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Vortrag des Regierungsrates an den Grossen Rat zur Volksinitiative

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12.72 – 10.142

zur Volksinitiative „Schluss mit gesetzlicher Verteuerung der Wohnkosten für Mieter und Eigentümer“.

1. Ausgangslage

Am 27. August 2010 reichte das Initiativkomitee „Abschaffung der Handänderungssteuer“ bei der Staatskanzlei die Initiative mit dem Begehren ein, das Gesetz vom 18. März 1992 betref- fend die Handänderungssteuer sei aufzuheben. Es wurden 26'470 Unterschriften eingereicht, wovon 26’449 von der Staatskanzlei als gültig erklärt wurden. Gemäss Artikel 58 Absatz 2 der Kantonsverfassung sind für eine Volksinitiative 15'000 Unterschriften erforderlich. Die Unter- schriften wurden innert der gesetzlichen Frist von sechs Monaten (Art. 58 Abs. 2 des Gesetzes vom 5. Mai 1980 über die politischen Rechte [GPR, BSG 141.1]) gesammelt. Die Initiative verstösst nicht gegen übergeordnetes Rechts, ist nicht undurchführbar und sie wahrt die Ein- heit der Form und der Materie (Art. 59 Abs. 2 Bst. a – c Kantonsverfassung). Sie ist somit gül- tig. Der Regierungsrat stellte darauf mit Beschluss vom 15. September 2010 das Zustande- kommen der Volksinitiative fest (Art. 59 Abs. 1 Kantonsverfassung). Gemäss Art. 65 Absatz 2 des Gesetzes vom 5. Mai 1980 über die politischen Rechte (GPR, BSG 141.1) unterbreitet der Regierungsrat die Initiative dem Grossen Rat innert 12 Monaten. Diese Frist ist vorliegend ein- gehalten.

2. Vorgeschichte

Am 16. Dezember 2008 reichte Grossrat Blank (namens der Kommission HPG) eine dringliche Motion ein, mit welcher er den Regierungsrat beauftragen wollte, die Handänderungs- und Pfandrechtssteuer aufzuheben. Nach einer ausführlichen Debatte in der Januarsession 2009 lehnte der Grosse Rat die dringliche Motion mit 89 gegen 52 Stimmen bei 4 Enthaltungen ab.

Ausschlaggebend waren vorwiegend finanzpolitische Überlegungen.

In der Januar- und der Aprilsession 2009 behandelte der Grosse Rat Änderungen des Geset- zes betreffend die Handänderungs- und Pfandrechtssteuern (HPG). Im Rahmen dieser Revisi- on wurde die Pfandrechtssteuer abgeschafft, hingegen wurde der Antrag auf Senkung des Steuersatzes bei der Handänderungssteuer (auf 1 oder 1,5 %) abgelehnt. Auch hier waren fi- nanzpolitische Überlegungen angesichts der sich abzeichnenden Auswirkungen der Finanzkri- se ausschlaggebend.

Die Volksinitiative „Schluss mit gesetzlicher Verteuerung der Wohnkosten für Mieter und Eigen- tümer“ nimmt nun das Anliegen der dringlichen Motion Blank wieder auf.

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3. Geltende gesetzliche Regelung a. Im Kanton Bern

Der Kanton Bern bestimmt in seinem Gesetz vom 18. März 1992 betreffend die Handände- rungssteuer (HG, BSG 215.326.2), dass beim Erwerb eines Grundstücks im Kanton Bern eine Steuer zu entrichten ist. Steuerpflichtig ist dabei die Erwerberin oder der Erwerber bzw. die Ab- treterin oder der Abtreter von Rechten (Artikel 5 Absatz 2 Buchstaben c und d HG). Die Steuer wird auf Grund der Gegenleistung für den Grundstückerwerb bemessen. Diese besteht aus al- len vermögensrechtlichen Leistungen, die die Erwerberin oder der Erwerber der Veräusserin oder dem Veräusserer oder Dritten für das Grundstück zu erbringen hat. Der Steuersatz be- trägt in der Regel 1,8 %. Steuern unter 100 Franken werden nicht erhoben. Die Ausnahmen von der Steuerpflicht werden in Artikel 12 HG abschliessend aufgeführt.

b. In andern Kantonen, die eine Handänderungssteuer oder Gemengsteuer kennen

- AG: Der Kanton Aargau kennt eine Gemengsteuer von 5 %o der Kauf- oder Übernahme- summe, mindestens jedoch 100 Franken. Bei Enteignung oder bei Vorgängen, auf die das Enteignungsrecht anwendbar wäre, wird 1 %o der Enteignungsentschädigung pro Enteig- nungsvertrag berechnet, mindestens aber 50 Franken.

- AR: Der Kanton Appenzell Ausserrhoden bezieht eine Handänderungssteuer von 20 %o im Normalfall, wobei die Gemeinden einen tieferen Steuersatz festlegen können. Der Steuer- satz beträgt die Hälfte bei Handänderungen von Eltern zu Nachkommen, einschliesslich Stief- und Pflegekinder.

- AI: Der Steuersatz im Kanton Appenzell Innerrhoden beträgt 10 %o.

- BL: Im Kanton Basel-Landschaft beträgt die Handänderungssteuer 1,25 % je für Veräusse- rer und Erwerber. Bei Tauschgeschäften sind von jedem Beteiligten 1,25 % des Verkehrs- wertes seines Tauschobjektes mit Einschluss eines allfälligen Aufpreises als Handände- rungssteuer zu entrichten.

- BS: Der Kanton Basel-Stadt bezieht eine Handänderungssteuer von 30 %o im Normalfall und von 15 %o bei Handänderungen in bestimmten Fällen von Selbstbewohnung.

- FR: Im Kanton Freiburg beträgt der Steuersatz der Handänderungssteuer 1,5 %. Zusätzlich erhebt die Gemeinde eine Zusatzabgabe, die 100 % der Handänderungssteuer nicht über- schreiten darf.

- GE: Im Normalfall beträgt die Handänderungssteuer im Kanton Genf 30 %o wobei bei Lie- genschaften mit einem Wert unter einer Million die ersten 15'000 Franken nicht erhoben werden. Bei Erbteilung beträgt der Steuersatz 2,1 %o, bei Tausch 15 %o, bei Tausch land- wirtschaftlicher Grundstücke 2 %o, bei Ausübung eines Rückkaufrechts 2,1 %o gleich wie bei Grundlasten.

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meinden erhoben. Der Kanton hat eine Höchstgrenze von 20 %o gesetzt, welche die Ge- meinden nicht überschreiten dürfen. Die Stadt Chur hat einen Steuersatz von 15 %o festge- legt.

- JU: Im Kanton Jura beträgt der Steuersatz 21 %o im Normalfall, aber mindestens 30 Fran- ken. Für von Nachkommen oder vom anderen Ehegatten vertragsrechtlich erworbene Grundstücke gilt ein reduzierter Steuersatz von 11 %o, gleich wie bei Erbgang oder Erbtei- lung, wenn Grundstücke auf Nachkommen oder den überlebenden Ehegatten übergehen, oder bei Erwerb infolge güterrechtlicher Auseinandersetzungen. Schliesslich gibt es im Kanton Jura einen Spezialsatz von 3,5 %o für die Errichtung von Grundpfandrechten.

- LU: Im Kanton Luzern beträgt der Steuersatz 1,5 % des Handänderungswertes und zusätz- lich wird eine Gemengsteuer (eine Steuer die mit andern Elementen wie zum Beispiel Ge- bühren vermischt ist) nach folgender Berechnung erhoben:

§ 23 des Grundbuchgesetzes:

1 Die Grundbuchämter beziehen für ihre grundbuchlichen Verrichtungen Gebühren.

2 Die Gebühren gemäss den Abs. 3, 4 und 5 haben den Charakter einer Gemengsteuer. Im Übrigen sind es eigentliche Gebühren.

3 Für die Eintragung von Eigentum und Grandpfandrechten an Grundstücken beträgt die Gebühr je zwei Promille der Vertragssumme beziehungsweise der Pfandsumme. Sie berechnet sich nach dem Kataster- wert, wenn die Vertragssumme niedriger oder nicht angegeben ist.

4 Wird Eigentum zu Lebzeiten durch Ehe- oder Erbvertrag oder durch Veräusserung an den Ehegatten, an den eingetragenen Partner oder an Verwandte in auf- und absteigender Linie übertragen, beträgt die Ge- bühr die Hälfte des Ansatzes gemäss Absatz 3. Wechselt das Eigentum infolge Erbgangs, beträgt die Ge- bühr ein Promille des Katasterwertes, höchstens aber 5'000 Franken.

5 Für die Eintragung einer Wasserkonzession oder eines Bergwerks beträgt die Gebühr 10'000 Franken.

- NE: Im Normalfall beträgt der Steuersatz im Kanton Neuenburg 33 %o. Bei Tausch von im Kanton gelegenen Grundstücken sowie für ein Grundstück, welches dem Käufer als Erstwohnung dient, wobei dieser Kauf ein erster Erwerb dieser Art im Kanton sein muss, beträgt der Steuersatz nur 22 %o.

- NW: Im Kanton Nidwalden beträgt der Steuersatz 1 %. Hinzu kommt eine Gemeng- steuer bei Eigentumsübergang von 1 %o des Kaufpreises bzw. des Steuerwertes (der höhere Wert ist entscheidend) bis CHF. 3'000'000, 0,5 %0 vom Mehrbetrag über den CHF. 3'000'000, jedoch maximal CHF. 8'000 je Grundstück.

Bei Pfanderrichtungen beträgt die Gemengsteuer 2 %o der Pfandsumme bis CHF.

3'000'000 und 1 %o vom Mehrbetrag über den CHF. 3'000'000 maximal jedoch CHF.

8'000 pro Grundstück

- OW: Im Kanton Obwalden beträgt der Steuersatz 1,5 % des Wertes.

- SO: Im Kanton Solothurn beträgt der Steuersatz 2,2 %. Zwischen Ehegatten und bei Handänderungen von Eltern an Kinder beträgt er die Hälfte (1,1 %).

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- SG: Im Kanton Sankt Gallen beträgt der Steuersatz 1 %. Zwischen Eltern und ihren Kindern, Adoptiv-, Stief- oder Pflegekindern sowie zwischen Geschwistern bei der Tei- lung des elterlichen Nachlasses beträgt der Steuersatz 0,5 %.

- TG: Der Steuersatz im Kanton Thurgau beträgt im Normalfall 10 %o und 5 %o bei Han- dänderungen zwischen Eltern und Kindern einschliesslich Stief- oder Schwiegerkindern sowie zwischen Geschwistern.

- TI: Im Normalfall beträgt die Handänderungssteuer im Kanton Tessin 4 bis 11 %o je nach Wert der Liegenschaft (progressiver Steuersatz). Bei Handänderung infolge Schenkung oder Erbvorbezug beträgt der Steuersatz 10 %o. Bei Nutzniessung oder Wohnrecht beträgt die Steuer höchstens 500 Franken. Bei der Errichtung von Grund- pfandrechten gibt es einen Spezialsatz von 2 – 5 %o. Schliesslich gibt es einen Vor- zugssatz von 1 %o bei Handänderungen infolge Erbschaft wobei solche unter 20'000 Franken steuerfrei sind.

- UR: Der Kanton Uri kennt eine Gemengsteuer von 2 Promillen der Handänderungs- bzw. Pfandsumme. Fehlt eine Handänderungssumme oder liegt diese offensichtlich un- ter dem Wert des Grundstücks, wird die Abgabe anhand der amtlichen Schätzung be- rechnet. Die Abgabe beträgt jedoch mindestens 50 Franken und höchstens 10'000 Franken.

- VD: Im Kanton Waadt gilt ein kantonaler Satz von 22 %o. Die Gemeinden können einen Steuerzuschlag von höchstens 50 % der Kantonssteuer (11 %o) erheben. Bei Liegen- schaftstausch schuldet jede Partei die Hälfte der Steuer. Bei Abtretung oder entgeltli- chem Verzicht auf das Kaufsrecht bemisst sich die Steuer auf der Hälfte des vereinbar- ten Preises.

- VS: Der Kanton Wallis kennt einen progressiven Steuersatz zwischen 4 – 12 %o je nach Wert der Liegenschaft.

- ZH: Auch der Kanton Zürich kennt eine Gemengsteuer, die jedoch sehr kompliziert zu berechnen ist, zumal sie sich auch mit Notariatsgebühren vermischt.

4. Vergleiche mit andern Kantonen

Wie die vorstehenden Ausführungen belegen, ist der Kanton Bern bei weitem nicht der einzige Kanton, der die Handänderung von Grundstücken besteuert oder gestützt auf diese Handände- rung besondere Gebühren erhebt. Deshalb ist es interessant darzustellen, mit welchen Abga- ben bei einer Handänderung im Kanton Bern und in andern Kantonen gerechnet werden muss.

Da mehrere Kantone den Steuersatz vom Wert der Immobilie abhängig machen, wird der nach- folgende Vergleich auf zwei Immobilienwerten berechnet, einer Immobilie mit einem Wert von 500'000 Franken und einer solchen mit einem Wert von 3'000'000 Franken.

a. Wert der Immobilie: 500'000 Franken Rangfolge der Vergleichskantone:

1. Kanton Tessin CHF. 5'650.—

2. Kanton Wallis CHF. 6'000.—

3. Kanton Bern CHF. 9'000.—

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5. Kantone Genf und Freiburg CHF. 15'000.—

7. Kanton Neuenburg CHF. 16'500.—

b. Wert der Immobilie: 3’000'000 Franken Rangfolge der Vergleichskantone

1. Kanton Tessin CHF. 33'900.—

2. Kanton Wallis CHF. 36'000.—

3. Kanton Bern CHF. 54'000.—

4. Kanton Jura CHF. 63'000.—

5. Kantone Genf und Freiburg CHF. 90'000.—

7. Kanton Neuenburg CHF. 99'000.—

Die Vergleichskantone behalten die gleiche Rangfolge bei, unabhängig vom Wert der Immobi- lie. Die Unterschiede sind zum Teil allerdings wesentlich. So verlangt der Kanton Neuenburg fast zweimal soviel an staatlichen Abgaben bei einer Handänderung wie der Kanton Bern. An- dererseits ist der Kanton Bern nur 37 % teurer als der billigste Vergleichskanton (der Kanton Tessin).

5. Gültigkeit der Initiative

Das Initiativbegehren ist rechtlich zulässig und damit gültig. Es liegt im Ermessen der Kantone, ob sie Handänderungssteuern erheben wollen. Das Initiativbegehren verstösst auch nicht ge- gen bernisches Verfassungsrecht.

6. Auswirkungen auf Bürgerinnen und Bürger

a. auf die Eigentümerinnen und Eigentümer von Immobilien

Die Handänderungssteuer führt in der Tat zu einer einmaligen Verteuerung der Immobilie. Im Normalfall trägt die Erwerberin oder der Erwerber die Steuerlast. Allerdings ist dabei zu beach- ten, dass die Steuer einer Verteuerung von 1,8 % entspricht, ein Betrag der in Anbetracht der Investitionsgrösse (mehrere Hunderttausend Franken, wenn nicht mehrere Millionen) kaum ins Gewicht fällt. Die Fälle, in denen ein Immobilienerwerb wegen der Höhe der Handänderungs- steuer scheiterte, dürften ausgesprochen selten sein. Gerade im durchschnittlichen Preisseg- ment des Wohneigentums beträgt die Handänderungssteuer kaum mehr als 10'000 Franken.

Aber auch bei Gewerbeimmobilien im Werte von mehreren Millionen dürfte ein Bauentscheid kaum an der Höhe der Handänderungssteuer scheitern oder den Standortentscheid beeinflus- sen. Gerade bei Gewerbeimmobilien sind andere steuerrechtliche Vor- oder Nachteile sowie Entwicklungsmöglichkeiten oder Einzugsgebiet des Standortes wesentlich determinierender.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Umstand, dass die Handänderungssteuer alle Immobilien- besitzerinnen und -besitzer belastet, unabhängig vom Wohnort oder von der Nationalität. Inso- fern ist sie eine „soziale― Steuer. Sie trifft nicht nur das Schweizer Familienoberhaupt, das für

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seine Familie ein Eigenheim erwirbt, sie trifft auch die reiche Ausländerin oder den reichen Ausländer mit Wohnsitz im Ausland, die oder der sich ein Zweit- oder Drittheim an einem pro- minenten Standort leistet. Gerade diese Eigentümerinnen und Eigentümer sind übrigens aus Sicht der Handänderungssteuer interessant, da die Preise der von dieser Kundschaft erworbe- nen Liegenschaften oft in sehr hohen Bereichen rangieren. Entsprechend sind die Einnahmen aus der Handänderungssteuer.

In der Landwirtschaft zeitigt die Handänderungssteuer weit weniger Wirkung, weil der grösste Teil der landwirtschaftlichen Immobilien innerhalb der Familie die Hand wechseln und dies folg- lich steuerfrei ist. Sollte eine Handänderung einer landwirtschaftlichen Immobilie nicht von der Steuerpflicht ausgenommen sein, weil sie nicht innerhalb der Familie erfolgt, wird sie kaum zu einer grossen Belastung, da die Preise für landwirtschaftliche Immobilien in der Regel viel tiefer sind als bei den andern Immobilien.

Auch nicht belastet wird das Immobilien- und Baugewerbe durch die Handänderungssteuer, weil die Steuer in aller Regel auf die Nacherwerberin oder den Nacherwerber überwälzt wird.

Zudem ist der Betrag der Steuer im Verhältnis zum Kaufpreis von untergeordneter Bedeutung.

Bei einer Immobilie im Werte von 500'000 Franken beträgt die Handänderungssteuer lediglich 9'000 Franken. Ob nun eine Immobilie zum Preis von 500'000 oder zum Preis von 509'000 auf dem Markt angeboten wird, dürfte kaum den Kaufentscheid beeinflussen.

b. auf die Mieterinnen und Mieter

Es ist nicht zu bestreiten, dass die Handänderungssteuer eine Auswirkung auf die Höhe von Mieten hat. Ein Beispiel zeigt jedoch auf, wie gering diese ausfällt. Wird eine Wohnung im Wer- te von 200'000 Franken vermietet, beläuft sich die vom Vermieter beim Erwerb der Wohnung zu entrichtende Handänderungssteuer auf 3'600 Franken. Geht man bei diesem Beispiel von einer Bruttorendite der Liegenschaft von 4 % aus, beträgt der Mietzins mit der Handänderungs- steuer 8'144 Franken pro Jahr bzw. 678.70 pro Monat. Ohne Handänderungssteuer betrüge der Mietzins der gleichen Wohnung 8'000 Franken pro Jahr bzw. 666.70 pro Monat. Die Ver- teuerung der Wohnung durch die Handänderungssteuer beläuft sich folglich auf 12 Franken pro Monat. Das dürfte eine kaum bemerkbare Verteuerung darstellen. Im Übrigen darf wohl davon ausgegangen werden, dass die Abschaffung der Handänderungssteuer kaum eine allgemeine Mietzinsreduktion nach sich ziehen dürfte.

7. Vorteil der bernischen Handänderungssteuer

Im Gegensatz zu den im Zusammenhang mit der Handänderung einer Immobilie in andern Kantonen zu entrichtenden Abgaben ist die bernische Handänderungssteuer transparent und für Bürgerinnen und Bürger leicht zu verstehen. Der Kanton Bern trennt klar und für jedermann verständlich zwischen Steuer und Gebühren. Er kennt keine Gemengsteuer mehr. Die Gebüh- ren sind zufolge des Äquivalenzprinzips nur kostendeckend. Das Gesetz vom 18. März 1992 betreffend die Handänderungssteuer definiert klar und einfach die Steuerpflicht. Ebenso leicht verständlich formuliert Artikel 12 dieses Gesetzes die Ausnahmen von der Steuerpflicht.

Gegen die Handänderungssteuer wird oft ins Feld geführt, die Erwerberin oder der Erwerber einer Liegenschaft müsse für etwas bezahlen, wofür sie oder er keine entsprechende Gegen-

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grundsätzlich nicht als Abgeltung einer konkreten Leistung erhoben. Dazu dient die Gebühr, die als Abgeltung der Kosten einer Verwaltungshandlung entrichtet wird. Deshalb ist bei der Ge- bühr das Äquivalenzprinzip zu beachten, wonach die Gebühr nur kostendeckend sein darf. Die Steuer hingegen wird erhoben, um die „Betriebskosten― des Staates zu decken, die nicht voll- umfänglich mit einer Gebühr abgedeckt werden können, oder zum Beispiel die Sozialkosten.

Das bernische Recht weist aber bei einer Handänderung klar aus, welche Beträge als Gebühr und welche als Steuer geschuldet sind.

8. Finanzielle Folgen einer Abschaffung der Handänderungssteuer

Der Kanton Bern hat in den letzten Jahren durchschnittlich zwischen 115 und 120 Millionen Franken pro Jahr an reinen Handänderungssteuern eingenommen. Ein Wegfall dieser Einnah- men würde eine schwere Einbusse für den Kanton darstellen.

Unter dem Gesichtspunkt des Einnahmenverlustes des Kantons ist bei der Handänderungs- steuer ferner darauf hinzuweisen, dass sie die einzelne Bürgerin und den einzelnen Bürger nicht wirklich spürbar trifft, beim Kanton hingegen sehr spürbare Einbussen verursachen wür- de.

Die finanzielle Situation des Kantons Bern wird sich im Jahre 2012 deutlich verschlechtern.

Dies insbesondere, weil im nächsten Jahr parallel zu den Steuersenkungen (Steuergesetzrevi- sion, Motorfahrzeugsteuern) zusätzliche Kosten auf den Kanton zukommen: KVG-Revision, Neuordnung der Pflegefinanzierung, Rückstand bei der Entlöhnung des Personals, hoher In- vestitionsbedarf bei Gebäuden und Verkehrsinfrastruktur. Weiter sind Einnahmenausfälle bei den Anteilen an den Gewinnen der Nationalbank zu befürchten. Damit drohen ab 2012 Defizite im Umfang von mehreren hundert Millionen Franken im Jahr.

Erfolgreiche Sanierungsanstrengungen haben die Finanzpolitik des Kantons Bern seit Mitte der neunziger Jahre geprägt. Mit zehn Sanierungspaketen konnte der kantonale Haushalt um jähr- lich wiederkehrend rund 1,5 Mia. Franken entlastet werden. Der Regierungsrat hat insbesonde- re in den Jahren 2009 bis 2011 zusätzliche grosse Anstrengungen zur Entlastung des Haus- halts unternommen. Im Budgetvollzug 2009 wurde die bereits im Herbst 2008 erarbeitete Even- tualplanung mit diversen Entlastungsmassnahmen im Umfang von 70 Mio. Franken umgesetzt und ab Herbst 2009 durch ein Ausgabenmoratorium ergänzt. Um im Jahr 2010 eine Neuver- schuldung zu verhindern, wurde ein Massnahmenpaket erarbeitet, auf die Schaffung von neu- en Stellen mit Kostenfolgen verzichtet und den Direktionen und der Staatskanzlei lineare Kür- zungsvorgaben auferlegt. Die Entlastungseffekte dieser Massnahmen betrugen im Jahr 2010 rund 230 Mio. Franken. Schliesslich legte der Regierungsrat im Zusammenhang mit der Erar- beitung des Voranschlags 2011 Entlastungsmassnahmen im Umfang von jährlich über 130 Mi- o. Franken fest. Alle diese Anstrengungen des Regierungsrates wirken sich auch auf die Folge- jahre positiv aus und führen im Jahr 2012 zu den nachfolgenden Entlastungseffekten:

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Positive Entlastungseffekte aus der Planung 2010 im Hinblick auf 2012:

o Entlastungsmassnahmen im Hauptverfahren: -29 Mio. Fr.

o Fortsetzung Entlastungsmassnahmen aus Eventualplanung 2009: -48 Mio. Fr.

o Massnahmenpaket zur Verhinderung einer Neuverschuldung -93 Mio. Fr.

Positive Entlastungseffekte aus der Planung 2011 im Hinblick auf 2012:

o Entlastungsmassnahmen im Hauptverfahren: -136 Mio. Fr.

Total -306 Mio. Fr.

Zudem hat der Regierungsrat aufgrund der Budgetunterschreitungen in den vergangenen Rechnungsjahren im letzten Planungsprozess den Korrekturfaktor zur Erhöhung der gesamt- staatlichen Budgetgenauigkeit im Zahlenwerk berücksichtigt, welcher zu einer zusätzlichen Re- duktion der Zahlenwerte im Voranschlag und Aufgaben-/Finanzplan führt.

Mit Blick auf die drohenden Fehlbeträge hat der Regierungsrat ein Entlastungspaket erarbeitet, das den Haushalt im Jahr 2012 um 277 Mio. und in den Folgejahren 2013 bis 2015 um 242 Mi- o. bis 256 Mio. Franken verbessern soll. 205 Mio. Franken der Ergebnisverbesserung im kom- menden Jahr werden in der Laufenden Rechnung erzielt, 72 Mio. Franken durch Kürzungen bei den Investitionen. Damit liegt das vom Regierungsrat ausgearbeitete Entlastungspaket wesent- lich über der ursprünglich angekündigten Zielgrösse von 200 Mio. Franken. Der Regierungsrat hat die wichtigsten, zum Teil einschneidenden Massnahmen am 20. Juni 2011 vorgestellt.

Bis im August werden das Budget 2012 sowie der Aufgaben- und Finanzplan 2013–2015 erar- beitet. Das Gesamtergebnis für das Budget 2012 hängt von verschiedenen Faktoren ab, die sich im Verlauf der kommenden Wochen noch präziser abschätzen und in das Zahlenwerk in- tegrieren lassen.

9. Antrag

Der Regierungsrat beantragt dem Grossen Rat:

1. die Initiative für gültig zu erklären;

2. die Initiative mit der Empfehlung auf Ablehnung der obligatorischen Volksabstimmung zu unterbreiten.

Bern, 6. Juli 2011 Im Namen des Regierungsrates

Der Präsident: Pulver

Der Staatsschreiber: Nuspliger

10. Nachtrag zum Vortrag des Regierungsrates vom 6. Juli 2011

Im vorstehenden Kapitel 8 „Finanzielle Folgen einer Abschaffung der Handänderungssteuer―

hat der Regierungsrat auf die finanziellen Konsequenzen eines allfälligen Wegfalls der Ein- nahmen aus Handänderungssteuern hingewiesen. In diesem Zusammenhang informierte der

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haushaltes für die kommenden Jahre.

Die damaligen Prognosen haben sich in der Zwischenzeit bestätigt. So schloss die Jahres- rechnung 2012 des Kantons Bern erstmals seit dem Jahr 1997 mit einem massiven Defizit von CHF 196 Millionen ab.

Gleichzeitig sieht der aktuelle Aufgaben-/Finanzplan 2014-2016 hohe Defizite und eine jährli- che Zunahme der Schulden im Umfang von mehreren hundert Millionen Franken vor. Zahlrei- che Mehrbelastungen (u.a. KVG-Revision, Neuordnung Pflegefinanzierung, Anstieg der Kosten in der Sozialversicherung, höherer Abschreibungsbedarf) sowie massive Mindereinnahmen (z.B. Steuergesetzrevision 2011/2012, tiefere Gewinnausschüttung der Schweizerischen Nati- onalbank, Mindereinnahmen aus Motorfahrzeugsteuern) haben dazu geführt, dass der berni- sche Finanzhaushalt ein erhebliches strukturelles Ungleichgewicht im Umfang von rund CHF 400 Millionen bis CHF 450 Millionen aufweist.

Dies obwohl der Regierungsrat bereits in den vergangenen Jahren zahlreiche Entlastungsmas- snahmen (z.B. Eventualplanung 2009, Massnahmenpaket 2010, Entlastungen 2011, Entlas- tungspaket 2012, Sparmassnahmen für ausgeglichenen Voranschlag 2013 usw.), mit teilweise spürbaren Einschnitten (u.a. Abbau von Lektionen in der Volksschule, Erhöhung Studiengebüh- ren, Einführung bzw. Erhöhung Kostenbeteiligung bei der Spitex, Kürzungen bei Behinderten- organisationen, Einschränkung des Winterdienstes, Ausdünnung der Fahrtenangebote im Bus- bereich, etc.) beschlossen hat.

Gleichzeitig hat sich die Attraktivität der Anstellungsbedingungen des Kantonspersonals und der Lehrkräfte gegenüber dem Konkurrenzumfeld aufgrund des aus finanzpolitischen Gründen in den letzten Jahren ungenügend ausgefallenen Lohnaufstiegs stark verschlechtert.

Der Regierungsrat hat vor diesem Hintergrund beschlossen, mit Blick auf die Erarbeitung des Voranschlags 2014 und Aufgaben-/Finanzplans 2015-2017 die Aufgaben und Dienstleistungen des Kantons Bern einer breit angelegten Angebots- und Strukturüberprüfung (ASP 2014) zu unterziehen. Dies mit dem Ziel, möglichst rasch wieder einen nachhaltig ausgeglichenen Fi- nanzhaushalt zu erreichen.

Der Regierungsrat plant, dem Grossen Rat die Ergebnisse der ASP 2014 in Form eines Berich- tes vorzulegen.

Bern, 24. April 2013 Im Namen des Regierungsrates

Der Präsident: Rickenbacher Der Staatsschreiber: Nuspliger

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