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Archiv "Aktuelle Tuberkulindiagnostik" (03.08.1984)

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Aktuelle

Tuberkulindiagnostik

Paul Christoph Schmid

Die Tuberkulin-Hautreaktionen in ihren verschiedenen Varianten sind die einzige Möglichkeit, sowohl frisch infizierte Tuberkulosepatien- ten als auch ihre Infektionsquellen auf einfache und sichere Weise aufzufinden. Da die Hauptdurchseuchung bei jungen und im mittle- ren Alter befindlichen Erwachsenen stattfindet und von diesen Alters- stufen auf die Kinder übertragen wird, ist diese diagnostische Metho- de für den Kinder- und Hausarzt von aktuellem Interesse.

Die Tuberkulindiagnostik spielt seit der Entdeckung des Tuberku- lins durch R. Koch (1890) und seit seiner ersten diagnostischen An- wendung durch den Pädiater v.

Pirquet (1907) vor allem in der Kin- derheilkunde eine wichtige Rolle.

Mit der Konzeption der Allergie- lehre von Clemens von Pirquet und mit der Beschreibung der ku- tanen (v. Pirquet 1907) und der perkutanen Tuberkulinreaktion (Moro 1908) war man auf ein Phä- nomen aufmerksam geworden, das theoretisch und praktisch auf das ärztliche Denken einen funda- mentalen Einfluß gewinnen sollte.

Erstens war man mit ihr auf einen Prototyp der verzögerten Reak- tion, auf ein Antigen gestoßen. Wir wissen heute, daß dies eine Mani- festation der zellulär fixierten Ab- wehr ist, zum Unterschied von der durch humorale Antikörper ver- mittelten Sofortreaktion. Auf- grund des historischen Hinter- grundes nennt man die verzöger- te Reaktion auch „Reaktion vom Tuberkulintyp". Ihre Bedeutung wurde erst heute im Zeitalter der Transplantationen voll erkannt.

Zweitens stellte man fest, daß ei- ne positive Tuberkulinreaktion nicht etwa diagnostisch für eine manifeste Tuberkulose spricht, sondern nur eine stattgehabte In- fektion anzeigt, die längst abge- heilt sein kann.

Da noch vor 50 Jahren der größte Teil unserer Bevölkerung tbc-infi- ziert war, sahen manche Zeitge- nossen die Tuberkulinprobe als eine nutzlose Spielerei an. Mit dem so einfach anwendbaren per- kutanen Tuberkulintest konnten aber umfassende Reihenuntersu- chungen durchgeführt werden, und man erkannte, daß zahlreiche Kinder tuberkulinpositiv gewor- den waren, ohne je Krankheitser- scheinungen gehabt zu haben.

Für uns ist heute das Faktum „in- apparente Infektion" — von v.

Pfaundler „stille Feiung" genannt

— als durchgehendes nosologi- sches Prinzip in der Kinderheil- kunde eine Selbstverständlich- keit. Die Tuberkulinprobe erlaub- te erstmalig am Beispiel der Tu- berkulose exakte quantitative Aussagen dazu.

Bedeutung der

Tuberkulinreaktion in der Tuberkulosebekämpfung

Diese Bedeutung läßt sich wie folgt zusammenfassen:

1. Die Tuberkulinreaktion ist die einzige Methode, die sowohl die Auffindung der Frischinfizierten als auch der Infektionsquellen auf einfache, relativ zuverlässige und preiswerte Weise ermöglicht.

2. Sie ist die wichtigste epidemio- logische Suchmethode. Die Ein- führung eines vollständigen Tu- berkulinkatasters ist zu empfeh- len.

3. Diese Suchmethode nach Frischinfizierten und Infektions- quellen soll mit der Röntgenunter- suchung kombiniert werden.

4. Tuberkulin- und Röntgenkata- ster erlauben bei frühzeitigem Einsatz eine konsequente Be- handlung ohne Versager.

Was ist ein Tuberkulin?

Tuberkulin ist ein vom Mycobac- terium tuberculosis produziertes und ausgeschiedenes Protein mit Allergencharakter. Das von Ro- bert Koch 1890 erstmals herge- stellte Alttuberkulin (AT) wird aus Tuberkelbakterienkulturen gewonnen, die 6 bis 8 Wochen auf einer 5prozentigen Glyzerinpep- tonbouillon gewachsen sind. Die Kulturen werden mitsamt der Kul- turflüssigkeit im Wasserbad auf ein Zehntel ihres Volumens einge- dampft. Zur Entfernung der abge- töteten Tuberkelbakterien wird das Konzentrat durch Ton und Kieselgur filtriert. Das so gewon- nene Tuberkulin enthält etwa 50 Prozent Glyzerin und ist dadurch konserviert (Kolle-Wassermann).

Es gibt heute viele Modifikationen zur Herstellung von Tuberkulin.

Sie alle werden mit dem „Stan- dardtuberkulin" des Staatlichen Serologischen Instituts in Kopen- hagen (Madsen) verglichen und standardisiert.

Die Wirkung des Tuberkulins im menschlichen Körper

Bei der Anwendung des Tuberku- lins (AT) lassen sich zwei ver- schiedene Reaktionsarten im menschlichen Organismus unter- scheiden:

Überempfindlichkeitsreaktion vom anaphylaktischen Typ als Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 31/32 vom 3. August 1984 (31) 2299

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Abbildung 1:

Rechte Brustseite perkutane Pfla- sterprobe mit der verstärkten Tu- berkulinsalbe

„S". Linke Brust- seite Perkutan- probe nach Moro mit der verstärk- ten Tuberkulinsal- be „S". Starke positive Reaktion nach 72 Stunden bei 10jährigem Kind mit aktiver Primärtuberku- lose

Abbildung 2:

Rechte Brustseite Frekatest-TB. Lin- ke Brustseite Per- kutanprobe nach Moro mit der ver- stärkten Tuberku- linsalbe „S".

Stark positive Re- aktion nach 72 Stunden bei 5jäh- rigem Kind mit aktiver Primärtu- berkulose

Abbildung 3: An- legen des Intraku- tantests nach Mendel-Mantoux am rechten Unter- arm bei 14jähri- gem Mädchen.

Deutliche intraku- tane Quaddelbil- dung von 5 mm Durchmesser Abbildung 4:

Rechter Unterarm stark positiver In- trakutantest nach Mendel-Mantoux mit 10 TE GT nach 72 Stunden bei 14jährigem Mädchen. Linker Unterarm stark positiver Tine Test (5 TE AT)

Ausdruck einer unspezifischen allergischen Reaktion auf artfrem- des Protein.

Überempfindlichkeitsreaktion vom verzögerten Tuberkulin-Typ als Ausdruck einer spezifischen allergischen Reaktion auf Tuber- kulin bei Tbc-Infizierten.

Während bei der anaphylakti- schen Gruppe der überempfind- liche Organismus sofort nach Ein- verleibung der artfremden Protei- ne reagiert, tritt bei dem mit Tu- berkelbakterien infizierten Orga- nismus nach Einverleibung des Tuberkulins eine Reaktion erst später auf. Hierbei erreichen so- wohl Lokal- als auch Allgemein- und Herdreaktionen ihren Höhe- punkt erst nach 24 bis 72 Stunden.

Dieser zeitliche Unterschied er- möglicht eine klinische Trennung der beiden Reaktionsformen. Eine Tuberkulinprobe kann deshalb nie früher als nach 48 bis 72 Stun- den beurteilt werden, nämlich dann, wenn die unspezifischen Reaktionen abgeklungen sind.

Um Fehlbeurteilungen wegen un- spezifischer Reaktionen auf art-

fremde Proteine zu vermeiden, werden in zunehmendem Maße gereinigte Tuberkuline verwen- det: PPD (=purified protein deri- vate) nach Seibert, „GT" Hoechst (GT = gereinigtes Tuberkulin) und RT23 (Kopenhagen). Das gereinig- te Tuberkulin wird aus Tuberkel- bakterienkulturen gewonnen, die auf einem synthetischen protein- freien Nährboden gewachsen sind. Die Tuberkuloproteine sind außerdem so präpariert, daß sie ihre nichtspezifischen anaphylak- tischen Eigenschaften verloren haben.

Welches Prinzip liegt der Tuberkulindiagnostik zugrunde?

Das Prinzip der Tuberkulinreak- tion wird im sogenannten Koch'- schen Grundversuch sichtbar, nach dem ein mit Tuberkelbakte- rien infizierter Organismus auf er- neute Zufuhr von Tuberkelbakte- rien oder von Tuberkulin anders reagiert als ein nichtinfizierter Or- ganismus. C. v. Pirquet (1908) be- zeichnete diese Veränderung der

Reaktionslage als Allergie.

Für den mit Tuberkulose noch nicht infizierten Organismus ist Tuberkulin völlig indifferent. Für einen infizierten Organismus da- gegen ist es in der üblichen Dosis ein starkes Antigen, auf das dieser mit einer lokalen Rötung und Schwellung reagiert (Tuberkulin- allergie). Bei stärkerer Reaktion kann die Infiltration sogar in eine Nekrose übergehen. Es bildet sich dann ein nur sehr langsam abheilendes Geschwür.

Neben dieser Lokalreaktion auf Tuberkulin kann es auch zu einer Allgemeinreaktion mit Fieber und starkem Krankheitsgefühl kom- men. Am gefährlichsten sind Herdreaktionen durch Aktivierung von tuberkulösen Herden im Kör- per. Es dauert etwa 6 Wochen, bis der Organismus nach einer Tbc- Infektion tuberkulin-positiv rea- giert.

Dies entspricht auch der Zeit bis zum Auftreten der ersten Krank- heitssymptome. Die lokale Tuber- kulinreaktion ist also nur ein Teil der durch die Infektion in Gang gesetzten Umstimmung des Kör-

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Abbildung 7:

Stark positiver AT-Tine-Test am linken Unterarm nach 72 Stunden.

Deutliche Knöt- chenbildung (Infil- tration) an den 4 Einstichstellen mit perifokaler Entzündung bei 5jährigem Kind mit aktiver Pri- märtuberkulose

Abbildung 8:

Stark positiver Tine Test nach 72 Stunden bei 12jährigem Jungen mit aktiver Primär- tuberkulose Rechter Unterarm mit AT: Infiltration mit diffuser Ent- zündung um die 4 Einstichstellen Linker Unterarm mit PPD: Nur Infil- tration ohne Ent- zündung um die 4 Einstichstellen Abbildung 5: An-

legen des Stem- peltests (Tine Test) am linken Unterarm bei 14jährigem Mädchen Abbildung 6: Po- sitiver PPD-Tine Test am linken Unterarm bei 14jährigem Mäd- chen nach 96 Stunden. Knöt- chenbildung an den 4 Einstich- stellen ohne perifokale Entzündung

pers. Sie tritt auch dann auf, wenn

— wie häufig — die klinischen Sym- ptome so gering sind, daß sie nicht bemerkt werden.

Die positive Tuberkulinreaktion Eine positive Tuberkulinprobe be- sagt nur, daß der Körper mit Tu- berkelbakterien infiziert ist, d. h.

daß er Bakterienträger ist. Eine manifeste Erkrankung braucht nicht vorzuliegen. Es kann auch nicht entschieden werden, ob es sich um eine aktive oder inaktive tuberkulöse Erkrankung handelt (H. Kleinschmidt). Für die Stärke der Reaktion spielen konstitutio- nelle Faktoren eine große Rolle.

So reagieren beispielsweise Rot- blonde besonders stark, ohne daß ein aktiver tuberkulöser Herd vor- zuliegen braucht. Trotzdem kann man im allgemeinen bei starker Reaktion eher einen aktiven Herd vermuten als bei einer schwa- chen.

BCG-Geimpfte zeigen meist nur eine schwache Tuberkulinreak- tion, während eine starke Reak-

tion bei ihnen den Verdacht auf ei- ne virulente Superinfektion er- wecken muß.

Die negative Tuberkulinreaktion Eine negative Tuberkulinprobe besagt, daß der menschliche Or- ganismus mit großer Wahrschein- lichkeit noch nicht mit Tuberkel- bakterien infiziert ist. Diese Wahr- scheinlichkeit ist um so größer, je höher die Tuberkulindosis war, mit der geprüft wurde (Klein- schmidt). In 5 Ausnahmen kann je- doch eine negative Tuberkulin- probe bei bereits Infizierten vor- kommen:

1. In der präallergischen Phase während der Inkubationszeit (et- wa 6 Wochen);

2. in einer anergischen Phase nach schweren Infektionskrank- heiten wie Masern, Keuchhusten, Grippe (etwa 2 Wochen);

3. bei negativer Anergie im Nie- derbruch der Abwehrkräfte des Organismus bei sehr schweren tu-

berkulösen Prozessen oder bei gleichzeitig schweren konsumie- renden sonstigen Erkrankungen;

4. bei positiver Anergie, z. B. bei der Boeckschen Sarkoidose;

5. bei biologisch ausgeheilter Tu- berkulose und nach mehrere Jah- re zurückliegender BCG-Impfung (Kleinschmidt, Brügger, R. W.

Müller).

Die heute

wichtigsten Tuberkulinteste Die wichtigsten Testmethoden sind:

1. Die Perkutanprobe nach Moro, 2. die perkutane Pflasterprobe, 3. der Intrakutantest

nach Mendel-Mantoux, 4. der Stempeltest

(Multipunkturmethode).

1. Die Perkutanprobe nach Moro wird heute mit der verstärkten Tu- berkulinsalbe „S" durchgeführt (Spieß). Sie ist 10mal stärker als Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 31/32 vom 3. August 1984 (35) 2301

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die frühere Hamburger-forte-Sal- be und hat eine wesentlich besse- re Hautaffinität als die Forte-Sal- be, so daß der Zeitaufwand für die Einreibung gegenüber der Pfla- sterprobe keine Rolle mehr spielt (Abbildung 1 ).

2. Die perkutante Pflasterprobe ist heute mit verbesserten Pfla- stern und verstärkten Salben eine der zuverlässigsten Testmetho- den. So entspricht beim Tuberku- lin-Frekatest die Tuberkulindosis der verstärkten Tuberkulinsalbe

"S". Es ist dabei zu beachten, daß das Pflaster nach 24 Stunden ent- fernt und die Reaktion nach weite- ren 48 bis 72 Stunden beurteilt wird (Abbildung 2).

3. Der Intrakutantest nach Men- del und Mantoux (1908) ist der ex- akteste aller Tuberkulintests, da nur bei dieser Methode eine ge- naue Tuberkulindosis in die Haut eingebracht werden kann. Für Reihenuntersuchungen ist er we- gen des technischen Aufwandes weniger geeignet. Schwierig- keiten macht außerdem bei Kin- dern die streng intrakutane Appli- kation.

Für Reihenuntersuchungen Er- wachsener wurde mit dem Hypo- spray-Jet-Injektor eine intrakuta- ne Testmethode ohne Injektions- nadel entwickelt (Spieß und Lü~

ders). ln 5 Minuten können bis zu 100 Personen getestet werden.

Für Reihenuntersuchungen von Kindern ist diese Methode jedoch nicht geeignet (Abbildungen 3 und 4).

4. Von den Stempeltests oder der Multipunkturmethode kennen wir heute verschiedene Variationen:

a) Tine-Test mit AT (5 TE Alttuber- kulin),

b) PPD-Tine-Test (10 TE gereinig- tes Tuberkulin),

c) Tubergentest (1 0 TE gereinig- tes Tuberkulin),

d) Heaf-Test (gereinigtes Tuber- kulin in Lösung),

e) Merieux-Tuberkulintest (Aittu- berkulin in Lösung).

Das Tuberkulin wird mittels meh- rerer Stacheln in die Haut (intra- dermal) eingedrückt. Beim Tine- Test nach Rosenthai und beim Tu- bergen-Test haftet das Tuberkulin in getrocknetem Zustand an den Stacheln. Beim Heaf- und Me- rieux-Test werden die Stacheln vor dem Eindrücken mit flüssigem Tuberkulin benetzt. Mit dem Stempeltest können praktisch alle tuberkulösen Erkrankungen er- faßt werden (Abbildungen 5 bis 8).

..,. Für alle Testmethoden gilt der gleiche Grundsatz: Beurteilung der Reaktion nicht vor dem 3. Tag!

Beurteilung der Pflasterprobe frü- hestens 2 Tage (48 Stunden) nach Pflasterabnahme! Nur so lassen sich unspazifische von spezifi- schen Reaktionen unterscheiden und falsch-positive Ergebnisse vermeiden. Technik der einzelnen Testmethoden siehe M. Hertl (1968), Technik des Tine-Tests mit Abbildungen siehe P. Ch. Schmid (1965, 1966, 1967, 1969).

Klinische Ergebnisse der verschiedenen Testmethoden ln eigenen klinischen Untersu- chungen wurden im Verlaufe von 20 Jahren über 19 000 sowohl tu- berkulinpositive als auch tuberku- linnegative Kinder durchgetestet und dabei Aussagewert, Sicher- heit und Unsicherheit der einzel- nen Testmethoden miteinander verglichen. Eine hohe Konstanz und große Sicherheit bei der Durchführung und Beurteilung war dadurch gewährleistet, daß je- der einzelne Test von mir oder von meinen langjährigen erfahre- nen Mitarbeitern MD Dr. U.

Schmid, MD Dr. H. Schmidt und MD Dr. A. Senninger vorgenom- men und von uns gemeinsam be- urteilt wurde (die Ergebnisse der Untersuchungen, die sich von 1962 bis 1981 erstreckten, sind noch nicht veröffentlicht).

Die getesteten Kinder wurden in drei Gruppen eingeteilt:

1. Gruppe: Stationär behandelte tuberkulosekranke Kinder mit re-

lativ hoher Tuberkulinempfind- lichkeit (Starkreagenten).

2. Gruppe: Stationär behandelte Kinder, die infolge mangelhafter Tuberkulindiagnostik fehleinge- wiesen wurden. Diese Zahl war jährlich relativ hoch und betrug seit 1964 fast konstant 8 bis 9 Pro- zent. Zwei Drittel dieser Falschpo- sitiven waren auf Fehler bei der I ntrakutantestu ng nach Mendei- Mantoux, ein Drittel auf Fehler bei der perkutanen Pflasterprobe (vor Einführung des Frekatests) zu- rückzuführen.

Sicherheit

der Testmethoden

Rang/Testmethode % 1. PPD-Tine-Test 98,7 2. Perkutantest nach

Moro mit verstärkter Tuberkulinsalbe "S" 97,3 3. Intrakutantest

nach

Mendei-Mantoux

mit 10 TE 96,8

4. AT-Tine-Test 96,5 5. Intrakutantest

mit 100 TE 96,0 6. Perkutaner Pflaster-

test (ohne Frekatest) 95,5 7. Intrakutantest

mit 1000 TE 93,0 Tabelle 1

3. Gruppe: ln Ambulanz und Schu- len durchgetestete Kinder, meist ohne Tuberkulose, also vorwie- gend tuberkulinnegative Kinder.

Diese eigenen Untersuchungen zeigten, daß hinsichtlich der Zu- verlässigkeit der einzelnen Test- methoden eine große Diskrepanz besteht zwischen den tuberkulin- positiven und den tuberkulinne- gativen Kindern. So beträgt die Si- cherheit mit dem Intrakutantest nach Mendei-Mantoux bei den Tu- berkulinpositiven nahezu 100 Pro- zent· bei den Tuberkulinnegatl-

(5)

ven dagegen beträgt die Unsi- cherheit mit 100 TE 7 bis 8 Pro- zent, mit 1000 TE sogar 14 bis 16 Prozent). Der Perkutantest nach Moro ergab bei den Positiven eine Sicherheit von 95 bis 97 Prozent;

bei den Negativen eine Unsicher- heit von nur 1 bis 3 Prozent. Der perkutane Pflastertest (ohne Fre- katest) ergab bei den Positiven ei- ne Sicherheit von 96 bis 98 Pro- zent; bei den Negativen eine Unsi- cherheit von 5 bis 8 Prozent. Beim Tine-Test beträgt die Sicherheit bei den Positiven 98 bis 99 Pro- zent; die Unsicherheit bei den Ne- gativen 1 bis 2 Prozent, ist also gleichmäßig verteilt.

Rangordnung

der einzelnen Testmethoden Nimmt man von der Anzahl der tu- berkulinpositiven und tuberkulin- negativen Kindern den Mittelwert, so ergibt sich als durchschnitt- liche Sicherheit für die einzelnen Testmethoden die in Tabelle 1 aufgezeigte Rangordnung. Nach letzten Untersuchungsergebnis- sen mit dem Tuberkulin-Frekatest liegt diese Pflasterprobe mit dem PPD-Tine-Test an der Spitze.

Nach unseren Erfahrungen ist beim Kind nicht allein die Quanti- tät, sondern auch die Art der Ap- plikation des Tuberkulins von Be- deutung, um eine positive von ei- ner negativen Reaktion unter- scheiden zu können. Je kleiner ein Kind ist, um so weniger geeig- net ist beispielsweise der Intraku- tantest. Die auf kleinstem Raum konzentrierte Injektionsmenge löst beim Kleinkind oft eine diffu- se Entzündung aus, die in den er- sten 3 bis 4 Tagen schwer zu beur- teilen ist. Dagegen ergibt eine kleine Menge der Tuberkulinsalbe

„S", auf einem 5-Markstück-gro- ßen Hautbezirk eingerieben, meist eine eindeutige Reaktion.

Beim Erwachsenen ergibt eine bestimmte, in die Haut injizierte Tuberkulinmenge eine lokalisier- te Reaktion mit Infiltration, die sich sogar nach Millimetern be- stimmen läßt.

Die großen Differenzen der Er- gebnisse von Tuberkulintestun- gen verschiedener Autoren beru- hen sicher zum großen Teil auf subjektiven Unterschieden in der Durchführung und Beurteilung der Teste und sind weniger auf die einzelnen Testmethoden selbst zurückzuführen. Je mehr Erfahrung mit einer bestimmten Testmethode, um so besser die Ergebnisse! Eine gewisse Rolle spielt dabei allerdings auch die Qualität des Testmaterials, das Schwankungen unterworfen sein kann (Alter des Tuberkulins, Be- dingungen der Aufbewahrung).

Auswahl einer Testmethode zu verschiedenen Zwecken Die Wahl einer Testmethode rich- tet sich nach folgenden klinischen und epidemiologischen Gesichts- punkten:

1. Klinische Testung zum Nach- weis einer frischen tuberkulösen Infektion oder einer Erkrankung.

Es ist mit Starkreagenten zu rech- nen; also Beginn mit kleinen Tu- berkulindosen.

2. Klinische Durchtestung zum si- cheren Ausschluß einer tuberku- lösen Infektion oder Erkrankung.

Dabei sind Schwachreagenten auszuschließen; also Durchte- stung bis zur Höchstdosis.

3. Epidemiologische Suchmetho- de mit Monotest mittlerer Dosie- rung zur Auffindung Frischinfi- zierter und deren Infektionsquel- len sowie zur Feststellung der tu- berkulösen Durchseuchung einer Bevölkerungsgruppe.

Wahltest für

die einzelnen Altersstufen Für die individuelle klinische Te- stung und Durchtestung einer- seits und für kollektive Reihente- stungen mit einem Suchtest ande- rerseits ist für die verschiedenen Altersstufen folgendes Vorgehen zu empfehlen:

1. Klinische Testung und Durch- testung:

a) bis 12. Lebensjahr: Perkutan- test mit der verstärkten Tuberku- linsalbe „S" oder Frekatest. Bei negativem Ausfall Weitertestung mit Tine-Test und Intrakutantest mit 100 TE. Bei Weitertestung mit 1000 TE sind bei Kindern bis zu 12 Jahren praktisch keine zusätz- lichen positiven Ergebnisse zu er- zielen;

b) Ab 12. Lebensjahr: Frekatest oder Tine-Test oder Intrakutantest mit 5 TE; Durchtestung im Be- darfsfall bis 1000 TE.

2. Suchtest bei Reihenuntersu- chungen:

a) bis 12. Lebensjahr: Perkutan- test nach Moro mit der verstärkten Tuberkulinsalbe „S" oder Freka- test;

b) 12. bis 18. Lebensjahr: Tine- Test oder Frekatest oder Intraku- tantest mit 5 TE;

c) ab 18. Lebensjahr: Tine-Test oder Intrakutantest mit 10 TE.

Pflastertests sind in diesem Alter wegen der derberen Haut nicht mehr geeignet.

Zusammenfassung

Sowohl für die Klinik der Tuberku- lose als auch für ihre Bekämpfung und Ausrottung spielt die Tuber- kulindiagnostik die wichtigste Rolle. Mit dem Rückgang der Tu- berkulose und der Verschiebung der tuberkulösen Erstinfektion vom Kindes- in das Erwachsenen- alter gewinnt der Aussagewert ei- ner positiven Tuberkulinreaktion immer mehr an Bedeutung, so- wohl klinisch für die Erkennung einer tuberkulösen Erkrankung als auch epidemiologisch zur Auf- findung Frischinfizierter und de- ren Infektionsquellen.

Durch verbesserte Methoden ist eine hohe Sicherheit von nahezu 99 Prozent zu erreichen.

Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 31/32 vom 3. August 1984 (41) 2303

(6)

Tuberkulinprüfungen sind erfor- derlich

a) bei allen auf Tuberkulose Ver- dächtigen,

b) bei allen unklaren Erkrankun- gen,

c) bei allen Kindern routinemäßig jährlich einmal, auch nach dem Abschluß der Vorsorgeuntersu- chungen,

d) bei allen umgebungsgefährde- ten Personen jährlich zweimal.

Mit der Einführung eines Tuber- kulinkatasters könnte auf die BCG-Impfung der Kinder verzich- tet und könnte die aufwendige, kostspielige und nie vollständig durchführbare Röntgen-Reihen- untersuchung auf die Reagenten beschränkt werden. Damit kommt der Tuberkulindiagnostik eine zentrale Stellung in der Tuberku- losebekämpfung zu.

Die wichtigsten Testmethoden sind heute der Perkutantest nach

Moro (mit der verstärkten Tuber- kulinsalbe „S"), der perkutane Pflastertest (Frekatest), der Intra- kutantest nach Mendel-Mantoux und die verschiedenen Stempel- teste. Für das Kindesalter haben sich der Perkutantest nach Moro mit der verstärkten Tuberkulinsal- be „S" und der perkutane Pfla- stertest (Frekatest) bestens be- währt. Als einheitlicher Such- und Monotest für die Praxis und für Reihenuntersuchungen ist der Stempeltest (Tine-Test) zu emp- fehlen.

Literaturauswahl

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(Das vollständige Literaturver- zeichnis befindet sich im Sonder- druck, zu beziehen über den Ver- fasser.)

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med.

Paul Christoph Schmid LMD Lehrbeauftragter an der Universität München 8178 Gaissach-Mühl

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Elashoff, J. D.; Deventer van, G. et al: Long term follow-up of duodenal ulcer patients. J.

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Dunn, M.; Smith, P. J. B.: Results of Conserva- tive Management of Vesicoureteric Reflux in Children. Brit. J. Urol. 54 (1982) 672-7, Royal Hospital for Sick Children, Bristol/Eng- land. Aladjem, M.; Boichis, H.; Hertz, M.; Herz- feld, S.; Raviv, U.: The Conservative Manage- ment of VUR, a Review of 121 Children. Pe- diatrics 65 (1980) 78-80.

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