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Archiv "Kommentar: Wertentscheidungen" (25.01.2008)

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A163

B R I E F E

hätte bewirkt werden können. Wel- ches bessere Gerechtigkeitsprinzip schlägt Herr Dr. Schäfer denn vor?

Eine Nutzen-Risiko-Bewertung unter Einbeziehung der Aufwand-Nutzen- Relation und darauf aufbauende Prio- risierung ist meines Erachtens ein Lö- sungsansatz, der sich auch unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit se- hen lassen kann. Gerade auch die eventuell niedrigere Prioritätsstufe bei multimorbid Kranken oder älteren Pa- tienten hat nichts mit einer – von Dr.

Schäfer wohl befürchteten – Diskri- minierung dieser Patientengruppen zu tun, sondern entspricht der klinischen Erfahrung, dass dabei oft eine deut- lich ungünstigere Nutzen-Risiko- Konstellation für ein Therapieverfah- ren vorliegt im Vergleich zum „sonst gesunden“, jüngeren Patienten. Man wird ewig suchen nach einem idealen Gerechtigkeitsprinzip – die Zeit drängt aber in Deutschland. Schon ist Bewährtes, wie eine preiswerte, wohnortnahe Medizin, nicht mehr wie früher eine Selbstverständlichkeit . . .

Dr. Heinrich Günther,Lönsstraße 12, 01259 Dresden

Wertentscheidungen

. . . Erstens: Wer kapiert hat, dass Geld im Gesundheitswesen nur be- grenzt zur Verfügung steht, muss sa- gen, was gemeinschaftlich finanziert werden soll, und was nicht. Solche Prioritätensetzungen sind immer Wertentscheidungen, und sie sind immer schwierig. Wer sie verwei- gert, bewirkt implizit, dass der ein- zelne Arzt am Bett entscheiden muss, ob er seinem Patienten Res- sourcen auf Kosten Dritter zugäng- lich machen darf oder nicht. Ich ken- ne keine gerechtigkeitsfernere Art des Entscheidens. Zweitens: Der be- hauptete Gegensatz zwischen Priori- sierung und Gerechtigkeit ist keiner.

Nicht nur, dass Mittel (Priorisierung) mit Zweck (Gerechtigkeit) vergli- chen wird. Schlimmer: Gerade ohne eine transparente, nachvollziehbare und mit Begründungen versehene allgemeine Entscheidung über Res- sourcenallokation kann es keine Ge- rechtigkeit geben. Drittens: Gerade als Onkologe weiß ich um die Frag- würdigkeit von QUALYs. Nur: Das spricht nicht gegen Priorisierung.

Viel eher ist es ein Appell an eine Bringpflicht der Versorgungsfor- schung Richtung Politik: Wir müssen als Profession viel besser den Wert unseres Tuns in verschiedensten Fel- dern (die aber letztlich um Bezahl- barkeit konkurrieren) in einer ein- heitlichen nicht monetären Währung darstellbar machen. Politisch liegt in Deutschland der Knackpunkt ganz woanders: Die Parteien lavieren sich aus der Verantwortung und imple- mentieren eine Entscheidungsstruk- tur, die Priorisierungen durch demo- kratisch nicht legitimierte Gremien (G-BA, IQWiG) vornehmen lässt . . .

Dr. med. Mathias Bertram,Pinneberger Straße 25, 22457 Hamburg

Zurück zur Finanzierung durch die GKV

Die Zentrale Ethikkommission plä- diert für eine Prioritätensetzung bei der Gewährung medizinischer Leis-

tungen und schlägt vor allem drei Kriterien für die Priorisierung vor:

Medizinische Bedürftigkeit, erwarte- ter medizinischer Nutzen, Kostenef- fektivität. Ich kann mich aus zwei Gründen mit den Vorschlägen der Ethikkommission nicht anfreunden:

ŒEs gibt nach meiner Ansicht keine vernünftige Möglichkeit, die Kosten- effektivität einer medizinischen Maßnahme gegen die medizinische Bedürftigkeit oder den erwarteten medizinischen Nutzen abzuwägen.

Zudem läuft die Priorisierung darauf hinaus, dass bestimmte Behandlungen – und damit bestimmte Patienten – von der Leistung ausgeschlossen werden, es sei denn, sie haben genü- gend Geld, um diese Leistung aus ei- gener Tasche zu bezahlen. Die Prio- risierung wäre also ein weiterer Schritt in Richtung Entsolidarisie- rung der Solidargemeinschaft. Der Staat, der ja in Zukunft die Kranken- versicherungsbeiträge und damit die

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A164 Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 425. Januar 2008

B R I E F E

finanzielle Ausstattung des Gesund- heitswesens festlegen wird, hätte es in der Hand, je nach Kassenlage und politischer Zielsetzung den Umfang der medizinischen Versorgung zu be- stimmen.

Die Beratungen und Entscheidun- gen, die zu Priorisierungen führten, würden sehr viel Arbeitskraft erfor- dern, die auf anderen Gebieten wohl besser eingesetzt wäre. Eine Zunah- me der Bürokratie und eine weitere Einengung der ärztlichen Berufsfrei- heit wären außerdem die Folgen.

Ich plädiere für eine Rückkehr zur Finanzierung aller medizinisch not- wendigen und wirtschaftlichen Maß- nahmen der medizinischen Versor- gung durch die GKV bei Finanzie- rung des Systems durch einkom- mensabhängige Beiträge; eine ange- messene und sozial verträgliche Ei- genbeteiligung der Versicherten ist sinnvoll . . . Wichtig wäre es sicher- zustellen, dass die Beiträge nicht für sachfremde Ausgaben missbraucht würden (Verschiebebahnhöfe, Teile der Reproduktionsmedizin, Abtrei- bungen). Dennoch würden die Bei- tragssätze vermutlich steigen; dies könnte sozial verträglich gestaltet werden, indem eine Progression ein- geführt würde, ähnlich wie bei der Einkommensteuer . . .

Dr. med. Winfrid Gieselmann,Danziger Straße 59, 75417 Mühlacker

USA

Auf Termine für Rou- tineuntersuchungen müssen Patienten länger warten als auf eine Botox-Sprit- ze (DÄ 41/2007:

„Botox statt Krebs- vorsorge“ von Dr. med. Vera Zylka-Men- horn).

Honorarvergleich

Nackte Zahlen haben den Charme unbestechlicher Objektivität. Ein amerikanischer Hautarzt erhält für die Begutachtung eines Muttermals zwischen 50 und 75 US-Dollar und empfindet diesen Betrag als zu nied- rig. Ich erhalte als Hautarzt für die dermatologische Komplettversor- gung eines Patienten über drei Mo-

nate von der KV Hessen 17 Euro.

Kommentar überflüssig.

Wolfgang Küster,Darmstädter Straße 1, 64354 Reinheim/Odenwald

MICHAEL MOORE

Die Bedeutung des Films über das US- amerikanische Ge- sundheitssystem aus europäischer Sicht (DÄ 41/2007:

„Michael Moores ,SiCKO‘: Das kubanische Vorbild“ von Prof. Dr. Wolfgang Greiner).

Kein Vorbild

. . . Europäer betrachten das Ausmaß des US-amerikanischen freien Ge- sundheitsmarkts mit berechtigter Sorge. Insoweit kann man den Schlussbemerkungen von Herrn Prof. Greiner „Vor diesem Hinter- grund können letztlich weder das US-amerikanische noch das kubani- sche Gesundheitssystem für andere Länder ein Vorbild sein“ nur zustim- men. Im Gegensatz zu den zahlrei- chen Publikationen im „New Eng- land Journal of Medicine“, erweckt der Autor aber den Eindruck, als ob der Film „SiCKO“ nicht den Nerv der Amerikaner träfe. Trotz unzähli- ger gesetzgeberischer Eingriffe in das US-amerikanische Gesundheits- wesen, Notprogrammen, um wenigs- tens Kindern aus sozial schwächeren Schichten einen halbwegs ausreichen- den Krankenversicherungsschutz zu gewähren, stetig zunehmenden Belas- tungen der Unternehmen, die sie in ihrem wirtschaftlichen Überleben bedrohen, Aufstellen von League Ta- bles: Es ist nicht gelungen, eine einer modernen Industriegesellschaft ent- sprechende Gesundheitsversorgung zu schaffen. Deshalb sind Publikatio- nen wie „Managed Care has failed to manage care“ und Filme wie

„SiCKO“ trotz ihres populistischen Ansatzes wichtig. Deshalb, und nur deshalb werden nun in Kalifornien, wie bereits in Massachusetts, neue soziale Gesundheitssysteme geschaf- fen und wird die Gesundheitspolitik ein bestimmendes Thema des nächs- ten US-amerikanischen Wahlkampfs werden. Verklärende Blicke auf die

amerikanische Innovationskraft, DMP-Programme und Managed-Care- Organisationen sind daher unnötig und fehlgeleitet . . . Ja, wir brauchen einen Wandel unseres Gesundheits- wesens mit mehr persönlicher Ver- antwortung und Wettbewerb, aber die USA sind dafür wahrlich kein Vorbild. Wer das noch nicht weiß, sollte diesen Film unbedingt sehen.

Dr. med. Andreas Fiehn MBA, DGK Diakonie Gesundheitszentrum Kassel, Goethestraße 85, 34119 Kassel

GESUNDHEITSSIEGEL

Die Einführung eines Deutschen Gesund- heitssiegels ist ge- plant (DÄ 42/2007:

„Projekt ,Ambulante Qualitätsindikato- ren‘: Das Geld soll der Qualität folgen“ von Sabine Rieser).

Qualitätsverlust absehbar

Es ist wieder einmal bemerkenswert, wie die KV-Chefs in vorauseilendem Gehorsam der Politik zuarbeiten – gegen die sie finanzierenden Ärz- te . . . In naher Zukunft werden we- gen ausbleibender nachrückender junger Ärzte die verbleibenden Kol- legen in Arbeit ersticken. Sie werden nicht mehr in der Lage sein, medizi- nische Qualitätsarbeit zu leisten.

Nach dem Willen von Herrn Köhler werden diese Kollegen dann schlech- ter bezahlt. Bravo! Er wird sicher schon Vorstellungen haben, wie das den überforderten Hausärzten und Ärzten anderer Fachrichtungen ohne Nachwuchs entzogene Honorar um- geschichtet werden kann . . . Staatlich verordnete Rationierung (Arzneimit- telbudget, Heilmittelbudget), staat- lich verordneter Entzug ärztlicher Ar- beitszeit durch zunehmende Bürokra- tisierung und Produktion von Daten- müll (DMP, „Qualitätssicherung“), staatlich verordneter Entzug von Fi- nanzmitteln aus der GKV und das ta- tenlose Zusehen beim Ausbluten der hausärztlichen Versorgung fernab der Ballungszentren führen zwangsläufig zu einem Qualitätsverlust . . .

Dr. med. Albrecht Wernitzsch,Bahnhofsplatz 1, 18233 Neubukow

Referenzen

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