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Lexikalischer Spracherwerb im Vorschulalter

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Academic year: 2021

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Eine Annäherung an die Komposition des Lexikons von deutschsprachigen Kindern im Alter von drei bis fünf Jahren

Erstellung eines Korpuslexikons auf der Basis spontaner Sprachdaten

vorgelegt von Julia Schulze M.A. phil.

geb. in Neuruppin

von der Fakultät I - Geistes- und Bildungswissenschaften an der Technischen Universität Berlin

zur Erlangung des akademischen Grades

Doktorin der Philosophie Dr. phil.

-genehmigte Dissertation

Promotionsausschuss:

Vorsitzender: Prof. Dr. Stefan Weinzierl Gutachter: Prof. Dr. em. Peter Erdmann Gutachter: PD Dr. See Young-Cho

Tag der wissenschaftlichen Aussprache: 7. Dezember 2016 Berlin 2017

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1 Einleitung 9

2 Das Lexikon in der Linguistik 13

2.1 Das Lexikon - Definition . . . 14

2.2 Das Lexikon als Modell . . . 16

2.2.1 Modulares Stufenmodell (Levelt) . . . 17

2.2.2 Interaktives Aktivierungsmodell (Dell) . . . 19

2.2.3 Welches ist das richtige Modell? . . . 20

2.3 Das Lexikon bis zu einem Alter von drei Jahren . . . 22

2.3.1 Von Konstruktionsgrammatiken und anderen Theorien zum Erwerb des Lexikons . . . 23

2.3.2 Der Erwerb des Lexikons - allgemeiner Verlauf . . . 29

2.3.3 Der frühe Wortschatzerwerb nach Kauschke . . . 33

3 Wortarten in der Linguistik 37 3.1 Wort und Wortart - Definition . . . 37

3.2 Die Kategorisierung von Wortarten . . . 42

3.2.1 Kategorisierung nach Kauschke . . . 42

3.2.2 Stuttgart-Tübingen-Tagsets (STTS) . . . 44

3.2.3 Die Wahl einer geeigneten Kategorisierung - Auswahl und Begründung . . . 47

4 Beobachtungsstudie - Ziele und Methodik 49 4.1 Methodik . . . 50

4.1.1 Sprachaufnahmen . . . 59

4.1.2 Die Probandinnen und Probanden . . . 63

4.1.3 Diktiergerät . . . 66

4.1.4 Transkription der Daten mit FOLKER . . . 66

4.1.5 Bearbeitung der Audio-Dateien mit AUDACITY . . . 70

4.1.6 Bearbeitung der Transkripte mit dem EXMARaLDA Partitur-Editor . . . 71

(4)

4.1.7 Kriterien für das Taggen der Wortarten nach den

Richtlinien der STTS . . . 74

4.1.8 Kriterien für die Lemmatisierung der syntaktischen Wörter 84 5 Die Arbeit mit dem CorpusAnalyser 89 5.1 Die Inhalte im Überblick . . . 90

5.2 Die Funktionen des CorpusAnalysers . . . 97

5.2.1 01_wave_convert . . . 97 5.2.2 02_create_database . . . 98 5.2.3 03_import_data . . . 100 5.2.4 04_query_db . . . 101 5.2.4.1 01_tag_count . . . 101 5.2.4.2 02_typetoken . . . 106 5.2.4.3 03_typetoken_lemma . . . 110 5.2.4.4 04_lemma_tag . . . 117 5.2.4.5 05_lemma_bedeutung . . . 122 5.2.4.6 06_typetoken_bedeutung . . . 123

5.3 Möglichkeiten für die Arbeit mit dem CorpusAnalyser . . . 126

6 Analyse der Wortarten 129 6.1 Gruppierung der POS-Tags . . . 130

6.2 Altersgruppen im Vergleich . . . 133

6.2.1 Verteilung der Tokens . . . 133

6.2.2 Verteilung der Types . . . 138

6.2.3 Das Verhältnis der Types zu den Tokens . . . 140

6.2.4 Zusammenfassung . . . 143

6.3 Individuelle Unterschiede in den Altersgruppen . . . 144

6.3.1 Gruppe 1281 bis 1495 . . . 146

6.3.2 Gruppe 1496 bis 1708 . . . 148

6.3.3 Gruppe 1709 bis 1983 . . . 150

6.3.4 Vergleich der individuellen Verläufe mit den Altersgruppen 151 6.3.5 Zusammenfassung . . . 164

6.4 Analyse der ersten einhundert Wörter je Kind . . . 166

6.5 Die Wortartenverteilung bei Erwachsenen . . . 172

7 Der Grundwortschatz semantisch betrachtet 177 7.1 Die Bedeutungskategorien . . . 179

7.1.1 Adjektive . . . 180

7.1.2 Adverbien . . . 181

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7.1.4 Artikel . . . 184

7.1.5 Fremdsprachliches Material . . . 184

7.1.6 Interjektionen . . . 184

7.1.7 Konjunktionen und Subjunktionen . . . 185

7.1.8 Substantive . . . 187

7.1.9 Pronomen . . . 191

7.1.10 Partikeln . . . 192

7.1.11 Verben . . . 195

7.2 Tendenzen in der Verwendung von Inhaltswörtern . . . 198

7.2.1 Nomen (n-abstr-eig, n-abstr-hdlg, n-abstr-maß, n-abstr-vorg, n-abstr-vorst, n-abstr-zeit, n-abstr-zust, n-belebt, n-unbelebt, ne) . . . 198

7.2.2 Verben (v-aux, v-kop, v-mod, v-hdlg, v-vorgang, v-zustand)203 7.2.3 Adjektive (ad-part, ad-qual, ad-quant, ad-rel) . . . 206

7.2.4 Adverbien (adv-kaus, adv-komm, adv-lok, adv-mod, adv-temp) . . . 211

7.3 Tendenzen in der Verwendung von Funktionswörtern . . . 212

7.3.1 Interjektionen (itj) . . . 212

7.3.2 Konjunktionen (kon-add, kon-adv, kon-alt, kon-kaus, kon-spez, kon-temp, kon-vgl) und Subjunktionen (sub-fin, sub-kaus, sub-kond, sub-konz, sub-mod-instr, sub-neutr, sub-temp) . . . 213

7.3.3 Pronomen (pav, pdat, pds, piat, pidat, pis, pper, ppos, prels, prf, pwat, pwav, pws) . . . 214

7.3.4 Präpositionen (pr-kaus, pr-lok, pr-mod, pr-neutr, pr-temp) 215 7.3.5 Partikeln (ptk-abt, ptk-ant, ptk-fok, ptk-gespr, ptk-grad, ptk-neg, ptkvz, ptkzu) . . . 215

7.4 Hinweise zur Verwendung des Lexikons . . . 216

7.4.1 Beispielhafte Ausgabedateien . . . 217 7.5 Zusammenfassung . . . 219 8 Diskussion 223 9 Ausblick 245 Abbildungsverzeichnis 249 Tabellenverzeichnis 251 Literaturverzeichnis 253

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Für Richard - meine Inspiration Danke Alex Die vorliegende Arbeit enstand durch die Mitwirkung und Unterstützung zahlreicher Personen, denen ich an dieser Stelle meinen Dank aussprechen möchte.

Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Peter Erdmann und Herrn PD Dr. habil. See-Young Cho, die mir zu jeder Zeit mit kompetentem fachlichen Rat zur Seite standen. Ich verdanke beiden hilfreiche Unterstützung und viele anregende Gespräche. Sie begleiteten mich während der gesamten Entstehungszeit dieser Arbeit mit vielen kreativen Ideen und wertvoller professioneller Hilfe.

Darüber hinaus bedanke ich mich sehr herzlich bei allen Kindern und MitarbeiterInnen der Kita des Studentenwerks an der Technischen Universität Berlin. Ohne die Mitwirkung dieser Menschen hätten die Daten für diese Arbeit nicht erhoben werden können.

Meiner Familie danke ich für den ständigen Zuspruch und die seelische Unterstützung. Ich bedanke mich für das Verständnis, vor allem dann, wenn ich nur wenig Zeit für sie hatte.

Nicht zu vergessen sind meine lieben Kommilitoninnen und Unimädels, die die vorliegende Arbeit Korrektur lasen und mich in meinem Vorhaben immer bestärkten.

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Einleitung

Diese Arbeit widmet sich dem Lexikonerwerb, genauer gesagt dem fortgeschrittenen Lexikonerwerb von Kindern im Vorschulalter. Untersucht wird die Komposition des Lexikons deutschsprachiger Kinder im Alter von 3;5 bis 5;5 Jahren unter unterschiedlichen Aspekten. An dieser Stelle lässt sich gewiss darüber streiten, ob es sich tatsächlich noch um den Erwerb von Sprache handelt. Man möchte meinen, dass Kinder in diesem Alter schon richtig sprechen können. Und das tun mit Sicherheit auch die meisten von ihnen. Nichtsdestotrotz gibt es Unterschiede zwischen dem Lexikon von Vorschulkindern und dem Lexikon Erwachsener. Die Besonderheiten des kindlichen Wortschatzes sollen in dieser Arbeit herausgearbeitet und dokumentiert werden.

„Although aspects of the sound, communicative, morphological, and syntactic systems continue to develop after the age of 5 years, the acquisition of words exhibits the most significant improvements after the preschool years. If the language development of an individual would was mysteriously halted at the age of 5 years, this individual would possess most of the sound, morphological, syntactic, and communicative systems of her native language. However, her vocabulary, at best, would be 25% of that of a normal adult.“ ([Kuczaj (1999)], S. 134)

Anknüpfend an Kuczajs Zitat stellt sich die Frage, wie genau sich das Vokabular des Vorschulkindes zusammensetzt. Ein Ziel ist es deshalb, die Verteilung jener Wortarten darzustellen und zu analysieren, die Kinder im Alter von 3 bis 5 Jahren verwenden. Des Weiteren möchte ich im Hinblick auf die Wortarten relevante inhaltliche Aspekte verdeutlichen und wichtige Entwicklungsschritte im Erwerb des Lexikons unter semantischen Gesichtspunkten aufzeigen. Abschließend soll ein Lexikon des Vorschulalters erstellt werden, das den produktiven Wortschatz der hier untersuchten Kinder

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mit entsprechenden Bedeutungskategorien enthält. Bei einer anfänglichen Recherche zu bereits bestehenden Erkenntnissen im Hinblick auf dieses Thema stellte sich schnell heraus, dass so gut wie keine Studien, Literatur oder Beschreibungen dazu vorliegen. Dadurch gestaltete sich die Anfertigung der vorliegenden Arbeit zwar sehr mühselig, weil alle gewonnenen Daten und Eindrücke selbst genauestens analysiert werden mussten. Es schaffte jedoch auch eine gewisse Freiheit in der Durchführung der Studie und der anschließenden Analyse der Daten. Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass alle Ergebnisse auf reinen Beobachtungsdaten beruhen und nicht experimentell begründet sind. Dennoch sind die Ergebnisse sehr einheitlich und schlüssig im Hinblick auf die bisherige Forschungslage, so dass davon ausgegangen werden kann, diese als wertvollen Beitrag zu bereits bestehenden linguistischen Arbeiten im Bereich der Lexikonentwicklung verstehen zu können. In den meisten Fällen soll auf bisher ermittelte Daten eingegangen werden, die die Lexikonentwicklung bis zu einem Alter von 3;0 Jahren untersuchten. Dies erschien sinnvoll, da ohne diesen Bezug keine Aussagen getroffen werden können. Zu Beginn der Arbeit wird deshalb der aktuelle Forschungsstand im Hinblick auf das mentale Lexikon in Kapitel 2 dargestellt. Es werden relevante Lexikonmodelle präsentiert und versucht, diese in Bezug zu den später ermittelten Daten zu setzen. Ferner werden in diesem Kapitel wichtige Erkenntnisse zum Spracherwerb erörtert. Die in diesem Kapitel erwähnte Konstruktionsgrammatik wird hinzugezogen, da sie meines Erachtens wertvolle Hinweise gibt auf Parallelen zwischen dem Syntaxerwerb und dem Erwerb des Lexikons und weil sie als moderne Spracherwerbstheorie meinen Vorstellungen diesbezüglich entspricht. Im Anschluss daran wird der Erwerb des Lexikons sowie dessen Komposition bis zu einem Alter von 3;0 Jahren auf der Basis einer bereits durchgeführten Untersuchung beschrieben ([Kauschke (2000)]). Diese Studie wird auch an weiteren Stellen in dieser Arbeit zitiert. Der Grund für die häufige Einbeziehung dieser Ergebnisse ist, wie bereits erwähnt, dass es zu diesem Thema keine weiteren mir bekannten Arbeiten gibt, die als Referenz zur vorliegenden Arbeit herangezogen werden könnten.

In Kapitel 3 wird definiert, was genau als Wort und als Wortart verstanden wird und wie die Begriffe hier verwendet werden. In Anlehnung an die spätere Durchführung und Analyse der Sprachdaten muss zudem eine geeignete Klassifikation der Wortarten vorgenommen werden. Hierzu werden verschiedene Klassifikationssysteme gesichtet und zwei von ihnen vorgestellt. Insbesondere im Hinblick darauf, dass sich die Sprache des Kindes von jener des Erwachsenen unterscheidet, muss das Klassifikationssystem mehreren Anforderungen genügen. Es sollte alle Wortarten enthalten, die im Lexikon

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von Kindern im Vorschulalter vertreten sind. Im Idealfall enthält es auch alle Wortarten, die im erwachsenen Lexikon vertreten sind, um so einen späteren Vergleich zu ermöglichen. Ferner ist es wichtig, ein System auszuwählen, das allgemein zugänglich ist und den Anspruch einer gewissen Popularität erfüllt.

Im weiteren Verlauf werden in Kapitel 4 die Grundlagen für das

Durchführen der Beobachtungsstudie zur Erlangung von spontanen

Sprachdaten gelegt. Die Probandinnen und Probanden werden in Bezug auf das Geburtsdatum, das Geschlecht sowie auf weitere soziolinguistische Merkmale vorgestellt. Anschließend erfolgt eine Vorstellung und Erläuterung aller Softwareprogramme, die in der vorliegenden Arbeit Anwendung finden. Im Verlauf der Analysetätigkeit häufte sich eine enorme Datenmenge an, weshalb zur Verarbeitung selbiger ein elektronisches Korpus erstellt wurde. Durch dessen funktionale Basis als Datenbank können vielfältige Aspekte der Sprache untersucht werden, was später gezeigt wird.

Nachfolgend soll in Kapitel 5 eine spezielle Software erläutert werden, die zunächst eigens für die Zwecke der vorliegenden Arbeit konzipiert wurde und ohne welche die Ergebnisse dieser Arbeit nicht in der Form vorliegen würden, wie sie es jetzt tun. Da sich durch die ständige und interaktive Weiterentwicklung des Programms zahlreiche unerwartete Möglichkeiten für die Arbeit mit der Software auftaten, wird dieser ein eigenes Kapitel gewidmet. Diesbezüglich werde ich inspirierend weitere Möglichkeiten für linguistische Arbeiten aufzeigen, die dieses Programm bietet.

In Kapitel 6 wird in einer Analyse der aus der Beobachtung erhaltenen Sprachdaten die Wortartenverteilung unter unterschiedlichen Aspekten untersucht, unter anderem im Vergleich zwischen zuvor festgelegten Altersgruppen sowie unter Beachtung individueller Unterschiede zwischen den Kindern in unterschiedlichen Altersgruppen.

In Kapitel 7 erfolgt schließlich der Hauptteil der vorliegenden Arbeit. Es wird eine Aufstellung aller von den beobachteten Kindern geäußerten Wörter, die in ihrer Form als Lemmata vorliegen, im Hinblick auf ihre semantische

Kategorisierung getätigt. Dabei werden, sortiert nach Altersgruppen,

alle geäußerten (syntaktischen) Wörter mit den jeweiligen Häufigkeiten, Bedeutungskategorien sowie den jeweiligen Wortartenkategorien annotiert. Als Resultat dieser Arbeit wird ein Lexikon des Vorschulalters in Form eines Korpuslexikons erstellt, das dieser Arbeit als Anhang beigefügt ist. Darin werden alle Lemmata, die in den Daten der vorliegenden Arbeit vorkommen, bezugnehmend auf ihre Bedeutungskategorien aufgeführt und mit authentischen Beispielen versehen. Das erstellte Korpuslexikon bildet damit sehr übersichtlich den ermittelten Wortschatz der hier untersuchten Kinder ab. Ferner wird eine inhaltliche Analyse aller Wortartenkategorien und

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hier insbesondere der Inhaltswörter vorgenommen, um die zuvor ermittelten Daten besser in die bisherige Forschungslandschaft einordnen zu können.

In der anschließenden Diskussion (Kapitel 8) sollen die gewonnenen Ergebnisse in Bezug zu den bisherigen Erkenntnissen bezüglich der Komposition des Lexikons gesetzt werden. Ferner wird versucht, aus den ermittelten Daten ein konsistentes Bild der Wortartenverteilung von Kindern im Alter zwischen 3;5 und 5;5 Jahren zu schaffen, das den Ansprüchen neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse gerecht wird und als Grundlage für weitere linguistische Arbeiten dienen kann. Diese möglichen weiterführenden Arbeiten sollen in Kapitel 9 aufgezeigt werden. Selbstverständlich sind weitere als dort genannte anschließende Arbeiten möglich und erwünscht.

(13)

Das Lexikon in der Linguistik

Im Folgenden soll der Begriff Lexikon definiert werden. Zudem werden einige ausgewählte Ansätze vorgestellt, die den Erwerb des Lexikons bis zu einem Alter von etwa 3;0 Jahren zu erklären versuchen. Detaillierte Beschreibungen der Sprachentwicklung in einem Zeitraum von 3;0 bis 5;5 Jahren sind mir nicht bekannt. Es existiert hingegen einige Literatur zur Entwicklung der zunehmenden Diskursfähigkeit bei Kindern, zur sich entwickelnden Syntax (z. B. [Klann-Delius (1999)]; [Szagun (2006)]; [Tomasello (2005)]) und weiteren linguistischen Teilgebieten. Eine Arbeit, die sich auf die Lexik von älteren Kindern bezieht, liefert Augst (1985). Augst erarbeitete ein Wörterbuch des aktiven gesprochenen Wortschatzes von Kindern kurz vor der Einschulung. Dazu verwendete er über 200 Stunden Material (Audiomaterial und Mitschriften), das über vier Monate hinweg von Angehörigen der untersuchten Kinder gesammelt wurde. Das Ergebnis seiner aufbereiteten und analysierten Daten ist ein alphabetischer und nach Sachgebieten geordneter Wortschatz von zehn Kindern im Alter von 6 Jahren ([Augst (1985)], S. IV). Da dieser Wortschatz eine thematisch abweichende Ausrichtung besitzt als jener, der in der vorliegenden Arbeit im Mittelpunkt steht, soll im Folgenden nicht mehr darauf eingegangen werden. Stattdessen wird eine Untersuchung von Kauschke (1999, 2000) zu Teilen herangezogen ([Kauschke (1999)]; [Kauschke (2000)]). In Abschnitt 2.2 möchte ich auf zwei Modelle eingehen, die das Lexikon in seiner Gänze abzubilden versuchen. Dabei beziehe ich mich auf die wohl bekanntesten Modelle - das Modulare Stufenmodell nach Levelt und das Interaktive Aktivierungsmodell nach Dell. Im Anschluss an die Thematisierung des Lexikons werde ich mich den Wortarten in der Linguistik widmen. Wortarten an sich sind zwar nicht der Hauptuntersuchungsgegenstand dieser Arbeit, sie werden aufgrund der Identifikation von Lemmata als Nomen, Verb, Adjektiv, Adverb und als Funktionswörter jedoch zwangsläufig analysiert und sollen

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deshalb nicht gänzlich unbeachtet bleiben. Zudem können sie insbesondere für weiterführende Arbeiten von Interesse sein.

2.1

Das Lexikon - Definition

„Sprache funktioniert so, indem das Gehirn jedes Menschen ein Lexikon mit Wörtern und den Konzepten, für die sie stehen (also ein mentales Lexikon), enthält sowie eine Menge an Regeln, nach denen die Wörter kombiniert werden, um Beziehungen zwischen den Konzepten zu bezeichnen (also eine mentale Grammatik).“ ([Pinker (1996)], S. 99)

Dieses Zitat Pinkers definiert zwar nicht das Lexikon an sich, doch es zeigt deutlich, welche zentrale Rolle das Lexikon bei der Sprachproduktion spielt. Wie später zu sehen sein wird, spielt neben dem Lexikon die Grammatik eine wichtige Rolle und insbesondere bei der Beschreibung des Wortschatzes von älteren Kindern kann die Grammatik nicht völlig außer Acht gelassen werden. Für Pinker (1996) ist Grammatik ein diskretes kombinatorisches System, welches den Gebrauch unendlicher Mittel ermöglicht. Dabei legt die Grammatik die möglichen Kombinationen von Wörtern fest, die eine Bedeutung ausdrücken können ([Pinker (1996)], S. 99 ff.).

Daneben existieren zahlreiche weitere Definitionen für den Begriff Lexikon. Einige von ihnen sollen hier vorgestellt werden und mit der Vorstellung des mentalen Lexikons, wie sie in dieser Arbeit Anwendung findet, in Einklang gebracht werden. Nach Rohde (2005) stellt das Lexikon die Grundgesamtheit aller Wörter einer Einzelsprache dar. Das Vokabular hingegen ist nur eine begrenzte Menge von Wörtern ([Rohde (2005)], S. 4 f.). Clark (1993) beschreibt das Lexikon als Speicher von bereits etablierten Wörtern, die ein/e Sprecher/in während des Sprechens in Anspruch nehmen kann und auf die er/sie während des Hörens zurückgreifen kann ([Clark (1993)], S. 2). Wörter sind demnach die kleinsten semantischen Einheiten in einer Äußerung. Ungeklärt sei allerdings, welche Informationen zusammen mit jedem Wort im Lexikon gespeichert werden. Lexikalische Einträge sollten aber mindestens vier Arten der Information über jeden Gegenstand enthalten, so Clark: die Bedeutung (1), die syntaktische Form (2), die morphologische Form (3), die phonologische Gestalt (4). Ein möglicher Lexikoneintrag könnte dann so aussehen:

• Skier

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• b) Noun countable • c) stem + -er • d) /skir/

a) und b) sind jene Informationen, die im Lemma enthalten sind, c) und d) geben Aufschluss über die Form ([Clark (1993)], S. 3). Im obigen Beispiel handelt es sich um einen Lexikoneintrag für ein Nomen. Einträge für Verben wiederum würden ausführlichere Informationen enthalten, z. B. die Anzahl der Argumente, so Clark. Bis zu diesem Punkt wird deutlich, dass mit dem Begriff Lexikon, so wie er in dieser Arbeit verwendet wird, keineswegs ein literarisches Lexikon bzw. Wörterbuch gemeint sein kann. So unterscheidet auch Aitchison

(2003) zwischen mental lexicon (mentales Lexikon) und dictionary

(Wörterbuch) und führt zahlreiche Argumente für eine Unterscheidung beider Begriffe an. Wörterbücher, so Aitchison, listen Wörter alphabetisch auf. Allein diese Tatsache sei bereits ein Grund, weshalb ein Wörterbuch nicht mit dem mentalen Lexikon vergleichbar ist. Wären Wörter im mentalen Lexikon alphabetisch organisiert, so würden Sprecher, wenn sie Fehler beim Sprechen machen, viel öfter einen alphabetisch benachbarten Eintrag wählen, so die Autorin ([Aitchison (2003)], S. 10-14). Bei einem Versprecher des Wortes bewusst, müssten demnach die Wörter bewurzeln oder Bey gewählt werden ([Duden (1996)], S. 165). Die Fehler, die beim Versprechen tatsächlich auftreten, sind allerdings sehr unterschiedlich und lassen nicht auf eine alphabetische Organisation des mentalen Lexikons schließen. Hinweise darauf, dass es sich um keine alphabetische Anordnung der Wörter im mentalen Lexikon handeln kann, gibt auch die Versprecherforschung und die Erforschung des Tip-of-the-tongue-Phänomens. Brown et al. (1966) untersuchten bereits im Jahre 1966 dieses Phänomen. Befinden sich Sprecher in der Situation, dass ihnen ein Wort buchstäblich auf der Zunge liegt, können sie laut Brown et al. oft trotzdem angeben, welcher Artikel zum Wort gehört oder wieviele Silben es enthält. Ebenso ist oft die Betonung bekannt oder aber die Nennung bedeutungs- oder formähnlicher Wörter möglich. Demnach kann ein Wort nicht als Ganzes und schon gar nicht in alphabetischer Reihenfolge im mentalen Lexikon gespeichert sein. Vielmehr muss es sich um zahlreiche unterschiedliche Eigenschaften handeln, die eng miteinander verbunden sind und im Normalfall gleichzeitig funktionieren ([Brown und McNeill (1966)]; siehe auch [Spalek (2012)]).

Einen weiteren Grund dafür, dass das mentale Lexikon keinesfalls im Stile eines Wörterbuches organisiert sein kann, sieht Aitchison (2003) in der Tatsache, dass Menschen ständig neue Wörter zum mentalen Lexikon

(16)

hinzufügen ([Aitchison (2003)], ebd.). Letzteres kann also nicht fixiert sein, denn Menschen verändern fortwährend die Aussprache und Bedeutung bereits existierender Wörter. Sie erschaffen neue Wörter und Bedeutungen für mentale Konzepte während des Sprechens. Diese Flexibilität des mentalen Lexikons stehe folglich in Kontrast zum festen Vokabular eines Wörterbuches. Auch Kauschke (2012) spricht im Hinblick auf das mentale Lexikon von einem flexiblen System ([Kauschke (2012)]). Demzufolge besteht der Lexikonerwerb im Anwachsen des Wortschatzes sowie im Aufbau des mentalen Lexikons als Bestandteil des kognitiv-sprachlichen Systems. Das mentale Lexikon ist laut Kauschke ein aktives Speichersystem und es ist als Komponente des Langzeitgedächtnisses zu verstehen. Auch Engelkamp et al. (1999) postulieren die Veränderlichkeit des mentalen Lexikons und schreiben diesem ein hohes Maß an Flexibilität zu ([Engelkamp und Rummer (1999)]).

Weiteren Anlass zur Differenzierung in mentales Lexikon und Wörterbuch sei durch die Menge der enthaltenen Informationen gegeben. Das mentale Lexikon enthalte deutlich mehr Informationen über jeden Eintrag als ein Wörterbuch, so Aitchison. Wörterbücher geben nicht viele Informationen preis über die Häufigkeiten des Gebrauchs von Wörtern, wohingegen Menschen beim unbewussten Zugriff auf das mentale Lexikon sich darüber sehr wohl bewusst sind. Das mentale Lexikon enthält zudem Angaben über die syntaktischen Muster, die zum jeweiligen Wort passen sowie mögliche Aussprachevarianten. Wörterbücher hingegen enthalten oft nur eine mögliche Aussprachevariante eines Wortes, obwohl Muttersprachler oft mehrere Varianten verstehen und beherrschen ([Aitchison (2003)], ebd.).

Aitchison hat mit ihrer Argumentation die Unterschiede zwischen dem mental lexicon und dem dictionary deutlich gemacht. Da in dieser Arbeit das mentale Vokabular und dessen Komposition im Lexikon von Kindern im Vorschulalter thematisiert wird, soll auch im Folgenden der Begriff (mentales) Lexikon im Sinne von Aitchisons Ausführungen verwendet werden.

2.2

Das Lexikon als Modell

Im folgenden Abschnitt werden zwei Theorien vorgestellt, die versuchen, das mentale Lexikon modellhaft darzustellen. Ich habe mich dabei auf die zwei wohl populärsten Modelle konzentriert, obgleich es einige weitere gibt. Zum einen wird das Modulare Stufenmodell von Levelt (1992) vorgestellt, zum anderen möchte ich das Interaktive Aktivierungsmodell nach Dell (1992)

näher betrachten ([Levelt (1992)]; [Dell und O’Seaghdha (1992)]). Beide

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des Lexikons in der Sprache geht und sollen in dieser Arbeit in Bezug zur Komposition des Lexikons im fortgeschrittenen Spracherwerb gesetzt werden.

2.2.1 Modulares Stufenmodell (Levelt)

Levelt (1992) beschäftigte sich eingehend mit der Funktion des mentalen Lexikons und erschuf sehr detaillierte Theorien, die sich mit den lexikalischen Verarbeitungsprozessen beschäftigen ([Levelt (1992)]). Nach Levelt sind folgende Prozesse beim Zugriff auf lexikalische Information beteiligt: Zunächst muss durch eine lexikalische Auswahl das passende Wort unter vielen tausenden Alternativen im Lexikon erreicht werden. Danach erfolgt die phonologische Enkodierung durch das Berechnen der phonetischen Form aus dem phonologischen Code des ausgewählten Elementes. Um seine kommunikativen Ziele deutlich zu machen, muss der Sprecher seine Nachricht zunächst enkodieren. Dabei stellt eine Nachricht eine konzeptuelle Struktur dar, die verankert ist in der propositionalen Sprache der Gedanken, so Levelt (ebd.). Der Konzeptualisierer (1) beansprucht alle perzeptuellen, motorischen, emotionalen, konzeptuellen und eventuell weiteren Informationen und liefert die Nachrichtenstrukturen als Input an den Formulator (2). Die Aufgabe des Formulators ist es, die Nachricht auf eine sprachliche Form abzubilden und diese grammatisch zu organisieren ([Bierwisch und Schreuder (1992)]). Der endgültige Output ist ein phonetisches Abbild, das durch das artikulatorische motorische System, den Artikulator (3), ausgeführt wird. Dabei involviert der Formulator zwei Verarbeitungskomponenten: den grammatischen und den phonologischen Enkodierer. Der grammatische Enkodierer bedient sich einer Nachricht als Input, ruft lexikalische Elemente vom mentalen Lexikon ab und liefert eine Oberflächenstruktur als Output, so Levelt. Die endgültigen Elemente sind Lemmata, die unspezifizierte Elemente in ihrer phonologischen Form darstellen, nicht aber in ihrer semantischen und syntaktischen Form. Die semantische Spezifikation der Lemmata ist wiederum an eine Reihe konzeptueller Bedingungen geknüpft. So müssen zunächst alle anderen Bedingungen erfüllt sein, um eine Nachricht zu erreichen. Dazu gehört die syntaktische Spezifikation der Lemmata, die Kategorisierungs-und Subkategorisierungsinformationen beinhaltet. Die Lemmata werden dann erreicht, wenn ihre semantischen Bedingungen in der Nachricht angetroffen werden. Dadurch werden syntaktische Prozeduren angestoßen, die mit ihren syntaktischen Spezifikationen korrespondieren. Spalek (2012) beschreibt die Modellierung des Lexikons in neueren Arbeiten von Levelt als Netzwerk mit untereinander verbundenen Knoten. Diese Modelle, so Spalek, seien inspiriert von der Informationsweiterleitung, wie sie neuronal im

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Gehirn stattfindet und bei welcher untereinander verbundene Nervenzellen mit Hilfe elektrischer Signale untereinander kommunizieren. Sobald die Aktivierungsenergie eines Knotens einen Schwellenwert überschreitet, wird dieser Knoten ausgewählt. Der ausgewählte Knoten steht dann zur weiteren Verarbeitung zur Verfügung. Spalek führt weiterhin an, dass während des Formulierungsprozesses zunächst eine abstrakte Repräsentation von der Bedeutung und vom grammatischen Inhalt eines Wortes im Lexikon ausgewählt wird. Anhand dieser Repräsentation werde in einem späteren Verarbeitungsschritt auf die Repräsentation der Wortform zurückgegriffen ([Spalek (2012)], S. 53-63; vgl. [Levelt, Roelofs und Meyer (1999)]). Im Modell von Levelt (1992) werden drei Ebenen unterschieden: lexikalische Konzepte (Bedeutung), Lemmaebene (Grammatik) und die Wortformebene (Form) ([Levelt, Roelofs und Meyer (1999)]). Das entsprechende lexikalische Konzept wird aus dem Lexikon ausgewählt, wobei dieser Knoten wiederum mit einem Knoten auf der Lemmaebene verbunden ist, der die abstrakten syntaktischen Eigenschaften des Wortes enthält. Der Lemmaknoten wiederum hat Verbindungen zu einem Wortartknoten, z. B. Nomen und dementsprechend zu einem Genusknoten, z. B. Femininum ([Spalek (2012)], S. 62). In Levelts Modell (1992) sind alle Lemmata der gleichen Wortart mit demselben Wortartknoten verbunden und alle Lemmata, die Wörter des gleichen grammatischen Geschlechts repräsentieren, mit demselben Genusknoten. Sobald Aktivierungsenergie von der Konzeptebene auf die Lemmaebene fließt, wird der zum Konzept gehörende Lemmaknoten ausgewählt und aktiviert wiederum die mit ihm verbundenen Wortart- und Genusknoten. Nach Levelt enthält jede Lemmarepräsentation mehrere Optionen, aus denen je nach Äußerungskontext ausgewählt werden kann. Dabei handele es sich um wortinhärente Eigenschaften (z. B. Nomen und Genus) sowie veränderliche Eigenschaften (Kasus, Numerus, Tempus, Person), die je nach Kontext festgelegt werden. Nachdem ein Lemma ausgewählt wurde, wird der entsprechende Wortformknoten aktiviert und die phonologische Gestalt eines Wortes kodiert. Gleichzeitig werden je nach Bedarf mögliche Flexionsmorpheme aktiviert.

So ausgefeilt dieses Modell des Lexikons auch erscheint, ergeben sich doch einige Fragen. Angesichts der Tatsache, dass es sich um eine serielle Verarbeitung aller hier aufgeführten Schritte handelt, bei der es quasi kein Zurück mehr gibt, erscheint gerade das Phänomen der Versprecher meines Erachtens nicht damit erklärt werden zu können. Es kann zwar erklären, weshalb bei Versprechern oft form- oder bedeutungsähnliche Lexeme erreicht werden, nämlich aufgrund ihrer ortsnahen Speicherung im Lexikon, wodurch es zu einer Aktivierung zweier oder mehrerer Lexeme kommen kann. Es

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erklärt jedoch nicht, weshalb Versprecher, oft noch bevor sie vollständig geäußert werden, anscheinend mental korrigiert und letztendlich als korrektes Lexem hervorgebracht werden können. Dies spräche meines Erachtens für eine interaktive Verarbeitung (Abschnitt 2.2.2), bei welcher auch Rückschritte zu vorhergehenden Stufen erlaubt sind.

2.2.2 Interaktives Aktivierungsmodell (Dell)

Nach Dell (1992) besteht kein Zweifel daran, dass lexikalischer Zugang die Abbildung zwischen einer konzeptuellen Repräsentation und der phonologischen Form eines Wortes beinhaltet ([Dell und O’Seaghdha (1992)]).

Dells Hypothese ist, dass der lexikalische Zugang, der bei der

Sprachproduktion eine Rolle spielt, in zwei Schritte aufgeteilt werden kann: den Lemmatazugang (1), bei dem eine Abbildung erreicht wird zwischen einem zu lexikalisierenden Konzept und einem Lemma sowie dem phonologischen Zugang (2), bei dem ein Lemma in seine phonologische Form übersetzt wird. Eine Frage, die Dell diesbezüglich beschäftigt, ist der zeitliche Verlauf dieser beiden Schritte. Nach Levelts (1992) Ansicht überlappen sich diese nicht, sondern erfolgen nacheinander ([Levelt (1992)]). Dell erklärt, dass es bereits während des Lemmazugangs zu einer Aktivierung der phonologischen Information kommt sowie zu einer Aktivierung der semantischen Information während des phonologischen Zugangs. Formal sieht Dells Interaktives Modell zahlreiche Einheiten vor, die in einem Netzwerk organisiert sind. In diesem Netzwerk erlauben die Verbindungen eine bidirektionale Aktivierung zwischen den Einheiten an den angrenzenden Stufen. Formal erfolgen in diesem interaktiven Lexikonmodell sechs Schritte beim Zugang zum Lexikon in der Produktion (nach ([Dell und O’Seaghdha (1992)], S. 295):

1. Die semantischen Einheiten des zu lexikalisierenden Konzeptes erhalten externen Input.

2. Die Aktivierung breitet sich im Netzwerk aus, bestimmt durch die activation-update-function.

3. Die am meisten aktivierte Worteinheit wird ausgewählt.

4. Wenn ein Wort bereit ist für die phonologische Enkodierung, erhält es einen auslösenden Anstoß zur Aktivierung.

5. Die Aktivierung fährt wie zuvor fort mit der Ausbreitung, aber die passende phonologische Einheit wird zusätzlich signifikant aktiviert.

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6. Die am meisten aktivierten phonologischen Einheiten werden gewählt und mit freien Slots in einer konstruierten phonologischen Wortform verbunden.

Im Gegensatz zu Levelts Modell des Lexikons sind im Interaktiven

Aktivierungsmodell interaktive Prozesse zwischen den beteiligten

Komponenten möglich. Dadurch ist augenscheinlich gegeben, dass

beispielsweise bei einer irrtümlichen Wahl eines Lemmas zum

entsprechenden Konzept auch ein Weg zurück möglich ist, um Korrekturen vornehmen zu können.

2.2.3 Welches ist das richtige Modell?

Ob eines der eben vorgestellten Modelle das mentale Lexikon in seiner Gänze abbilden kann, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Es gibt jedoch experimentelle Studien, die dies zu überprüfen versuchten sowie zahlreiche Meinungen für oder gegen die Existenz von Modellen, die das Lexikon schemenhaft darstellen. Klabunde (1998) äußerte sich in einem Artikel zur Wahl dimensionaler Präpositionen und Adverbien in der Sprachproduktion auch zu der Art und Weise des lexikalischen Zugriffs ([Klabunde (1998)]). Wie viele andere Forscher geht Klabunde davon aus, dass eine Zweiteilung des lexikalischen Zugriffs angenommen werden kann. In einem ersten Schritt wird dabei semantisch-syntaktische Information einer lexikalischen Einheit verfügbar; in einem zweiten Schritt wird phonologische Information aktiviert. Diese beiden Schritte können ebenso als Lemmaabruf (1) und Lexemabruf (2) dargestellt werden ([Kempen und Huijbers (1983)]). Diese Zweiteilung, so Klabunde, ist in der heutigen Forschungslandschaft weitestgehend akzeptiert. Uneinig sei man sich darüber, ob es sich bei beiden Prozessen um diskrete sowie interagierende Abläufe handelt.

In Bezug auf den Lemmaabruf wiederum existieren dekompositionale ([Levelt (1989)], S. 181-234) und nichtdekompositionale Ansätze (z. B. [Bierwisch und Schreuder (1992)]; [Roelofs (1992)]; [Roelofs (1996)]). Im Hinblick auf dekompositionale Ansätze wird der Abruf der Lemmata durch eine Reihe konzeptuell primitiver Prozesse gesteuert, wobei die Aktivierung weniger, hinreichender Abläufe die Aktivierung eines Lemmas zur Folge hat, so Klabunde (siehe auch [Dell (1986)]). Ein wichtiger Vertreter dieser Theorie ist Morton (1960) mit seinem Logogen-Modell sowie die Autoren Dell et al. (1992), die mit ihrem Interaktiven Aktivierungsmodell postulieren, dass Knoten, die

für konzeptuelle Merkmale stehen, mit sogenannten Lemma-Knoten

verbunden sind ([Morton (1969)]; [Dell und O’Seaghdha (1992)], siehe auch Abschnitt 2.2.2). Die wohl wichtigste Annahme betrifft das Erreichen von

(21)

Wortbedeutungen, welche mittels bestimmter Mengen von Merkmalen charakterisiert werden können ([Klabunde (1998)]). Demzufolge soll immer genau ein Lemma eines Wortes erreicht werden, wenn ein Konzept ausgedrückt werden soll und auch dann, wenn das mentale Lexikon im Zuge dessen ein passendes Wort enthält ([Levelt (1989)], ebd.). Probleme beim Erreichen eines Lemmas bestehen vor allem dann, wenn es sich um sogenannte Hyperonyme handelt sowie beim Erreichen von Synonymen ([Roelofs (1992)]). Wenn Wort A die Bedeutung von B impliziert, ist B ein Hyponym von A und A ein Hyperonym von B. Wenn man nun die konzeptuellen Bedingungen eines Hyponyms (z. B. father ) hinzuzieht, werden die Bedingungen seiner Hyperonyme ebenso erfüllt. Demzufolge werden immer alle Hyperonyme eines bestimmten Wortes mit aktiviert ([Levelt (1989)], ebd.). Weiterhin können dekompositionale Theorien nicht erklären, wie die Prozesse beim Erreichen eines passenden Lemmas sich diesem wiederum annähern. Im Falle von Synonymie tauchen ähnliche Probleme auf. Den Abhandlungen Fodors zufolge (1976) haben Äußerungen wie „is a father“ und „is a male parent“ dieselbe untergeordnete Struktur ([Fodor (1976)], S. 124-156). Ungeklärt ist in einem solchen Fall, woher der Abrufmechanismus weiß, ob er ein oder mehrere Lemma/ta auswählen soll ([Roelofs (1992)]). Bei nicht-dekompositionalen Theorien gebe es laut Roelofs (1992) keine derartigen Probleme. Folglich sind MALE (x), PARENT (x, y) und FATHER (x, y) alle Teil der zu erreichenden Nachricht. Man spricht auch von abstrakten Repräsentationen zum Erreichen des Lemmas: z. B. FATHER (x, y) → father ; die Eigenschaften MALE (x) und PARENT (x, y) liegen außerhalb der Nachricht . Des Weiteren nimmt man an, dass ein Konzept einer lexikalischen Einheit entspricht. Demnach sind Lemmata mit lexikalischen Konzepten in einer eins-zu-eins-Beziehung verbunden; die lexikalischen Konzepte wiederum besitzen einen Bezug zu konzeptuellen Merkmalen ([Roelofs (1992)]). Nicht nur Klabunde (1998) steht diesem Ansatz mit Skepsis gegenüber. So bleibt die Frage, wie der Ansatz die Kontextabhängigkeit einer lexikalischen Einheit erklären will. In Anlehnung an den nicht-dekompositionalen Ansatz müsste für jede Bedeutung nur ein Konzept bestimmt werden. Daraus resultiert jedoch, dass die dynamische Eigenschaft von Wörtern, mehrere Bedeutungen haben zu können, nicht ausreichend erklärt werden kann. Das Beispiel: „Ich gehe zur Bank “ macht das Problem deutlich. Gehe ich nun zur Parkbank, um mich hinzusetzen oder gehe ich zur Bank (Institution), um Geld abzuheben, Geld einzuzahlen oder andere finanzielle Angelegenheiten zu erledigen? Die Bedeutung von Bank kann also nur im Kontext geklärt werden. Ein weiteres Problem, das Klabunde anspricht, betrifft die Aktivierung von Mehrwortäußerungen

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([Klabunde (1998)]). Ich möchte an dieser Stelle noch weiter gehen und dies auf Idiome (oder Metaphern) beziehen. Wenn ein Konzept genau einer lexikalischen Einheit entspricht, wie können dann Idiome wie ins Gras beißen erklärt werden? Man kann zwar annehmen, dass es - auch unter der Annahme eines nicht-dekompositionalen Ansatzes - als eine lexikalische Einheit gespeichert ist. Doch kann an dieser Stelle nicht einfach die gebräuchliche Bedeutung der Lexeme Gras und beißen angewendet werden. Die einzige Erklärung wäre, dass das Idiom ins Gras beißen als eine lexikalische Einheit einem anderen Konzept zugeordnet ist als die einzelnen syntaktischen Wörter ins, Gras und beißen. Es kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob eines der oben aufgeführten Modelle bzw. Ansätze die Prozesse des mentalen Lexikons korrekt abbildet. Von Interesse für diese Arbeit ist aber, ob anhand der Erwerbsmuster bezüglich der Wortartenverteilung der untersuchten Kinder auf die Vorgänge im kindlichen mentalen Lexikon geschlossen werden kann. Auf diese Frage soll im weiteren Verlauf der Arbeit erneut eingegangen werden (siehe vor allem Kapitel 8).

2.3

Das Lexikon bis zu einem Alter von drei Jahren

Um im Verlauf der vorliegenden Arbeit und insbesondere in der später folgenden Analyse der hier erhobenen Daten wichtige Bezugspunkte zu erhalten, habe ich mich entschlossen, auf die aktuell vorliegende Datenlage hinsichtlich des Lexikons im Spracherwerb zurückzugreifen. Dies erschien mir sinnvoll, da ohne jegliche Referenzen keine Einordnung in den bisherigen Forschungsstand getätigt werden kann. Da, mit Ausnahme der Arbeit von Augst (1985) ([Augst (1985)]), keine mir bekannten Daten zur Komposition des Lexikons ab einem Alter von 3;0 Jahren vorliegen, soll in diesem Abschnitt das Lexikon jüngerer Kinder bis zu einem Alter von 3;0 Jahren vorgestellt werden. Im Hinblick auf den Zusammenhang des Erwerbs des Lexikons und der Syntax erschien es angebracht, die Konstruktionsgrammatik hinzuzuziehen, da diese sich eingehend damit beschäftigt. Ferner möchte ich einen allgemeinen Überblick über die einzelnen Schritte geben, die beim Erwerb des Wortschatzes involviert sind. Abschließend wird die Komposition des Lexikons bis zu 3;0 Jahren beispielhaft an einer von Kauschke (1999) durchgeführten Studie aufgezeigt, da an dieser Stelle viele Parallelen zu Teilen der hier vorliegenden Arbeit vorzufinden sind ([Kauschke (1999)], S. 128-157).

(23)

2.3.1 Von Konstruktionsgrammatiken und anderen Theorien zum Erwerb des Lexikons

Es existieren unterschiedliche Erklärungsansätze, um den Wortschatz des Kleinkindes zu klassifizieren. Grundlegend sind dabei fast immer die ersten Lexeme, die ein Kind erlernt und die mit den Kategorien, die im Wortschatz Erwachsener vorzufinden sind, klassifiziert werden können: Eigennamen, Nomen, Pronomen, Verben, Adjektive, Adverbien u. a. Eine mögliche Gruppierung sieht folgendermaßen aus ([Nelson (1973)], zitiert in [Tomasello (2000a)], S. 45):

• general nominals: apple, shoe • specific nominals: Sarah, Mommy • action words: throw, dance

• personal social words: bye-bye, thank you • modifiers: cold, wet

• functors: of, and

Die meisten Forscher konstatieren, dass Nomen generell vor Verben erworben werden. Ausnahmen bilden dabei Sprachen wie das Koreanische oder das Chinesische, die als sehr verblastig gelten (z. B. [Gopnik (1988)]). Neueren Erkenntnissen zu Folge erlernen die meisten Kinder viele verschiedene Arten von Wörtern bereits sehr früh in ihrer sprachlichen Entwicklung, unabhängig von ihrer relativen Häufigkeit. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass Kinder verschiedene Arten von Referenten in ihrer Umwelt individualisieren können. Ein Großteil der ersten Nomen bezieht sich auf konkrete Objekte. Erst später werden abstrakte Nomen erworben, wobei diese nicht unbedingt leichter zu individualisieren sind als Verben oder relationale Wörter ([Tomasello (2000a)], S. 47). Um diese und weitere Annahmen Tomasellos zum Lexikon- und zum Spracherwerb im Allgemeinen aufzugreifen und auszuführen, ist es unvermeidlich, auch andere Aspekte des Spracherwerbs zu betrachten. Während auf der einen Seite die Sprache als angeborene Fähigkeit postuliert wird ([Chomsky (1959)]; [Chomsky (1967)]; [Pinker (1984)]), sind auf der anderen Seite Theorien populär, die davon ausgehen, dass Sprache nach und nach in einem item-basierten Lernprozess1 erworben wird ([Tomasello (2000b)]; [Hilpert (2014)]). Chomsky (1967) nimmt

1Ich möchte den Begriff item in diesem Zusammenhang nicht ins Deutsche übersetzen, da er folglich

nur schwer wiedergeben würde, was gemeint ist. Item meint eigentlich Einheit und diese Übersetzung passt auch hier sehr gut.

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an, dass unser Wissen über Sprache ein wesentlicher Bestandteil unserer genetischen Ausstattung ist ([Chomsky (1967)]). In diesem fest integrierten Bestandteil existieren sogenannte Universalien, die wiederum angeboren sind und von denen zwei Arten beschrieben werden: 1) sogenannte Zutaten wie Parts-of-speech (Nomen, Verben, Adjektive) oder grammatische Relationen wie Subjekt oder Objekt sowie verschiedene Arten von Lauten (Vokale, Konsonanten) und 2) Regeln, mit denen die Zutaten angewendet werden, um eine Sprache zu konstruieren ([Evans (2014)], S. 68).

Im Laufe der Jahre wurden zahlreiche Kritiker laut, die die Existenz einer solchen Universalgrammatik weitestgehend widerlegt, zumindest aber angefochten haben (z. B. [Evans (2014)]; [Evans und Levinson (2009)];

[Tomasello (2005)]). Diesen Untersuchungen zufolge ist der frühe

Grammatikerwerb eher item-basiert als dass er bestimmten angeborenen Mustern folgt. Eine Frage, die sich in allen Theorien auftut, ist, wie Kinder ein funktionierendes grammatisches System erwerben. Ausgehend von einer regelbasierten Erklärung, wie Chomsky sie postuliert, geht man davon aus, dass Kinder die formalen, abstrakten Schemata, so wie sie in der Sprache vorkommen, unter Berücksichtigung der ihnen angeborenen Universalgrammatik einfach lernen müssen. Kinder werden demnach mit

den syntaktischen Kategorien sowie Parts-of-speech konfrontiert und

kombinieren diese mit Hilfe des Regelapparates zu einer funktionierenden Grammatik. Im Gegensatz dazu bietet eine Erklärung in Anlehnung an die Konstruktionsgrammatik eine andere Perspektive auf den Spracherwerb, wie sie zum Beispiel von Hilpert (2014) anschaulich dargestellt wird. Hilperts Ausführungen zufolge sind die formalen Schemata, die Kinder erwerben müssen, eng mit dem lexikalischen Material verbunden, das in ihnen vorkommt. Deshalb nimmt man an, dass Kinder zunächst nur konkrete Phrasen lernen, die erst nach und nach abstrakter werden; und zwar dann, wenn das Kind Ähnlichkeiten zwischen verschiedenen konkreten Phrasen entdeckt ([Hilpert (2014)], S. 157). Dies widerspricht nativistischen Theorien, die davon ausgehen, dass die Sprache der Kinder mental durch die gleichen Regeln und Kategorien repräsentiert ist wie die Sprache Erwachsener ([Pinker (1984)]). Nach Auffassung eines item-basierten Grammatikerwerbs sind die mentalen Repräsentationen des Kindes unterschiedlich von denen erwachsener Sprecher/innen. Denn warum würde ein Kind ansonsten eher viele konkrete Phrasen verwenden, wenn doch die abstrakten Strukturen Erwachsener bereits als intergrierter Bestandteil beim Kind vorliegen. Da Kinder abstrakte Strukturen erfahrungsgemäß nicht von Beginn an beherrschen, spricht dies eher für einen item-basierten Erwerb der Grammatik. Nach dieser konstruktionsbasierten Erklärung (Konstruktionsgrammatik)

(25)

erlernen Kinder abstrakte Schemata, von denen man glaubt, dass sie durch häufiges Hören ähnlich strukturierter Äußerungen hervorgehen und sich nur in gradueller Weise entwickeln ([Tomasello (2000b)]). Dies impliziert auch, dass die kindlichen Konstruktionen eigenständig eingeübt werden müssen. Ein weiteres Kriterium, das für die Konstruktionsgrammatik spricht, führt Hilpert (2014) an. Hilpert zufolge betrifft dies die soziokognitiven Grundlagen des Spracherwerbs. Die Konstruktionsgrammatik zweifelt zwar nicht daran, dass Menschen von Geburt an mit einer gewissen Fähigkeit, Sprache zu erlernen, ausgestattet sind. Doch die Frage ist, ob diese angeborene Fähigkeit tatsächlich auch spezifisch für den Erwerb von Sprache ist oder sich eventuell auch auf andere kognitive Fähigkeiten erstreckt ([Hilpert (2014)], S. 158 f.). Auf der Basis experimenteller Befunde fasst Hilpert (2014) jene Faktoren zusammen, die es dem Menschen ermöglichen, Sprache auf eine sozial begründete Art zu erwerben ([Hilpert (2014)], S. 159-163; vgl. [Tomasello (2005)]). All diese Qualitäten können schon bei Babies beobachtet werden, die im Begriff sind, Sprache zu erwerben. Nicht alle Faktoren sind hierbei spezifisch menschlich bzw. sprachlich, sondern können zum Teil auch bei Primaten nachgewiesen werden.

1. Joint attention: entsteht in Situationen, in denen das Kind und seine Bezugsperson ihre Aufmerksamkeit gleichzeitg auf ein drittes Objekt richten und sich dieser gemeinsamen Aufmerksamkeit bewusst sind. 2. Intention reading: die Fähigkeit von Babies bzw. Kindern, die Handlungen

anderer Akteure als sinnvoll und zielgerichtet zu erachten.

3. Schematisierung: erlaubt Kindern Ähnlichkeiten zwischen Phrasen wie more juice, more apple, more milk zu erkennen und daraus ein Muster zu abstrahieren, wie more X, das eine freie Stelle für andere linguistische Elemente bereit hält.

4. Rollentausch und Imitation: beide Faktoren spielen eine entscheidende Rolle für das triadische Muster der Joint attention. Die Fähigkeit, Laute, die von anderen Personen geäußert werden, zu imitieren, ist essentiell, um Sprache zu erlernen. Umgekehrt muss das Kind lernen, dass es selbst in die Rolle der Laute produzierenden Person schlüpfen kann und so zum Sender wird.

5. Musterwiedererkennung: betrifft die Fähigkeit statistische Regularitäten (Muster) in der Sprache zu erkennen.

Einige dieser Fähigkeiten (zum Beispiel Schematisierung und Musterwieder-erkennung sind keine typisch menschlichen, während die Fähigkeiten Joint

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attention, Intention reading und Imitation dem Menschen zuzuschreiben sind ([Hilpert (2014)], S. 163). Insbesondere weil auch andere Lebewesen diese Qualitäten aufweisen, muss es laut Tomasello (1999) noch einen anderen Grund geben, weshalb Menschen Sprache erlernen. Tomasello (ebd.) zufolge ist kulturelle Intelligenz als typisch menschliche Fähigkeit ausschlaggebend für das Erlernen von Sprache, die vor allem die Qualitäten des Intention reading beinhaltet und wodurch sich Sprache als typisch menschliche Fähigkeit auszeichnet ([Tomasello (1999)]; [Tomasello (2003)]). Ausgehend von den Annahmen der Konstruktionsgrammatik zum Erwerb von Sprache im Allgemeinen soll nun noch einmal der Erwerb des Lexikons in diesem Zusammenhang betrachtet werden. In den verschiedenen Versionen der Konstruktionsgrammatik geht man davon aus, dass das Verhältnis von Lexikon und Grammatik nicht als modular angesehen wird ([Behrens (2011)]). Vielmehr ist es eine Art Kontinuum, bei dem konkrete Morpheme und Wörter auf der einen Seite stehen und grammatisch abstrakte auf der anderen Seite, so Behrens. In seiner usage-based theory of language acquisition beschreibt Tomasello (2000) folgende Prozesse, die grundlegend für den Erwerb des Lexikons sind:

1. Voraussetzende Prozesse: segmenting speech, conceptualizing

referents

2. Grundlegende Prozesse: joint-attention, intention-reading, cultural

learning

3. Vereinfachende Prozesse: lexical contrast, linguistic context

([Tomasello (2000a)], S. 58)

Demnach stellen sich Kinder während ihres ersten Lebensjahres auf die Sprachunterschiede und Muster in ihrer Muttersprache ein. Das Erlernen eines neuen Verbs sei dabei besonders schwierig. Die Gründe dafür sind, dass die unterschiedlichen Zustände eines Verbs kurzlebig sind, wodurch die referentielle Situation oft nicht greifbar ist, wenn ein Verb geäußert wird. Tomasello et al. (1992) fanden zum Beispiel heraus, dass Kinder Verben am besten in direkt bevorstehenden Situationen erlernen, am zweitbesten durch gerade abgeschlossene Aktionen und am schlechtesten in Situationen, die gerade im Gange sind. Für den Erwerb neuer Wörter spielt außerdem der lexikalische Kontrast eine entscheidende Rolle. Dieser hilft Kindern, die jeweiligen Referenten in den unmittelbaren Situationen zu identifizieren. Mit 3 oder 4 Jahren besitzen Kinder ausreichend syntaktisches Wissen, um damit neue Wörter zu erwerben. Das bedeutet also, dass

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das Erlernen neuer Wörter untrennbar mit dem Erwerb von Sprache im Allgemeinen verbunden ist. Der Spracherwerb wiederum kann am besten als Spezialfall kulturellen Lernens beschrieben werden, in welchem Kinder versuchen, die Ziele Erwachsener im Hinlick auf ihre eigenen Ziele zu unterscheiden, so Tomasello ([Tomasello und Kruger (1992)]). In dieser von ihm postulierten Social-Pragmatic-Theory liegt der Fokus auf zwei sich von Natur aus beschränkenden Aspekten im Wortlern-Prozess: 1) der strukturierenden sozialen Welt, in welche Kinder hinein geboren werden und 2) den sozial-kognitiven Kapazitäten der Kinder, um in der strukturierten Welt teilzunehmen (z. B. durch Joint-attention). Menschliche Kommunikation kann immer nur dann stattfinden, wenn es einen common ground zwischen Sprecher und Hörer gibt. Sprache wird also ganz nebenbei erworben:

„In social-pragmatic view, then, children acquire linguistic symbols as a kind of by-product of social interactions with adults, in much the same way they learn many other cultural conventions. ([Tomasello (2000a)], S. 90)“

Im Gegensatz zu den oben angeführten Theorien (vgl. die Abschnitte 2.2.1, 2.2.2, 2.2.3) hat die Social-Pragmatic-Theory zudem eine Erklärung für den Beginn des Spracherwerbs. Der Spracherwerb ist folglich abhängig von der Fähigkeit, Aufmerksamkeit mit anderen Menschen zu teilen, um daraus wiederum Symbole zu formen. Diese Fähigkeiten setzten mit etwa einem Jahr ein ([Tomasello (2005)]). Interessanterweise wurde herausgefunden, dass die lexikalische und grammatische Entwicklung stark interkorrelieren ([Anisfeld, Rosenberg, Habermann und Gasparini (1998)]). Demnach weitet sich das Vokabular von Kindern rasant aus, kurz nachdem die Anwendung grammatischer Strukturen in der Sprache zu verzeichnen ist. Dies könne als eine synergistische Interaktion zwischen Lexikon und Grammatik gedeutet werden. Bates et al. (1999) fanden diesbezüglich heraus, dass kurz nachdem Kinder einen Wortschatz von einigen hundert Wörtern besitzen, diese ernsthaft mit der grammatischen Rede beginnen. Zudem entdeckten sie eine positive Korrelation zwischen den lexikalischen und grammatischen Fähigkeiten von Kindern zu allen Zeitpunkten der frühen Entwicklung ([Bates und Goodman (1999)]). Erklärungen für diese Korrelationen seien Tomasello (2005) zufolge, dass Kinder erst eine gewisse Anzahl an Wörtern besitzen müssen, bevor sie syntaktische Konstruktionen verstehen. Das Verstehen von Wörtern helfe also beim Verstehen grammatischer Konstruktionen. Umgekehrt helfe das Wissen um syntaktische Konstruktionen beim Erlernen neuer Wörter. Es sei zudem möglich, dass das Erlernen von Wörtern und das Erlernen grammatischer Konstruktionen gleichermaßen

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Teile derselben übergreifenden Prozesse sind ([Tomasello (2000a)], S. 93).

Auch Clahsen (1990) und Borer (1984) sehen einen starken

Zusammenhang zwischen der lexikalischen und grammatischen Entwicklung ([Clahsen (1990)]; [Borer (1984)]). Die Lexical Learning Hypothesis sieht den Spracherwerb als Wortschatz-Entwicklungsprogramm: Die grammatische Entwicklung wird dabei geleitet durch das Lernen lexikalischer Elemente. Um neue Sätze zu verstehen, müssen Kinder über individuelle Inputäußerungen hinaus Generalisierungen vornehmen ([Tomasello (2000a)]). Anhänger dieser Theorie stehen dem Prinzip der Universalgrammatik (z. B. [Chomsky (1967)])

nicht durchweg negativ gegenüber. Die Universalgrammatik sei von

Beginn des Grammatikerwerbs vorhanden. Kinder müssen nur noch die grammatischen Eigenschaften (Funktionen) der lexikalischen Elemente, die mit den Parametern verbunden sind, lernen. Nach Borer (1984) äußert sich eine angeborene Regelfähigkeit darin, dass das Kind einen Wert an einer offenen Stelle eines Parameters ersetzt, der sich aus den Prinzipien der Universalgrammatik herleitet. Am Anfang der Entwicklung besitzt ein Parameter solche Leerstellen, weshalb das Kind nicht ein ganzes Regelwerk erwerben müsse. Vielmehr würde es jeweils einen Parameter setzen und erwirbt so ein Lexikon, das nach und nach aufgefüllt wird ([Borer (1984)], S. 1-3; siehe auch [Borer und Wexler (1987)]).

Pinker (1984) präzisiert dieses Konzept dahingehend, dass der Input syntaktischer Kategorien nach den Wortarten (die das Kind im Input wahrnimmt) oder gar anderen Kategorisierungen bewertet werden sollte. Er schlägt daher die Hypothese des Semantischen Bootstrapping vor: Das Kind nutzt die semantischen Eigenschaften der Sprache, um daraus syntaktische Regeln abzuleiten ([Pinker (1984)], S. 39 f., siehe auch [McNamara (1982)];

[Grimshaw (1981)]; [Gleitman (1990)])). Dies ergäbe eine Grammatik,

deren syntaktische Kategorien typisch semantische Konzepte enthalten ([Sucharowski (1996)], S. 129). Das heißt, dass bestimmte Verhältnisse zwischen perzeptuellen und syntaktischen Kategorien, die wiederum durch semantische Kategorien vermittelt werden, dem Kind helfen können, mit dem Syntaxerwerb zu beginnen ([Pinker (1994)]). Dafür sind allerdings bestimmte universale Verbindungsregeln (Linking rules) erforderlich, mit denen das Kind ausgestattet ist. Eine solche Regel könnte zum Beispiel das Wissen darüber beinhalten, dass die Agenten von Handlungen immer Subjekte in Aktivsätzen darstellen. Sobald aus dem perzeptuellen Kontext und der Wortbedeutung geschlossen werden kann, dass ein bestimmtes Wort auf einen Agenten einer Handlung referiert, kann das Kind schlussfolgern, dass es sich dabei um ein Subjekt handeln muss. Sobald diese Subjektposition als Parameter oder Regel fest verankert ist, kann der Syntaxerwerb zusammen mit weiteren

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Wortlernprozessen voranschreiten. Laut Pinker (1994) kann das Kind dann schlussfolgern, dass jedes neue Wort in dieser Position ein Subjekt sein muss. Im Gegensatz zum semantischen Bootstrapping wird beim syntaktischen

Bootstrapping angenommen, dass der Prozess des Lernens neuer

linguistischer Ausdrücke unter Zuhilfenahme des linguistischen Kontextes, in den die Ausdrücke eingebettet sind, vonstatten geht ([Tomasello (1999)], S. 122). Genau dies würde aber beide Ansätze inkompatibel machen ([Bowerman und Brown (2008)], zitiert in [Behrens (2011)], S. 380). Beim semantischen Bootstrapping wäre die Semantik Voraussetzung für den Erwerb der Syntax, während beim syntaktischen Bootstrapping die syntaktischen Kategorien und Relationen den Erwerb der Semantik ermöglichen.

Ob und welche der hier erwähnten Ansätze den Lexikonerwerb korrekt wiedergeben, kann an dieser Stelle nicht beurteilt werden. Es macht jedoch den Anschein, dass das Erlernen von Wörtern, Wortkategorien und damit verbunden der Aufbau des mentalen Lexikons nicht losgelöst vom allgemeinen Prozess des Spracherwerbs betrachtet werden kann.

2.3.2 Der Erwerb des Lexikons - allgemeiner Verlauf

Um den Erwerb des Lexikons zu beschreiben, kann auf zahlreiche Theorien zurückgegriffen werden, die ihrerseits oft sehr spezielle Aspekte beinhalten. Dabei werden so unterschiedliche Sichtweisen zu Tage gebracht, dass nur eine Theorie selten eine Grundlage für weiterführende Untersuchungen bilden kann. Einigermaßen einheitlich sind glücklicherweise die bloßen Beschreibungen des Auftretens bestimmter Wortarten zu verschiedenen Zeitpunkten des Lexikonerwerbs (vorwiegend für das Deutsche und das Englische). Kinder zwischen 1;0 und 1;6 Jahren haben einen Wortschatz von annähernd 50 Wörtern aufgebaut ([Klann-Delius (1999)], S. 36). Zwischen 1;6 und 2;0 Jahren ist der Wortschatz auf 50 bis 200 Wörter angewachsen; ab einem Alter von 2;0 verfügen Kinder über 500 bis 600 Wörter ([Clark (1993)], S. 21 f.). Laut Clark (1993) sind die Entwicklungsverläufe hinsichtlich des Wortschatzzuwachses immer individuell. Einige Kinder produzieren

monatelang nur ein Wort und keine Mehrwortäußerungen, während

andere Kinder die Einwortphase komplett weglassen und ausschließlich Mehrwortäußerungen produzieren ([Clark (1993)], S. 22). Ab 1;9 Jahren kommt es zu einer sprunghaften Ausweitung des Wortschatzes, wobei ab einem Alter von 3;6 Jahren eine Verlangsamung zu verzeichnen ist ([Wode (1988)], S. 144 und S. 150). Auch Dittmann (2006) stellte fest, dass der Wortschatzerwerb starken individuellen Schwankungen unterliegt. In der Praxis bedeutet das, dass Kinder, die sehr früh erste Wörter erwerben, diesen

(30)

Vorsprung auch im 2. und 3. Lebensjahr behalten ([Dittmann (2006)], S. 45). Laut Wode (1988) kann davon ausgegangen werden, dass der Lexikonerwerb mit etwa 12;0 Jahren im Wesentlichen abgeschlossen ist [Wode (1988)], S. 144).

Das Ehepaar Stern (1965) beschäftigte sich bereits zu Beginn

des 20. Jahrhunderts mit der sprachlichen Entwicklung des Kindes

([Stern und Stern (1928)]; [Stern und Stern (1965)]). Sie teilten den

Spracherwerb in Phasen ein, die in der Literatur unter anderem von Augst (1977) wiedergegeben werden. In der Anfangsphase seien Dingwörter, die visuell sichtbare Gegenstände bezeichnen, ein großer Bestandteil des Wortschatzes. Dabei bezeichnet das Kind die Aspekte seiner unmittelbaren Umgebung, wie Familienmitglieder, Spielsachen, Nahrung, Tiere und anderes ([Augst, Bauer und Stein (1977)], S. 25). Stern&Stern (1965) beschreiben diese Aspekte folgendermaßen:

„Das Kind wählt naturgemäß pädozentrisch; seine Umgebung, seine Interessen: Eltern, Geschwister, Wärterin, Spielsachen und Tiere, Eßbares und Trinkbares, Tönendes und Bewegtes, bilden das ausschließliche Material für seinen ersten Wortschatz.“ ([Stern und Stern (1965)], S. 195)

Daneben existieren relationale Wörter, die den Zustand von Objekten beschreiben ([Klann-Delius (1999)], S. 37). Wenn Kinder nach und nach neue Wörter zu ihrem Vokabular hinzufügen, bilden sie nach Erkenntnissen von Clark (1993) weitere Domänen aus. Demnach können Ausdrücke, die früher in einer Domäne verankert waren, in Untergruppen zergliedert werden. Dasselbe passiere mit deiktischen Ausdrücken, die separiert werden in Subjekt (I, me, you), Objekt (me, you) und Possessivpronomen (my, mine, your ) einerseits und Ausdrücken für Orte (here, there), Objekte (this, that) und Zeitangaben (now, yesterday ) andererseits ([Clark (1993)], S. 31 f.). Eine analoge Ausweitung und spätere Unterteilung in einzelne Unterbereiche findet mit nominalen und verbalen Ausdrücken statt, so Clark (ebd.). Eine Analyse der Verteilung der Wortarten und der Struktur des Wortschatzes sei erst dann möglich, wenn Kinder begonnen haben, Wörter zu kombinieren und diese in Verbindung mit grammatischen Morphemen zu verwenden. Dies passiert laut Clark (1993) im Englischen zum Beispiel durch den Artikel the oder das Pluralmorphem -s, welche signalisieren, dass es sich um ein Nomen handelt. Die Morpheme -ing oder -ed würden hingegen auf ein Verb hinweisen ([Clark (1993)], S. 38). Szagun (2006) fand diesbezüglich heraus, dass die ersten Wörter des Kindes folgendermaßen nach Wortarten klassifiziert werden können: 60,5% Nomen, 28,6% Funktionswörter, 6,7%

(31)

Verben und 4,7% Adjektive. Dabei gebe es allerdings unterschiedliche Verteilungen bei sogenannten expressiven Kindern im Gegensatz zu referentiellen Kindern. Erstere würden mehr Funktionswörter als Nomen verwenden, so Szagun ([Szagun (2006)], S. 121 f.). Bei derartigen Aussagen über die Verteilung der Wortarten im Lexikon sollte nicht vergessen werden, dass auch die Muttersprache bzw. deren Input eine entscheidene Rolle spielt. Im Koreanischen steht das Verb immer am Satzende, die Auslassung von Nomen ist in gegebenen Kontexten erlaubt. Folglich produzieren koreanische Kinder Verben mit überwiegend koreanischer Flexion früher als englische Kinder ([Dittmann (2006)], S. 49). Englischsprachige Kinder hingegen weisen früher ein differenzierteres Benennvokabular auf und sind besser bei Aufgaben zur Objektkategorisierung. Koreanischsprachige Kinder verwenden hingegen früher ein differenziertes Verbsystem, so Dittmann (ebd.). Auch Meibauer et al. (1999) führen an, dass Nomen im Deutschen und Englischen einen überwiegenden Anteil am Gesamtwortschatz und damit auch als Type-Frequenz im Input ausmachen. Zudem bezieht sich ein großer Teil der Arbeiten zum Wortschatzerwerb auf den Erwerb von Objektwörtern und Eigennamen, während der Erwerb von Nomen im Allgemeinen, Verben und Adjektiven bisher eher unerforscht ist ([Meibauer und Rothweiler (1999)], S. 9-31). Im Anschluss an die durch Stern&Stern (1965) beschriebene erste Phase vollzieht sich die Phase der Benennung von Aktionen, in welcher laut Augst (1977) Tätigkeiten und Vorgänge benannt werden ([Augst, Bauer und Stein (1977)], S. 25). Stern&Stern (1965) sehen die dortigen sprachlichen Entwicklungen vor allem im Zusammenhang mit der Phase der Dingwörter :

„Viel mehr geht mit dem starken Aufschwung der Gegenstands-bezeichnungen schon ein leises Einsetzen der Tätigkeitswörter

Hand in Hand; das „Aktionsstadium“ bereitet sich vor.“

([Stern und Stern (1965)], S. 196)

In der darauffolgenden Phase kommt es zur lexikalischen Strukturierung der Wörter in Wortfelder ; die zwischen 3;0 und 12;0 Jahren angesiedelt ist und unter anderem durch das Auftreten polarer Adjektive und relational definierter Verwandschaftswörter gekennzeichnet ist ([Wode (1988)], S. 144). Dittmann (2006) konstatiert eine hohe Differenzierung des Wortschatzes mit etwa 3;0 Jahren, welche als Ausdruck von innerpsychischen Prozessen verstanden werden kann ([Dittmann (2006)], S. 49). Demzufolge verwenden Kinder in dieser Phase zunehmend Nomen für Gefühle und mentale Prozesse (Idee), Verben, die sich auf emotionale Vorgänge beziehen (mögen, brauchen, dürfen, weinen, helfen) und Verben, die mentale Prozesse beschreiben

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(wissen, glauben). In der neueren Forschung beziehen sich Kinder allerdings bereits zwischen dem zweiten und dritten Lebensjahr mit Wörtern auf innere Zustände ([Klann-Delius (1999)], S. 37). Bloom et al. (1993) fanden heraus, dass der Anteil der Nomen, mit denen Objekte bezeichnet werden, einen Anteil von einem Drittel des gesamten Outputs von Kindern zwischen 9 und 23 Monaten ausmachten, sowohl in ihrem Vorkommen als Types als auch als Tokens ([Bloom, Tinker und Margulis (1993)]). In einer Studie von Bates et al. (1994), in der Kinder mit einem durchschnittlichen Alter von 1;8 Jahren untersucht wurden, lag der Anteil der Nomen bei 55% in Relation zu einem umfänglichen Vokabular von 100 bis 200 Wörtern ([Bates, Markman, Thal, Fenson, Dale, Reznik, Reilly und Hartung (1994)]). Kauschke (1999) konnte zeigen, dass der Anteil der Nomen zu Gunsten eines Anstiegs von Verben und Funktionswörtern danach wieder abfällt ([Kauschke (1999)]; siehe auch Abschnitt 2.3.3).

Die meisten Untersuchungen zum kindlichen Lexikon zielen entweder darauf ab zu ermitteln, wie viele Wörter das Lexikon des Kindes zu unterschiedlichen Zeitpunkten enthält oder aber es wird die Dominanz von Nomen vs. Verben (und gegebenenfalls weiteren Wortarten) bzw. deren Erwerbsfolge insbesondere zu Beginn des Spracherwerbs untersucht (z. B. [Goldfield (2000)]; [Gentner (1982)]; [Bassano (2000)]; [Clark (1993)]; [Kauschke (1999)]). Szagun (2006) zeigte, dass viele Wörter im frühen Vokabular Nomen sind. Sobald Verben im kindlichen Wortschatz auftauchen, sind diese zunächst Aktionswörter wie gehen, essen oder laufen. Erst später kämen Verben hinzu, die kausale Wirkungen beinhalten, im zweiten Lebensjahr tauchen die ersten Adjektive im Vokabular auf ([Szagun (2006)], S. 115 ff.). Szagun (2006) untersuchte auf der Grundlage von 22 Kindern das Vorkommen von Nomen, Verben und Adjektiven auf zwei unterschiedlichen Wortschatzniveaus. Auf einem frühen Wortschatzniveau wies der produktive Wortschatz der Kinder durchschnittlich 74 Wörter auf, wovon 47,9% Nomen, 10% Verben und 4,1% Adjektive waren. Auf dem späten Wortschatzniveau beinhaltete der Wortschatz durchschnittlich 187 Wörter, wovon 33,1% Nomen, 23,4% Verben und 5,1% Adjektive waren. Der Anteil der Funktionswörter belaufe sich in beiden Altersstufen auf einem annähernd ähnlichen Anteil von 37,4% bzw. 38,3% ([Szagun (2006)], S. 121 f.; siehe auch [Szagun (2001a)]; [Szagun (2002)]).

Eine Vielzahl der Untersuchungen umfasst die produktive Lexikon-entwicklung, also das expressive Vorkommen von Nomen und Verben im Wortschatz ([Kauschke (2007)], S. 59). Die vorwiegende Untersuchung von Nomen und Verben hängt vermutlich damit zusammen, dass diese Wortkategorien mit einem großen Anteil am Wortschatz vorkommen und

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in ihrer Funktion als Inhaltswörter vor allem im Zusammenhang mit der grammatischen Entwicklung einem stärkeren Wandel unterliegen. Alle übrigen Wortklassen sind mit zum Teil nur geringen prozentualen Anteilen vertreten, was einen Vergleich des Vorkommens dieser Wortklassen schwierig macht. Die bevorzugte Untersuchung des produktiven, nicht aber des rezeptiven Wortschatzes, ist darin begründet, dass der produktive Wortschatz leichter, wenn auch niemals vollständig, erfasst werden kann. Laut Kauschke (2007) lassen sich jedoch keine Rückschlüsse auf die mentalen Repräsentation der Wortarten ziehen, nur weil Kinder in ihrer Spontansprache Wörter bestimmter Kategorien verwenden (ebd.). Die Schwierigkeit hierbei stellt vermutlich das Alter der Kinder dar, die gerade in sehr frühen Stadien des Spracherwerbs Wörter verwenden, die den sprachlichen Kategorien des erwachsenen Lexikons nur schwer zuordenbar sind. Trotz dieser Schwierigkeiten untersuchte Kauschke (1999) die Verteilung der Wortarten bei Kindern im Alter von 13 bis 36 Monaten ([Kauschke (1999)]). Für ihre Auswertungen verwendete sie bei der Kategorisierung der Wortarten eine dieser Altersspanne entsprechende Klassifikation (Abschnitt 2.3.3). Kauschke (1999) untersuchte in einer empirischen Studie mehrere Fragestellungen zum Lexikonerwerb bis zu einem Alter von 3;0 Jahren. Diese Studie soll mit ihren Ergebnissen im Folgenden näher betrachtet werden, da sie ähnliche Ziele verfolgt wie die vorliegende Arbeit. Der wesentliche Unterschied der vorliegenden Arbeit und der Arbeit von Kauschke besteht in Bezug auf das Alter der Kinder sowie in der Methodik, wodurch ein aussagekräftiger Vergleich beider Arbeiten hier nicht vorgenommen werden kann. Kauschke stellt die Wortartenverteilung deutschsprachiger Kinder zwischen 1;0 und 3;0 Jahren dar, während in der vorliegenden Arbeit Kinder von 3;5 bis 5;5 Jahren untersucht wurden. Zudem soll später eine inhaltliche Analyse aller Kategorien vorgenommen werden, welche bei Kauschke in dieser Form nicht auftaucht (Kapitel 7).

2.3.3 Der frühe Wortschatzerwerb nach Kauschke

Kauschke (1999) untersuchte eine Stichprobe von 32 Kindern (16 Jungen, 16

Mädchen), welche aus einem bestehenden Datenkorpus2 ausgewählt wurde.

Bei der Untersuchung handelte es sich um eine Längsschnittstudie, die vier Erhebungszeitpunkte umfasste. Drei Termine lagen im zweiten Lebensjahr (13, 15, 21 Monate), der Zeitpunkt der letzten Aufnahme mit 36 Monaten

2

Die Daten sind dem von der DFG im Schwerpunkt „Spracherwerb“ und von der Köhler-Stiftung geförderten Projekt „Die Bedeutung der emotionalen Qualität der Mutter-Kind-Aktion für den Erwerb der Dialogfähigkeit des Kindes – eine empirische Studie“ unter der Leitung von G. Klann-Delius entnommen ([Kauschke (1999)], S. 138).

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diente als Vergleichspunkt. Die Aufnahmesituation der Daten bestand in der freien Interaktion zwischen Mutter und Kind in einem Untersuchungsraum. Es wurden Videoaufnahmen erzeugt, mittels welcher im Anschluss Transkripte über zehn Minuten erstellt wurden. Festgehalten wurden alle verbalen, vokalen und paraverbalen Äußerungen von Kind und Mutter. Für die Analyse wurde jedes einzelne Wort extrahiert und in seiner zielsprachlichen Form notiert. Anschließend wurde jedes auf diese Weise erhaltene Wort in eine Datenbank überführt und die Type-Token-Relation ermittelt. Danach wurden die Wörter folgenden Wortartenkategorien zugeordnet (vgl. 3.2.1):

• Nomen • Verben • Adjektive • personal-social words • relationale Wörter • Pronomen • Funktionswörter • Onomatopöien • Sonstige

Die Datenbank umfasste laut Kauschke (1999) insgesamt 751 verschiedene Wörter, die von allen Kindern 3440 mal als Types und 9115 mal als Tokens geäußert wurden. Den Ergebnissen nach zu urteilen nimmt die Anzahl der Wörter im Laufe der Zeit zu. Kauschke zufolge ist ein Type-Zuwachs zu verzeichnen, was bedeutet, dass die Anzahl unterschiedlicher Wörter in Abhängigkeit vom Alter ansteigt. Demnach konnte ein exponentielles Wachstum im zweiten Lebensjahr festgestellt werden ([Kauschke (1999)] S. 141). Erst im dritten Lebensjahr würde es zu einer Abnahme und einem anschließenden linearen Verlauf der Types kommen. Hinsichtlich der Verwendungshäufigkeit der Wörter (Tokens) ist das Wachstumsmuster mit dem der Types vergleichbar, so Kauschke. Mit zunehmendem Alter sind keine bedeutsamen Veränderungen mehr feststellbar, was darauf schließen lässt, dass das Verhältnis der Types zu den Tokens gleich bleibt. Hinsichtlich der Komposition des Lexikons fand Kauschke heraus, dass relationale Wörter sowie personal-social-words mit über zwei Dritteln anfangs vorherrschend

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sind. Dieser Anteil nimmt während des Verlaufs der Studie sukzessiv ab. Nomen sind den Ergebnissen zufolge von Anfang an im Wortschatz des Kindes enthalten, wobei der Anteil zunächst anwächst. Im dritten Lebensjahr verwendet jedoch kein Kind mehr als 25% Nomen, so Kauschke. Verben seien erstmals mit 15 Monaten zu verzeichnen, welche im Verlauf ansteigen und mit etwa 3;0 Jahren den größten Anteil des Lexikons ausmachen. Auch Adjektive sind von Beginn an vertreten, wobei sich der Anteil von 2,5% auf 6% nicht merklich verändert. Etwas später ist ein Anwachsen der Funktionswörter erkennbar. Alle Wortarten (gemessen in Types) zeigen laut Kauschke hochsignifikante lineare Trends, mit Ausnahme der Adjektive. Bei letzteren sei weder eine bedeutende Zu- oder Abnahme erkennbar. Insgesamt könne man von einer Zunahme sprechen bei Nomen, Verben, Pronomen, Funktionswörtern und sonstigen Wörtern. Der Anteil der relationalen Wörter, personal-social words und der Onomatopöien würde dagegen sinken. Der Anteil der Nomen erreicht laut Kauschke mit 21 Monaten ein Maximum, um anschließend wieder zu sinken. Der Anteil der Funktionswörter hingegen habe zunächst leicht, im dritten Lebensjahr deutlicher zugenommen. Neben diesen allgemeinen Untersuchungen zur Komposition des Lexikons bis zum dritten Lebensjahr interessierte Kauschke, ob es unter den teilnehmenden Kindern der Studie individuelle Unterschiede gibt und ob diese Unterschiede über den gesamten Zeitraum erhalten bleiben. Sie fand heraus, dass es deutliche individuelle Unterschiede hinsichtlich der Menge der verwendeten Wörter gab, was durch die Ermittlung der Spannweite in der Types- und Tokens-Anzahl zu Tage trat. Die Streuung habe mit jedem Zeitpunkt stärker zugenommen, das heißt, die Kinder entwickelten sich individuell weiter.

Geschlechtsspezifische Unterschiede seien allerdings nicht erkennbar

gewesen. Individuell unterschiedlich verteilt ist außerdem das Vorkommen und die Stärke der Wortarten, so Kauschke. Folglich gebe es mit 3 Jahren große Unterschiede im Anteil der Nomen, Verben, relationalen Wörter und personal-social words. Ein Rangordnungstest zeigte zudem, dass einige Kinder durchgehend im unteren, andere durchgehend im oberen Spektrum lagen. Demnach könnte auf starke individuelle Unterschiede zwischen den Kindern in der Rate des Lexikonerwerbs geschlossen werden. Kauschke zufolge können aus der Anzahl der geäußerten Wörter im zweiten Lebensjahr Prognosen für die Weiterentwicklung des Wortschatzes gemacht werden: Kinder mit einem geringen produktiven Wortschatz im zweiten Lebensjahr haben diesen Rückstand im Vergleich zu anderen Kindern aus Kauschkes Stichprobe auch mit 3 Jahren nicht aufgeholt. Vielmehr würden sie weiterhin weniger verschiedene Wörter verwenden ([Kauschke (1999)] S. 151).

Referenzen

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