Deutsches Ärzteblatt
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18. Juni 2010 A 1219 GYMNASIUM UND INTERNAT IM STIFT NEUZELLEBarockjuwel im tiefen Osten
Im historischen Ambiente einer barocken Kloster- anlage können Jugendliche Ruhe zum Lernen finden.
Die Nähe zu Polen nutzt die internationale Schule ganz bewusst.
S
chon zehn Kilometer vor Neuzelle kündigt eine SMS den Wechsel zu einem polnischen Mobilfunkanbieter an. Gerade habe ich die Planstadt Eisenhüttenstadt hinter mir gelassen – der wohl pas- sendste Ort für das in der Mitteansässige „Dokumentationszentrum Fotos:
Rahn Dittrich Group
B I L D U N G
Alltagskultur der DDR“. Als hinter der nächsten Kurve der kleine Ort Neuzelle auftaucht, wirkt die in den Broschüren der Tourismus-Information verwendete Bezeichnung „Barockjuwel“ für das den Ort prägenden Zisterzienser-Kloster nicht übertrieben. Das im 14. Jahrhundert erbaute Klos- ter mit den beiden Barockkirchen und dem dorf- ähnlichen Gelände gehört zu den wenigen voll- ständig erhaltenen Anlagen Europas (www.neuzel le.de).
Ruhiger Klostergarten
Die Atmosphäre des Stifts Neuzelle in der nördli- chen Niederlausitz, sechs Kilometer von Polen be- ziehungsweise der historischen Oder-Neiße-Gren- ze entfernt, ist ein eindeutiger Pluspunkt von Schule und Internat. Im Kreuzgang und Kloster- garten müssen auch die Jugendlichen die Ruhe spüren, die früher schon die Mönche beim Me - ditieren unterstützt hat. Einige noch unsanierte Wirtschaftsgebäude versprühen einen morbiden Charme. Die Rahn Dittrich Group, der private Träger von Gymnasium, Oberschule und Internat, hat die Schulgebäude von der Stiftung Stift Neu- zelle gemietet, die sich seit 1997 der Restaurie- rung und Sanierung der Anlage widmet.
Das Gymnasium ist eine der wenigen staatlich anerkannten internationalen Schulen in Branden- burg. Zurzeit werden circa 400 Kinder und Ju- gendliche ab der siebten Klasse unterrichtet. Die meisten kommen aus der nahen Umgebung, aus Frankfurt/Oder, Cottbus und Guben. Die Schulge- bühren von knapp 100 Euro im Monat zahlen die
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Eltern gern. Dafür bietet die Schule neben Eng- lisch vier zweite Fremdsprachen an (Spanisch, Französisch, Polnisch und Russisch), die zum Teil von Muttersprachlern unterrichtet werden. Kleine Klassen und engagierte Lehrer bietet auch diese Privatschule. Der größte Teil ausländischer Schü- ler kommt aus Polen, einige wenige aus Russland, der Slowakei, Rumänien, Ungarn und Korea.
„Aus den letzten drei Abiturjahrgängen waren die besten Schüler polnischer Herkunft“, hebt Schul- leiter Kaspar Kaiser hervor. Die Kooperation mit dem Nachbarland ist sowohl der Schulleitung als auch dem brandenburgischen Landesministerium wichtig. Polnische Familien können Sozial- und Leistungsstipendien beantragen. Das Gymnasium arbeitet eng mit der europäischen Stiftung für Bil- dung und Kultur im grenznahen Zielona Góra zu- sammen; Austauschprogramme mit Partnerschu- len in Polen finden regelmäßig statt. Alle Schilder und Wegweiser auf dem Schulgelände geben auch auf Polnisch Auskunft. Beide Nationen profitieren davon: „Viele deutsche Schüler sprechen inzwi- schen sehr gut polnisch und sind an ihren Nach- barn aufrichtig interessiert“, sagt Kaiser.
Das Internat verfügt noch über frei Plätze
Während die Wartelisten für das Gymnasium lang sind, verfügt das Internat noch über freie Plätze.40 Schüler leben in dem auf einer Anhöhe gelege- nen ehemaligen Winzerhaus, 80 Plätze könnten angeboten werden. Von dem nach Denkmal- schutzkriterien sanierten Gebäude „auf dem Priorsberg“ hat man einen wunderbaren Blick hin- unter auf die Klosteranlage – und die Schüler ei- nen besonders schönen Schulweg. Zurzeit können die meist 20 Quadratmeter großen Zweibettzim- mer von einem Schüler bewohnt werden. Inter- natsleiter Rainer Karge arbeitet seit der Gründung 2003 mit vier Erziehern dort. Der in Neuzelle geborene resolute Sozialpädagoge achtet mit viel Vertrauensvorschuss darauf, dass die Hausregeln eingehalten werden. Die Probleme sind dabei die gleichen wie in vielen Familien mit Zwölf- bis 19-Jährigen. Trotz vielfältiger Sport- und Freizeit- angebote sitzen die meisten Jugendlichen am liebsten vor ihrem Laptop. „Im Moment denken wir darüber nach, wie wir die Medienzeit am sinn- vollsten einschränken können“, erzählt Karge.
Der Preis für Internat und Gymnasium ist mit 1228 Euro monatlich vergleichsweise günstig.
Wer für sein Kind einen ruhigen besinnlichen Ort zum Lernen sucht, historische Gemäuer anregend findet oder die deutsch-polnische Kooperation schätzt, der sollte sich ruhig einmal in den tiefen
Osten wagen. ■
Petra Bühring
Gymnasium und Internat im Stift Neuzelle, Stiftsplatz 7, 15898 Neuzelle, Telefon: 033652 82580,
www.gymnasium-neuzelle.de, info@gymnasium-neuzelle.de
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