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Im Zeichen des „Tankdrachen“. Die Kriegführung an der Westfront 1916-1918 im Spannungsverhältnis zwischen Einsatz eines neuartigen Kriegsmittels der Alliierten und deutschen Bemühungen um seine Bekämpfung

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Academic year: 2022

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Dissertationsschrift:

Im Zeichen des „Tankdrachen“.

Die Kriegführung an der Westfront 1916-1918 im Spannungsverhältnis zwischen Einsatz eines neuartigen Kriegsmittels der Alliierten und deutschen Bemühungen um

seine Bekämpfung

zur Erlangung des akademischen Grades doctor philosophiae (Dr. phil.) vorgelegt von

Alexander Fasse Einschreibenummer: 505040

an der Philosophischen Fakultät I der Humboldt-Universität zu Berlin.

Erstgutachter: Prof. Dr. Rolf-Dieter Müller Zweitgutachter: Prof. Dr. Gerd Dietrich

Einreichung: 7. März 2007 Disputatio: 21. Juni 2007

(2)

Abstract (deutsch):

Gegenstand der vorliegenden Dissertationsschrift ist das zumeist als Revolution of Military Affairs wahrgenommene Auftreten der ersten Panzer. Diese „Tanks“ der Jahre 1916-1918 mit den ihnen innewohnenden Möglichkeiten, das blutige Patt des Stellungskrieges an der Westfront aufzuheben, beeinflußten der Legende nach das Kriegsende 1918 erheblich.

Die Alliierten erkannten das Potential der neuen Waffe, ließen sich von frühen Rückschlägen nicht entmutigen und besaßen gegen Ende des Krieges eine gepanzerte Speerspitze ihrer nun modern auf Feuer und Bewegung ausgelegten Offensiven, denen man deutscherseits angeblich nichts entgegenzusetzen hatte. Die deutsche Führung, anscheinend geprägt durch technikfeindliche und geradezu blauäugig agierende Köpfe, verpaßte bis zuletzt ignorant jede Chance, ihrerseits auf diese die Landkriegführung bis heute prägende Waffe zu setzen und selbst Tanks in Massen zu produzieren.

Im Sommer 1918 kollabierten die deutschen Linien, als britische, französische und amerikanische Tankgeschwader unaufhaltsam auf sie und ihre technisch und taktisch plötzlich hoffnungslos unterlegenen Verteidiger einstürmten.

Inwieweit diese plausibel erscheinende Darstellung den Realitäten in höchsten Führungskreisen beider Seiten und auf den Gefechtsfeldern entsprach, ist eine grundsätzliche Frage innerhalb der vorliegenden Dissertation. Anhand der operationsgeschichtlichen Untersuchung der namhaftesten Tankeinsätze zwischen dem ersten Auftreten der neuen Waffe im September 1916 und ihrem Siegeslauf im Sommer 1918 wird geklärt, welcher Anteil am alliierten Sieg den frühen Panzern zuzubilligen ist und inwiefern sich die deutsche Führung tatsächlich eines letztlich katastrophalen „Versagens“ schuldig machte.

Militärgeschichte Erster Weltkrieg Westfront Tank

(3)

Abstract (English):

The central theme of this thesis is the appearance on the battlefield of the first armoured vehicles, an event generally held to have been a revolution in military affairs. The exploits of these so-called ‘tanks’ of 1916 -1918, which had the inherent capability of breaking the bloody deadlock of trench warfare, contributed greatly during the interwar period to the promotion of a myth, which went roughly as follows:

The Allies had recognised the potential of this new weapon; did not allow themselves to be deflected by early setbacks and so, towards the end of the war, their modern offensives, founded on the joint principles of fire and manoeuvre, possessed an armoured spearhead, against which the Germans had no answer. The German High Command, seemingly technophobic and blundering, ignored right to the bitter end, the chance to throw their weight behind the development and mass production of weapons, which to this day play a key role in land warfare. In the summer of 1918 the German lines simply folded in the face of British, French and American tank squadrons which rolled forward unstoppably to assault a defence which was suddenly and hopelessly tactically and technically inferior.

The fundamental question of this thesis is to what extent this apparently plausible representation of the facts actually corresponds to the reality, both in the High Commands of both sides and on the battlefield. On the basis of historical-operational analysis of the most notable tank actions between the first appearance of the new weapon in September 1916 and its advance to victory during the summer of 1918, the thesis explores how much credit for the Allied victory is due to these early armoured vehicles and to what extent the German High Command itself was actually responsible for this final, catastrophic failure.

Military History World War One Western Front Tank

(4)

ABSTRACT (DEUTSCH): ... 2

ABSTRACT (ENGLISH): ... 3

1. EINLEITUNG... 9

1.1. VORBEMERKUNGEN... 9

1.2. DER BETRACHTUNGSGEGENSTAND... 14

1.2.1. Wie „General Tank“ den Ersten Weltkrieg gewann. ... 20

1.2.2. Wieso „General Tank“ den Ersten Weltkrieg nicht gewann. ... 26

1.3. ANMERKUNGEN ZUR HERANGEHENS- UND ARBEITSWEISE... 38

2. „DIE ZUKUNFT IST DUNKLER ALS JE.“ DIE WESTFRONT 1914-1916 UND DIE GEBURTSSTUNDE DES TANK... 50

2.1. DER KRIEGSVERLAUF AN DER WESTFRONT BIS AUGUST 1916. ... 50

2.2. TECHNIK UND INDUSTRIE ALS URHEBER UND GRUNDLAGE DES STELLUNGSKRIEGES. ... 57

2.3. ORGANISATORISCHE VERÄNDERUNGEN DER DEUTSCHEN HEERESSTRUKTUR. ... 70

2.4. DIE ENTWICKLUNG DES TANK. ... 76

3. „TANKDRACHEN”. DIE ERSTEN TANKS IN DER SOMMESCHLACHT, SEPTEMBER-NOVEMBER 1916... 87

3.1. DER PLAN, DIE ANGREIFER UND DIE TANKUNTERSTÜTZUNG. ... 92

3.2. DIE VERTEIDIGER. ... 93

3.3. FLERS-COURCELETTE, 15.SEPTEMBER 1916... 95

3.4. WEITERE TANKEINSÄTZE BIS ZUM ENDE DER SCHLACHT. ... 104

3.5. DIE TANKS IN DER SOMMESCHLACHT: BEWERTUNGEN UND REAKTIONEN. ... 108

3.5.1. Britische Perspektiven und Reaktionen. ... 110

3.5.2. Deutsche Perspektiven und Reaktionen... 120

4. „EIN LOHNENDES ZIEL“. DIE GEBURTSSTUNDE DER DEUTSCHEN TANKABWEHR, 1916/17... 128

4.1. TANKABWEHRMITTEL UND DIE HYPOTHESE IHRER BEWÄHRUNG IN DER SOMMESCHLACHT... 130

4.2. DIE KONZEPTION DER TANKABWEHR. ... 137

(5)

4.3. EIN EXKURS ZUM DEUTSCHEN TANKBAU. ...146

5. „THEY HAD NOT HAD A GOOD DAY”. TANKS UND TANKABWEHR IN DER OSTERSCHLACHT BEI ARRAS, APRIL 1917...153

5.1. DER PLAN, DIE ANGREIFER UND DIE TANKUNTERSTÜTZUNG. ...161

5.2. DIE VERTEIDIGER...165

5.3. DIE KÄMPFE AM 9. UND 10.APRIL 1917. ...168

5.4. BULLECOURT UND DIE KÄMPFE AM 11.APRIL 1917. ...172

5.5. WEITERE TANKEINSÄTZE BIS ZUM ENDE DER SCHLACHT...177

5.6. TANKS UND TANKABWEHR IN DER SCHLACHT VON ARRAS: BEWERTUNGEN UND REAKTIONEN...178

5.6.1. Britische Perspektiven und Reaktionen...181

5.6.2. Deutsche Perspektiven und Reaktionen. ...187

6. „FROIDE RÉSOLUTION". TANKS UND TANKABWEHR IN DER DOPPELSCHLACHT AN DER AISNE UND IN DER CHAMPAGNE, APRIL 1917...199

6.1. DER PLAN, DIE ANGREIFER UND DIE TANKUNTERSTÜTZUNG. ...201

6.2. DIE VERTEIDIGER...209

6.3. DIE KÄMPFE AM 16.APRIL 1917...217

6.4. WEITERE TANKEINSÄTZE BIS ZUM ENDE DER SCHLACHT...227

6.5. TANKS UND TANKABWEHR IN DER DOPPELSCHLACHT AN DER AISNE UND IN DER CHAMPAGNE: BEWERTUNGEN UND REAKTIONEN. ....229

6.5.1. Französische Perspektiven und Reaktionen...236

6.5.2. Deutsche Perspektiven und Reaktionen. ...246

7. „IN LANGER REIHE TANK AN TANK“. DIE DEUTSCHE TANKABWEHR AM SCHEIDEWEG, APRIL-MAI 1917...256

7.1. DAS ENDE DER ERSTEN „PANZERABWEHRTRUPPE“...262

7.2. „MÄNNER GEGEN MASCHINEN.“ ...268

8. „TANKS ARE NO GOOD ON A BATTLEFIELD”. TANKS UND TANKABWEHR IM SOMMER UND HERBST 1917...283

8.1. TANK CORPS UND ARTILLERIE D’ASSAUT...291

8.2. TANKABWEHR. ...302

(6)

9. „FROM MUD, THROUGH BLOOD, TO THE GREEN FIELDS BEYOND“. TANKS UND TANKABWEHR IN DER SCHLACHT BEI CAMBRAI, NOVEMBER-DEZEMBER 1917. ... 312 9.1. DER PLAN, DER ANGREIFER UND DIE TANKUNTERSTÜTZUNG. .... 318 9.2. DIE VERTEIDIGER. ... 331 9.3. DIE KÄMPFE AM 20.NOVEMBER 1917. ... 356 9.4. DIE FORTSETZUNG DER KÄMPFE VOM 21.-29.NOVEMBER 1917.. 375 9.5. DER DEUTSCHE GEGENANGRIFF UND DAS AUSKLINGEN DER

SCHLACHT. ... 384 9.6. TANKS UND TANKABWEHR IN DEN KÄMPFEN BEI CAMBRAI:

BEWERTUNGEN UND REAKTIONEN. ... 398 9.6.1. Britische Perspektiven und Reaktionen. ... 417 9.6.2. Deutsche Perspektiven und Reaktionen... 435

10. „GESCHWÄTZ, GESCHWÄTZ UND NOCHMALS

GESCHWÄTZ“. TANKS UND TANKABWEHR VON DER DEUTSCHEN FRÜHJAHRSOFFENSIVE BIS ZUR

ABWEHRSCHLACHT ZWISCHEN SOISSONS UND REIMS, MÄRZ-JULI 1918... 467 10.1. GRUNDLAGEN UND SYMPTOME DES MILITÄRISCHEN

ZUSAMMENBRUCHS. ... 473 10.2. ERFOLGE DER ALLIIERTEN MIT TANKS BEI GEGENANGRIFFEN. ... 486 11. „DIE NIEDERLAGE DES DEUTSCHEN HEERES“. TANKS

UND TANKABWEHR IN DER ABWEHRSCHLACHT

ZWISCHEN SOISSONS UND REIMS, JULI-AUGUST 1918. . 494 11.1. DER PLAN, DIE ANGREIFER UND DIE TANKUNTERSTÜTZUNG. ... 501 11.2. DIE VERTEIDIGER. ... 505 11.3. DIE KÄMPFE AM 18.JULI 1918. ... 521 11.4. DIE WEITEREN KÄMPFE BIS ZUM ABSCHLUß DER SCHLACHT,

ANFANG AUGUST 1918... 531 11.5. TANKS UND TANKABWEHR IN DER ABWEHRSCHLACHT ZWISCHEN

SOISSONS UND REIMS: BEWERTUNGEN UND REAKTIONEN. ... 534 11.5.1. Alliierte Perspektiven und Reaktionen... 540 11.5.2. Deutsche Perspektiven und Reaktionen... 545

(7)

12. „DIE NIEDERLAGE DES GANZEN VOLKES“. TANKS UND TANKABWEHR IN DER ABWEHRSCHLACHT ZWISCHEN

SOMME UND AVRE, AUGUST 1918...560

12.1. DER PLAN, DIE ANGREIFER UND DIE TANKUNTERSTÜTZUNG. ...563

12.2. DIE VERTEIDIGER...569

12.3. DIE KÄMPFE AM 8.AUGUST 1918...579

12.4. DIE FORTSETZUNG DER KÄMPFE IM AUGUST 1918. ...593

12.5. TANKS UND TANKABWEHR IN DER ABWEHRSCHLACHT ZWISCHEN SOMME UND AVRE: BEWERTUNGEN UND REAKTIONEN. ...596

12.5.1. Britische Perspektiven und Reaktionen...606

12.5.2. Deutsche Perspektiven und Reaktionen. ...614

13. „UND DIE TANKS NÄCHSTES FRÜHJAHR?“ TANKS UND TANKABWEHR IN DEN LETZTEN WOCHEN DES KRIEGES. ...632

13.1. DAS KRIEGSENDE IM ZEICHEN DER „TANKDRACHEN“. ...633

13.2. KONZEPTION UND ORGANISATION DER DEUTSCHEN TANKABWEHR BEI KRIEGSENDE...646

13.2.1. Die passive Tankabwehr. ...649

13.2.2. Die aktive Tankabwehr...654

13.2.2.1. Die schwere Artillerie. ...656

13.2.2.2. Die Feldartillerie, Minenwerfer, Sonder- und Kleingeschütze. ...658

13.2.2.3. Nahkampfwaffen. ...662

13.2.2.4. Flieger und Kraftwagen-Geschütze...671

14. SCHLUßBETRACHTUNGEN. ...675

14.1. DIE EVOLUTION DER BRITISCHEN UND FRANZÖSISCHEN TANKTRUPPEN UND ANGRIFFSWEISE...678

14.2. DIE VERÄNDERUNG DES KRÄFTEVERHÄLTNISSES ZWISCHEN ALLIIERTEN ANGREIFERN UND DEUTSCHEN VERTEIDIGERN. ...687

14.3. „VERHALTEN DER FÜHRUNG“. ...697

14.4. FAZIT...708

15. VERZEICHNISSE. ...710

15.1. VERZEICHNIS ARCHIVALISCHER QUELLEN. ...710

(8)

15.2. VERZEICHNIS UNGEDRUCKTER UND NICHT-ARCHIVALISCHER

QUELLEN. ... 712 15.3. VERZEICHNIS GENUTZTER LITERATUR UND GEDRUCKTER QUELLEN.

... 712 15.4. VERZEICHNIS DER IN DEN ANMERKUNGEN ANGEFÜHRTEN

INTERNETADRESSEN. ... 755 15.5. ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS. ... 758

(9)

1. Einleitung.

1.1. Vorbemerkungen.

Das Thema der vorliegenden Arbeit vereinigt in sich eine Vielzahl von Aspekten, die mit dem „Tank“ oder frühen „Panzer“1 sowie dessen Entstehungs- und Einsatzgeschichte im Komplex einer militärtechnischen Revolution2 verbunden sind. Diese wurden in den vergangenen rund 90 Jahren in kriegs-, operations- und technik- sowie in jüngerer Zeit auch in kultur- und mentalitätsgeschichtlichen Betrachtungen3 von vielen verschiedenen Seiten behandelt. Der Verfasser einer heutigen Untersuchung muß demnach gute Gründe haben und zwar sowohl in Hinsicht auf neue Erkenntnisse, als auch bezüglich einer geschichtswissenschaftlichen Legitimation und Relevanz einer neuerlichen Abhandlung, um sich heute diesem Themenfeld zu widmen.

In Hinblick auf die vorliegende Untersuchung von neuen Erkenntnissen zu sprechen, scheint angesichts der bisherigen Bearbeitungsdichte des Themenkomplexes auf den ersten Blick recht verfänglich. Sicherlich läßt

1 Die Unterscheidung zwischen „Tank“ (oder „Kampfwagen“ u.ä. überkommenen Begrifflichkeiten) und „Panzer“ ist dadurch zu kennzeichnen, daß ersterer die während des Weltkrieges ausgeprägte Vorstufe, den bzw. die Archetypen, darstellt und der Terminus

„Panzer“ die in den 20er und 30er begonnenen und bis heute andauernden, technischen und einsatztechnischen Evolutionsstufen aller Art subsumiert. Die Trennung beider Begrifflichkeiten macht aus militärischer und militärtechnologischer Perspektive Sinn, da sie die unter Bedingungen eines Krieges geborene Innovation von den Möglichkeiten und Grundlagen ihrer Modifikation und Transformation in anschließenden Friedenszeiten mit ungebremst weiterlaufenden, zivilen Entwicklungen abgrenzt; siehe dazu Stahlschmidt, Rainer: Quellen und Fragestellungen einer deutschen Technikgeschichte des frühen 20.Jahrhunderts bis 1945 (Studien zu Naturwissenschaft, Technik und Wirtschaft im neunzehnten Jahrhundert, Bd. 8), Göttingen 1977, S. 118ff.

2 Zum Begriff, seiner Bedeutung als Ausgangspunkt für die militärwissenschaftliche Auseinandersetzung mit Kriegführung im Spannungsfeld technischer Innovationen sowie speziell zum Gegenstand einer Military Revolution des Ersten Weltkrieges siehe Gray, Colin S.: Strategy For Chaos. Revolutions in Military Affairs and The Evidence of History, London/Portland 2003, S. 8ff. bzw. S. 170ff.

3 Um zwei Betrachtungen anzuführen, die diesen auf den ersten Blick nicht genuin militärischen Teilbereich mit hoch interessanten Ansätzen erschlossen, seien genannt: Tate, Trudi: The Culture of the Tank, 1916-1918. In Modernism/Modernity 4.1. (1997), S. 69-87, und Wright, Patrick: Tank. The Progress of a Montrous War Machine, London 2000.

(10)

sich immer ein Aktenbestand benennen, der nach Ansicht eines Bearbeiters noch nicht ausreichend berücksichtigt wurde. Und es gibt immer wieder auch mehr oder weniger isolierte Einzelaspekte, die, je nach Verlagerung des Betrachtungsschwerpunktes eines Autors im Gegensatz zu vorherigen Arbeiten, zu wenig Berücksichtigung gefunden zu haben scheinen4. Das Ziel der vorliegenden Dissertation ist es aber nicht, dergestalt ausgemachte

„Detaillücken“ zu schließen oder, im Gegensatz dazu, das Bild von der Frühphase der Entwicklungsgeschichte des Panzers (!) zwangsweise grundlegend revidieren zu wollen. Der Panzer wird im Ergebnis weiterhin ein Kriegsmittel bleiben, das die Landkriegführung des 20.Jahrhunderts geprägt hat, und auch weiterhin eine Waffe sein, die, in ihrer Ur- und Frühform als „Tank“ des Weltkrieges, ihren –allerdings noch genauer zu bestimmenden- Einfluß auf den Ausgang des globalen Ringens zwischen 1916 und 1918 hatte. Es geht vielmehr darum, skeptisch und durchaus befreit von einer in weiten Teilen der vergangenen 90 Jahre gepflegten, meist national veranlagten und auf wehrwissenschaftlichen Gewinn zielenden, „applikativen“ Kriegsgeschichtsschreibung sowie unbelastet von individuell-intuitiven oder politischen Vorbehalten5 an ein Thema

4 Als Beispiel einer historiographisch bewährten Legitimation für eine nochmalige Beschäftigung mit einem vielfach und vermeintlich bereits abschließend bearbeiteten Thema findet sich die Anführung „neuen Materials das manches Werthvolle enthält“ etwa in einer Abhandlung über den Siebenjährigen Krieg von 1868 (Erstauflage); siehe Paulig, F.R.: Geschichte des siebenjährigen Krieges. Ein Beitrag zur deutschen Geschichte der Jahre 1740-1763, Frankfurt a. O. 101879, S. IV.

5 Siehe Nowosadtko, Jutta: Krieg, Gewalt und Ordnung. Einführung in die Militärgeschichte (Historische Einführungen, Bd. 6), Tübingen 2002. Die Autorin geht an mehreren Stellen, so bereits im Vorwort und ersten Kapitel (siehe S. 7 und 9), auf eine

„Hypothek“ der Militärgeschichte und die gegen sie, ihren Wert und ihre Bearbeiter nicht selten vorgebrachten Vorbehalte aller Art ein. Zudem ist in Hinsicht auf die frühere Auseinandersetzung mit Militär- beziehungsweise Kriegsgeschichte festzuhalten, daß sie - zumindest in Deutschland- massiv (militär-) politischen Prärogativen unterworfen war; zur Entwicklung der Kriegsgeschichtsschreibung siehe ebenda, S. 35ff., Deist, Wilhelm:

Bemerkungen zur Entwicklung der Militärgeschichte in Deutschland, in Kühne, Thomas/Ziemann, Benjamin (Hg.): Was ist Militärgeschichte? (Krieg in der Geschichte, Bd. 6.) München u.a. 2006, S. 315-322, und, hinsichtlich der Operationsgeschichte als Teilbereich sehr aufschlußreich, Showalter, Dennis E.: Militärgeschichte als

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heranzugehen, das, in Anbetracht der heute greifbaren und weit verbreiteten Vorstellungen, dem „Bauchgefühl“ eines Historikers schon nach recht oberflächlicher Einarbeitung „Kopfzerbrechen“ bereiten muß.

So stellt sich ein ganz erheblicher Teil des Themenfeldes „Tank“, nämlich etwas, das als deutsche Perspektive zu kennzeichnen ist und sich in der Berücksichtigung von Ansätzen zur Bekämpfung alliierter Kampfwagen während des Krieges deutlich wiederfinden lassen müßte, heute als so begrenzt gewürdigt dar6 wie die mit der Einführung einer in der Kriegsgeschichte völlig neuen Waffe auf beiden Seiten der Front verbundene Komplexität7 der Materie an sich. In der historiographischen Aufarbeitung, welche die Angriffswaffe Tank und ihre Nutzer in gleicher Weise wie die zu ihrer Abwehr vorhandenen Mittel und Kräfte berücksichtigt haben müßte, sollte angesichts der vergangenen Jahrzehnte und der Bedeutung der Waffe tatsächlich etwas anderes zu erwarten sein.

Doch, wie weiter unten anhand der Darstellung eines sozusagen

„populären“ und heute allenthalben auffindbaren Bildes vom Tank und

Operationsgeschichte: Deutsche und amerikanische Paradigmen, in Kühne/Ziemann (Hg.):

Militärgeschichte, S. 115-126. (Hinweis: Einmal genannte Titel werden ferner mit

„ebenda“ im Kontext der Anmerkungen oder mit Kurztiteln bezeichnet.)

6 Zu überprüfen ist dies etwa anhand der Literatur- und Quellenverweise einschlägiger und bezeichnenderweise meist englischsprachiger Titel. So findet sich etwa in dem informativen Buch über die Tankschlacht von Cambrai 1917 von Smithers eine kommentierte Aufstellung der genutzten englischsprachigen Titel, aber kein Hinweis auf deutsche Literatur. Der Verweis darauf, daß die britische amtliche Geschichtsschreibung sich dieser bereits angenommen habe, scheint letztlich, im Rahmen der Beschreibung einer Schlacht, die schließlich von zwei Gegnern, nicht zuletzt dem britischen Tank und der deutschen Feldartillerie als Tankabwehrwaffe, ausgefochten wurde, recht dürftig. Zum Titel ist ferner anzumerken, daß er trotz dieses Mangels als einziger Literaturverweis zum Stichwort “Cambrai” in der Enzyklopädie Erster Weltkrieg angeführt wird; siehe dazu Smithers, A.J.: Cambrai. The First Great Tank Battle 1917, London 1992, S. 184, bzw.

Werth, German: Cambrai, in Hirschfeld, Gerhard/Krumeich, Gerd/Renz, Irina (Hg.):

Enzyklopädie Erster Weltkrieg, Paderborn u.a. 22004, S. 404.

7 Zum Begriff siehe Herbst, Ludolf: Komplexität und Chaos. Grundzüge einer Theorie der Geschichte, München 2004, S. 28f.

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seiner Bedeutung dargelegt werden kann8, entspricht diese Annahme kaum den Realitäten.

Eine der Ausnahmen hiervon, die wegen ihrer Patenfunktion für die vorliegende Arbeit an dieser Stelle ausdrücklich genannt sein soll, liegt mit Pidgeons Untersuchung des ersten Tankeinsatzes aus dem Jahr 1995 vor9. Erstaunlich ist an dieser Ausarbeitung, die augenscheinlich vom Wunsch geleitet war, endlich auch die durch deutschsprachige Archvialien und Literatur zu eruierende Feindperspektive zu berücksichtigen, eine Ergiebigkeit, die derart angelegte Neubetrachtungen absolut rechtfertigt.

Das auf dieser Basis den Ansatz des Verfassers am zutreffendsten charakterisierende Stichwort scheint das der „Revision“ zu sein. Impliziert ist darin ein im Zweifelsfall zumindest „respektlos“ erscheinender Umgang mit vermeintlich unbeweglich zementiert feststehenden Erkenntnissen über die Vergangenheit und der Anspruch, durch den gewählten Zugang ergänzen, neu deuten und wenigstens bis zu einem gewissen Grad auch neu bewerten zu können, was als ein in seiner Komplexität zwangsweise reduziertes Produkt der „Geschichte der Elterngeneration“10 kolportiert worden ist.

8 Siehe Abschn. 1.2.1. (Querverweise auf die vorliegende Arbeit werden fernerhin mit

„Abschn.“ oder „Kap.“ gekennzeichnet.)

9 Siehe Pidgeon, Trevor: The Tanks At Flers. An Account Of The First Use Of Tanks In War At The Battle Of Flers-Courcelette. The Somme 15th September 1916, 2 Bde, Cobham 1995. Zu nennen wären einige Arbeiten mit ähnlich operationsgeschichtlichem und auf einzelne Schlachten fokussiertem Blickwinkel, wie etwa Showalter, Dennis E.:

Tannenberg. Clash of Empires, Hamden 1991, oder Guénaff, Didier/Jurkiewicz, Bruno: Les Chars De La Victoire, Louviers 2004, sowie einige der als Reiseführer angelegten und sich neuerdings intensiv mit der deutschen Perspektive befassenden Bände der Battleground Europe Serie von Pen & Sword; siehe bspw. Sheldon, Jack: The Germans At Thiepval (Battleground Europe), Barnsley 2006. Daß gerade in Hinsicht auf die deutschen Perspektiven Handlungsbedarf erkannt wurde, legen außerdem Arbeiten nahe, die in direktem Zusammenhang mit dem 90.Jahrestag des Beginns der Sommeschlacht von 1916 entstanden sind; so Sheldon, Jack: The German Army on the Somme 1914-1916, Barnsley 2005, Hirschfeld, Gerhard/Krumeich, Gerd/Renz, Irina (Hg.): Die Deutschen an der Somme. Krieg, Besatzung, Verbrannte Erde, Essen 2006, und Duffy, Christopher: Through German Eyes: The British & the Somme 1916, London 2006.

10 Siehe Herbst, S. 27.

(13)

Der zweite Anspruch, die geschichtswissenschaftliche Legitimation und Relevanz der vorliegenden Arbeit, ist mit dem unterstellten Ausfall eines ganzen Betrachtungszweiges in Form der deutschen Perspektive eng verbunden, aber etwas diffiziler zu fassen. Denn es handelt sich beim Themenbereich um etwas, das, im Sinne der berechtigten Ausführungen Nowosadtkos zur Reputation der Militärgeschichte und der Militärgeschichte betreibenden Historiker11, eine rein kriegsgeschichtliche, rein militärtechnische, überaus operationsgeschichtslastige und mit militärischen Fachtermini durchsetzte Ausarbeitung verspricht. Vor allem der zuletzt genannte Vorbehalt entspräche, sofern real geäußert, zweifelsfrei allerschlimmsten Befürchtungen. Wenngleich der Verfasser auch bewußt versucht hat, ihm selbst in ihrer Bedeutung letztlich kaum verständliche technische Ausführungen auf ein Mindestmaß zu reduzieren, bleibt die vorliegende Arbeit durchsetzt von „blutigen Verlusten“, deren zivilsprachliche Entsprechung nun einmal nicht existiert12, von der Benennung von Divisionen und Korps, von Geschütztypen- und Dienstgradbezeichnungen sowie allerlei sonstigen Elementen militärischer Fachsprache. Und sie widmet sich, das sollte aus den bisherigen Vorbemerkungen ersichtlich sein und auf die Vorbehalte des nicht militärgeschichtlich vorgeprägten Betrachters verschärfend wirken, einem Forschungsgegenstand der auf den ersten Blick durchaus als „alter Hut“

eines überkommenen und nur allzu „kriegerischen“ Zweiges einer militärhistoriographischen Subdisziplin der Geschichtswissenschaft bezeichnet werden könnte.

Einer solchen Argumentation kann aber nicht nur die oben angeführte Behauptung einer von vielfältigen Fesseln freien und demgemäß aus neuen Verhältnissen heraus nach neuen Erkenntnissen strebenden Revision entgegengehalten werden, sondern auch die damit verbundene Hypothese, daß beachtliche Teile vorheriger Arbeiten auf einer „unfreien“ Grundlage verfaßt worden sind.

Geschichtswissenschaftlich sollte es an dieser Stelle interessant werden, geht man über sprachliche und sonstwie geartete Barrieren, welche

11 Siehe Nowosadtko, S.138ff.

12 Siehe ebenda, S. 140f.

(14)

Historikern die Betrachtung transnationaler Zusammenhänge praktisch erschwert haben und erschweren, hinaus. Denn gerade mit dem vorliegenden, so intensiv bearbeiteten Untersuchungsfeld, liegt ein Themenkomplex vor, welcher nicht nur überaus signifikante Wirkung auf die Wahrnehmung von Verlauf und Ausgang der „Urkatastrophe“ des Ersten Weltkrieges, sondern tatsächlich auch auf die Landkriegführung des 20.Jahrhunderts in ihrer Gesamtheit hatte. Es handelt sich demgemäß um eine Materie, die zumindest anläßlich ihrer Bedeutung für die beiden Weltkriege und ihrer Aufarbeitung in internationalem Maßstab außerordentlich dazu geeignet war, schriftstellernden Betrachtern aller Art eine heutzutage –man schließe sich Pröves hoffnungsvollen Worten zu einer neuen Historikergeneration nicht allein aus Eigeninteresse an13- weitestgehend fremde, nationalpatriotische, militaristische oder sonstwie die wissenschaftliche Arbeit hemmende Intentionsgeladenheit aufzubürden. In diesem Sinne, und man kann dabei parallel zu Wehrhaftmachungstendenzen der Zwischenkriegszeit auch auf eine in Deutschland nach 1945 ausgeprägte Aversion gegen eine allzu „blutige“ und mit vermeintlich überkommenen Ansätzen arbeitende Militärgeschichtsschreibung verweisen, ist die Beschäftigung mit dem bis heute international vielbeachteten Thema der vorliegenden Arbeit auch eine kritische Auseinandersetzung mit einem nicht nur für die deutsche Militärhistoriographie bedeutungsvollen Teilbereich der Geschichtswissenschaft der vergangenen neun Dezennien.

1.2. Der Betrachtungsgegenstand.

Bereits Anfang der 1920er Jahre interessierte das deutsche Reichsarchiv ein Sachverhalt, der, als „Tankfrage“ bezeichnet, unter dem Siegel der Verschwiegenheit zum Gegenstand intensiver Untersuchung wurde14. Die

13 „Griffen in den Jahrzehnten zuvor vor allem ehemalige oder aktive Militärs zur Feder, die ihre eigene Vergangenheit zu bewältigen suchten, so finden sich nun jüngere Historikerinnen und Historiker, die das Feld unvoreingenommen angehen.“ Zitiert nach Pröve, Ralf (Hg.): Klio in Uniform? Probleme und Perspektiven einer modernen Militärgeschichte der Frühen Neuzeit, Köln u.a. 1997, S. 1f.

14 Siehe Bundesarchiv-Militärarchiv (ferner als BA-MA zitiert), RH 61/50768. Die Arbeitsanweisung für die Bearbeitung der Tankfrage durch den Mitarbeiter Jochim von

(15)

Beschäftigung mit dem Tank sowie mit allen mit ihm, seiner Produktion, seiner Bekämpfung und seinen Leistungen während des Krieges verbundenen Aspekten wurde dadurch motiviert, daß man die Wirkungsweise der von den Alliierten in Massen eingesetzten Kampfwagen so klar vor Augen hatte wie ihr nahezu völliges Fehlen in den eigenen Reihen und einen wenigstens intuitiv mit diesem Umstand verbundenen, äußerst bitter erachteten Ausgang des Krieges. Schon während der Endphase desselben waren zudem Vorwürfe von Seiten der Politik und aus dem Heer laut geworden, die sich gegen die damals entscheidende 3.OHL15 als Urheber eines diesbezüglich gravierenden, rüstungstechnischen Versäumnisses gerichtet hatten16. Die Begründungen für das Fehlen deutscher Tankmassen, wie sie von Ludendorff in seinen Kriegserinnerungen von 1919 und in einer Dokumentenedition von 1920 als teilweises Eigenverschulden durch Uneinsichtigkeit, maßgeblich aber mit Verweis auf rüstungstechnische Mangellagen bemerkenswert rasch nach Kriegsende gegeben worden waren17, befriedigten offenkundig schon

1921 enthielt den Passus, daß die Ergebnisse keinesfalls in „unrechte Hände“ fallen dürften.

Daß Geheimhaltung bei allen, auch den von auswärts hinzugezogenen Fachleuten von Bedeutung war, erschließt sich etwa aus dem Briefverkehr des Reicharchivs mit

„Rheinmetall“, wobei auf die unerwünschten Auswirkungen der Postzensur durch die im Rheinland stehenden Kräfte des „Feindbundes“ verwiesen wurde.

15 Da es in der vorliegenden Arbeit um einen Betrachtungszeitraum geht, der in erster Linie der 3.OHL (Hindenburg und Ludendorff) zuzuordnen ist, wird ferner, unter Berücksichtigung der Ausnahmen, nur noch von der „OHL“ die Rede sein.

16 Siehe BA-MA, RH 61/50768: Arbeitsanweisung des Reichsarchivs an seinen Mitarbeiter Jochim hinsichtlich einer anzufertigenden Studie über die „Tankfrage“, 1921.

17 Siehe Ludendorff, Erich: Meine Kriegserinnerungen 1914-1918, Berlin 41919, und Ludendorff, Erich (Hg.): Urkunden der Obersten Heeresleitung über ihre Tätigkeit 1916/18, Berlin 1920. Die ausdrucksstärksten Passagen finden sich im zuletzt genannten Titel, S.

525 und bes. S. 536f., während die Kriegserinnerungen auf die „Tankfrage“ an zahlreichen Stellen und in direktem Zusammenhang mit einzelnen Operationen eingehen. Die Aussagen Ludendorffs fanden weite Verbreitung, so etwa auch durch sie unterstützende Passagen in den Veröffentlichungen ranghoher Exmilitärs; siehe bspw. Kuhl, Hermann v.: Die Kriegslage im Herbst 1918. Warum konnten wir weiterkämpfen? Eine Entgegnung auf die Schrift von Adolf Köster: Konnten wir weiterkämpfen im Herbst 1918? Berlin 21922, und Kuhl, Hermann v.: Der Weltkrieg 1914-1918. Dem deutschen Volke dargestellt, Bd. 2, Berlin 1929, bes. S. 234f.

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damals nicht. Gleiches galt für den mit dem eigenen Tankbau verbundenen Komplex der Konstruktion wirkungsvoller Tankabwehrwaffen. Deren Fehlen wurde mancherorts ebenfalls als „kriegsentscheidende“ Unterlassung angeführt, was für den Direktor des diesbezüglich wenigstens mitverantwortlichen Allgemeinen Kriegs-Departements im (preußischen) Kriegsministerium, von Wrisberg, 1922 Anlaß genug war, eine eindeutig als Rechtfertigungsschrift identifizierbare Veröffentlichung anzustreben18. All diese Antworten und Rechtfertigungen hielten weder die amtlichen Geschichtsschreiber, noch sonstwie schriftstellernde, Schlachten und den Kriegsausgang analysierende Militärs und Ex-Militärs, Historiographen und Betrachter jeglicher Provenienz davon ab, überaus kritisch zu werten. Noch 1995 widmete sich ein deutscher Doktorand intensiv dem deutschen

„Panzerbau im Ersten Weltkrieg“, um bis dahin offengebliebene Fragen endlich zu beantworten19. Beachtenswert ist hierbei, daß auch diesmal jene schon lange vor 1939 festgestellte Beschränktheit der früheren deutschen Führung hinsichtlich der Möglichkeiten von Tanks sowie die grundsätzliche Nichtigkeit rüstungstechnischer Gründe für ihren einmal mehr als nicht ausreichend forciert betrachteten Bau festgehalten wurden20.

Für die vorliegende Arbeit viel wesentlicher als dieser Komplex des deutschen Tankbaues bis Kriegsende 1918, von dem am Rande der folgenden Betrachtungen noch zu zeigen sein wird, daß er real nicht in direktem Zusammenhang mit einer angeblich kriegsentscheidenden Wirkung alliierter Kampfwagen stand21, ist, was sich als Basis für die nach 1918 geschriebenen Betrachtungen über den alliierten Tank und seine im

18 Wrisberg berief sich ausdrücklich auf derartige Vorwürfe, die sich gegen ihn persönlich und sein Amt als Mitverursacher eines Versäumnisses „besonders in einer, aber kriegsentscheidenden Frage, nämlich im Bau von Tanks und Konstruktion von Tankabwehrmitteln“ richteten. Siehe Wrisberg, Ernst v.: Wehr und Waffen 1914-1918 (Erinnerungen an die Kriegsjahre im Preußischen Kriegsministerium, Bd. 3), Leipzig 1922, S. 158.

19 Siehe Kaufhold-Roll, Heinrich: Der deutsche Panzerbau im Ersten Weltkrieg, Osnabrück 1995.

20 Unterlagen, die dies untermauern, finden sich in BA-MA, RH 61/50535 und ebenda, RH 61/50769: Manuskript Petter zur Kampfwagen-Abwehr.

21 Siehe Abschn. 4.3. mit einem Exkurs zum deutschen Tankbau.

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Weltkrieg gezeigten Leistungen eruieren läßt. Dies, und damit zugleich die bisherige wissenschaftlich-schriftstellerische Herangehensweise an das Thema, scheint, zumindest bei frühen deutschen Autoren und vielleicht auch später, seit Ende des Zweiten Weltkrieges, unter dem Gesichtspunkt eines gewissen, möglicherweise gar internationalen „Konsenses“, durch das nicht von ungefähr genährte und dementsprechend sichere Gefühl geprägt (gewesen) zu sein, daß die deutschen Verantwortlichen bis 1918 eine heutzutage überdeutlich erkennbare militärtechnologische Revolution verschlafen22 und nicht zuletzt deshalb den Weltkrieg verloren hatten. Ein für die vorliegende Arbeit überaus wichtiger23, nach 1918 schreibender Generalmajor (der Reichswehr a.D.) Petter schrieb dazu in seiner Studie über die deutschen Kampfwagen-Abwehr:

„Das zunehmende Interesse der Heimat, sowohl der militärischen als auch der Zivildienststellen, des Reichstags und des Privatlebens an den Kampfw. ist gerade im Berichtzeitraum [gemeint ist der Berichtzeitraum des zitierten Kapitels seiner Arbeit, ab Juli 1918] festzustellen. Jedermann war sich im Zweifel, ob unsere Abwehr dem immer und immer wieder durch die Kriegstagesberichte und die Presse gemeldeten Ansturm feindl. Kampfw. standhalten würde. Ein banges Ahnen durchzog Heimat und Feld. Und das war nur zu berechtigt.“24

Die Benennung anderer Gründe -„Dolchstoß“ und „Blockade“ sind in diesem Kontext zwei überaus bedeutungsschwangere Stichworte- deren Bewertung vom Zeitpunkt des Schreibens in den letzten 90 Jahren abhängig gewesen zu sein scheint, trat hierbei parallel, nachgeordnet oder auch allem anderen vorangestellt auf, ohne den Tank zu irgendeinem Zeitpunkt

22 Erweitern läßt sich dieser fatale Eindruck von mangelnden Fähigkeiten und fehlendem Intellekt der militärischen Elite auch in Hinsicht auf die legendär-grauenhaften Zustände des Stellungs- und Materialkrieges selbst. Dieser Punkt, der des zugelassenen und als unabänderbar in Kauf genommenen Stellungskrieges, wird seinen Teil dazu beigetragen haben, die Darstellung des Tank als verabsäumte militärtechnische Revolution zu beflügeln. Zum „Mythos“ der versagenden Militärelite im Stellungskrieg siehe Raths, Ralf:

„Fehlen Sandsäcke, so ist der Graben mit feindlichen Leichen zu verstopfen.“ Die Entwicklung der deutschen Landkriegführung 1906 bis 1918 im Spiegel von Dienstvorschriften und Publizistik. Magisterarbeit, Historisches Seminar Universität Hannover 2004, S. 1ff.

23 Siehe Abschn. 1.3.

24 Zitiert nach BA-MA, RH 61/50769: Manuskript Petter zur Kampfwagen-Abwehr, S. 265.

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vollständig seiner Beachtung beziehungsweise seiner Bedeutung für den Ausgang des Krieges berauben zu können.

Von einem der, oder besser dem „Vater“ dieser markanten Innovation des Weltkrieges und der daraus hervorgegangenen Panzertruppen weltweit, dem ersten Stabschef des britischen Tank Corps, Fuller, war die neue Waffe bereits 1920 als „greatest military invention of the Great War“ bezeichnet worden25. Und er -sowie auch andere nach ihm26- attestierte ihr, neben dem Charakter als der den materiell, psychologisch und in Hinsicht auf die menschlichen Opfer gleichermaßen verheerenden Stellungskrieg beendenden Erfindung, kriegsentscheidenden Einfluß an der Hauptkampffront des Ersten Weltkrieges in Belgien und Frankreich gehabt zu haben27.

Diese Sichtweise wurde späterhin, besonders seit 1939, im Sinne durch Fuller prognostizierter, zukünftiger Leistungen weiterentwickelter Fahrzeuge und Einsatzkonzeptionen28, durch zahlreiche Beispiele für

25 Siehe Fuller; John F.C.: Tanks In The Great War 1914-1918, o.O. 1920 (Neudruck Nashville o.J.), S. xi. Die Widmung des Verfassers auf S. ix ist bezeichnend für seine Auffassung von der kriegsentscheidenden Wirkung des Tank: „I dedicate this book to the modern knights in armour [...], who through their own high courage and noble determination on the battlefield, maintained Liberty and accomplished Victory.“

26 Guderian zitierte einen der Väter der modernen (gepanzerten) Kriegführung, den französischen General Buat, mit den Worten: „Von den zwei Elementen der Taktik hatte bisher nur eines von der Maschine nutzen: nämlich das Feuer. Es hatte sogar so viel Nutzen, daß die Bewegung im Gefecht nahezu aufhörte. [...] Nun gibt das Erscheinen des Motors auf dem Schlachtfelde der Bewegung ihre ganze Bedeutung zurück.“ Zitiert nach Guderian, Heinz: Die Panzertruppen und ihr Zusammenwirken mit den anderen Waffen, Berlin 1937, S. 1. Vor dem Hintergrund der Effektivität der Tanks sind stellvertretend für die intensive Auseinandersetzung mit der Materie einige weitere Titel zu nennen: Guderian, Heinz: Achtung-Panzer! Die Entwicklung der Panzerwaffe, ihre Kampftaktik und ihre operativen Möglichkeiten, Stuttgart 51937, Nehring, Walther K.: Kampfwagen an die Front.

Das Buch vom Kampfwagen (Tank), Leipzig 1935, und ders.: Die Geschichte der deutschen Panzerwaffe 1916-1945, Neudruck Augsburg 1995.

27 Zum Stand der Debatte über die „Tankfrage“ aus britischer Sicht, die auch in den 1990er Jahren um die Bedeutung der frühen Panzer für den Kriegsausgang kreiste, siehe Travers, Tim: Could the Tanks of 1918 Have Been War-Winners for the British Expeditionary Force? In Journal of Contemporary History, Bd. 27, Nr. 3 (1992), S. 389ff.

28 Siehe Fuller: Tanks, S. xvii.

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effiziente Panzerkriegführung auf eindrucksvolle Weise bestätigt und bereichert. So stand Ende des 20.Jahrhunderts als Beleg einer These des

„Vaters“ der deutschen Panzertruppe des Zweiten Weltkrieges, Guderian, welcher 1937 behauptet hatte, daß in näherer Zukunft „kein kriegerischer Zusammenstoß ohne Mitwirkung von Luftstreitkräften und Panzertruppen denkbar“ sei29, fest, daß die direkten Nachfahren der Tanks des Ersten Weltkrieges die Landkriegführung tatsächlich nachhaltig verändert und sogar geprägt hatten30.

Was die Qualität des Einflusses dieser Waffe anbelangt, so darf man an dieser Stelle getrost auch auf eine von ihr ausgehende –man wähle einen nicht allzu wertenden Terminus- „Faszination“31 auch fern der ziemlich unüberschaubaren Mengen an „Panzer-Literatur“, militär- und kriegsgeschichtlichen sowie militärtechnischen und militärtheoretischen Veröffentlichungen verweisen32. Diese ist heute beispielsweise in Modellbauabteilungen von Spielwarengeschäften, auf dem Sektor von Computerspielen oder auch anläßlich von „Waffensystem-Vorführungen“

und „Tagen der offenen Tür“ von Streitkräften -wenn der mehr oder weniger vorgeprägte Laie dem gewaltigen Eindruck des gepanzerten High-

29 Siehe Guderian: Die Panzertruppen, S. 1.

30 Siehe bspw. Donnelly, Tom/Naylor, Sean: Clash of Chariots. The Great Tank Battles, New York 1996, S. xiii: „Nevertheless, the tank –along with the airplane- has defined the character of high-technology conventional warfare in the twentieth century.“

31 Diesen wählte schon Black, um einen populären, dem Ansehen der Militärgeschichte nicht unbedingt zuträglichen Zugang zum Themenfeld „Weapons and Battlefields“ zu kennzeichnen: „In many respects, the popular fascination with machines is a continuation of the schoolboy interest in making replicas that was vastly enhanced by the development of plastic technology and was exploited by Airfix [einem bekannten Hersteller von Militärminiaturen und Militär-Modellbausätzen].” Zitiert nach Black, Jeremy: Rethinking Military History, London/New York 2004, S. 33.

32 Selbst für den Bereich ernsthafter Auseinandersetzungen mit dem Thema ist diese

„Faszination“ oftmals, beispielsweise als Spielen mit bedeutungsschwangeren Begriffen oder Bildern zu erkennen. So etwa in Buchtiteln und bei der bildhaften Umschlaggestaltung; siehe bspw. Smithers, A.J.: A new Excalibur. The Development of the Tank 1909-1939, London 1986, oder Wright: Tank- Das Cover zeigt die auf den Betrachter eingeschwenkte, beeindruckende (?!) Rohrmündung eines modernen Kampfpanzers.

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Tech-Gerätes ausgeliefert ist33- spürbar. Und man darf mutmaßen, inwieweit diese Einflüsse und Eindrücke vom Panzer auf Betrachter des Tank bis heute ihre Wirkung ausgeübt haben, ohne daß diese sich wesentliche entwicklungstechnische oder von der Lage 1916-1918 abhängige Faktoren in ausreichendem Maße vorzustellen vermochten beziehungsweise in Erinnerung rufen konnten. Schließlich hatte bereits Guderian ausdrücklich auf die Unterschiede zwischen dem Tank des Weltkrieges und dem Panzer nach 1918 hingewiesen34.

1.2.1. Wie „General Tank“ den Ersten Weltkrieg gewann.

Kaum verwunderlich erscheint es gerade in der Rückschau auf die stürmische Entwicklung gepanzerter Kampffahrzeuge und auf ihre vergangenen Einsätze, daß heutzutage auf Breite zwischen historischem

33 Dieser Eindruck ist zugegebenermaßen ein äußerst subjektiver. Der Verfasser gewann ihn aus eigener Erfahrung, sowohl als unbedarfter Laie, als auch als Angehöriger einer mit Leopard 2 ausgerüsteten Einheit, und war keineswegs erstaunt, als er eine (Propaganda- )Aufnahme aus den 30er Jahren sah, auf welcher zahlreiche, überaus interessiert erscheinende Kinder einen Panzerkampfwagen der Wehrmacht „in Besitz nahmen“; siehe dazu Oberlindober, Hanns (Hg.): Deutsche Kriegsopferversorgung. Monatszeitschrift der Frontsoldaten und Kriegsopfer der National-Sozialistischen Kriegsopferversorgung (NSKOV.) e.V., 6.Jg. Folge 4 (Januar 1938), S. 31. Zuweilen sieht man bei derartigen Gelegenheiten neben „leuchtenden Augen“ und Begeisterung allerdings auch eine Art Schauder, der sich –auf Nachfrage- dadurch erklärt, daß ein Zuschauer es sich auszumalen vermag, wie es sein muß, der Waffe im Kampf so hilflos entgegentreten zu müssen wie in diesem Moment, in dem er im Zweifelsfall nur mit einem Photoapparat ausgestattet ist.

Dem Verfasser schien es übrigens auch so, als sei demgegenüber die Perspektive der Panzerbesatzung, über beißende Gerüche und geringe Sichtmöglichkeiten beim Ausstellungsexponat hinaus, etwas nicht einkalkuliertes.

34 Guderian schrieb hierzu in Die Panzertruppen, S. 1f.: „Es wurde dargelegt, wie aus dem Werkzeug des Stellungskrieges zum Überwinden von Drahthindernissen und Gräben in den Nachkriegsjahren eine hochbewegliche, schnelle, handlich zu gliedernde Waffe des Bewegungskrieges entstand.“ Auf S. 5 sprach er die Unterschiede zwischen Tank und Panzer noch einmal deutlich an: „Das Hauptkennzeichen der Nachkriegspanzerwagen ist gegenüber den Weltkriegskonstruktionen wesentlich gesteigerte Geschwindigkeit, [...].

Panzerung, Waffenwirkung, Richt-, Sicht- und Nachrichtenmittel sind seit dem Krieg wesentlich verbessert.“

(21)

Kinder- und Jugendbuch, über „kriegspornographische“35 Erzeugnisse eines gewissen Schlachten-, Panzer- und Panzertruppenkultes hinweg, bis zur Auswahlliteratur für Studierende der Geschichtswissenschaft ein Bild von Mitteln, Verfahrensweisen und Erfolgen der Kriegführung mit Tanks des Weltkrieges faßbar ist. Dieses stellt sich als leicht verständliche und in sich logische Initiierung einer stringenten, technischen und militärtechnologischen Entwicklung dar36.

Das heute offenkundig „populäre“ Bild sei als Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit nun grob skizziert. Dabei wurde auf mehr oder weniger ausgeprägte Divergenzen in der Festlegung von Darstellungs- und Bewertungsschwerpunkten, die in den so zahlreichen Veröffentlichungen internationaler Provenienz zwangsweise vorhanden sind, keine Rücksicht genommen. Es sei an dieser Stelle auch in dieser Form dargelegt, weil die Bestandteile dieses Bildes die Gliederung der vorliegenden Arbeit in weiten

35 Der Begriff wurde von Nowosadtko, S. 163, übernommen, da er einen Teil positivistischer, meist reich bebilderter und mit Schlachtensiegen und –siegern befaßter Darstellungen treffend illustriert, den man tatsächlich nicht nur im Zusammenhang mit

„Tiger“, „Panther“ und „SS-Panzerkorps“ zu finden vermag, sondern in ganz ähnlicher Form auch für den Zeitraum 1916-1918. Hier freilich ohne die (deutsche) Betrachter augenblicklich aufschreckenden Termini und ganz offensichtlichen Bezüge zum Nationalsozialismus.

36 Die nun folgenden Aussagen finden sich so oder in leicht variierender Form in der Literatur wieder und sollten als Synthese verstanden werden. Als Literaturnachweis, der sich an dieser Stelle und in Vorgriff auf in der Arbeit aufgegriffene Titel keineswegs erschöpfen will, seien genannt: Chickering, Roger: Das Deutsche Reich und der Erste Weltkrieg, München 2002, bes. S. 217 sowie S. 223f., Heydecker, Joe J.: Der Grosse Krieg 1914-1918. Von Sarajewo bis Versailles, Neudruck Berlin 1997, S. 397-415, Mai, Gunther:

Das Ende des Kaiserreiches. Politik und Kriegführung im Ersten Weltkrieg, München

31997, S. 146, Oliver, Kate (u.a. Bearb.): Der Erste Weltkrieg. Vom Attentat in Sarajevo bis zum Friedensvertrag von Versailles, Hildesheim 2002, S. 52f., Furtado, Peter (u.a. Bearb.):

Der Erste Weltkrieg 1914-1918 (Geschichte des 20. Jahrhunderts, Bd. 2), Gütersloh 1992, S. 88f., und die Internetseiten des Deutschen Historischen Museums zum Tank und seiner Rezeption: Hhttp://www.dhm.de/lemo/html/wk1/kriegsverlauf/cambraiH und Hhttp://www.dhm.de/magazine/radziwill_p/rezeptiondeserstenweltkriegesinderzwischenkri egszeit/cambraiundbedeutung.htmH . (Stand vom 14.10.2004; sofern es in den Anmerkungen nicht anders angegeben ist, entspricht der Stand der zitierten Internetseiten dem am 13.10.2006.)

(22)

Teilen vorwegnehmen oder diese, andersherum, als skeptische Nochmalbetrachtung oder Revision bedingen:

Am 15.September 1916 kamen an der Somme, innerhalb der vermutlich verlustreichsten Schlacht des Krieges, die ersten Tanks zum Einsatz37. Gedacht als motorisierte und geländegängige Waffenträger, welche die panzergeschützte Annäherung an deutsche Stellungen und das Ausschalten der die Infanterie im Vorgehen hemmenden deutschen Stützpunkte ermöglichen sollten, erreichte eine handvoll britischer Fahrzeuge einen vielverheißenden Achtungserfolg, von dem aus eine geradlinige Weiterentwicklung der Waffe ausging. Technische „Kinderkrankheiten“

hafteten diesen ersten Tanks, auch denjenigen, die von den Franzosen bis Frühjahr 1917 entwickelt wurden, zwar an, doch dies spielte nur anfänglich eine Rolle. Besser gepanzerte, schnellere und insgesamt zuverlässigere Fahrzeuge waren baldigst in Bau38.

Auf den Einsatz an der Somme, aus dem die Tanks bereits als „Drachen“,

„Bestien“ oder sonstwie benannte Ungeheuerlichkeiten hervorgingen, folgten im April 1917 ein „kleinerer Panzerangriff“39 bei Arras und der erste französische Tankangriff. Letzterer konnte schon deshalb nicht erfolgreich sein, weil er mit der tragischst gescheiterten „Nivelle- Offensive“, einem besonders schauderhaften Symbol einer nutzlosen

t

37 In die Bearbeitungszeit der vorliegenden Arbeit fiel der 90.Jahrestag dieses Ereignisses, das u.a. mit einem „Zeitzeichen“ des WDR gewürdigt wurde. Im Text und Begleittext der Sendung finden sich zahlreiche Elemente des dargelegten, heutigen Bildes vom Tank und

seiner Wirkung wieder; siehe Hhttp://www.wdr.de/themen/kultur/stichtag/2006/09/ZZ_DRUCKVERSION/15__druck.jh

mlH und

Hhttp://www.wdr.de/radio/wdr3/sendung.phtml?sendung=ZeitZeichen&termineid=341155 H(Beide Seiten nach dem Stand vom 15.9.2006).

38 Siehe hierzu vor allem Childs, David J.: A Peripheral Weapon? The Production and Employment of British Tanks in the First World War, London/Westport 1999. Ebenda, S.

2, ist bereits resümierend und als Entgegnung auf Zweifler zu lesen: „The story of the British tank in the First World War is one of triumph, of hope and expectation over the reality (at first) of disappointing performance and poor reliability. It could so easily have been consigned to the ranks of the many technical also-rans that this period threw up- but the tank was no ‘peripheral weapon’.”

39 Siehe Werth: Cambrai, in Enzyklopädie Erster Weltkrieg, S. 404.

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Schlacht im Stellungskrieg an der Westfront, verbunden war. Wenn der durchschlagende Erfolg des neuen Kriegsmittels bis hierhin auch noch auf sich warten ließ, so gab es dennoch gute Gründe, an sein Potential zu glauben und seine Entwicklung voran zu treiben. So sahen es Briten und Franzosen, nicht aber die selbstgefällige, einfältige und zeitgleich arrogante deutsche Führung.

Etwas mehr als ein Jahr nach dem ersten Einsatz des Tank war der Zeitpunkt gekommen, an dem niemand mehr ernsthaft an den Möglichkeiten der neuen Waffe hätte zweifeln dürfen:

Am 20.November 1917 griffen erstmals in Massen eingesetzte britische Kampfwagen als Speerspitze eines völlig überraschenden Vorstoßes die aufgrund neuester Erkenntnisse über den bis dahin geführten Stellungskrieg befestigte Siegfried-Stellung bei Cambrai an. Sie walzten Drahtverhaue nieder, überwanden spielend die tiefsten Gräben und überrollten im Nu die ob ihrer Wehrlosigkeit und der Wucht des Angriffes zutiefst geschockten Verteidiger. Binnen kürzester Zeit war der zuvor so oft angestrebte Durchbruch durch die feindlichen Linien an der Westfront erreicht, und in London wurden Siegesglocken geläutet. Wenn dieses akustische Signal auch aus vielerlei Gründen verfrüht kam, so untermalte es klangvoll den Beginn einer neuen Epoche der Landkriegführung40, in welcher der Tank, als Kulminationspunkt von moderner Feuerkraft und wiedergewonnener Bewegungsfreiheit von Truppe und Führung auf dem Gefechtsfeld, von nun an im Mittelpunkt stehen mußte.

Die letztendlichen Beweise für seine Schlagkraft, nun durch verbesserte Fahrzeugmodelle wie den „FT-17“ und den „Whippet“ noch wesentlich

40 Eindringlich sind die Worte Falls’: „However this may be, the Battle of Cambrai was the type of the battle of the future and its influence on the Second World War was as great as that on the remainder of the First.“ Zitiert nach Falls, Cyril : The First World War, London 1960, S. 303. Die Worte eines anderen, namhaften Militärgeschichtsschreibers, Liddell Hart, der über Cambrai als „Wasserscheide“ zwischen dem seit Jahren andauernden Stellungskrieg und den modernen Methoden, die 1918 den Sieg brachten, gesprochen hatte, finden sich bspw. in Johnson, J.H.: Stalemate! The Great Trench Warfare Battles of 1915- 1917, London 1995, S. 199, und Winter, Dennis: Haig’s Command. A Reassessment, o.O.

o.J. (1991), S. 114.

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gesteigert41, lieferte der französisch-amerikanische Gegenangriff aus dem Wald von Villers-Cotterêts heraus am 18.Juli 1918 und die britische Offensive vor Amiens am 8.August 1918. Das erste Datum kennzeichnete, als Schlußstrich unter die deutschen „Entscheidungsoffensiven“ des Jahres 1918, den militärischen Gezeitenwechsel zuungunsten des Deutschen Reiches. Das zweite Datum, von Ludendorff legendär als „der schwarze Tag des deutschen Heeres“ deklariert42, implizierte die jetzt unausweichlich gewordene, militärische Niederlage einer dem Feind vorher nahezu unbesiegbar erschienen Armee, die nun ohnmächtig dem Schrecken massenhaft auftretender Tanks, dem sogenannten „Tankschrecken“, ausgeliefert war.

Daß diese Ohnmacht gegenüber einem seit anderthalb Jahren bekannten Kriegsgerät attestierbar is, lag augenscheinlich an einem schon vor dem Krieg faßbaren, technischen Unverständnis führender Militärs. So war der von einem k.u.k. Offizier offerierter Prototyp eines gepanzerten Kampffahrzeuges bereits 1911 leichtfertig als für das erwartete Kriegsbild unbrauchbar abgetan worden43. Eine Handlungsweise, die während des Krieges ihre Entsprechungen im ausgebliebenen Bau eigener Tanks und so fahrlässig-ignoranten wie pervers-dümmlichen Appellen an die den ersten Panzern gegenüber hilflose Truppe fand, diesen allein mit „Mannesmut“

entgegenzutreten. Selbst ein Ernst Jünger, das sei als Tatbestand ergänzt, seines Zeichens so etwas wie das Sinnbild eines Verfechters von Macht und Kraft des auf überlegene Gesinnung bauenden, unbezwingbaren

„Mannesmutes“, konnte sich der verheerenden und letztlich

41 Heydecker, S. 414, nennt etwa für den 18.Juli 1918 „dreihundertdreißig kleine, überraschend schnelle und unglaublich wendige Renault-Tanks“. Keine im Kern selten auffindbare Aussage, aber letztlich alles andere als realitätsnah; siehe und vergleiche Angaben in Kap. 11.

42 Siehe Ludendorff: Kriegserinnerungen, S. 547.

43 Zum „Panzer“ des Oberleutnant Burstyn siehe Ogorkiewicz, Richard: Technologie der Panzer I. Entwicklungsgeschichte, Panzerschutz, Konfiguration (Truppendienst Taschenbuch, Bd. 40A), Wien o.J., S. 18ff., und Kabisch, Ernst: Somme 1916, Berlin 1937, S. 155. Ziemlich unkonventionell beriefen sich deutsche Militärschriftsteller der Zwischenkriegszeit auf Burstyn, um den Panzer als ursprünglich „deutsche“ bzw.

„großdeutsche“ Erfindung darzustellen.

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kriegentscheidenden Wirkung der Tanks von 1918 –beziehungsweise diesem Bild von ihnen- bei der Aufarbeitung des Kriegsgeschehens nicht verschließen44.

Dem gewaltigen Eindruck der gepanzerten Waffe entsprechend findet sich in der Literatur, namentlich in Überblicksdarstellungen zum relevanten Zeitraum, die allenthalben tabellarisch, das heißt in Form von Zahlen, welche von Darstellung zu Darstellung übrigens erheblich differieren können, manifestierte Feststellung, daß Deutschland bei Kriegsende über eine geradezu lächerlich geringe Anzahl „Panzer“ verfügte, die Alliierten aber bereits tausende einsatzbereit hatten. Eine Aussage, die dazu geeignet ist, dem Leser auf sehr subtile Weise den Wahrheitsgehalt der These von einer entscheidenden Bedeutung des Tank für den Kriegsausgang zu suggerieren45. „General Tank“, wie ein Autor, Heydecker, 1997 in Adaption anderer, legendärer und in entscheidender Weise wirksamer „Generale“ der Kriegsgeschichte formulierte, hatte den Krieg für die Alliierten gewonnen46.

44 Siehe dazu King, John: „Wann hat dieser Scheißkrieg ein Ende?“ Writing and Rewriting the First World War (Das Luminar. Schriften zu Ernst und Friedrich Georg Jünger, Bd. 2), Schnellroda 2003, S. 189ff.

45 Siehe etwa auch die in jeder Weise interessante Rezension zum Neudruck eines Standardwerkes zur Entwicklungs- und Einsatzgeschichte des Tank aus deutscher Perspektive: Stragand, August-Wilhelm: Heigl’s Taschenbuch der Tanks, in Die Zinnfigur, Heft 8/1976, S. 251ff. Dem Leserkreis der Zeitschrift, den man in historischen Fragen als durchaus bewandert annehmen möchte, lieferte der Rezensent eine eindeutige, auf das Versagen der deutschen Führung gerichtete Positionierung: „Die beharrenden Kräfte in der Armee konnten zwei Dinge einfach nicht verstehen: daß es erstens die englischen und französischen Tanks waren, die uns 1918 die militärische Niederlage beibrachten (Verhältnis der eigenen Tanks zu denen der Alliierten wie 1:110!), und zweitens konnten sich die Herren einfach nicht zu dem Gedanken bequemen, daß Panzer einen integrierenden Bestandteil jeder modernen Armee darstellten.“ Zitiert nach ebenda, S. 252. Beachtlich ist in diesem Kontext, daß der Verfasser zwar darauf einging, daß sich große Teile der militärischen Führung nach 1918 daran machten, ihr tatsächliches „Versagen“ durch Momente wie den „Dolchstoß“ zu kaschieren, bei ihm aber kein dahingehender Verdacht aufkam, mit dem rezensierten Taschenbuch der Tanks ein anderes Propagandainstrument dieser Zeit, nämlich ein solches der „Panzerbefürworter“ innerhalb der aufrüstenden Wehrmacht, in Händen zu halten.

46 Siehe Heydecker, S. 412: „Tatsächlich sind sich alle Historiker heute darüber einig, daß

`General Tank´ den Krieg für die Alliierten gewonnen hat. [... .] Am letzten Tag des

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1.2.2. Wieso „General Tank“ den Ersten Weltkrieg nicht gewann.

Daß der von Heydecker formulierte Erklärungsansatz für die Kriegsentscheidung schon in seiner Monokausalität zweifelhaft ist, liegt auf der Hand. „Die Blockade“, Hunger und damit sonstwie wehrkraftzersetzend wirksam verbundene Auswirkungen, grundlegende materielle und personelle Unterlegenheit, verschiedenste Heeresmißstände und ein durch die Kriegsanstrengungen verursachter, im „verdeckten Militärstreik“ (Deist) von 1918 endender, „innerer Zusammenbruch“, der Kollaps der Verbündeten und das Geschehen an anderen Orten als der Westfront sowie eine Vielzahl weiterer Faktoren, denen kriegsentscheidende Bedeutung beigemessen werden muß, bleiben unberücksichtigt. Zudem ist es keinesfalls so, daß es, wie Heydecker durch die Aussage festgehalten sehen wollte, „heute“ (1997) seien alle Historiker darüber einig, daß „General Tank“ den Krieg entschied, keinerlei Vorbehalte gegenüber der bis November 1918 feststellbaren Wirkung dieser Waffe mehr (gab und) gibt.

Mit, gelinge gesagt, als „ignorant“ titulierten Kritikern hatte es bereits Fuller zu tun. Mit diesen, darunter namhafteste Persönlichkeiten wie Haig, rechnete er in seinen Erinnerungen schließlich recht unkonventionell ab47. Zudem hatte er schon 1920 darauf hingewiesen, daß sich erst in jüngerer Zeit gegenüber Wert und Zukunft technischer Innovationen skeptisch eingestellte Personen, nämlich die hinsichtlich der Eisenbahn und des Automobiles Zweifelnden, geradezu der Lächerlichkeit preisgegeben hatten48. Dessen ungeachtet, verstummte die Kritik am auch in Deutschland übernommenen positivistischen Bild49 eines kriegsentscheidenden Tank

Krieges verfügte das deutsche Oberkommando aber nur über fünfundvierzig Stück [Tanks], während die Alliierten viele tausend im Feld hatten: Mannesmut gegen eine Armee feuerspeiender Maschinen!“

47 Siehe Fuller, John F.C.: Erinnerungen eines freimütigen Soldaten, Berlin 1937.

48 Siehe Fuller: Tanks, S. xvii f.

49 Daran beteiligt waren neben Fuller auch andere, ehemalige Angehörige des Tank Corps, die sich –allerdings auch nicht gänzlich ohne Blick auf kritische Aspekte- einer ruhmvollen Aufarbeitung der Vergangenheit ihrer Waffengattung widmeten; siehe bspw. William-Ellis, Clough/William-Ellis, A.: The Tank Corps, o.O. 1919, und Mitchell, F.: Tank Warfare. The Story Of The Tanks In The Great War, London u.a. 1933.

(27)

nicht50, sondern wurde durch Bestrebungen zu seiner Instrumentalisierung beim Aufbau moderner Panzertruppen zum Gegenstand eines umfassenden und in weiten Teilen öffentlichen Diskurses über den Kriegsausgang, die Kriegführung bis 1918 und das zukünftige Kriegsbild51.

Daran beteiligt waren Veteranen und aktive Soldaten, mehr oder weniger hochrangige Ex-Militärs und Angehörige der Reichswehr und dann der Wehrmacht sowie, etwa durch den Reichstags-Untersuchungsausschuß zum

„militärischen Zusammenbruch von 1918“ in den 20er Jahren und verschiedene Einflußnahmen der politischen und militärischen Führung nach 1933 auf die Debatte als ein Dreh- und Angelpunkt einer auf

„Wehrhaftmachung“52 zielenden „Kriegskultur“53 belegbar, Politik und Öffentlichkeit.

Im Rahmen der Gruppe deutscher Veteranen des Weltkrieges, die für ihre

„Alte Armee“ reklamierten, „im Felde unbesiegt“ geblieben zu sein, erschienen Publikationen, welche die Wirkung der alliierten Kampfwagen selbst in den sogenannten „Tankschlachten“ (Cambrai 1917, Soissons und Amiens 1918) relativierten, die auf Beispiele zu ihrer erfolgreichen Bekämpfung rekurrierten und die, unter teilweise kritischen Hinweisen auf

50 Die Literatur zu Protagonisten und Antagonisten des Ausbaues der Panzertruppe der Wehrmacht und dabei auftretender Hemmnisse im Vorfeld des Zweiten Weltkrieges liefert hierzu zahlreiche Einblicke, die, wegen ihres themenüberschreitenden Charakters weit über das Jahr 1918 hinaus, hier nicht angeführt sind. Genannt sei allerdings ein damit eng verbundener Artikel Nehrings, welcher Kritik und Zweiflern auf einem für die vorliegende Arbeit relevanten Sektor, dem der Panzerabwehr, entgegentrat; siehe Nehring, Walther K.:

Panzerabwehr, in Militärwissenschaftliche Rundschau, 1.Jg. 1936, Heft 2, S. 182-203.

51 Siehe hierzu Pöhlmann, Markus: Von Versailles nach Armageddon: Totalisierung und Kriegserwartung in deutschen Militärzeitschriften, in Förster, Stig: An der Schwelle zum Totalen Krieg. Die militärische Debatte über den Krieg der Zukunft 1919-1939 (Krieg in der Geschichte, Bd. 13), Paderborn u.a. 2002, S. 358ff.

52 Siehe dazu etwa Gerhard Hirschfelds Ausführungen unter:

Hhttp://www.bpb.de/publikationen/ZO5FBX,1,0,Der_Erste_Weltkrieg_in_der_deutschen_

und_internationalen_Geschichtsschreibung.html#art1H .

53 Zum Begriff mit seiner Antipode „Friedenskultur“ nach 1945 siehe Kühne, Thomas:

„Friedenskultur“, Zeitgeschichte, Historische Friedensforschung, in Kühne, Thomas (Hg.):

Von der Kriegskultur zur Friedenskultur? Zum Mentalitätswandel in Deutschland seit 1945 (Jahrbuch für Historische Friedensforschung, 9.Jg. 2000), Hamburg 2000, S. 13-33.

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