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Archiv "Gemeinsamer Bundesausschuss: Gebot der Unbefangenheit" (10.12.2004)

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er Gesetzgeber hat mit dem GKV- Modernisierungsgesetz die Bedeu- tung des Gemeinsamen Bundes- ausschusses (G-BA) gestärkt. In Ver- knüpfung mit dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit wird ihm die zen- trale und sektorübergreifende Rolle für die Festlegung und Ausgestaltung der Leistungen der Gesetzlichen Kranken- versicherung zugewiesen. Aus der Normsetzungskompetenz für alle Versi- cherten ergeben sich eine besondere Verantwortlichkeit und hohe Anforde- rungen an die Standards der Beratungs- verfahren des G-BA. Dazu gehören ne- ben einer umfassenden Transparenz der Verfahrensabläufe insbesondere auch das rechtsstaatliche Gebot der persönli- chen Unbefangenheit der an den Bera- tungen Beteiligten. Dabei geht es expli- zit nicht um die institutionellen Interes- sen, die die im G-BA beteiligten Ärzte, Zahnärzte, Krankenhäuser, Kranken- kassen und Patienten unbestritten für ihre Seiten im Sinne der gesetzlichen Konstruktion der Gremien einbringen sollen. Vielmehr geht es um mögliche Befangenheit aufgrund persönlicher Interessen. Die Europäische Zentral- bank zitierte anlässlich der Welteke-Af- färe folgende Definition: „Interessenkon- flikte entstehen, wenn die Mitglieder . . . private oder persönliche Interessen ha- ben, die die unparteiische und objektive Ausübung ihrer Pflichten beeinträchti- gen oder diesen Anschein erwecken können. Private oder persönliche Inter- essen umfassen jeden möglichen Vorteil für sie selbst, ihre Familien, sonstige Ver- wandte oder ihren Freundes- und Be- kanntenkreis.“

Interessenkonflikte sind auch in der Wissenschaft bekannt und haben zu Auf- sehen erregenden Fällen von Wissen- schaftsbetrug geführt. Aktuelle kritische Publikationen belegen den Zusammen-

hang von überoptimistischer Darstel- lung des Nutzens medizinischer Metho- den mit Sponsoring. Im medizinischen Bereich wird daher die Konkretisierung einer möglichen Befangenheit durch

„Erklärungen zur Offenlegung mög- licher Interessenkonflikte“ vor wissen- schaftlichen Vorträgen und Publikatio- nen als obligater Standard angesehen (Lancet, BMJ, Nature).

Offenlegung unverzichtbar

Offenlegungspflichten gelten auch für bestimmte Gremienentscheidungen im Gesundheitsbereich, wie etwa für das Zulassungsverfahren bei der amerikani- schen FDA oder bei der europäischen Arzneimittelzulassung über die EMEA.

Im deutschen Kontext sind Offenle- gungspflichten zum Beispiel etabliert bei der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, beim Leitlinien- clearing des Ärztlichen Zentrums für Qualität in der Medizin sowie bei der beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte angesiedelten Off-Label-Kommission.

Wie stellt sich der Bundesausschuss diesem Problem? Kann der Bundesaus- schuss auch dann noch ein unbefangenes und ergebnisoffenes Bewertungsverfah- ren für sich in Anspruch nehmen, wenn zur zentralen Aufgabe der Bewertung des Nutzens und der medizinischen Notwendigkeit medizinischer Methoden beispielsweise Personen benannt oder herangezogen werden, die seit Jahren solche Geräte betreiben, hierfür werben und hiermit erhebliche persönliche Einkünfte erzielen? Wie rechtssicher und glaubwürdig sind Entscheidungen des Bundesausschusses, bei denen auf die Offenlegung solcher persönlicher Interessenkonflikte verzichtet wird?

Die Allgegenwart persönlicher Inter- essen hat auch auf der staatlichen Ebene dazu geführt, dass Vorschriften erlassen wurden, um die Unbefangenheit der Entscheidungsträger zur Sicherstellung fairer und sachgerechter Entscheidun- gen zu wahren. Das betrifft nicht nur die Rechtsprechung mit den Regelungen über die Ausschließung und Ablehnung befangener Richter, sondern auch die Verwaltung, deren Angehörige in einem Verwaltungsverfahren nicht mitwirken dürfen, wenn ihnen die gebotene Di- stanz zum Verfahrensgegenstand oder zu den Verfahrensbeteiligten fehlt (§ 16 SGB X, gleichlautend § 20 VwVfG).

Für die Mitglieder von Rechtset- zungsorganen, zu denen der Bundesaus- schuss gehört, gibt es zwar keine ver- gleichbaren Ausschlussvorschriften. In- tegrität und Vertrauenswürdigkeit die- ser Gremien hängen aber aus der Sicht der Betroffenen entscheidend davon ab, dass finanzielle Abhängigkeiten und an- dere Interessenverknüpfungen offen ge- legt und dadurch bestehende Loyalitäts- konflikte sichtbar werden. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber für die Ab- geordneten des Deutschen Bundestages Verhaltensregeln aufgestellt, die eine ausreichende Transparenz der Entschei- dungsprozesse bei der Gesetzgebung gewährleisten sollen (§ 44a des Abge- ordnetengesetzes). Gerade auch für die Mitglieder des Bundesausschusses, dem von seinen Kritikern immer wieder die angebliche Undurchsichtigkeit seiner Beratungs- und Entscheidungsabläufe vorgehalten wird, sollten solche Verhal- tensregeln selbstverständlich sein, um die Rechtssicherheit und die Akzeptanz seiner Beschlüsse zu erhöhen.

Der Gemeinsame Bundesausschuss wäre daher gut beraten, alle an den Be- ratungen und Entscheidungen Beteilig- ten zu verpflichten, mögliche persönli- che Interessenkonflikte themenbezogen transparent zu machen. Nur unter dieser Voraussetzung können das rechtsstaat- liche Gebot der Unbefangenheit der Beteiligten eingehalten und Entschei- dungen gegenüber den Betroffenen glaubwürdig vertreten werden.

Reinhard Steege, Dr. med. Paul Rheinberger

Reinhard Steege ist Vorsitzender Richter am Bundessozi- algericht, Paul Rheinberger ist Dezernent der Kassen- ärztlichen Bundesvereinigung.

P O L I T I K

Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 5010. Dezember 2004 AA3389

Gemeinsamer Bundesausschuss

Gebot der Unbefangenheit

Der Gemeinsame Bundesausschuss erstellt derzeit

eine neue Verfahrensordnung. Ein wichtiger Punkt dabei:

der Ausschluss der persönlichen Befangenheit

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