Lineare Abbildungen
7.1 Motivation
Verschieben, Drehen und Scheren sind parallelentreu, d.h sie lassen sich auch als Ab- bildung zwischen Vektorr¨aumen fomulieren. Die Verschiebung, beispielsweise, kann dargestellt werden!v !→!v+!a,worin!airgendein fester Vektor – derVerschiebungsvek- tor. Eine Skalierung !v !→λ!v, worin λ∈R irgendeine feste Zahl – der Skalenfaktor.
Eine zweidimensionale Scherung!v !→(v1+σv2)!e1+v2!e2, wobei!e1Vektor in Richtung der Scherachse, undσ ∈Rirgendeine feste Zahl – dasSchermodul. Eine zweidimen- sionale Drehung schließlich
90 Lineare Abbildungen
7.2 Definition
Definition “Lineare Abbildung”: SeienV, W Vektorr¨aume. Eine AbbildungA: V →W heißt linear, genau dann wenn
A(λ1!v1+λ2!v2) =λ1A(!v1) +λ2A(!v2) (7.1) Kurz: unter einer linearen Abbildung werden Linearkombinationen auf Linearkom- binationen abgebildet.
Um zu betonen, dass man es hier mit Abbildungen zwischen Vektorr¨aumen zu tun hat laufen die linearen Abbildungen zwischen Vektorr¨aumen auch unter dem Be- griff des Vektorraumhomomorphismus, zuweilen kurz “Homomorphismus”. Homo- morphismen begegnen einem in der Mathematik aller Orten. Ihren diversen Aus- pr¨agungen gemein ist, dass sie die Rechenregeln respektieren, die f¨ur die zugrunde- liegenden Mengen gelten.
Je nach Eigenschaft werden lineare Abbildungen klassifiziert. Ein Vektorraumho- momorphismus A:V →W heißt
Monomorphismus, wenn A injektiv Epimorphismus, wenn A surjektiv
Isomorphismus, wenn A injektiv und surjektiv, also bijektiv Endomorphismus, wenn V =W,
Automorphismus, wenn V =W und A bijektiv.
Linearform wenn W eindimensionaler Vektorraum
Hatte ich schon erw¨ahnt, dass das Studium der Mathematik dem Erlernen einer Fremdsprache entspricht?
Zwei Vektorr¨aumeV, W heißen isomorph, wenn es einen IsomorphismusA:V →W gibt. Je zwei Vektorr¨aume ¨uber dem gleichen K¨orper sind isomorph sofern sie nur von gleicher Dimension. Insbesondere sind also allen-dimensionalen reellen Vektorr¨aume isomorph dem Vektorraum Rn der Zahlenspalten.
Beim Studium einer linearen AbbildungA:V →W sind folgende Begriffe n¨utzlich
BildA≡A(V) :={A(!v)|!v∈V} ⊂W, ein Untervektorraum von W
KernA:={!v ∈V|A(!v) =o} ⊂V, ein Untervektorraum von V
rgA:= dimBildA, der Rang von A. Damit die Dimensionsformel f¨ur lineare Abbil- dungen
dimKern + dimBild = dimV (7.2)
Lineare Abbildungen k¨onnen “verkettet” werden. Hat man beispielsweise eine lineare AbbildungA:V →W und eine lineare AbbildungB :W →Y, so ist mitC :=B◦A (Reihenfolge beachten!) eine lineare Abbildung C:V →Y verabredet.
Sofern Urbild- und Bildraum isomorph, insbesondere also von gleicher Dimension, und A :V →W von vollem Rang, dimBild(A) = dimV, kann A invertiert werden.
Das Inverse von A wird dann notiert A−1, wobeiA◦A−1 =A−1 ◦A = idV mit idV die lineare Abbildung “Identit¨at”, idV(!v) =!v f¨ur alle!v ∈V.
92 Lineare Abbildungen
7.3 Matrixdarstellung
Eine lineare Abbildung A : V → W ist vollst¨andig durch die Bilder einer Basis (!a1, . . . , !an)⊂V charakterisiert. Seien also!ai gewisse Basisvektoren des V, und!bµ
Basisvektoren des W.1 Das Bild A(!ai) des i-ten Basisvektors von V ist ein Vektor in W, und also ein Linearkombination von Basisvektoren aus W, A(!ai) = !bµAµi. Die Koeffizienten Aµi sind die Darstellung der linearen Abbildung A bez¨uglich der Basen!bi, !cµ.
Die Abbildung eines allgemeinen Vektors !v =!aivi kann nun – der Linearit¨at vonA sei Dank – leicht angegeben werden!v !→w! =!bµAµivi, notiert f¨ur die Entwicklungs- koeffizienten wµ des Bildvektors w! =!cµwµ
wµ=Aµivi. (7.3)
wobei wir hier vonEinstein’schen SummenkonventionGebrauch machen: “¨uber dop- pelt auftretende, schr¨ag gestellte Indices wird summiert!”, also
Aµivi ≡
!n i=1
Aµivi =Aµ1v1+Aµ2v2+· · ·+Aµnvn, (7.4)
wobei n die Dimension des Vektorraums V, also n= dim(V).
Die Kurzschreibweise ist f¨ur allgemeine ¨Uberliegungen n¨utzlich, f¨ur konkrete Rech- nungen aber ein Alptraum. “Konkrete Rechnung” heißt, dass die Gesamtheit derAµi
alsm×n Zahlen vorliegen, und man wissen will, welche Werte diem Zahlenwµf¨ur eine gegebene Gesamtheit von n Zahlen vi annehmen. F¨ur solcherart Rechnungen
1Dass wir hier die Basis von V mit einem lateinischen Buchstaben i abz¨ahlen, die Basis von W hingegen mit einem griechischen Buchstaben hat keinerlei mathematische Bedeutung, sondern dient der schnellen Identifizierung “wo jemand hingeh¨ort” (ob zu V oder zuW).
wird () gerne in einer sog. Matrixschreibweie notiert,
w1 w2 ...
wm
=
A11 A12 . . . A1n
A21 A22 . . . A2n
... ... ... ...
Am1 Am2 . . . Amn
( )* +
Die m×n-Matrix (Aµi)
v1 v2 ...
vn
(7.5)
wobei die Berechnungsvorschrift lautet: Kippe den Spaltenvektor rechts in die Waag- rechte, lege ihn ¨uber die µ-te Zeile, summiere die Produkte der ¨ubereinanderliegen- den Zahlen – und das Resultat ist der µ-te Eintrag im Spaltenvektor links.
Die Verkettung einer linearen Abbildung A:V →W und einer linearen Abbildung B : W → Y, also die Abbildung C := B ◦ A, wird in einer Basis (!c1. . . !cl) ⊂ Y dargestellt C(!v) = !caBaµAµivi, bzw. C(!v) = !haCaivi mit Cai = BaµAµi, in
“Matrixschreibweise
C11 . . . C1n
... ... ...
Cl1 . . . Cln
=
B11 . . . B1m
... ... ...
Bl1 . . . Blm
A11 . . . A1n
... ... ...
Am1 . . . Amn
(7.6)
mit der Rechenvorschrift der sog. Matrixmultiplikation: Kippe die j-te Spalte die Matrix A ¨uber die a-te Zeile der Matrix B, summiere die Produkte der ¨ubereinan- derliegenden Zahlen – das Resultat ist das Element Caj der Matrix C.
7.4 Determinante
Die Determinante ist eine Abbildung (ja, ja – schon wieder), die jeder linearen Abbil- dungA:V →V eine Zahl det(A) zuweist, wobei . . . wie bitte? Die genaue Definition
94 Lineare Abbildungen verschieben wir auf sp¨ater, hier nur das Rezept, die Determinante einer gegebenen n × n-Matrix (= n ×n-quadratisches Zahlenschema) auszurechnen (Entwicklung nach der ersten Spalte):
det
A11 · · · A1n
... ...
An1 · · · Ann
( )* +
:=A
=A11|A11| −A21|A21|+A31|A31| −. . .+ (−1)n+1An1|An1|
(7.7) worin ,,Aij,,= det(Aij) mitAij diejenige Matrix, die aus A nach Streichen der i-ten Zeile und der j-ten Spalte ¨ubrigbleibt.
F¨ur eine 2×2-Matrix ergibt sich beispielsweise
det
- a b c d
.
=ad−bc , (7.8)
und f¨ur die 3×3-Matrix
det
a1 b1 c1 a2 b2 c2 a3 b3 c3
=. . . (7.9)
Das Rezept zur Berechnung des Spatprodukts lautet nun: trage die R3-Darstellung der drei Vektoren!a,!b und!cals Zahlenspalten in einer 3×3-Matrix ein. Die Deter- minante dieser Matrix ist dann das Spatprodukt !a·(!b×!c).
7.5 Drehungen und Spiegelungen im R
2Wir betrachten den Euklidischen Vektorraum R2, und suchen lineare Abbildungen R, die das Skalarprodukt respektieren, also (Ru)·(Rv) =u·v.
Eine lineare Abbildung, die das Skalarpodukt respektiert, respektiert immer auch die Norm*R!a*2 =*!a*2, d.h. Einheitsvektoren werden unterR auf Einheitsvektoren abgebildet. Das gilt insbesondere f¨ur die kanonischen Einheitsvektoren desR2 deren Bild bekanntlich die Spalten vonR. Mit Blick auf die nebenstehende Abbildung ist Re1 =
- cosϕ sinϕ
.
. F¨ur das Bild vone2 – es muss senkrecht aufRe1 stehen – bleiben zwei M¨oglichkeiten: Re2 =
- −sinϕ cosϕ
.
oder Re2 =
- sinϕ
−cosϕ .
.
Zusammengefasst: Eine 2×2-Matrix R, die das Skalarprodukt respektiert, (R!a)· (R!b) =!a·!b, ist von notwendig von der Form
R =
- cosϕ −sinϕ sinϕ cosϕ
.
oder R =
- cosϕ −sinϕ sinϕ cosϕ
.
(7.10)
Matrizen der Form () bleiben beim Multiplizieren “unter sich”
7.6 Aufgaben
% Aufgabe 7-1* (3 Punkte)
96 Lineare Abbildungen Berechnen Sie
- 1 2 3 4
. - 5 7
.
1 2 3
0 1 0
−2 1 4
5
−7 13
(7.11)
% Aufgabe 7-2* (4 Punkte)
Gegeben zwei Matrizen A=
1 2 3
0 1 0
−2 1 4
B =
3 −2 1 1 2 −3
2 3 1
(7.12)
Berechnen Sie die beiden Matrixprodukte A B und B A und bestimmen Sie den Kommutator [A, B] =A B−B A.
% Aufgabe 7-3* (6 Punkte)
Man bestimme die Determinante und die Inverse der folgenden Matrizen - 1 2
3 4 .
,
1 2 3
0 1 0
−2 1 4
(7.13)
% Aufgabe 7-4 (7 Punkte)
Ein K¨orper kreiselt um ein gewisse Achse !n mit Kreisfrequenz ω. Man ¨uberzeuge sich, dass ein K¨orperkr¨umel, der sich zur Zeit tam Ort!r(t) befindet, eine Geschwin- digkeit!v(t) = !ω×!r(t) aufweist, wo !ω=ω!n.
F¨ur gegebenes !ω h¨angt !v linear von !r ab. Wie lautet die Matrixdarstellung der Gleichung !v =!ω×!r?