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Die Zeichen der Zeit erkennen – Investitionsschutz im 21. Jahrhundert

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Die Zeichen der Zeit erkennen –

Investitionsschutz im 21. Jahrhundert

Von Axel Berger, Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE)

vom 22.10.2012

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Die Zeichen der Zeit erkennen – Investitionsschutz im 21. Jahrhundert

Bonn, 22.10.2012. Am 19. September 2012 hat das staatlich kontrollierte chinesische Versiche- rungsunternehmen Ping An Klage gegen Belgien vor einem internationalen Schiedsgericht einge- reicht. Anlass ist die Verstaatlichung des Finanz- konzerns Fortis im Jahr 2008 durch Belgien, Lu- xemburg und die Niederlande im Zuge der globa- len Finanzkrise. Ping An, Chinas zweitgrößte Versi- cherungsgesellschaft, hatte 2007 rund 1,8 Mrd. € in Fortis investiert und in Folge der Zerschlagung des insolventen Instituts einen Großteil dieser Investition verloren. Nun klagt Ping An auf Basis des 2005 abgeschlossenen belgisch-chinesischen Investitionsabkommens vor dem zur Weltbank- Gruppe gehörenden Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (Interna- tional Centre for Settlement of Investment Disputes – ICSID).

In den internationalen Medien wurde vor allem darauf hingewiesen, dass dies die erste Klage eines chinesischen Unternehmens vor einem internati- onalen Schiedsgericht ist. Angesichts steigender chinesischer Investitionen in Entwicklungs- und Industrieländern war es allerdings nur eine Frage der Zeit, bis ein chinesisches Unternehmen das westlich geprägte, überstaatliche Rechtssystem nutzt, um seine Investitionen zu schützen.

Die Klage von Ping An ist somit vor allem eines – Vorbote eines sich rapide verändernden internati- onalen Investitionssystems. Industrieländer soll- ten ihre internationalen Investitionspolitiken schnellstmöglich dieser neuen Realität anpassen.

Traditionell haben Industrieländer Investitionsab- kommen abgeschlossen, um Investitionen in politisch instabilen Entwicklungsländern abzusi- chern. Entwicklungs- und Schwellenländer hinge- gen unterzeichneten Investitionsabkommen mit Industrieländern bisher vor allem mit dem Ziel, Investitionen anzulocken. Entsprechend einseitig waren diese Abkommen auf den Schutz von (westlichen) Investoren ausgerichtet. Diese Ab- kommen boten Gaststaaten bisher nur wenig Politikspielraum, um den Beitrag von Auslandsin- vestitionen zu breitenwirksamen und nachhalti- gen Wachstumsprozessen zu verbessern, oder um starke Schwankungen von Kapitalzu- und –ab- flüssen zu verhindern. Bisher wurden vor allem

Entwicklungsländer auf Grundlage von Investiti- onsabkommen verklagt. Wie das Vorgehen von Ping An gegen Belgien nun zeigt – ein anderes Beispiel ist die jüngste ICSID-Klage des schwedi- schen Energiekonzerns Vattenfall gegen den deut- schen Kernenergieausstieg – müssen sich ab so- fort Industrieländer darauf einstellen, dass inter- nationale Investitionsregeln in zunehmendem Maße gegen sie selbst angewandt werden.

Problematisch ist hierbei nicht das Instrument des Investor-Staat-Schiedsverfahrens oder die Tatsa- che, dass staatlich kontrollierte Unternehmen aus Entwicklungs- und Schwellenländern diese In- strumente nutzen, um ihre Interessen durchzuset- zen. Zwar mag das Instrument des Investor-Staat- Schiedsverfahrens durchaus einiger Reformen bedürfen, um es transparenter, vorhersehbarer und weniger kostspielig zu gestalten. Entschei- dend ist aber, dass es zum Aufbau einer überstaat- lichen Rechtsstaatlichkeit beiträgt, von der alle Akteure profitieren.

Nun, da Unternehmen aus Entwicklungs- und Schwellenländer, ob privat oder staatlich kontrol- liert, vermehrt als Investoren auftreten, ist es nur recht und billig, dass auch sie sich auf den rezipro- ken Investitionsschutz berufen können.

Wirklicher Reformbedarf besteht allerdings hin- sichtlich der in Investitionsabkommen veranker- ten Schutzstandards. Hierbei geht es nicht darum, bewährte Standards wie das Gebot der Nichtdisk- riminierung, Schutz vor unrechtmäßiger Enteig- nung, Meistbegünstigung oder Inländerbehand- lung über Bord zu werfen. Diese Standards sind je- doch meist vage formuliert, was einer weiten Auslegung durch Schiedsgerichte im Interesse der Investoren Vorschub leistet. Ein Beispiel hierfür liefern die Enteignungsregeln in Investitionsab- kommen, die eine Sozialbindung des Eigentums, wie sie selbstverständlich im deutschen Grundge- setz verankert ist, nicht kennen. Die Länder des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens ha- ben in Folge einer Vielzahl von Klagen durch Aus- landsinvestoren längst begonnen, Enteignungsre- geln detaillierter zu beschreiben, um zu verhin- dern, dass auch Politikmaßnahmen im öffentli- chen Interesse als schleichende Enteignung inter- pretiert werden.

© Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE), Die aktuelle Kolumne, 22.10.2012 www.die-gdi.de | www.facebook.com/DIE.Bonn | https://plus.google.com/

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Ein weiteres Beispiel liefern Kapitaltransferklauseln in Investitionsabkommen, die den ungehinderten Transfer von Gewinnen und Vermögenswerten aus dem Gastland garantieren. Auch im Falle von akuten Finanzkrisen schränken diese Investitions- abkommen die Anwendung von kurzfristigen Kapitaltransferkontrollen ein. Interessanterweise sind solche Kontrollen im Regelwerk der Welthan- delsorganisation und des Internationalen Wäh- rungsfonds erlaubt. Dieses Beispiel zeigt, dass sich das internationale Investitionsrecht bisher weit- gehend isoliert von anderen Rechtsbereichen entwickeln konnte und dem Anspruch der Politik- kohärenz nur ungenügend Rechnung getragen wurde.

In vielen Entwicklungsländern Lateinamerikas und Afrikas regt sich bereits Widerstand gegen die als einseitig empfundenen Investitionsabkommen.

Mehren sich Klagen von internationalen Investo- ren, insbesondere aus Entwicklungs- und Schwel- lenländern, so ist auch in Europa eine Politisierung der öffentlichen Debatte über ausländische Direkt- investitionen zu erwarten, wie sie seit einigen Jahren schon in den USA zu beobachten ist. Die Legitimität des globalen Investitionsregimes steht auf dem Spiel.

Gerade für Europa und Deutschland, die stark von Direktinvestitionen profitieren, sollten Reformen von internationalen Investitionsregeln im wohl- verstandenen Eigeninteresse sein.

Für die Europäische Union (EU) bietet sich aktuell die Gelegenheit, eine bessere Balance zwischen den privaten Interessen von Investoren und den öffentlichen Interessen in Investitionsabkommen durchzusetzen. Mit dem Lissabon-Vertrag wurde die Kompetenz für die Verhandlung von Investiti- onsabkommen auf die EU-Ebene übertragen.

Investitionsregeln werden nunmehr im Rahmen von umfassenderen Handelsabkommen verhan- delt. Hierdurch kann deren Politikkohärenz deut- lich erhöht werden. Jetzt müssen traditionelle Kapitalexporteure wie Deutschland im Europäi- schen Rat den Ausgleich mit osteuropäischen Kapitalimporteuren suchen. Und nicht zuletzt liegt auch in der stärkeren Rolle des Europäischen Par- laments im Gesetzgebungsprozess die Chance, zu einer ausgewogeneren Politik beizutragen, welche sowohl die Interessen der Investoren als auch der Gastländer beachtet.

Gelingt es der EU, die notwendigen Reformen um- zusetzen und in den neuen Investitionsabkom- men mehr Spielraum für Politikmaßnahmen der Gastländer im öffentlichen Interesse zu schaffen, müssen wir wachsende Direktinvestitionen aus Entwicklungs- und Schwellenländern und die damit einhergehenden Streitfälle nicht fürchten.

Und auch Entwicklungsländer werden über die Reziprozität von Investitionsabkommen von die- sen Reformen profitieren.

Axel Berger Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE)

© Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE), Die aktuelle Kolumne, 22.10.2012 www.die-gdi.de | www.facebook.com/DIE.Bonn | https://plus.google.com/

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