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Waren die Straßen mit Büchern gepflastert? Zu einem weit verbreiteten Stereotyp über die Folgen der Büchersäkularisation in Bayern zu Beginn des 19. Jahrhunderts

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Zu einem weit verbreiteten Stereotyp über die Folgen der Büchersäkularisation in Bayern zu Beginn des 19. Jahrhunderts

Als der damalige bayerische Ministerpräsident, Franz-Josef Strauß, 1981 den deut- schen Bibliothekartag in Regensburg eröffnete, bemühte er in seinem Festvortrag einen oft zitierten Topos: Nach der von Strauß angeführten „örtlichen Überliefe- rung“ sei „der Hauptteil der Klosterbibliothek Rott am Inn […] von den Bauern zum Bau einer Furt über den Inn verwendet worden.“ Dies sei, so der Ministerpräsident weiter, übrigens kein „Einzelfall der Vernichtung von Bibliotheken oder Bibliotheks- teilen“ gewesen.1 Das zitierte Beispiel aus der Rede eines prominenten Politikers, der selbst u. a. Geschichte studiert hatte,2 zeigt, welch weite Verbreitung das Klischee der vernichteten Bücher im Zuge der Säkularisation gefunden hat. Verlusttopoi im Umfeld der Klosteraufhebungen ziehen sich durch viele Publikationen, auch neueren Datums. In einem 1986 in einer populären Zeitschrift veröffentlichten Beitrag steht etwa zu lesen:

Ein Bauer aus Breitbrunn am Chiemsee brüstete sich, daß ihm die Klosterbibliothek auf Jahre hinaus ausreichend Papier für sein „Häuschen“ auf dem Misthaufen geliefert habe. In anderen Fällen fanden dickleibige Folianten für den Straßenbau als Füllmaterial Verwendung. Die mit Pergament eingebundenen Bücher wurden in die Schlaglöcher gelegt und mit Aushubmaterial zugeschüttet.3

Ähnliche Aussagen finden sich auch heute noch, zuletzt in einer Veröffentlichung eines renommierten Historikers aus dem Jahr 2013: „Die Legende, dass Bücher unter die Räder der Karren gelegt wurden, die die wertvollen Bände abtransportierten, um die miserablen Straßen nach einem Regen benutzbar zu machen, ist wohl richtig.“4

1 Festvortrag des Ministerpräsidenten des Freistaates Bayern Franz Josef Strauß, in: Bestände in wis- senschaftlichen Bibliotheken. Erschließung und Erhaltung. 71. Deutscher Bibliothekartag in Regens- burg vom 9. bis 13. Juni 1981. Hrsg. von Jürgen Hering u. Eberhard Zwink. Frankfurt am Main: Kloster- mann 1982 (Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie, Sonderheft 34). S. 19–33. Hier S. 22.

2 Zu Straußens Studium vgl. seine Erinnerungen: Strauß, Franz Josef: Die Erinnerungen. Berlin: Sied- ler 1989. Hier S. 33–38. Zu Strauß zusammenfassend: Riehl-Heyse, Herbert: Strauß, Franz-Josef. In:

Große Bayerische Biographische Enzyklopädie. Hrsg. von Hans-Michael Körner. München: Saur 2005.

Hier Bd. 3. S. 1912f.

3 Goldner, Johannes: Bayerische Klosterbibliotheken und ihr Schicksal. In: Bayerland (1986) H. 3. S.

23–27. Hier besonders S. 26. Goldner war kein gelernter Historiker, sondern Ökonom. Vgl. den Nachruf in: Goldner, Colin G. (Hrsg.): Papierene Epitaphe. Sterbebilder aus Bayern. Sammlung Johannes Gold- ner. München: ZAM 1995. Hier S. 5.

4 Aretin, Karl Otmar von: Drei Leben für die bayerische Krone. Adam, Georg und Christoph von Are- tin, Regensburg: Pustet 2013. Hier S. 67.

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Die Bandbreite der Einschätzungen reicht dabei freilich von den bereits ange- führten Topoi, dass die Straßen förmlich mit Büchern gepflastert waren, über die Kli- schees, dass man kostbare Folianten eingeheizt oder auf den Misthaufen geworfen habe,5 bis hin zu realistischer anmutenden Einschätzungen, wonach zwar in der Tat vieles vernichtet wurde, die wirklich wichtigen und wertvollen Manuskripte, Inkuna- beln und alten Drucke aber durch die jeweiligen Bibliothekskommissionen gesichert worden seien.6

Nur wenige Ereignisse der Bibliotheksgeschichte nehmen im öffentlichen Bewusstsein einen solchen Stellenwert ein wie die angeblichen Barbareien7 in der Folge der Klostersäkularisation in Bayern. Die Vorgänge dürfen mithin als ein Erin- nerungsort begriffen werden, der bis heute im Funktionsgedächtnis der Gesellschaft präsent ist.8 Bekannt ist etwa das Beispiel der Freisinger Domkirche, die angeblich einem Metzger zum Abbruch überlassen worden sein soll und nur dank des Reprä- sentationswillens eines französischen Generals, der am Napoleonstag eine Kirchen- parade samt Dombesuch abhalten wollte, gerettet werden konnte.9 Diese Sage, die gerne kolportiert wurde, kann heute als widerlegt gelten.

5 Hierzu: Kudorfer, Dieter: Die Säkularisation und das Bibliothekswesen. Traditionsbruch und Neu- anfang für die Wissenschaft. In: Lebendiges BücherErbe. Säkularisation, Mediatisierung und die Bay- erische Staatsbibliothek. Hrsg. von Cornelia Jahn u. Dieter Kudorfer. München: Bayerische Staatsbib- liothek 2003 (Bayerische Staatsbibliothek. Ausstellungskataloge 74). S. 9–20. Hier S. 17.

6 Dies darf inzwischen als gemeinsamer Tenor seriöser Forschung gelten. Vgl. neben der in Anm. 13 angeführten Literatur nur: Weis, Eberhard: Montgelas und die Säkularisation der bayerischen Klöster 1802/03. In: Die Säkularisation in Bayern 1803. Kulturbruch oder Modernisierung? Hrsg. von Alois Schmid. München: C. H. Beck 2003 (Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte. Beiheft B,23). S.

152–255, hier S. 207 [überarbeitete und erweiterte Fassung seiner bereits 1983 veröffentlichten Ab- handlung: Weis, Eberhard: Die Säkularisation der bayerischen Klöster 1802/03. Neue Forschungen zu Vorgeschichte und Ergebnissen. München: Verlag der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 1983 (Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Phil-hist. Klasse 1983,6)]; Kör- ner, Hans-Michael: Geschichte des Königreichs Bayern. München: C. H. Beck 2006. Hier S. 43.

7 Für die Baudenkmäler vgl. Weis, Montgelas (wie Anm. 6), S. 210 und: Braun, Rainer: Blindes Wüten? Der Umgang des Staates mit den säkularisierten Klosterkirchen und -gebäuden. In: Bayern ohne Klöster? Die Säkularisation 1802/03 und die Folgen. Eine Ausstellung des Bayerischen Haupt- staatsarchivs. München, 22. Februar bis 18. Mai 2003. Hrsg. von Rainer Braun u. Joachim Wild. Mün- chen: Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns 2003 (Ausstellungskataloge der Staatlichen Archive Bayerns 45). S. 304–327.

8 Vgl. Rumschöttel, Hermann: Die Debatte um die Säkularisation von der zeitgenössischen Wahrneh- mung bis zur Gegenwart. Vortrag im Rahmen der Sommerakademie St. Bonifaz 2011. Hier S. 2. www.

sankt-bonifaz.de/fileadmin/images-bonifaz/redakteur/colloquium/docs/neu-Rumsch%C3%B6ttel_

Wahrnehmung-2011.pdf (01.07.2014). Zum Konzept der Erinnerungsorte vgl. Schulze, Hagen u. Etienne François: Einleitung. In: Deutsche Erinnerungsorte. Hrsg. von Hagen Schulze u. Etienne François. Bd.

1. München: C. H. Beck 2001. S. 9–24; sowie: Schmid, Alois u. Katharina Weigand: Einleitung. In:

Schauplätze der Geschichte in Bayern. Hrsg. von Alois Schmid u. Katharina Weigand. München: C. H.

Beck 2003. S. 7–10. Hier besonders S. 9.

9 Vgl. Weis, Montgelas (wie Anm. 6), S. 210; Braun, Wüten (wie Anm. 7), S. 306.

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Man fühlt sich bei solch schaurigen Geschichten an den Umgang mit „Urban legends“ erinnert, die sich in ähnlicher Weise verbreiten.10 Vernichtungsgeschichten lassen sich eben gut weiter erzählen.

Blickt man auf die Bücher, die an dieser Stelle im Mittelpunkt stehen sollen, so drängen sich Parallelen zum ebenso unwahren wie verbreiten Mythos der verbrann- ten Bibliothek von Alexandria unweigerlich auf.11

Die hier gegebene Skizze soll dabei eine erste Annäherung an das Thema sein.

Und um nicht missverstanden zu werden: Es geht dabei nicht um eine Apologetik der damals handelnden Personen, sondern darum, der historischen Wahrheit – so es diese überhaupt gibt – ein Stück näher zu kommen.

Der Ablauf der Büchersäkularisation in Bayern

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Während über die Säkularisation in Bayern generell ungemein viel veröffentlicht wurde,13 sind Detailuntersuchungen zum Ablauf der Büchersäkularisation immer

10 Vgl. hierzu: Brednich, Rolf Wilhelm: Die Spinne in der Yucca-Palme. Sagenhafte Geschichte von heute. München: C. H. Beck 2007; Kaneshiro-Hauptmann, Akemi: „Das ist absolut wahr!“ Wahre Ge- schichte oder moderne Sage? Rezeption der modernen Sagen im deutschsprachigen Raum. Disser- tation. Göttingen 2009. ediss.uni-goettingen.de/bitstream/handle/11858/00-1735-0000-000D-F1C9-1/

kaneshiro_hauptmann.pdf?sequence=1 (01.07.2014).

11 Vgl. hierzu: Jochum, Uwe: Bibliothekskatastrophen. In: Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bib- liographie (2009) H. 3–4. S. 159–166. Hier 161f. Zur berühmten Bibliothek von Alexandria ferner wich- tig: Canfora, Luciano: Die verschwundene Bibliothek [übersetzt von Andreas und Hugo Beyer]. Berlin:

Rotbuch Verlag 1990.

12 Vgl. hierzu insbesondere: Jahn, Cornelia: Mühsam erworbenen Schätze. Der Ablauf der Bücher- säkularisation. In: Jahn, BücherErbe (wie Anm. 5), S. 21–46. Zu den Begrifflichkeiten und Unterschei- dungen zwischen „Herrschaftssäkularisation“ und „Vermögenssäkularisation“ vgl. den instruktiven Sammelband: Schmid, Säkularisation (wie Anm. 6).

13 Um nur die wichtigste Literatur anzuführen: Weis, Montgelas (wie Anm. 6); Stutzer, Dietmar: Die Säkularisation 1803. Der Sturm auf Bayerns Kirchen und Klöster. Rosenheim: Rosenheimer 1990;

Raab, Heribert: Staatskirchentum in den weltlichen Territorien des Reiches. In: Handbuch der Kir- chengeschichte. Hrsg. von Hubert Jedin. Bd. 5. Freiburg: Herder 1985. S. 508–530; Müller, Winfried:

Die Säkularisation von 1803. In: Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte. Hrsg. von Walter Brandmüller. Bd. 3. St. Ottilien: EOS 1991. S. 1–84; Schmid, Säkularisation (wie Anm. 6); Wild, Joa- chim: Die Aufhebung der bayerischen Klöster. Versuch einer Bilanz. In: Braun, Bayern (wie Anm. 7), S. 526–537; Weis, Eberhard: Montgelas. 1799–1838. München: C. H. Beck 2005. Hier besonders S. 149–

229; zusammenfassend auch: Weitlauff, Manfred: Die Säkularisation in Altbayern und Schwaben. Re- sümee des Gedenkjahres 2003. In: Jahrbuch des Vereins für Augsburger Bistumsgeschichte (2006). S.

417–475; ferner Hausberger, Karl: Reichskirche, Staatskirche, „Papstkirche“. Der Weg der deutschen Kirche im 19. Jahrhundert. Regensburg: Pustet 2008. Schon aufgrund des Materialreichtums immer noch wichtig, in den Wertungen größtenteils überholt: Scheglmann, Alfons Maria: Geschichte der Säkularisation im rechtsrheinischen Bayern. 3 Bde. Regensburg: Habbel 1903–1908 . Jetzt auch: Haus- berger, Karl: Beginn einer „neuen Zeitrechnung“? Konsequenzen und Fernwirkungen der Säkulari-

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noch in vielerlei Hinsicht ein Desiderat. Tatsächlich gehören die Ereignisse jener Tage im Hinblick auf die Bibliotheken zu den am schlechtesten erforschten Bereichen im Umkreis des Gesamtkomplexes der Klöstersäkularisationen. Grundlage einer jeden Beschäftigung mit diesen Vorgängen ist damit zwar bis heute die exzellente, aber leider unvollendet gebliebene Untersuchung von Paul Ruf14 und einige andere grund- legende Studien.15

Nachdem bereits nach der Auflösung der Bettelordensklöster 1802 etwa 30.000 Bände in die Hofbibliothek gelangt waren – aufgrund der weitgehend homogenen Struktur jener Bibliotheken nur ca. 10 Prozent des Gesamtbestandes der in den Mendikantenniederlassungen vorhandenen Literatur – sollte sich 1803 eine eigene Bibliothekskommission der Sammlungen der ständischen Klöster Altbayerns anneh- men.16 Diese bestand aus Johann Christoph Freiherrn von Aretin17 und Johann Baptist Bernhart,18 welche für die kurfürstliche Hofbibliothek das Erstauswahlrecht wahrneh-

sation von 1803. In: Fünf Miszellen zur Wirkungsgeschichte des Reichsdeputationshauptschlusses von 1803 und einem Beitrag zum 50. Todestag von Erzbischof Dr. Michael Buchberger, Bischof von Regensburg (1927–1961). Hrsg. von Paul Mai und Karl Hausberger. Regensburg: Verlag des Vereins für Regensburger Bistumsgeschichte 2012. S. 15–32. Dagegen weitgehend unbrauchbar: Eichler, Ale- xander: Die Säkularisation in Bayern im Jahr 1803. Von der zeitgenössischen Wahrnehmung bis zur Gegenwart. Hamburg: Diplomica Verlag 2013.

14 Ruf, Paul: Säkularisation und Bayerische Staatsbibliothek, Bd. 1: Die Bibliotheken der Mendikan- ten und Theatiner (1799–1802). Wiesbaden: Harrassowitz 1962.

15 Für die Büchersammlungen insbesondere: Hauke, Hermann: Die Bedeutung der Säkularisation für die bayerischen Bibliotheken. In: Glanz und Ende der alten Klöster. Säkularisation im bayerischen Oberland 1803. Hrsg. von Josef Kirmeier und Manfred Treml. München: Süddeutscher Verlag 1991 (Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 21/91). S. 87–97; Kudorfer, Säkularisation (wie Anm. 5), S. 9–20; sowie Jahn, Schätze (wie Anm. 12), S. 21–46; auch: Schemmel, Bernhard: Die Säkularisation der Stifts- und Klosterbibliotheken. In: Bamberg wird bayerisch. Die Säkularisation des Hochstifts Bamberg 1802/03. Hrsg. von Renate Baumgärtel-Fleischmann. Bamberg: Historisches Museum Bamberg 2003. S. 239–250.

16 Vgl. Ruf, Paul: Die Bayerische Staatsbibliothek und die Säkularisation. In: Bayerische Bibliothe- ken (Sonderausgabe der Zeitschrift „Bayerland“) München 1964. S. 12–16. Hier S. 13; Hauke, Bedeu- tung (wie Anm. 15), S. 91.

17 Vgl. Aretin, Erwein von: Christoph Freiherr von Aretin. Ein Lebensbild aus der Zeit des Ministers Montgelas. In: Gelbe Hefte. Historische und politische Zeitschrift für das katholische Deutschland (1927) S. 15–34, 100–133, 317–329; Ruf, Säkularisation (wie Anm. 14), S. 5–48; sowie Jahn, Schätze (wie Anm. 12), S. 31–33; Körner, Hans-Michael (Hrsg.): Große Bayerische Biographische Enzyklopädie.

München: Saur 2005. Bd. 1. S. 58–59; Aretin, Leben (wie Anm. 4), besonders S. 59–83.

18 Freys, Ernst: Johann Baptist Bernharts „Gesammelte Schriften“. Ein Vorläufer von Haeblers Ty- penrepertorium. In: Wiegendrucke und Handschriften. Festgabe Konrad Haebler zum 60. Geburts- tage. Leipzig: Hiersemann 1919. S. 145–174; Ruf, Säkularisation (wie Anm. 14), S. 48–50; sowie: Jahn, Schätze (wie Anm. 12), S. 38–40; Lübbers, Bernhard: Johann Baptist Bernhart (1759–1821) und seine Regensburger Bibliotheksreise im Winter 1811/12. In: Regensburg, Bayern und das Reich. Festschrift für Peter Schmid zum 65. Geburtstag. Hrsg. von Tobias Appl und Georg Köglmeier. Regensburg:

Schnell und Steiner 2010. S. 597–617.

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men sollten, Paul Hupfauer19 für die Universitätsbibliothek Landshut und Thomas Joachim Schubauer,20 der für die Schulbibliotheken verantwortlich zeichnete. Diese vier Männer unternahmen 1803 insgesamt vier Reisen, um aus den aufgehobenen Klöstern für ihre jeweiligen Institute auszuwählen. Da möglichst von jedem Buch nur ein Exemplar in die Hofbibliothek kommen sollte, musste zwangsläufig Vieles an Ort und Stelle zurückgelassen werden. Von den in den Klöstern verbliebenen Bestän- den wurde wiederum zwischen brauchbaren, dem größten Teil, und unbrauchba- ren Büchern unterschieden. Bei letzteren handelte es sich um Darstellungen und Abhandlungen, die aus Sicht der Aufklärer als abergläubisch im weitesten Sinne, und damit als wertlos, ja sogar schädlich eingestuft wurden. Während die nach der Klassifizierung als brauchbar kategorisierten Bücher in den Jahren nach 1803 nach München zur Versteigerung gebracht wurden, profitierte von den als unbrauchbar gekennzeichneten Beständen vor allem der Münchner Papierfabrikant Kaut. Er hatte sich angeboten, aus diesen Büchern Pappe zu machen und von der Regierung daher den Zuschlag erhalten. Über die so verwerteten Bücher musste Kaut der Regierung je Zentner 50 Kreuzer abzüglich eines Rabattes entrichten. Ungezählte Bücher wurden so vernichtet.21

Zur Frage der Herkunft der Verlusttopoi

Viele der Verluststereotypen lassen sich auf die prägende Darstellung von Alfons Maria Scheglmann (1858–1937) zurückführen.22 Der Regensburger Domkanoniker und spätere Generalvikar hat zwar viel Material für sein opus magnum zusammenge- tragen, doch leider lassen sich seine Quellen oftmals nicht mehr oder nur mit Mühen rekonstruieren.23 Scheglmann war nämlich der Ansicht, wie er im ersten Band seiner

19 Vgl. zu ihm: Hilsenbeck, Adolf: Die Universitätsbibliothek Landshut-München und die Säkularisa- tion (1803). In: Festschrift Georg Leyh. Aufsätze zum Bibliothekswesen und zur Forschungsgeschichte dargebracht am 6. Juni 1937 von Freunden und Fachgenossen. Leipzig: Harrassowitz 1937. S. 180–192;

Ruf, Säkularisation (wie Anm. 14), S. 51–53; Jahn, Schätze (wie Anm. 12), S. 41–43.

20 Ruf, Säkularisation (wie Anm. 14), S. 53–55; Jahn, Schätze (wie Anm. 12), S. 44.

21 Vgl. Jahn, Schätze (wie Anm. 12), S. 26. Für diese Fragestellung indes nicht einschlägig die beiden Festschriften: 160 Jahre Kaut-Bullinger, München 1954 und 200 Jahre Kaut-Bullinger, München [1994], S. 60. Vgl. auch Kraus, Andreas: Geschichte Bayerns. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, München:

C. H. Beck 2013. Hier S. 374.

22 Scheglmann, Säkularisation (wie Anm. 13). Zu ihm: Mai, Paul: Alphons Maria Scheglmann (1858–

1937). Generalvikar in Regensburg. In: Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1785–1945. Hrsg.

von Erwin Gatz. Berlin: Duncker & Humblot 1983. S. 651; Mayerhofer, Josef: Alfons Maria Scheglmann (1858–1937). Generalvikar, Dompropst. In: Lebensbilder aus der Geschichte des Bistums Regensburg.

2 Bände. Hrsg. von Georg Schwaiger. Regensburg: Verlag des Vereins für Regensburger Bistumsge- schichte 1989 (Beiträge zur Geschichte des Bistums Regensburg 23/24). S. 877–882.

23 Zu seinem Werk vgl. Mayerhofer, Scheglmann (wie Anm. 22), S. 878f.; ferner: Blessing, Werner K.:

Verödung oder Fortschritt? Zu den gesellschaftlichen Folgen der Säkularisation. In: Schmid, Säkula-

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Säkularisationsgeschichte schreibt, dass „Zitatenhäufung eine Modesache oder viel- mehr Modetorheit sei, und überdies eine Art von Selbstentehrung, als spräche man der eigenen Aussage die Glaubwürdigkeit ab.“24 Scheglmann bündelte in seinem Werk die Kritik von katholischer Seite an der Säkularisation und leistete nicht zuletzt aufgrund der fehlenden Nachweise seiner Behauptungen so den Klischees Vorschub.

Betrachten wir im Folgenden einige wenige Beispiele näher.

Rott am Inn

Die eingangs zitierte Legende zum Umgang mit den Beständen aus der Bibliothek des Klosters Rott findet sich ähnlich bei Alfons Maria Scheglmann. Hier heißt es wörtlich:

Als Aretin seine Aussuchung zugunsten der Münchener Hofbibliothek beendet hatte, wollte man den Rest der klösterlichen Büchersammlung, das heißt die aszetischen Bücher, den Aretinischen

„Schund“, der Vernichtung preisgeben. Man fing an, diese Bücher nach und nach im Klosterhofe zu verbrennen. Als aber dies zu langsam und mühsam vor sich ging, fuhr man die Bücher wagen- weise in den hochgehenden Inn.25

Leider belegt Scheglmann die Herkunft dieser Aussage nicht. Dennoch werden diese Legenden bis in die Gegenwart gerne weiterverbreitet.26 Allerdings lassen sie sich nicht anhand zeitgenössischer Quellen verifizieren.27 Vielmehr ist festzuhalten, dass von der Bibliothekskommission für die Hofbibliothek 95 Handschriften, 535 Inkuna- beln und 766 Bände anderer Drucke ausgewählt wurden28 und für die Universitätsbi- bliothek Landshut 1.085 Bände übernommen werden konnten.29

risation (wie Anm. 6), S. 335–366. Hier S. 352; Weigand, Katharina: Der Streit um die Säkularisation.

Zu den Auseinandersetzungen in Wissenschaft und Öffentlichkeit im 19. und 20. Jahrhundert. In:

Schmid, Säkularisation (wie Anm. 6), S. 367–385. Hier S. 376f. Hermann Rumschöttel charakterisiert Scheglmanns Werk als eine „polemische Anklageschrift“ und fordert zugleich mit Recht die Analyse der Rezeptionsgeschichte dieses Werkes. Rumschöttel, Debatte (wie Anm. 8), S. 15.

24 Scheglmann, Säkularisation, Bd. 1 (wie Anm. 13), S. VIII.

25 Scheglmann, Säkularisation, Bd. 3,1 (wie Anm. 13), S. 733.

26 Kirchlechner, Richard: Die Säkularisation des Benediktinerklosters Rott am Inn. In: Nachrichten aus der Gemeinde Rott am Inn, Nr. 3/ 2003. Ähnlich auch: Kirchlechner, Richard: Rott am Inn. Orts- chronik. Horb am Neckar: Geiger-Verlag 2003. Hier S. 22: „Für die Hofbibliothek wurden nur wertvolle Handschriften und einige ältere Druckwerke ausgesucht, den Rest der Bücher ließ die Kommission verbrennen oder wegwerfen.“

27 Vgl. auch: Tausendpfund, Alfred: Die Aufhebung des Klosters Rott am Inn. In: Rott am Inn. Bei- träge zu Kunst und Geschichte der ehemaligen Benediktinerabtei. Hrsg. von Willi Birkmaier. Weißen- horn: Konrad 2002. S. 311–344.

28 Vgl. Kellner, Stephan und Annemarie Spethmann: Historische Kataloge der Bayerischen Staats- bibliothek München. Münchner Hofbibliothek und andere Provenienzen. Wiesbaden: Harrassowitz 1996 (Catalogus codicum manu scriptorum Bibliothecae Monacensis 11). Hier S. 411.

29 Vgl. Hilsenbeck, Universitätsbibliothek (wie Anm. 19), S. 188.

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Ettal

Ähnlich gelagerte Aussagen findet man bei Scheglmann auch über andere Klöster.

Als der „Bibliothekenplünderer“

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von Aretin mit der Auswahl in Ettal fertig gewesen sei, habe man dort begonnen, die Öfen tagelang mit Büchern und Akten zu heizen;

als Belege werden dabei mündliche Überlieferungsstränge angeführt. Wörtlich heißt es hier:

In den Jahren 1887–1890 war ich Koadjutor in Peiting bei Schongau am Lech; mein damaliger Pfarr- herr, der 1869 Pfarrer in Oberammergau war, erzählte mir öfters, daß die älteren Leute Oberam- mergaus ihm wiederholt mittheilten, in Ettal habe man den großen Klosterherd 8 Tage lang mit Büchern geheizt, und sie, die Ammergauer, die damals Buben waren, hätten um einen Kreuzer oder auch Groschen die Einbanddecken davon gekauft, um daraus „Mannl“ zu schnitzen.31

Auch für Ettal lassen sich diese Kolportagen nicht durch zeitgenössische Quellen bele- gen.32 Was sich gut nachweisen lässt, da die entsprechenden Verzeichnisse erhalten blieben, ist hingegen, dass für die Hofbibliothek 1.408 Bände ausgewählt wurden und für die Universitätsbibliothek Landshut noch einmal 1.283 Bände. Von den zurückge- lassenen ca. 12.000 Bänden der Ettaler Klosterbibliothek wurde der größere Teil 1810 in München versteigert, ein kleinerer Teil von Postdirektionsrat Joseph von Elbling für 150 Gulden erworben.33 Da Bücher bekanntlich nur sehr schlecht brennen, kann zwar nicht ausgeschlossen werden, dass tatsächlich das eine oder andere Buch ein Opfer der Flammen wurde; eine Verbrennung in großem Stil erscheint jedoch nicht sehr wahrscheinlich.

Aldersbach

Auch in der niederbayerischen Zisterze Aldersbach mit seiner gegen Ende des 18.

Jahrhunderts etwa 30.000 Bände umfassenden Bibliothek war die Kommission im Juli

30 Scheglmann, Säkularisation, Bd. 3,1 (wie Anm. 13), S. 392.

31 Scheglmann, Säkularisation, Bd. 3,1 (wie Anm. 13), S. 393f.

32 Vgl. Jörissen, Luise: Über die Säkularisation. Dissertation. München 1920; Brunner, Wilfrid: Der Ettaler Bucheinband vornehmlich im 18. Jahrhundert. In: Sankt Wiborada. Ein Jahrbuch für Bücher- freunde (1934) S. 32–46. Hier S. 34f.; Schmalzl, Bonifaz: Die Bibliothek der Benediktinerabtei Ettal. In:

Bibliotheksforum Bayern (1990) H. 2. S. 176–188. Hier S. 178; Hahn, Winfried M.: Von der Säkularisati- on des Klosters Ettal im Jahre 1803. In: Gründe uns im Frieden. Ettal 1900–2000. Festschrift zum Ge- denken der Wiederbegründung des Klosters Ettal im Jahre 1900. Hrsg. von Barnabas Bögle, Edelbert Hörhammer u. Andreas Eltz. Ettal: Buch- und Kunstverlag Ettal 2000. S. 18–92; Schmalzl, Bonifaz: Die Bibliothek der Abtei Ettal im 20. Jahrhundert. In: Bögle, Frieden (wie Anm. 32), S. 265–282.

33 Vgl. Kellner und Spethmann, Kataloge (wie Anm. 28), S. 201–203. Bei diesem Teil handelte es sich wohl um 1.000–2.000 Bände. Vgl. Schmalzl, Bibliothek (wie Anm. 32) S. 178. Für die Universitätsbib- liothek Landshut auch: Hilsenbeck, Universitätsbibliothek (wie Anm. 19), S. 184.

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1803 zugange.34 Sie wurde – wie Scheglmann schrieb – „rein ausgeplündert“.35 Für die Hofbibliothek wurden neben 312 Handschriften, 718 Inkunabeln, 34 Chorbüchern, 2 handgemalten Landkarten, 112 Futteralen mit Dissertationen sowie 9 Holzschachteln mit Kupferstichen und zwei Globen auch 4.477 Bände sonstiger Drucke ausgewählt.

Die Universitätsbibliothek Landshut erfuhr eine Bestandsmehrung von 2.118 Bänden aus Aldersbach und die Schulbibliothek Straubing erhielt 2.043 Bücher aus dieser Klosterbibliothek.36 Etwa ein Drittel der in der niederbayerischen Zisterze vorhande- nen Bestände ging somit in öffentlichen Besitz über. Der Rest der nicht ausgewähl- ten Bücher verblieb in den Gebäuden und wurde 1807 auf Antrag des Handelsmanns Joseph Bayer diesem überlassen, um daraus „Pappendeckl“ und „Einpack-Papier für Krämer“ zu fertigen.37 Zuvor war von Bayer ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass Kaut, der einen „allgemeine[n] Akkord wegen Ueberlassung sämtlicher Bib- liotheksreste“ habe, keinerlei Einwände hege. Die Endabrechnung belegt, dass 101 Zentner und 4 Pfund von „ausgemusterten Büchern“, der Zentner zu 40 Kreuzer, von Joseph Bayer so vernichtet wurden. Er hatte sich verpflichtet, persönlich dafür Sorge zu tragen, dass „an die Krämer zur Makulatur abzugebende Bücher nicht anders, als nach vorgängiger Zerreissung der Titelblätter und Unbrauchbarmachung ausgeliefert werden sollen“.38

Banz

Ein Beispiel aus Franken lässt möglicherweise darauf schließen, wo zumindest das Klischee von Büchern, die zur Verbesserung von Straßen verwendet worden sein sollen, seinen Ursprung hat bzw. haben könnte. Heinrich Joachim Jaeck39 berichtet aus der Rückschau über den Transport der Bücher aus Banz nach Bamberg: „Von den großen sehr eng gepackten Kisten sprangen einige zum Theile unterwegs – zum Theile hier bei dem Abladen auf, wobei die Bauern und Beiläufer – äußerst geschäftig im Entwenden und Vertrödeln der Bücher an Krämer und Juden – manches kostbare Werk unvollständig machten.“40 Diese Version der Ereignisse findet sich so auch bei

34 Vgl. zur Bibliothek: Kellner und Spethmann, Kataloge (wie Anm. 28), S. 113; zu den Vorgängen:

Meyer, Martina: Die Säkularisation des Klosters Aldersbach und die Folgen. Schriftliche Hausarbeit für das Lehramt an Realschulen. Regensburg 2005.

35 Scheglmann, Säkularisation, Bd. 3,2 (wie Anm. 13), S. 11.

36 Die Zahlen nach: Kellner und Spethmann, Kataloge (wie Anm. 28), S. 113.

37 BayHStA, Landesdirektion in ständischen Klostersachen Nr. 591. Vgl. auch: Meyer, Säkularisation (wie Anm. 34), S. 30.

38 BayHStA, Landesdirektion in ständischen Klostersachen Nr. 591.

39 Zu ihm: Körner, Biographische (wie Anm. 17), Bd. 2. S. 942f.

40 Jaeck, Heinrich Joachim: Kurze Geschichte der K. Bibliothek zu Bamberg. In: Wöchentliches Un- terhaltungsblatt, Kulmbach 1819, Nr. 14, Sp. 121. Von ihm selbst wenige Jahre später wiederholt: Jaeck, Heinrich Joachim: Vollständige Beschreibung der öffentlichen Bibliothek zu Bamberg. Nürnberg:

Haubenstricker 1831–1835. Teil 2. S. LXVIIIf. Hier zitiert nach: Schemmel, Bernhard: Die barocke Bi-

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Scheglmann.41 Vermutlich waren es eben solche Vorkommnisse in den ansonsten durchgängig von der „bürokratische[n] Sorgfalt der Zuständigen“ geprägten Abläu- fen, welche zu den eingangs zitierten Legenden führten.42

Die wenigen angeführten Beispiele zeigen, dass es in der Tat überwiegend Schegl- mann war, der diese Legenden weiterverbreitete. Dankbar wurden diese Topoi dann weitererzählt – zum Teil bis heute.

1903 – ein Jahrhundert nach der Aufhebung der ständischen Klöster Bayerns – konnte man in der Augsburger Postzeitung unter dem Pseudonym „Outis“, dem griechischen Wort für „Niemand“, folgenden Satz lesen: „Durch die Barbaren jener Zeit sind Bücher zu Grunde gegangen, die man jetzt überhaupt vergeblich in der Welt sucht; man kennt sie nur aus Zitaten.“43 Sicherlich kam es bei der Auswahl der Bücher zu erheblichen Verlusten, das ist unbestritten,44 aber es fehlen auch hier aus- reichend Detailuntersuchungen, welche helfen könnten, die Verluste belastbar quali- tativ und quantitativ zu beziffern. Was zudem gegen „blinde“ Zerstörungswut spricht, ist die in Einzeluntersuchungen belegte Pedanterie der verantwortlichen Beamten, die auch streng kontrolliert wurden.45 Es war nämlich klar geregelt, wie mit den nicht für die jeweiligen Sammlungen ausgewählten Büchern umgegangen werden sollten.

Eine Zerstörung ohne einen wie auch immer gearteten Nutzen für den Staat lässt sich daher als nahezu sicher ausschließen. Sicherlich beförderte der antiklerikale Zeit- geist – wie er etwa auch in Aretins Briefen greifbar wird – den Zugriff vor allem auf die reichen Prälatenklöster. Aber das entscheidende Motiv für die Klöstersäkularisie- rung in Bayern war die Abwendung des Staatsbankrotts.46 Und dazu sollte mit Hilfe der aufgelösten monastischen Institutionen möglichst großer Gewinn erzielt werden.

Paul Ruf hat dies so zusammengefasst: „Alles, was nur immer an beweglichem oder unbeweglichem Klostergut vorhanden war und irgendwelchen, wenn auch noch so geringen Ertrag versprach, mußte, soweit es der Staat selber in Anspruch nahm, zu

bliothek von Banz. In: Im Dienst von Kirche und Wissenschaft. Festschrift für Alfred E. Hierold zur Vollendung des 65. Lebensjahres. Hrsg. von Wilhelm Dees, Sabine Demel und Ludger Müller. Berlin:

Duncker & Humblot 2007. S. 207–236. Hier S. 215. Vgl. auch: Baumgärtel-Fleischmann, Renate: Vor- wort. In: Baumgärtel-Fleischmann, Bamberg (wie Anm. 15), S. 7f.

41 Scheglmann, Säkularisation, Bd. 3,1 (wie Anm. 13), S. 281f.

42 Schemmel, Bibliothek (wie Anm. 40), S. 216.

43 Zitiert nach: Eichler, Säkularisation (wie Anm. 13) S. 66.

44 Vgl. etwa Schmid, Alois: Die Bibliothek des bayerischen Augustiner-Chorherremstifts Polling. Be- stände – Aufhebung – Erbe. In: Reform – Sequestration – Säkularisation. Die Niederlassungen der Augustiner-Chorherren im Zeitalter der Reformation und am Ende des Alten Reiches. Hrsg. von Win- fried Müller. Paring: Augustinerchorherren Verlag 2005 (Publikationen der Akademie der Augustiner- Chorherren von Windesheim 6). S. 165–190. Hier S. 188; auch: Weitlauff, Manfred: Die Säkularisation in Bayern. Ereignisse und Probleme. In: Schmid, Säkularisation (wie Anm. 6), S. 29–84. Hier S. 73.

45 Vgl. etwa für Metten: Kaufmann, Michael: Die Säkularisation der Benediktinerabtei Metten. Der konkrete Einzelfall. In: Schmid, Säkularisation (wie Anm. 6), S. 256–271. Hier S. 267.

46 Vgl. Weis, Montgelas (wie Anm. 6), S. 227; Hausberger, Reichskirche (wie Anm. 13), S. 107.

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Geld gemacht werden.“47 Dies manifestiert sich auch in dem angeführten Beispiel aus Aldersbach in frappierender Art und Weise.

Fazit

Aus der Sicht des 21. Jahrhunderts hätten weder die teils blühenden Stifte und Klöster aufgelöst werden müssen, noch würde heute das Vorgehen hinsichtlich der Auswahl aus den Klosterbibliotheken oder der bewussten Vernichtung als schädlich eingestuf- ter Literatur goutiert. Doch darf das Empfinden von heute nicht der Maßstab sein, mit welchem die Ereignisse des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts betrachtet werden sollten. Man darf somit mit Hans Maier festhalten: „Es gilt von der Säkularisation, was man schon von der Aufklärung sagen muss: Sie hat viel Gutes bewirkt, vor allem im Rechtswesen, aber indem sie rücksichtslos Altes, Gewachsenes beseitigte, entfaltete sie nicht selten destruktive Wirkungen.“48

Wie anhand der wenigen angeführten Beispiele gezeigt werden sollte, sind die Vorgänge bei weitem nicht ausreichend untersucht. Und bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass die Legenden von mutwillig und aus damaliger Sicht zweckfrei zer- störten Büchern, wenn nicht ihren Ursprung, so doch ihre öffentlichkeitswirksame Verbreitung zumeist in Scheglmanns Darstellung haben. Greift man auf die erhalte- nen Quellen bzw. auf seriöse und quellennahe Untersuchungen der Vorgänge zurück, so offenbart sich schnell, dass diese klischeehaften Wertungen zumeist nicht zu halten sind. Diese erste Annäherung, die bei weitem nicht erschöpfend sein konnte und wollte, offenbart einmal mehr, dass eine Analyse der Rezeptionsgeschichte von Scheglmanns Werk ein Desiderat darstellt.49

Festzuhalten ist ferner, dass Aretins entschlossenes Handeln und seine Sach- kenntnis die wichtigsten und wertvollsten Handschriften und Drucke der aufgelösten Klöster rettete.50 Wir können also konstatieren, dass das nunmehr 30 Jahre alte Urteil von Fridolin Dressler cum grano salis noch heute Bestand hat:

Wenn das Werk von Paul Ruf nicht fortgesetzt wird – und welcher Bibliothekar könnte sich heute an ein solches Unternehmen wagen, ohne seine dienstlichen Pflichten hintanzustellen – so wären doch punktuelle Untersuchungen über das Schicksal einzelner weiterer Bestände, vor allem der größeren Handschriftenfonds sehr erwünscht, um Klarheit zu schaffen über den tat- sächlichen Umfang und die Qualität der Verluste. Die auch in wissenschaftlichen Abhandlungen übliche Kolportage der Horrorerzählung von der mit Büchern gepflasterten Straße oder neuestens

47 Ruf, Säkularisation (wie Anm. 14), S. 5.

48 Maier, Hans: Säkularisation. Schicksale eines Rechtsbegriffs im neuzeitlichen Europa. In: Schmid, Säkularisation (wie Anm. 6), S. 1–28. Hier S. 7f.

49 Rumschöttel, Debatte (wie Anm. 8), S. 15.

50 Weis, Montgelas (wie Anm. 6), S. 207; Müller, Säkularisation (wie Anm. 13), S. 46. Auch Aretin, Leben (wie Anm. 4), S. 70.

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sogar von der Ausfüllung von Furten durch den Inn bringt uns nicht zu einer zutreffenden Bewertung dieser für die Bibliotheksgeschichte unseres Landes tief einschneidenden Epoche.51

Die Bayerische Staatsbibliothek erfuhr durch den Bestandszuwachs aus den baye- rischen Klöstern eine enorme Bedeutungssteigerung52 und stieg zur größten Biblio- thek im deutschsprachigen Raum auf.53 Viele wissenschaftliche Disziplinen nahmen durch die Konzentration der Handschriften und Drucke an einem Ort nun einen Auf- schwung.54

Waren es zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Büchermassen, die im Zuge der Säkularisation in die Bayerische Staatsbibliothek (Hofbibliothek) kamen, und die es zu erschließen galt, so stellen sich die Herausforderungen zwei Jahrhunderte später zwar ähnlich grundstürzend, aber ganz anders gelagert dar. Die Bayerische Staatsbi- bliothek hat sich in der Amtszeit von Generaldirektor Rolf Griebel an die Spitze der digitalen Revolution gesetzt55 und darf heute als eine der innovativsten Bibliotheken weltweit gelten. Ein wichtiger Meilenstein für die globale Bedeutung dieser Biblio- thek wurde vor zwei Jahrhunderten gelegt. Ohne das umsichtige Handeln von Aretins und seiner Begleiter hätten die vielen Schätze der bayerischen Klöster nicht bewahrt werden können. Dass dabei auch Fehler gemacht wurden, liegt nahe, bedarf jedoch stets der Einordnung und des Vergleichs. Das vordringliche Interesse jeder wissen- schaftlich seriösen Betrachtung sollte es zudem sein, die Vorgänge soweit möglich auch wahrheitsgetreu darzustellen.

51 Dressler, Fridolin: Bayerische Bibliotheksgeschichte. Anmerkungen zum Forschungsstand. In:

Land und Reich. Stamm und Nation. Probleme und Perspektiven bayerischer Geschichte. Festgabe für Max Spindler zum 90. Geburtstag. Hrsg. von Andreas Kraus. Bd. 1: Forschungsberichte. Antike und Mittelalter. München: C. H. Beck 1984 (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 78). S.

163–174. Hier 169f.

52 Vgl. auch Bauerreiss, Romuald: Kirchengeschichte Bayerns, Bd. 7: 1600–1803. St. Ottilien: EOS 1970. S. 447.

53 Vgl. Ruf, Staatsbibliothek (wie Anm. 16), S. 16; Hauke, Bedeutung (wie Anm. 15), S. 94.

54 Kudorfer, Dieter: Bücherkumulation und Aufbruch der Forschung. In: Jahn, BücherErbe (wie Anm. 5), S. 47–53.

55 Vgl. hierzu: Griebel, Rolf u. Klaus Ceynowa (Hrsg.): Information – Innovation – Inspiration. 450 Jahre Bayerische Staatsbibliothek. München: Saur 2008.

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