche Situationszusammenhänge (d. h. Kontexte) des Messens können beispielsweise die Folgenden sein:

Nachmessen und -prüfen: Messungen können erforderlich sein, wenn etwas überprüft werden soll. Beispielsweise kann nachgemessen werden, ob Hühnern in einer Lege- farm genügend Fläche (oder auch Volumen) zur Verfügung steht, ob ein Tanklastzug auf ein bestimmtes Fassungsvermögen geeicht werden kann etc.

Ausmessen bzw. abschätzen: Messungen dienen oft der Datenbeschaffung, um be- stimmte Größen abschätzen zu können. Mögliche Fragestellungen hierzu sind: Um welche Fläche hat sich die eisfreie Zone der Nordsee (oder das Volumen eines Glet- schers) innerhalb der letzten zehn Jahre vergrößert (bzw. verkleinert)? Welches Waren- Volumen kann auf einem Containerschiff transportiert werden? Wie viel Plane benötigt man für ein Zirkuszelt?

Aufmessen, nach Maßen erstellen, produzieren: Messungen treten auf, wenn etwas nach vorgegebenen Maßen hergestellt werden soll. Beispielsweise können Lernende 30 m2 große Terrassenformen abstecken oder aus Ton Körper mit 9 cm3Volumen formen etc.

Abb. 7.1 Der Weltenschöpfer mit dem Zirkel als Anspie- lung auf Situationskontexte des Messens: Nach gutem Maß den Weltenkreis er- stellend oder sein Werk durch Nachmessen prüfend?

(© ÖNB/Bildarchiv)

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Zumessen, normieren, nach Maßen regeln: Messungen sind von Bedeutung, wenn Maßangaben eine Regelungsfunktion für das Zusammenleben der Menschen zu- kommt. So kann die Kfz-Steuer nach Hubraum, Gewicht, CO2-Ausstoß oder auch nach der Fläche eines Pkw (aus der Vogelperspektive) bestimmt werden. Auch die Büro-Hochhaus-Aufgabe in Beispiel7.2entspricht diesem Kontext des Messens.

Die Grundidee des Messens hat also einen großen Facettenreichtum (vgl. auch Abb.7.1 mit unterschiedlichen Interpretationsmöglichkeiten). Für die Unterrichtspraxis werden diese Ideen in den folgenden Beispielen konkret fassbar gemacht. Die Beispiele sollen auch verdeutlichen, dass sich das Messen von Raum- und Flächeninhalten gut zur För- derung von Kompetenzen des Modellierens (KMK 2004; Blum et al. 2007; Blum und Leiß 2005; Blomhøj und Jensen 2003; Maaß 2006) eignet. Ideen zum Modellieren im Bereich der Leitidee „Messen“ betreffen vor allem auch die Aufgabenkultur im Mathe- matikunterricht. Daher werden die Gedanken zu diesem Bereich anhand dreier Beispiele weiterentwickelt.

Beispiel 7.2(„Welche Hochhäuser dürfen gebaut werden, welche nicht?“, vgl. auch Abb. 7.2) steht für das Messen als Normieren bzw. Regeln nach Maßen. Hier kommt der Modellierung eine Regelungsfunktion zu, denn bei baurechtlichen Entscheidungen ist es schlichtweg erforderlich, mit Längen-, Flächeninhalts- und evtl. Volumenmessun- gen umzugehen. Denn was gebaut werden darf, sollte möglichst allgemein verbindlich geregelt werden (vgl. Abb.7.2). Genügt es, wie 2004 in München geschehen, zu fordern, dass Bürotürme nicht höher sein dürfen als die Münchner Frauenkirche (vgl. Arbeits- blatt in Beispiel7.2)? Sofern dies die einzige Regelung wäre, würde das bedeuten, dass nur das Kriterium „Höhe“ entscheidend ist, d. h. die Genehmigung letztlich von einer Längenmessung abhängig ist.

Dabei handelt es sich allerdings um eine recht einfache Modellierung, die, bezieht man sie auf die Situation zurück, auch unerwünschte Folgen haben kann. Beispielsweise wä- re es möglich, ein Grundstück in der vollen Fläche bis zur zulässigen Maximalhöhe zu bebauen. Sofern ein gewähltes mathematisches Modell – wie hier die Reduzierung auf die Höhenmessung – nicht zu den erwünschten Folgen für Beschreibung bzw. hier für die

Abb. 7.2 Ab wann ist ein neues Hochhaus eine stadtpla- nerische „Bausünde“?

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7.1 Messen als Leitidee für Flächeninhalts- und Volumenbestimmungen 155 beabsichtigte Regelung einer Realsituation führt, sollte das Modell verändert werden, um eine bessere Passung mit der Realsituation zu erreichen.

Ein verbessertes Modell zur Regelung der zulässigen Größe von Hochhäusern könnte die Grundstücksfläche und die Nutzfläche des entstehenden Gebäudes verknüpfen. Beispiels- weise ist die „Geschossflächenzahl“ ein Faktor, mit dem der Grundstücksflächeninhalt mul- tipliziert werden muss, um die zulässige Nutzfläche des Neubaus zu erhalten (z. B. kann auf einem 600-m2-Grundstück mit Geschossflächenzahl 0,5 ein Haus mit 300 m2Geschossflä- che errichtet werden – diese Geschossfläche kann z. B. auf zwei Etagen mit je 150 m2verteilt werden). Bei dieser Modellierung spielt also der Flächeninhaltsbegriff eine zentrale Rolle.

Eine weitere Modellierung könnte den „umbauten Raum“ bzw. den „Brutto-Raumin- halt“ als Kriterium für eine Regelung heranziehen. Diese an die Idee der Volumenmes- sung gekoppelten Begriffe finden beispielsweise bei der Wertermittlung durch Baugut- achter(innen) Verwendung.

Diese Ideen könnten genutzt werden, um wie im folgenden Arbeitsblatt (Beispiel7.2) Vernetzungswissen zur Flächen- und Rauminhaltsmessung zu fördern.

Beispiel 7.2: Welche Hochhäuser dürfen gebaut werden, welche nicht?

Arbeitsblatt:

Hochhaus-Bürgerbegehren

100 Meter und nicht höher

München hat entschieden: In der Lan- deshauptstadt dürfen künftig keine über 100 Meter hohen Gebäude mehr gebaut werden. Im Streit um zwei aktuelle Hochhaus-Projekte gab es eine knappe Mehrheit für die Initiative von Alt-Ober- bürgermeister Georg Kronawitter.

[…]

Quelle: http://www.sueddeutsche.de/ muenchen/ arti- kel/303/43260/ [19.11.2004]

Umbauter Raum und Brutto-Rauminhalt:

Der umbaute Raum und der Brutto-Rauminhalt sind Maße für das Volumen von Gebäuden. Der umbaute Raum ist mittlerweile weniger gebräuchlich als der Begriff des Brutto-Rauminhalts (in der Norm DIN 277 geregelt). Die Maßeinheit sowohl für den Brutto- Rauminhalt als auch für den umbauten Raum ist Kubikmeter.

Von Bausachverständigen wird der umbaute Raum bei der Wertermittlung von Gebäuden benutzt.

Der umbaute Raum wird berechnet, indem:

im Falle eines quaderförmigen Gebäudes Länge mal Höhe mal Breite der Rohbauaußenmaße berechnet werden, wobei die Höhe ab der Oberkante des Kellerfußbodens gemessen wird.

bei Fertigmaßen von allen Maßen 3 % für den Verputz abgezogen wird

Der Brutto-Rauminhalt basiert auf den Außenabmes- sungen des Gebäudes und dient dazu, eine wichtige Kennzahl eines Bauvorhabens berechnen zu können, nämlich den Preis pro Kubikmeter. Der Brutto-Raum- inhalt wird ebenfalls oft bei der Gebäudewertermittlung benutzt, um den Beleihungswert für die Bemessung von Baudarlehen zu bestimmen.

Geschossflächenzahl:

Mit der Geschossflächenzahl kann die Gemeinde für ein Gebiet festlegen, wie viel Quadratmeter Geschossfläche je Quadratmeter Grundstücksfläche genehmigungsfähig sind (vgl. § 20 Abs. 2 BauNVO).

Die Geschossfläche ist dabei die Summe der Flä- chen der Vollgeschosse eines Gebäudes, wobei die Fläche der Vollgeschosse sich nach den Außen- maßen des Gebäudes errechnet.

Die Festlegung einer Geschossflächenzahl oder der Größe der Geschossfläche im Bebauungsplan eines Gebiets soll der Dimensionierung der Gebäu- de dienen und die Bebauungsdichte von Plangebie- ten regeln. Die Gemeinde muss bei der Festlegung der Geschossflächenzahl Höchstmaße einhalten:

So gelten Werte von 0,2 für Wochenendhaus- gebiete, 0,4 für Kleinsiedlungsgebiete, 1,2 für reine und allgemeine Wohngebiete, Dorfgebiete und Mischgebiete, 1,6 für besondere Wohngebiete sowie 2,4 für Gewerbegebiete, Industriegebiete und sonstige Sondergebiete, und 3,0 für urbane Kerngebiete (vgl. § 17 Abs. 1 BauNVO). Bis auf Wochenendhaus- und Ferienhausgebiete können diese Obergrenzen jedoch im Einzelfall überschrit- ten werden.

Aufgabe:

Stell’ Dir vor, Du wärest die Bürgermeisterin einer größeren Stadt. Überlege Dir, wie eine möglichst sinnvolle Regelung zur Genehmi- gung von Hochhäusern aussehen sollte!

Welche Rolle spielt die Flächen- und/oder Volumenberechnung bei deiner Regelung?

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In Beispiel7.3werden Aufgaben mit unterschiedlichen Modellierungsanforderungen gegenübergestellt, denn Aufgaben können unterschiedlich stark mit Anwendungskontex- ten und damit auch mit Modellierungsaktivitäten verknüpft sein. Während die Aufgabe in Abb.7.3innermathematisch formuliert ist und damit keine Übersetzungsprozesse zwi- schen einer Realsituation und dem (hier weitgehend gegebenen) mathematischen Modell erfordert, sprechen die Aufgaben in Abb.7.4und7.5das Plätzchenbacken als Realkon- text an. Der Realkontext spielt jedoch eine unterschiedliche Rolle: In Abb.7.4dient er offenbar nur der Motivation, hier ist eine mathematische Modellierung durch die Skizze rechts weitgehend gegeben. In Abb.7.5hingegen müssen nicht nur Maßangaben zu den Ausstechformen selbst abgeschätzt werden, sondern die Modellierung mittels Flächenin- haltsmessung muss ebenfalls erst geleistet werden. Dabei kommt auch dem Rückbezug auf die Situation Bedeutung zu.

Beispiel 7.3: Aufgaben mit unterschiedlichen Modellierungsanforderungen

2,7 cm 1,5 cm

Berechne den Flächeninhalt der folgenden beiden Figuren:

3,9 cm 4,8 cm

Abb. 7.3 Aufgabe ohne Situationskontext

Mark möchte beim Plätzchen- backen wissen, wie viel Scho- koladenüberguss er für 20 Sterne und 20 Herzen benötigt.

Wie groß ist die Fläche, die er insgesamt mit Schokolade bestreichen muss?

3,9 cm 2,7 cm 1,5 cm

4,8 cm

Abb. 7.4 Aufgabe mit eher geringen Modellierungsanforderungen

Plätzchen-Massenproduktion: Zimtsterne oder Zimtherzen?

Welche Form benötigt mehr Zimtmasse?

Abb. 7.5 Aufgabe mit relativ hohen Modellierungsanforderungen

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7.2 Flächeninhaltsbegriff und Volumenbegriff 157 Der Situationskontext von Beispiel7.4ist ebenfalls geeignet, Modellierungsaktivitäten anzuregen. Aufgaben zu diesem Kontext können auf verschiedenen Niveaus gestellt und bearbeitet werden.

Beispiel 7.4: Sonnenpyramide (Aufgabe)

Bei der Sonnenpyramide von Teotihuacán (Mexiko) wurde in etwa ähnlich viel Mate- rial verbaut wie bei der Cheopspyramide (Ägypten). Auf der Basis näherer Informatio- nen, aber auch mit Hilfe des Bildes können hier Aufgaben mit hohen Modellierungsan- forderungen entwickelt werden. So könnte die Aufgabe beispielsweise darin bestehen, das Volumen der Sonnenpyramide mit Hilfe von abgebildeten Menschen abzuschätzen oder den für den Pyramidenbau erforderlichen (Grund-)Flächenbedarf zu ermitteln.

Diese Aufgabenbeispiele machen deutlich, wie Anwendungsbezüge der Flächenin- halts- und Volumenberechnung in den Mathematikunterricht hereingeholt werden und Anstrengungen unternommen werden können, mathematisches Wissen in flexiblen Zu- sammenhängen nutzbar zu machen. Es gibt sehr viele weitere geeignete Realkontexte für die Flächeninhalts- und Volumenmessung, wie etwa Grundstückspreise, Malerarbeiten, Menge ausgelaufenen Öls und Ausdehnung von Ölteppichen, Beschichtung von Oberflä- chen, Textilbedarf, Abschätzen von Größenordnungen von Tanklagern, Oberflächenver- größerung in Abhängigkeit von Volumenzunahme z. B. bei Tieren (vgl. auch Kap.9) etc.

7.2 Flächeninhaltsbegriff und Volumenbegriff

Unterricht zur Flächen- und Rauminhaltsmessung lebt nicht nur von guten Anwendungs- bezügen, sondern auch von einer Orientierung an den diesem Bereich zugrunde liegenden mathematischen Ideen. Es ist also notwendig, auf mathematische Grundlagen einzugehen:

Im Mittelpunkt dieses Abschnitts stehen daher mathematische Methoden für Flächenin- halts- und Volumenmessungen sowie didaktische Fragen zum Flächeninhalts- und Vo- lumenbegriff. Den Ausgangspunkt hierzu bilden einordnende Überlegungen zu Flächen- und Rauminhalten als Größenbereichen. Am Beispiel von vertiefenden Gedanken zum Flächeninhaltsbegriff werden Grundideen gewonnen, die sich in verschiedenen Methoden der Flächen- und Rauminhaltsmessung widerspiegeln. Diese Überlegungen sollen nicht

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als rezeptartige Schablone für die Unterrichtspraxis missverstanden werden, sondern sie sollen der inhaltlichen Fundierung didaktischer Überlegungen zum Messen von Flächen- inhalten und Volumina dienen.

7.2.1 Flächeninhalte und Volumina als Größenbereiche

Zum Messen braucht man Maßangaben – auch um Eigenschaften geometrischer Figuren oder Körper, wie etwa deren Flächen- oder Rauminhalt, beschreiben zu können. Diese Maßangaben sind aber keine „normalen“ Zahlen, sondern sie stammen aus sogenann- ten Größenbereichen. Der Grundgedanke dabei besteht darin, dass man Objekte, die eine gleiche Eigenschaft haben (d. h. z. B. die gleiche Länge, das gleiche Volumen) zusam- menfasst, so dass sie eine Größe verkörpern (unter „3 cm“ kann man sich also die Menge derjenigen Objekte vorstellen, die diese Länge haben). Repräsentanten verkörpern die betreffende Eigenschaft. So kann man sich Rauminhalte beispielsweise gut als Gefäße vorstellen (vgl. Tab.7.1). Jedes Gefäß repräsentiert das Volumen seines Fassungsvermö- gens.

Sinnvoll ist es, ausgezeichnete Größen (z. B. 1 cm3) zu wählen, mit deren Hilfe ande- re Größen ausgedrückt werden können. Und damit kommt wieder die Idee des Messens ins Spiel: Messen bedeutet hier, die Größe eines Gefäßes mit einer ausgezeichneten Grö- ße „auszulegen“ bzw. auszufüllen. Für den Unterricht wird ein stufenweises Vorgehen ausgehend von der Verwendung persönlicher Größeneinheiten (z. B. Handteller), über situationsbezogene Größeneinheiten (z. B. Auslegen mit Zeitungen), hin zu normierten Größeneinheiten (z. B. 1 dm2) vorgeschlagen (z. B. Franke 2007).

Dadurch sollen inhaltliche Vorstellungen von Schülerinnen und Schülern zu Flächen- und Rauminhalten als Größen aufgebaut werden. Dabei ist es nützlich, gemeinsam mit

Tab. 7.1 Überblick über Größenbereiche Größen-

bereich

Mögliche Re- präsentanten

Zwei Repräsentanten stimmen bezüglich der Größe miteinan- der überein, wenn

Namen aus- gezeichneter Größen

Ordnungs- relation zwischen Repräsentan- ten

Ordnungs- relation zwischen Größen Längen Strecken, Stä-

be, Seile, . . .

. . . sie deckungs- gleich sind

km, mm, Zoll, . . .

ist kürzer als ist kleiner als Flächen-

inhalte

Flächen, Platten, Kar- tonstücke, . . .

. . . sie zerlegungs- gleich sind

km2, ha, . . . hat weniger

„Fläche“ als

ist kleiner als

Raum- inhalte

Körper, Ge- fäße, . . .

. . . sie verdrängungs-/

fassungsvermögens- gleich sind

m3, cm3, hl, gallon, . . .

hat/benötigt/

erfüllt/enthält weniger Raum als

ist kleiner als

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7.2 Flächeninhaltsbegriff und Volumenbegriff 159 Tab. 7.2 System von Standardrepräsentanten für Flächeninhalte

1 km2 1 ha 1 a 1 m2 1 dm2 1 cm2 1 mm2

Stadt- viertel, (pas- sender) Badesee

Sport- platz

3- bis 4- Zim- mer-wohnung, 5 m langes Stück einer Autobahn

Halbes Bett, Außentafel im Klassenzim- mer, Tuch zum Seidenmalen, Elefantenohr

Hälfte eines Standardbrief- umschlags, Federmäpp- chen

Spiel- würfel- seiten- fläche

Ameisen- gesicht, i-Punkt

den Lernenden ein sogenanntes System von Standardrepräsentanten zu entwickeln, d. h.

ein System von „Ankervorstellungen“ zu verschiedenen Größenordnungen. Als Beispiel ist in Tab.7.2ein System von Standardrepräsentanten für Flächeninhalte aufgeführt, wie es in ähnlicher Form auch in vielen Schulbüchern gefunden werden kann.

Schülerinnen und Schüler sollen so einerseits mit verschiedenen Einheiten rechnen können (d. h. beispielsweise Umrechnungen korrekt durchführen können), andererseits sollen sie mit Einheiten aber auch inhaltliche Vorstellungen verknüpfen können. Idealer- weise sollten diese beiden Ziele im Verbund erreicht werden: So sollten Schülerinnen und Schüler Umrechnungsfaktoren – wie etwa 1000 bei der Volumenmessung – inhaltlich er- klären können.

7.2.2 Flächeninhaltsbegriff

Welche Vorstellungen sind mit den Begriffen Flächen- bzw. Rauminhalt verbunden? Man kann einerseits durch die Betrachtung intuitiver Vorstellungen, andererseits durch mathe- matische Überlegungen Grundzüge des Flächeninhaltsbegriffs herausarbeiten.

Intuitive Vorstellungen

Beim Begriffsverständnis von Lernenden zu Flächeninhalt und Volumen ist mit Schwie- rigkeiten zu rechnen. Kadunz und Sträßer (2007, S. 205) weisen auf diesbezügliche empi- rische Befunde hin. So ist immer wieder zu beobachten, dass die Begriffe Flächeninhalt, Volumen, Oberfläche und die entsprechenden Formeln und Einheiten von Schülerinnen und Schülern verwechselt werden. Eine mögliche Erklärung für derartige Defizite ist sicherlich das nicht ausreichende Verständnis der Begriffe Flächeninhalt und Volumen.

Oft wird im Unterricht viel zu schnell zu Berechnungen von Flächen und Volumina und zur Anwendung von Formeln übergegangen, noch bevor Vorstellungen zum Flächeninhalt bzw. zum Volumen ausreichend gefestigt und vernetzt sind. So ist es beispielsweise sinn- voll, die Berechnung von Flächeninhalten von ebenen Figuren und Berechnungen von Oberflächen bei dreidimensionalen Körpern zu verzahnen. Dadurch wird die Übertrag- barkeit des Wissens in variierenden Übungsformaten unterstützt, und künstlich wirkende Trennungen zwischen inhaltlich verknüpften Lehrplaneinheiten werden vermieden. Der Vernetzung von Begriffen der Flächeninhalts- und Volumenberechnung dient auch die

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Entwicklung des Flächeninhalts- und Volumenbegriffs durch vielfältige handelnde, bild- liche und symbolische Repräsentationen. Hier können die in den Abschn.7.1.3und7.1.4 eingeführten Aspekte und Kontexte des Messens zugrunde gelegt werden, um handeln- de Formen des Auslegens und Vergleichens mit eher symbolisch geprägten Aspekten des Messens durch Berechnen zu verknüpfen.

Über die in Abschn.7.1.3beschriebenen Aspekte des Messens hinaus können intuitive Vorstellungen aus der Erfahrungswelt der Lernenden von Bedeutung für ihr Verständnis sein. Beispielsweise kann Flächeninhalt mit der durch Berühren erfahrbaren Fläche (et- was „Flaches“) oder Oberfläche (eine Art Randbegrenzung) und deren Größe assoziiert werden, größere „Flächen“ wie die Wasserfläche eines Sees oder die Fläche eines Ge- treidefelds könnten durch Befahren oder Begehen bzw. durch Betrachten oder Abbilden von oben „ermessen“ bzw. abgeschätzt werden. Die Idee des Ausfüllens findet sich etwa beim Pflastern von Gehwegen oder Verlegen von Teppichboden. Der Gedanke des Über- deckens bezieht sich etwa auf Vorstellungen, wie viel Packpapier oder wie viel Plane man braucht, um eine Fläche zu bedecken. Das Ausmalen (größere Flächeninhalte „dauern meist länger“) oder der Farbbedarf (für größere Flächeninhalte wird mehr Farbe benö- tigt) ermöglichen Bezüge zu weiteren Größen (Zeit, Farbmenge z. B. in Litern). Solche intuitiven Vorstellungen erlauben Erkenntnisgewinne für die Flächenmessung (z. B. „zum Ausmalen einer inhaltsmäßig doppelt so großen Figur braucht man doppelt so lange“ – unter der Annahme, dass die betrachteten Figuren nicht unterschiedlich kompliziert aus- zumalen sind), es können sich jedoch auch präzisierungsbedürftige Vorstellungen ergeben (z. B. nicht jeder Tisch, für den man „zwei Tischdecken benötigt“, ist genau doppelt so groß wie ein Tisch, für den eine Tischdecke ausreicht).

Intuitive Vorstellungen können gut mit experimentellen Zugängen zur Flächeninhalts- und Volumenmessung angesprochen werden, um das Verständnis von Schülerinnen und Schülern zur Flächeninhalts- und Volumenbestimmung zu unterstützen. Dabei handelt es sich nicht um mathematisch-formale Vorgehensweisen, sondern um experimentierende, Einsicht generierende Verfahren. Dazu zählen beispielsweise Umschüttversuche bei der Betrachtung von Volumina. Wenn etwa den Lernenden die Formel für das Prismenvo- lumen bekannt ist und die für das Pyramidenvolumen erarbeitet werden soll, kann ein solcher Umschüttversuch durchgeführt werden: Verschiedene Pyramidenmodelle werden mit Sand oder alternativ mit (gefärbtem) Wasser gefüllt und der Inhalt dann in ein Prisma mit der gleichen Grundfläche und mit der gleichen Höhe umgefüllt. Man muss den Pyra- mideninhalt jeweils dreimal in das Prisma füllen, damit dieses voll wird. Dieser Versuch soll veranschaulichen, dass die Pyramide ein Drittel des entsprechenden Prismenvolumens fasst.

Es gibt auch ein zweidimensionales Analogon zu Umschüttversuchen für den Vergleich von Flächeninhalten (Abb.7.6).

Vergleichbaren veranschaulichenden Wert haben Versuche mit Verdrängung (Körper wird in ein volles Überlaufgefäß getaucht) oder Wiegen (etwa beim Flächeninhalt mit Fi- guren aus Pappe). Dass guten Ideen hier kaum Grenzen gesetzt sind, wird an dem Beispiel der Herleitung der Oberflächenformel der Kugel durch das Schälen einer Orange deutlich:

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7.2 Flächeninhaltsbegriff und Volumenbegriff 161

Abb. 7.6 Ausfüllen mit (125) kleinen Plättchen: Der Flächeninhalt der rechten Figur ist offenbar größer als der des Rechtecks

Die Schülerinnen und Schüler zeichnen Kreise mit dem Durchmesser einer Orange. Dann wird die Orange geschält, und die kleinen Schalenstücke werden möglichst flächende- ckend in die Kreise gelegt. Das Ergebnis motiviert dazu, dass die Kugeloberfläche den vierfachen Flächeninhalt des entsprechenden Kreises hat.

Mathematische Formalisierung des Flächeninhaltsbegriffs

Ausgehend von intuitiven Vorstellungen wurden in der Mathematik Formalisierungen der Vorstellungen von „Flächeninhalt“ entwickelt. Im folgenden Exkurs wird in groben Zügen die axiomatische Formalisierung des Flächeninhaltsbegriffs nach David Hilbert (vgl. Kap. 9) vorgestellt. Der Sinn axiomatischer Formalisierungen besteht darin, Be- griffe unabhängig von intuitiven Vorstellungen festzulegen. Die formale Beschreibung des Flächeninhaltsbegriffs fasst zentrale Eigenschaften zusammen, die eine dafür ent- wickelte Flächenmaßfunktion charakterisieren. Auch wenn intuitive Vorstellungen in den Hintergrund treten, enthält diese formale Charakterisierung wichtige Grundgedanken des Flächeninhaltsbegriffs. Zu diesen Grundgedanken gehören das Auslegen und das Zerle- gen, die als Ideen in den folgenden beiden Abschnitten jeweils zu Beginn aufgegriffen und inhaltlich weitergeführt werden.

Exkurs: Mathematische Formalisierung des Flächeninhaltsbegriffs

Der Flächeninhalt einer Figur der Euklidischen Ebene ist definiert über eine sogenannteFlächen- maßfunktion, deren axiomatische Fundierung letztlich auf David Hilbert (1862–1943) zurückgeht (Hilbert 1972, vgl. Krauter 2005). Diese Flächenmaßfunktion ordnet jeder ebenen geometrischen Figur eine (reelle)Flächenmaßzahl(denFlächeninhalt) A zu. Dabei müssen folgende Eigenschaf- ten gelten (vgl. Kratz 1993):

(1) Der Flächeninhalt ist immer größer oder gleich null.

(2) Quadrate der Seitenlänge 1 LE haben den Flächeninhalt A = 1 LE2(dabei ist die Einheit 1 LE2 für den Flächeninhalt in üblicher Weise auf die Einheit 1 LE für die Längenmessung abge- stimmt).

(3) Wenn zwei Figuren kongruent sind, dann sind auch ihre Flächeninhalte gleich.

(4) Sofern eine Figur in Teilfiguren zerlegt werden kann, ist der Flächeninhalt der Figur gleich der Summe der Flächeninhalte der Teilfiguren.

(14)

Abb. 7.7 Dreieck aus kongru- enten Dreiecken

Die Flächenmaßfunktion ordnet also beispielsweise einer Figur, die in vier kongruente Teilfigu- ren bekannten Flächeninhalts zerlegt werden kann, den vierfachen Flächeninhalt dieser Teilfiguren zu (Abb.7.7).

Eine ausführlichere Darstellung zur Flächenmaßfunktion und den entsprechenden Axiomen ge- ben Krauter (2005, S. 103 f.) und Holland (1996, S. 188 f.). Holland ordnet Flächen- und Rauminhalt als sogenannte „Maßbegriffe“ ein und räumt ihnen dadurch einen im Vergleich zu anderen geome- trischen Begriffen speziellen Status ein (Holland 1996, S. 157; vgl. auch Kadunz und Sträßer 2007, S. 143). Eine Variante in der fachlichen Darstellung zum Flächeninhaltsbegriff findet sich in Schupp (1971, S. 89 ff).

Für den Mathematikunterricht der Sekundarstufe I ist eine axiomatische Einführung des Flächeninhalts nicht sinnvoll, da intuitive und inhaltliche Vorstellungen der Lernenden eine Voraussetzung dafür sind, um die Bedeutung von Axiomensystemen überhaupt nach- vollziehen oder verstehen zu können. Auch eine Thematisierung weiterer diffiziler Fragen zu Beginn ist problematisch: Eine dieser Fragen ist die Frage nach der Zugehörigkeit des Randes einer Fläche. In Abb.7.8„fehlen“ beim rechten Quadrat die Randpunkte, d. h. die unendlich vielen Punkte auf den Verbindungsstrecken der Eckpunkte. Beide Punktmen- gen haben aber dasselbe Flächenmaß. Die Frage, wohin der Rand gehört, stellt sich etwa beim Zerlegen einer Figur in zwei Teilfiguren.

Eine weitere Frage ist, ob im Unterricht vorzugsweise (gleichsam einheitenlos) mit LE und evtl. LE2 gearbeitet werden soll oder ob stets konkrete Maßangaben – mit allen Fehlerquellen beim Umgang mit Einheiten – verwendet werden sollten. Hier gibt es un- terschiedliche Antworten: Eine Möglichkeit besteht darin, zunächst konsequent Einheiten (m2, cm2 etc.) zu betrachten und diese später in innergeometrischen Kontexten wegzu- lassen, wenn es z. B. um den Flächeninhalt des Einheitskreises (r = 1) geht. Eine andere

Abb. 7.8 Quadrat mit und ohne Rand

A

1

= A

2

(15)

7.2 Flächeninhaltsbegriff und Volumenbegriff 163 Möglichkeit ist es, beispielsweise anhand von Kästchen auf Karopapier oder Quadraten am Geobrett zunächst einheitenlos mit Flächeninhalten zu arbeiten und dann für An- wendungssituationen die bekannten dafür notwendigen Einheiten einzuführen. Insgesamt kommt es sicherlich auf ein transparentes Vorgehen der Lehrkraft und ein konsequentes Durchhalten des gewählten Weges an.

7.2.3 Auslegen bzw. Ausfüllen

Aus der Charakterisierung der im letzten Abschn.7.2.2vorgestellten Flächenmaßfunktion lässt sich die Methode des Messens durch Auslegen eines Flächenstücks mit kongruen- ten Flächenstücken einer Norm- oder Bezugsgröße folgern. Dies entspricht dem Messen- durch-Auslegen-Aspekt in Abschn.7.1.3, der für den Unterricht handelnde Zugänge er- möglicht.

Diese Überlegung kann beispielsweise bei der Herleitung der Flächeninhaltsformel für das Rechteck angewendet werden: A = ab1 cm2(wobei a und b die jeweiligen Anzahlen horizontal und vertikal nebeneinanderliegender Einheitsquadrate sind; vgl. Abb.7.9).

Zu beachten ist an dieser Stelle, dass diese Berechnung nicht gleichbedeutend mit der Flächenformel A = ab (mit a und b als Streckenlängen) ist. Bisher wurden bei der Herlei- tung oben nur Anzahlen von Einheitsquadraten multipliziert. Dass 1 cm1 cm = 1 cm2ist, ist eine zusätzliche Vereinbarung, die getroffen wird, um den Bezug zur Flächenformel A = ab herzustellen. Analog ergibt sich 1 dm2= 1 dm1 dm = 10 cm10 cm = 100 cm2, woraus der Umrechnungsfaktor 100 für die Umrechnung von dm2 in cm2 gewonnen werden kann. Diese Überlegungen zum Zusammenhang zwischen Flächeninhalts- und Längenmessung sollten auch genutzt werden, um Vorteile des Messens durch Berechnen (vgl. Abschn.7.1.3, hier mit Nutzung der Längenmessung für die Flächeninhaltsmessung) deutlich zu machen.

Die Überlegungen zum Auslegen sind auf die Volumenmessung übertragbar: Hier kön- nen Quadervolumina durch räumliches Auslegen bzw. Ausfüllen beispielsweise mit Ku- bikzentimeterwürfelchen bestimmt werden. Daraus kann durch systematisches Zählen die Volumenformel V = abc1 cm3abgeleitet werden (vgl. Abb.7.10), wobei die Zahlen a, b und c die Anzahl der Würfel in der Längen-, Breiten- bzw. Höhenrichtung bezeichnen.

Wieder ist zu berücksichtigen, dass 1 cm3= 1 cm1 cm1 cm vereinbart werden muss.

Abb. 7.9 Auslegen eines Rechtecks durch Einheits-

quadrate b

a

(16)

Abb. 7.10 Ausfüllen eines Quaders durch Messwürfel- chen

Zum Ausfüllen/Auslegen z. B. eines Kartons mit Einheitswürfeln gibt es auch eine handlungsgestützte Umkehrfrage: Wie kann ein Körper gegebenen Volumens aussehen?

Hier könnten die Lernenden mit Einheitswürfeln z. B. geeignete Quader herstellen (für Flächenmessung vgl. z. B. NCTM 1987, S. 8 und grundschulspezifisch Franke 2007, S. 182).

7.2.4 Zerlegen und Ergänzen

Die in Abschn.7.1.2vorgestellte Charakterisierung der Flächenmaßfunktion korrespon- diert mit der Idee der Zerlegungs- und Ergänzungsgleichheit. Diese Idee hilft u. a., die oben anschaulich hergeleitete Formel zur Berechnung des Flächeninhalts eines Rechtecks auf weitere ebene Figuren zu übertragen bzw. passende Berechnungsformeln für Flächen- inhalte herzuleiten.

Beispielsweise kann die Flächeninhaltsformel für Parallelogramme durch Zerlegen ei- nes geeignet gewählten Trapezes gewonnen werden. In Abb.7.11ist dargestellt, dass zwei kongruente und damit nach (3) – siehe Exkurs in Abschn.2.2.2– flächeninhaltsgleiche Trapeze in ein Parallelogramm und ein rechtwinkliges Dreieck einerseits bzw. in ein dazu kongruentes rechtwinkliges Dreieck und ein Rechteck andererseits zerlegt werden können.

Da nach (4) jeweils die Summe der Flächeninhalte gleich dem ursprünglichen Flächenin- halt des Trapezes ist und nach (3) der Flächeninhalt der Dreiecke gleich groß ist, folgt die Flächeninhaltsgleichheit des Parallelogramms und des Rechtecks in Abb.7.11unten.

Die Länge der einen Rechteckseite stimmt mit der Länge g der Grundlinie des Paral- lelogramms überein. Die andere Länge der Rechteckseite entspricht der Länge der Hö- he h des Parallelogramms. Damit folgt die Flächeninhaltsformel für das Parallelogramm A = gh aus der Formel für das Rechteck.

Diese Argumentation lässt sich auf den Gedanken der Ergänzungsgleichheit übertra- gen: Geht man in Abb.7.11von einem Rechteck und einem entsprechendem Parallelo- gramm aus und ergänzt man jeweils mit dem Dreieck, so kann man begründen, dass die entstehenden Trapeze kongruent sind, woraus sich mittels deren Flächeninhaltsgleichheit ebenfalls die Flächeninhaltsformel für Parallelogramme herleiten lässt. Eine andere Vari- ante der Herleitung durch Ergänzen ist in Beispiel7.5dargestellt.

(17)

7.2 Flächeninhaltsbegriff und Volumenbegriff 165

Abb. 7.11 Flächeninhaltsgleichheit von Rechteck und Parallelogramm

Beispiel 7.5: Flächeninhalt des Parallelogramms

Der Flächeninhalt des oben gezeigten Parallelogramms ist gleich dem Flächeninhalt des Rechtecks oben rechts, da sich die jeweilige Figur durch Ergänzung mit paarweise kongruenten Dreiecken zu dem kongruenten Rechteck in der jeweils unteren Abbildung ergänzen lässt.

Angemerkt sei zu den Herleitungen oben, dass für einen mathematischen Beweis noch zusätzliche Argumentationen angestellt werden müssen: So ist für Beispiel7.5zu begrün- den, dass die Dreiecke wirklich so passend angefügt werden können, dass ein Rechteck entsteht.

Rund um die Ideen des Zerlegens und Ergänzens gibt es vielfältige Aufgaben, die ma- thematisches Argumentieren anregen können (vgl. Beispiele7.6und7.7). Bei Beispiel7.6 braucht man übrigens kein Wissen über die Berechnung des Flächeninhalts von Ellipsen.

(18)

Beispiel 7.6: Argumentieren mit Flächeninhalten Die beiden Ellipsen haben den gleichen Flächeninhalt.

Begründe, dass dann die Flächenstücke außerhalb des Überdeckungsbereichs flä- cheninhaltsgleich sind.

Beispiel 7.7: Flächeninhalt des Mittenvierecks

Schülerinnen und Schüler können mit Hilfe von Dynamischer Geometrie-Software entdecken, dass und auch warum das Mittenviereck den halben Flächeninhalt des Aus- gangsvierecks hat (Elschenbroich 2009).

A B

C D

E

F G

H

A B

C D

E

F G

H L

A B

C D

E

F G H

L

Anhand der abgebildeten Zerlegungsdreiecke des Mittenvierecks, die durch Punkt- spiegelung zweier Dreiecke im Bild links gewonnen werden können, kann beim nach- träglichen Verändern des Vierecks in der Geometrie-Software nachvollzogen werden, dass für ein Dreieck im Mittenviereck offenbar je ein dazu kongruentes Dreieck außer- halb des Mittenvierecks existiert. Diese Überlegung ist natürlich in dieser Form noch kein Beweis.

7.2.5 Flächen- und Körperverwandlungen

Figuren können durch Zerlegen und Neu-Zusammensetzen sowie evtl. auch durch geeig- netes Scheren in andere, flächeninhaltsgleiche Figuren überführt werden. So eine Methode der Flächenverwandlung für das Beispiel der oben betrachteten Herleitungen der Flächen- inhaltsformel für das Parallelogramm ist in Abb.7.12a dargestellt.

Allerdings funktioniert diese Flächenverwandlung des Parallelogramms nicht in glei- cher Weise, wenn in Abb.7.12die andere Parallelogrammseite als Grundlinie verwendet wird (etwa bei einer gedrehten Figur).

Die Methode der Flächenverwandlung kann auch auf Dreiecke angewendet werden (vgl. Abb.7.12b). Hier können durch Mittellinie und Höhe über einer Seite zwei Dreiecke

(19)

7.2 Flächeninhaltsbegriff und Volumenbegriff 167

a b

Abb. 7.12 Verwandlung in ein flächengleiches Rechteck durch Abschneiden und Anfügen eines Dreiecks (a) bzw. zweier Dreiecke (b)

erzeugt werden, die – abgeschnitten und nach Punktspiegelung an je einer Seitenmitte wieder angefügt – das Dreieck in ein flächengleiches Rechteck überführen. Da Letzte- res als Seitenlängen die Länge g der Grundlinie des Dreiecks und die halbe Höhe h des ursprünglichen Dreiecks hat, ergibt sich die Flächeninhaltsformel für Dreiecke als A = 1/2gh. Dabei ist allerdings zu beachten, dass der alternative Fall einer außerhalb des Dreiecksinneren liegenden Höhe zusätzliche Überlegungen erfordert (vgl. etwa Fri- cke 1983, S. 48 ff.).

Flächenverwandlungen sind meist auf vielfältige Weise möglich: So ist auch eine Ver- wandlung des Dreiecks in ein flächeninhaltsgleiches Parallelogramm möglich, indem ent- lang der Mittellinie ein Teildreieck abgeschnitten und an einer benachbarten Seitenmitte punktgespiegelt wird. Möglich ist auch ein Übergang zu einem Parallelogramm des dop- pelten Flächeninhalts durch Anfügen eines zweiten, kongruenten Dreiecks mit nachfol- gender Halbierung des Flächeninhalts beim Parallelogramm.

Weitere Gedanken zu Herleitungsvarianten der Flächeninhaltsformeln für Dreieck, Par- allelogramm und andere Figuren finden sich beispielsweise bei Schupp (1971, S. 89 ff.) und bei Vollrath (1982, S. 28).

Analoge Überlegungen können bei der Volumenberechnung angestellt werden, wenn beispielsweise ein Dreiecksprisma durch Abschneiden und Wiederanfügen von Teilpris- men in einen volumengleichen Quader umgewandelt wird.

Flächenverwandlungen können auch durch Scherung bewerkstelligt werden. In Abb. 7.13 wird die Flächengleichheit eines Rechtecks und eines Parallelogramms mit gleicher Grundlinie und Höhe heuristisch anhand einer näherungsweisen Betrachtung

„sehr dünner“ Flächenstreifen demonstriert.

Sieht man sich das Phänomen in Abb.7.13im Dreidimensionalen an, so ergibt sich eine anschauliche Herleitung dafür, dass Quader und Spate, die durch Scherung eines Quaders

(20)

Abb. 7.13 Flächenverwandlung durch Scherung schematisch und beim Papierstapel

parallel zu einer seiner Seitenflächen entstanden sind, volumengleich sind. In analoger Weise kann veranschaulicht werden, dass ein schiefer Kreiszylinder volumengleich zu einem geraden Kreiszylinder mit gleicher Höhe und gleichem Grundkreisradius ist. Eine mathematische Begründung dieser heuristischen Überlegungen bietet hierzu das Prinzip von Cavalieri.

Das Prinzip von Cavalieri besagt, dass zwei auf einer gemeinsamen Ebene stehende Körper volumengleich sind, wenn ihre Schnittflächen mit jeder zu dieser Ebene parallelen Ebene jeweils den gleichen Flächeninhalt haben. Dies wird in Barth et al. (1996, S. 143) für das Pyramidenvolumen wie in Abb.7.14für Schülerinnen und Schüler aufbereitet.

Abb. 7.14 Prinzip von Cava- lieri wie in Barth et al. (1996, S. 143) dargestellt

(21)

7.2 Flächeninhaltsbegriff und Volumenbegriff 169 Eine etwas ausführlichere Darstellung zum Prinzip von Cavalieri findet sich bei Schupp (1971, S. 162 f.). Eine Veranschaulichung mit dynamischer Raumgeometrie-Software stellt Schumann (2001, S. 189) vor.

Man kann übrigens für die Gleichheit von Flächeninhalten auch ein zweidimensionales Analogon des Prinzips von Cavalieri formulieren.

7.2.6 Approximieren von Flächen- und Rauminhalten

Näherungsüberlegungen spielen bei der Herleitung von Flächen- und Rauminhaltsformeln eine wichtige Rolle. Approximieren kann als immer bessere Messung von Flächen- und Rauminhalten gesehen werden. In den folgenden Beispielen7.8,7.9,7.10und7.11werden verschiedenartige Näherungsverfahren für den Kreisflächeninhalt und für das Volumen des geraden Kreiskegels vorgestellt, bei denen ausgehend von einer Approximation unterschied- liche Grenzprozesse entwickelt werden. Eine ganze Reihe weiterer Beispiele könnte hier aufgeführt werden, wie etwa der Übergang von der Volumenformel der Pyramide zu der des Kreiskegels, der mittels der Überlegung erfolgen kann, dass die kreisförmige Grundfläche durch reguläre Polygone mit immer höhererEckenzahl immerbesser angenähert wird. Inana- loger Weise betrifft dies auch den Übergang von der Prismen- zur Zylindervolumenformel.

Beispiel 7.8: Näherung des Kreisflächeninhalts mit Polygonen

Ein Kreis kann durch Polygone mit immer höherer Eckenzahl angenähert werden, wo- durch sich auch der Kreisflächeninhalt immer genauer bestimmen lässt. Beispielsweise kann das Verfahren von Archimedes als eine von mehreren Herleitungsmöglichkeiten verwendet werden, dessen erste beiden Näherungsschritte von zwei Schülerinnen der 10. Jahrgangsstufe (Gymnasium) auf dem folgenden Poster dargestellt werden:

Dieses Verfahren kann durch weitere Verdopplungsschritte der Eckenzahl immer weiter fortgesetzt werden.

(22)

Beispiel 7.9: Monte-Carlo-Methode

Eine stochastische Näherung des Kreisflächeninhalts besteht darin, Zufallspunkte in einem Quadrat zu erzeugen, dem ein Kreis einbeschrieben ist.

Für eine hohe Anzahl von Zufallspunkten sollte das Verhältnis der Anzahlen der Punkte innerhalb des Kreises und außerhalb immer näher am Wert des Verhältnisses der beiden Flächeninhalte von Kreis und Quadrat liegen.

Dieses Verfahren kann auch auf die Volumenmessung angewendet werden, wenn Zufallspunkte im dreidimensionalen Raum generiert werden.

Abb. 7.15 Zufallspunkte

Beispiel 7.10: Herleitung der Kreisflächeninhaltsformel

Anschaulich-heuristische Herleitung der Flächeninhaltsformel für den Kreis (bei bekannter Kreisumfangsformel):

Eine eher heuristische Herleitung der Formel für den Kreisflächeninhalt bei be- kannter Kreisumfangsformel (U = 2 r) besteht darin, dass in einem Grenzprozess die Kreisscheibe in 2n Sektoren zerlegt und die Sektoren wie oben rechts gezeigt aneinan- dergelegt werden. Für über alle Grenzen wachsendes n ergibt sich „immer besser“ ein Rechteck mit den Seitenlängen r und 1/2 U. Dies liefert die Flächeninhaltsformel für den Kreis:

AKreisDr1

22r Dr2 :

(23)

7.2 Flächeninhaltsbegriff und Volumenbegriff 171

Beispiel 7.11: „Scheibchenmethoden“

r

r

n h

h n

„Scheibchenmethoden“ können (insbesondere am Gymnasium) bei der Kugel-, Py- ramiden- und Kegelvolumenformelherleitung Anwendung finden. Die Idee ist hier, sich einen Näherungskörper „scheibchenweise“ aus Zylindern bzw. Prismen zusammenge- setzt vorzustellen, dessen Volumen als Summe der Volumina der Teilkörper angenähert und bei einer über alle Grenzen wachsenden Scheibchenanzahl als Grenzwert berech- net werden kann. Für die Pyramide findet sich ein entsprechendes Verfahren bei Schupp (1971, S. 156 f.).

Der obenstehende gerade Kreiskegel sei wie abgebildet durch n Zylinder gleicher Höhe angenähert. Das Volumen Vnder aus den Zylindern zusammengesetzten Scheib- chenfigur beträgt:

VnDhn r

n

2 Chn2r

n

2 C: : :Chnnr

n

2  Dhn r

n

2 

1C4C9C: : :Cn2 :

Mit der Formel für die Summe der ersten n Quadratzahlen ergibt sich:

VnDhn r

n

2 16.2nC1/.nC1/n Dhr2 162nC1n nC1n

Dhr2 16

2C1n 1C1n

!n!1 hr2 162D13 r2 h:

Dies ist die gesuchte Volumenformel VKegelD13 r2 hD 13Gh.

(24)

7.2.7 Zusammenhänge: Flächeninhalts- und Volumenformeln

Flächen- und Rauminhalte können bestimmt werden, indem Zusammenhänge zwischen bereits bekannten Formeln ausgenutzt werden. So ist die Flächeninhaltsformel für das Quadrat ein Spezialfall der Formel für das Rechteck, diese ist wiederum ein Spezialfall der Flächeninhaltsformel für das Parallelogramm. Letztere kann als Spezialfall der Flächen- inhaltsformel für das Trapez gesehen werden. Die Flächeninhaltsformel für das Dreieck kann ebenfalls als Grenzfall der Formel für das Trapez angesehen werden, wenn eine der beiden Parallelseiten zur Länge 0 entartet.

Auch können Analogien zwischen Flächen- und Rauminhaltsformeln aufgezeigt wer- den, indem beispielsweise Überlegungen zu Verwandtschaften zwischen der Flächenin- haltsformel für Dreiecke (AD12gh) und der Volumenformel für Pyramiden (VD13Gh) betrachtet werden (vgl. Vollrath 1999).

Den Lernenden sollten derartige Zusammenhänge zwischen Formeln bewusst sein, um Formeln sinnhafter und bedeutungshaltiger zu verstehen. Gerade beim Lernen von For- meln besteht die Gefahr, dass auswendig gelerntes und verbindungsloses, sogenanntes

„träges Wissen“ (Renkl 1996) entsteht, das schnell vergessen wird.

7.3 Funktionale Zusammenhänge, Flächeninhalt und Volumen Bei der Messung von Flächeninhalt und Volumen werden ebenen Figuren bzw. räum- lichen Körpern bestimmte Größen zugeordnet. Betrachtet man bestimmende Größen der Figuren bzw. Körper, wie beispielsweise die Kantenlänge eines Würfels, Höhe und Grund- kreisradius eines Kreiskegels etc. als Variablen, so bestehen funktionale Zusammenhänge zwischen diesen bestimmenden Größen und den Flächeninhalts- bzw. den Volumen- oder auch den Oberflächeninhaltsmaßen. Bei als konstant betrachtetem Flächeninhalt oder Vo- lumen kann man auch funktionale Zusammenhänge zwischen den bestimmenden Grö- ßen untersuchen. Derartige funktionale Zusammenhänge sind einerseits Folge von Über- legungen der Flächeninhalts- bzw. Volumenmessung, andererseits können sie aber das Verständnis des Zusammenhangs zwischen geometrischer Figur bzw. Körper und ihrem Flächeninhalts- bzw. Volumen- oder Oberflächeninhaltsmaßen in spezifischer Weise un- terstützen, denn Lernende können über solche funktionale Zusammenhänge auch inhaltli- che Vorstellungen zu den geometrischen Objekten (Figur/Körper) und deren Flächeninhalt bzw. Volumen aufbauen. Feststellungen der folgenden Art stehen exemplarisch für sol- ches Wissen über Zusammenhänge: „Das Quadervolumen wächst (bei gleichbleibender Grundfläche) linear mit der Höhe des Quaders, es kann also zusammen mit seiner Hö- he ,größer gezogen‘ werden“, „Auf den Dreiecksflächeninhalt wirken Grundlinie und Höhe jeweils proportional ein“, „Der Flächeninhalt eines Dreiecks wächst bei maßstäb- licher Vergrößerung quadratisch“, „Bleibt der Flächeninhalt eines Rechtecks gleich und sind seine Seitenlängen variabel, so sind diese Seitenlängen indirekt proportional zuein- ander.“ Wesentliches Kennzeichen solcher Überlegungen ist es, dass man Figuren bzw.

(25)

7.3 Funktionale Zusammenhänge, Flächeninhalt und Volumen 173 Körper als dynamisch variierbar begreift und ebenfalls in dynamischer Weise Änderun- gen beispielsweise der Flächeninhalts- und Volumenmaße betrachtet. Bezogen auf den Funktionsbegriff steht hierbei der Kovariationsaspekt (Malle 2000) mit im Vordergrund, der Zuordnungsaspekt, der bei der Ermittlung von Flächeninhalt bzw. Volumen (statisch) vorgegebener Figuren bzw. Körper die dominierende Rolle spielte, tritt vergleichsweise bei solchen dynamischen Überlegungen oft stärker zurück.

Dies geht so weit, dass überlegt werden kann, wie der Fokus auf funktionale Zu- sammenhänge bereits bei der Einführung von Flächeninhalts- bzw. Volumenformeln eine zentrale Stellung bekommen könnte. Insbesondere Dynamische Geometrie-Software bie- tet hier für den Unterricht spezifische Möglichkeiten:

Die zumindest näherungsweise Berechnung der Flächeninhalte von Polygonen wird bei der Nutzung dynamischer Geometrie-Software nämlich per Mausklick erledigt. Wird die Figur durch Verziehen beispielsweise ihrer Eckpunkte verändert, so verändern sich auch die in die Figur integrierten Längen- und Flächeninhaltsangaben. Diese interaktive Repräsentation des zugrunde liegenden funktionalen Zusammenhangs kann im Unterricht produktiv genutzt werden, indem man ein sogenanntes Black-Box-White-Box-Vorgehen (Weigand und Weth 2002) wählt. Dies bedeutet, dass die Berechnung des Flächeninhalts durch die Software zunächst gleichsam als eine „Black Box“ verwendet wird, um die der Berechnung des Flächeninhalts zugrunde liegenden funktionalen Zusammenhänge zu erkunden. Dadurch wird die Black Box, deren „Funktionsweise“ immer weiter aufge- klärt wird, zu einer „White Box“. Im Folgenden wird dies an einer Beispiellernumgebung konkretisiert. Schrittweise könnten beispielsweise die der Flächeninhaltsformel für das Parallelogramm zugrunde liegenden funktionalen Zusammenhänge von Schülerinnen und Schülern in folgender Weise beispielsweise in interaktiven DGS-gestützten Arbeitsblät- tern (vgl. Abb.7.16–7.19) erarbeitet werden:

Zunächst bietet es sich an, bei der bereits bekannten Flächeninhaltsformel von Recht- ecken explizit die zugrundeliegenden funktionalen Zusammenhänge ins Blickfeld zu

Abb. 7.16 Aufgabe zum Erkunden funktionaler Zusammenhänge beim Recht- ecksflächeninhalt

(26)

rücken, denn deren Untersuchung wird die Schlüsselaktivität für die folgenden Schritte darstellen. Anhand eines von den Lernenden im DGS variierbaren Rechtecks kön- nen diese das lineare Anwachsen des Flächeninhalts bei Vergrößerung einer Recht- ecksseite (und gleichzeitigem Konstanthalten der anderen Rechtecksseite) beobachten, entsprechend auch bei der anderen Rechtecksseite, und sich die beobachteten funk- tionalen Zusammenhänge anhand der bereits bekannten Flächeninhaltsformel erklären (vgl. Aufgabenbeispiel in Abb.7.16).

Im nächsten Schritt könnten die Lernenden dazu angeregt werden, zu erkennen, dass der Flächeninhalt für das Parallelogramm im Allgemeinen nicht wie bei Rechtecken gleich dem Produkt zweier Kantenlängen ist (es sei denn, es handelt sich um ein recht- eckiges Parallelogramm, vgl. Beispiel in Abb.7.17). Dies kann durch Variieren eines Parallelogramms erreicht werden, wenn die Lernenden jeweils überprüfen, ob das Pro- dukt der Seitenlängen zum vom DGS angegebenen Flächeninhalt passt.

Anschließend können entsprechende Aufgabenstellungen die Lernenden dabei unter- stützen, durch Variieren flächeninhaltsgleiche Parallelogramme herzustellen. Dabei sollen die Lernenden im Idealfall erkennen, dass Parallelogramme gleicher Grundli- nienlänge genau dann gleich großen Flächeninhalt haben, wenn sie die gleiche Höhe haben und dass bei Parallelogrammen gleichen Flächeninhalts das mit der längeren Grundlinie eine geringere Höhe hat etc. (vgl. Abb.7.18).

Durch sukzessives Vervielfachen einer Grundlinie bzw. Höhe können die Lernenden in einem nächsten Schritt experimentell den proportionalen Zusammenhang zwischen Flächeninhalt und Grundlinie bzw. Höhe erkennen (vgl. Abb.7.19).

Abb. 7.17 Aufgabe zum Erkennen, dass der Paralle- logrammflächeninhalt sich funktional nicht aus dem Pro- dukt der Seitenlängen ergibt

(27)

7.3 Funktionale Zusammenhänge, Flächeninhalt und Volumen 175 Abb. 7.18 Aufgabe zur Unter-

suchung flächeninhaltsgleicher Parallelogramme und Zu- sammenhängen zwischen Bestimmungsgrößen

Abb. 7.19 Aufgabe zum suk- zessiven Vervielfachen von Bestimmungsstücken und Auswirkungen auf den Parallelogrammflächeninhalt

Über den Sonderfall des Rechtecks kann schließlich der Proportionalitätsfaktor gefun- den werden, die nun experimentell hergeleitete Flächeninhaltsformel aufgestellt und diese an weiteren Beispielen geprüft werden. Auf diese Weise gibt es für die Lernenden die Möglichkeit, die zunächst als „Black Box“ verwendete Flächeninhaltsberechnung durch das DGS zu verstehen und somit experimentell „aufzuklären“.

(28)

Dieses Vorgehen kann durch geeignete Strukturierungen und Untersuchungsaufträ- ge in einer schüler(innen)zentrierten Arbeitsweise umgesetzt werden (Sojer 2007), bei der Lernziele im Bereich der Leitidee „Funktionaler Zusammenhang“ (KMK 2004) ver- schränkt mit der Idee des Messens im Mittelpunkt stehen. In der in Sojer (2007) vorge- stellten, insgesamt am Konzept des Lernens mit Lösungsbeispielen orientierten Lernum- gebung werden darauf aufbauend auch die Flächeninhaltsformeln von Dreieck und Trapez über die Untersuchung funktionaler Zusammenhänge hergeleitet. Sojer (2007) stellt au- ßerdem Ergebnisse einer kleinen empirischen Studie zur Lernumgebung vor.

Ein ähnliches Vorgehen ist grundsätzlich auch für die Volumenbestimmung denkbar, wobei Dynamische Raumgeometrie-Software gewinnbringend eingesetzt werden könnte (vgl. Schumann 2007).

Dabei muss die Schwierigkeit berücksichtigt werden, dass räumliche Körper am Bild- schirm zunächst nur zweidimensional visualisiert werden können (vgl. Abb. 7.20) und auch die Betrachtung mit 3D-Brillen (wie in GeoGebra 3D möglich, siehe z. B. Abb.7.21) oft im Vergleich zu haptisch erfahrbaren Objekten zunächst nur einen teilweisen Eindruck vom Volumen eines Körpers gibt. Dreidimensionale Veränderungen von Körpern erfor- dern überdies spezielle Bedienungsmodalitäten, entsprechende Schieberegler könnten die

Abb. 7.20 Umsetzung einer Darstellung eines veränderbaren Tetraeders, dessen Volumen durch Schieberegler im 2D-Fenster beeinflusst werden kann

(29)

7.4 Ausblicke 177 Abb. 7.21 Mit 3D-Brille be-

trachtbare Darstellung des Tetraeders von Abb.7.20in Geogebra®als Möglichkeit, auf diese Weise einen visuellen Eindruck vom (veränderbaren) Volumen des Tetraeders zu bekommen

Lernenden hier jedoch unterstützen, wie es in Abb.7.20als Beispiel in Geogebra®um- gesetzt ist. Entsprechende Aufgabenstellungen für die Lernenden müssten natürlich noch ergänzt werden.

7.4 Ausblicke

Die Flächen- und Volumenmessung hat noch mehr Aspekte oder Facetten, als in die- sem Kapitel dargestellt werden konnten. Insbesondere im Vernetzungsbereich zu anderen Inhalten kommen der Flächen- und Volumenberechnung noch weitere Bedeutungen zu.

Folgende Bezüge sollen dazu anregen, das Thema weiterzuverfolgen:

Der Satz des Pythagoras ist eine Aussage über Flächeninhalte mit Anwendungen jen- seits der Flächenberechnung.

Flächeninhalts- und Volumenbetrachtungen können als Argumentations- und Beweis- mittel verwendet werden. Dies geht über die Beispiele in Abschn. 7.2.4weit hinaus.

Bei Kadunz und Sträßer (2007, S. 100 f.) finden sich Beispiele zu den Sätzen aus der Satzgruppe des Pythagoras.

Eine Reihe von weiteren Inhaltsbereichen sollte ebenfalls berücksichtigt werden und hält interessante Lerngelegenheiten bereit. Dazu gehört beispielsweise der Flächenin- halt eines Kreissektors, das Volumen von Kugelteilen, Oberflächenbetrachtungen z. B.

am geraden Kreiskegel, Flächeninhaltsmessungen ebener Polygone mit dem Stand- linienverfahren oder Volumenberechnungen von Rotationskörpern durch Integration.

Weiterhin können algorithmische Verfahren für die Berechnung von Flächeninhalten betrachtet werden, wie z. B. das Skalar- und Vektorprodukt. Die meisten dieser Inhalte werden in Fricke (1983) angesprochen.

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