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1244 FMHFortschritte der Onkologie: mehr als neue, teure Medikamente

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Schweizerische Ärztezeitung

SÄZ – BMS Bulletin des médecins suisses – Bollettino dei medici svizzeri – Gasetta dals medis svizzers

Offizielles Organ der FMH und der FMH Services www.saez.ch Organe officiel de la FMH et de FMH Services www.bullmed.ch Bollettino ufficiale della FMH e del FMH Services

Organ ufficial da la FMH e da la FMH Services

39 2 7. 9 . 2 01 7

1243 Editorial

Und wenn die FMH von Bern nach Zürich umziehen würde?

1248 Bundesratswahl

Brief an Ignazio Cassis 1274 «Zu guter Letzt»

von Anna Sax

Wirtschaft bringt Gesund- heit – wirklich?

1244 FMH Fortschritte der Onkologie:

mehr als neue, teure Medikamente

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Psychotherapie Psychosomatik Psychiatrie Persönlich und diskret.

INHALTSVERZEICHNIS 1241

Redaktion

Dr. med. et lic. phil. Bruno Kesseli, Mitglied FMH (Chefredaktor);

Dipl.-Biol. Tanja Kühnle (Managing Editor);

Dr. med. vet. Matthias Scholer (Redaktor Print und Online);

Isabel Zwyssig, M.A. (koordinierende Redaktorin);

Dr. med. Werner Bauer, Mitglied FMH; Prof. Dr. med. Samia Hurst;

Dr. med. Jean Martin, Mitglied FMH; Anna Sax, lic. oec. publ., MHA;

Dr. med. Jürg Schlup, Präsident FMH; Prof. Dr. med. Hans Stalder, Mitglied FMH; Dr. med. Erhard Taverna, Mitglied FMH;

Redaktion Ethik

PD Dr. theol. Christina Aus der Au; Prof. Dr. med. Lazare Benaroyo, Mitglied FMH; PD Dr. phil., dipl. biol. Rouven Porz

Redaktion Medizingeschichte

Prof. Dr. med. et lic. phil. Iris Ritzmann; PD Dr. rer. soc. Eberhard Wolff Redaktion Ökonomie

Anna Sax, lic. oec. publ., MHA Redaktion Recht

Hanspeter Kuhn, Leiter Rechtsdienst der FMH

FMH

EDITORIAL: Remo Osterwalder

1243 Und wenn die FMH von Bern nach Zürich umziehen würde?

AKTUELL: Markus Borner

1244 Fortschritte der Onkologie: mehr als neue, teure Medikamente Neue Therapieansätze haben in den vergangenen 20 Jahren die Onkologie revolutioniert. Betroffene profitieren von beeindruckenden Verbesserungen der Lebenszeit und -qualität. Aber es stellen sich auch Fragen:

Welche neuen Medikamente helfen den Patienten? Und was, wenn die Zulassung nicht mehr mit der Entwicklung Schritt halten kann? Und vor allem: Wie können Patienten trotz Krebsdia gnose ein glückliches Leben führen?

NACHRUF

1246 In memoriam Charles-André Richon 1247 Personalien

Bundesratswahl

Jean Martin

1248 Brief an Ignazio Cassis

Organisationen der Ärzteschaft

UNION: Gisela Etter

1249 Komplementärmedizin in der Grundversicherung

Briefe / Mitteilungen

1250 Briefe an die SÄZ 1250 Mitteilungen

FMH Services

1252 Stellen und Praxen (nicht online)

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INHALTSVERZEICHNIS 1242

Impressum

Schweizerische Ärztezeitung Offizielles Organ der FMH und der FMH Services Redaktionsadresse: Elisa Jaun, Redaktionsassistentin SÄZ, EMH Schweizerischer Ärzteverlag AG, Farnsburgerstrasse 8, 4132 Muttenz, Tel. +41 (0)61 467 85 72,

Fax +41 (0)61 467 85 56,

redaktion.saez@emh.ch, www.saez.ch Verlag: EMH Schweizerischer Ärzte- verlag AG, Farnsburgerstrasse 8, 4132 Muttenz, Tel. +41 (0)61 467 85 55, Fax +41 (0)61 467 85 56, www.emh.ch Marketing EMH / Inserate:

Dr. phil. II Karin Würz, Leiterin Marketing und Kommunikation, Tel. +41 (0)61 467 85 49, Fax +41 (0)61 467 85 56, kwuerz@emh.ch

«Stellenmarkt/Immobilien/Diverses»:

Matteo Domeniconi, Inserateannahme Stellenmarkt, Tel. +41 (0)61 467 86 08, Fax +41 (0)61 467 85 56,

stellenmarkt@emh.ch

«Stellenvermittlung»: FMH Consulting Services, Stellenvermittlung, Postfach 246, 6208 Oberkirch, Tel. +41 (0)41 925 00 77, Fax +41 (0)41 921 05 86, mail@fmhjob.ch, www.fmhjob.ch Abonnemente FMH-Mitglieder:

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Abonnementspreise: Jahresabonne- ment CHF 320.– zzgl. Porto.

ISSN: Printversion: 0036-7486 / elektronische Ausgabe: 1424-4004 Erscheint jeden Mittwoch

© FMH

Die Schweizerische Ärztezeitung ist aktuell eine Open-Access-Publikation.

FMH hat daher EMH bis auf Widerruf ermächtigt, allen Nutzern auf der Basis der Creative-Commons-Lizenz

«Namens nennung – Nicht kommer- ziell – Keine Bearbeitung 4.0 inter- national» das zeitlich unbeschränkte Recht zu gewähren, das Werk zu ver- vielfältigen und zu verbreiten und öffentlich zugänglich zu machen.

Der Name des Verfassers ist in jedem Fall klar und transparent auszuweisen.

Die kommer zielle Nutzung ist nur mit

ausdrück licher vorgängiger Erlaubnis von EMH und auf der Basis einer schriftlichen Vereinbarung zulässig.

Hinweis: Alle in dieser Zeitschrift pu- blizierten Angaben wurden mit der grössten Sorgfalt überprüft. Die ange- gebenen Dosierungen, Indikationen und Applikationsformen, vor allem von Neuzulassungen, sollten in jedem Fall mit den Beipackzetteln der verwende- ten Medikamente verglichen werden.

Herstellung: Schwabe AG, Muttenz, www.schwabe.ch

Titelbild:

© Bialasiewicz | Dreamstime.com

Tribüne

INTERVIEW: Matthias Scholer

1261 Interview mit Hans Rudolf Koelz, ehemaliger Vizepräsident SIWF: Eminenz, Evidenz, Exzellenz

THEMA: Stefan Boes, Mirjam Brach, Cornel Kaufmann, Sarah Mantwill, Sara Rubinelli, Gerold Stucki, für das Konsortium der Projektpartner im SLHS

1264 Swiss Learning Health System

STANDPUNKT: Fridolin Marty 1269 Wirtschaft bringt Gesundheit

Horizonte

MEDIZINGESCHICHTE: Iris Ritzmann 1272 Seiten-Blicke: Die zwölfte Rippe

BUCHBESPRECHUNGEN: Jean Martin

1273 Trois décennies de partenariat avec des personnes fragiles

Zu guter Letzt

Anna Sax

1274 Wirtschaft bringt Gesundheit – wirklich? Wir verstehen Gesundheitsförderung und Prävention heute als disziplinen- übergreifende Aufgaben. Die Wirtschaft spielt dabei eine wichtige Rolle. Doch macht ökonomisches Wachstum die Bevölkerung tatsächlich gesünder? Anna Sax hinterfragt die kühnen Thesen von Fridolin Marty kritisch.

ANNA

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Und wenn die FMH von Bern nach Zürich umziehen würde?

Remo Osterwalder

Dr. med., Vizepräsident der FMH, Departementsverantwortlicher Dienstleistungen und Berufsentwicklung

Die Frage ist schon etwas verwegen, aber da ich in der Nordwestschweiz aufgewachsen bin und somit un­

parteiisch bin, kann ich diese Fragestellung unvorein­

genommen untersuchen.

Als ich kürzlich am Paradeplatz stand, war ich beein­

druckt von den imposanten Bollwerken der Finanz­

kunst. Und da wären wir mitten in der Diskussion um die Ärzteschaft: Es geht gemäss Medien und Politikern vor allem ums Geld und die Finanzierung des Gesund­

heitswesens. Und wer kann besser mit dem Geld umge­

hen als Finanzspezialisten: 1:0 für Zürich. Da im huma­

nistischen Gesundheitswesen die Frage, ob eine medizinische Massnahme rechtens war, immer häufiger auftritt, ist die Ärzteschaft in verschiede­

nen Belangen mehr und mehr auf die Unterstüt­

zung der Kollegen der Jurisprudenz angewiesen.

Auf der Rangliste der renommiertesten Anwaltskanz­

leien der Schweiz sind die ersten vier Plätze durch Kanzleien belegt, deren Hauptsitz in Zürich liegt. So­

mit 2:0 für Zürich.

Ein weiterer Punkt ist das Platzproblem: Die FMH platzt aufgrund des zunehmenden Bedarfs an Büroräumlich­

keiten sprichwörtlich aus allen Nähten und benötigt unbedingt weitere Arbeitsplätze. Im Raum Bern stehen aktuell nur 63 000 Quadratmeter Bürofläche leer. Im Gegensatz dazu ist das Raumangebot in Zürich mit 398 000 Quadratmetern deutlich grösser. Folglich 3:0 für Zürich. Wenn man die Übersicht verliert, sollte man bekannterweise ein bis zwei Schritte zurücktre­

ten, um das Chaos zu überschauen. Niemand würde bestreiten, dass das politisch entscheidende Epizen­

trum in Bern liegt. Wie verhält man sich, um dem Tsu­

nami auszuweichen? Indem man sich vom Ufer ent­

fernt und ins Landesinnere flieht. Aus diesem Grund 4:0 für Zürich.

Schauen wir uns noch die theatralische Seite an. Wie im Song «The Show Must Go On» von Queen in der Textpassage besungen: «Another hero, another mind­

less crime» und «Does anybody want to take it any­

more?». Es geht doch um die grosse Show und darum, wer der bessere Showmaster ist. Kein Basler würde mir hier wider sprechen, wenn ich behaupte, dass die Zür­

cher die grössere «Klappe» haben als die Berner (ent­

schuldigt, liebe Zürcher, aber diese Bemerkung konnte ich mir nicht verkneifen). Deshalb geht der Punkt auch hier an Zürich: 5:0.

Ich bin mir bewusst, dass die Liste nicht vollständig ist und man noch etliche Argumente aufführen könnte.

Aber es ging mir primär darum, aufzuzeigen, dass es hin und wieder Sinn macht, eine Lagebeurteilung durchzuführen und die Fahrtrichtung entsprechend anzupassen. Sicher sind radikale Veränderungen eher Hirngespinste. Denn wie könnte man eine über neun­

zigjährige alte Dame dazu bringen, sich einer Verjün­

gungskur zu unterziehen. Ich sehe schon die empörten Leserbriefe, weshalb man es auch nur wagen kann, eine über fast ein Jahrhundert entstandene Kultur in Frage zu stellen. Es geht nicht darum, dass man das Rad neu erfindet, aber es sollte sich zumindest drehen, und abgenützte Stellen sollten ersetzt werden. Liebe Berner, denkt nicht, dass ich etwas gegen euch habe. Weit ge­

fehlt, denn ihr habt eine wunderschöne Stadt mit viel Charme und Gemütlichkeit. Auch die Tatsache, dass der direkte Weg in die Wandelhalle viel kürzer von Bern aus ist als von Zürich, spricht für Bern. Keine Angst, das Gefährlichste in Zürich ist und bleibt die Verbrennung des Bööggs mit der nostalgischen Ka­

vallerie. Aber nichtsdestotrotz und frei nach Martin Luther King: I have a dream.

Als Nordwestschweizer darf man die Gretchen­

frage «Bern oder Zürich?» stellen.

Hin und wieder macht es Sinn, eine Lage­

beurteilung durchzuführen und die Fahrt­

richtung entsprechend anzupassen.

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI 2017;98(39):1243

FMH Editorial 1243

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Der wachsende Nutzen in der Medizin: Was erhält die Bevölkerung für die Gesundheitskosten?

Fortschritte der Onkologie: mehr als neue, teure Medikamente

Markus Borner

Prof. Dr. med., Co-Präsident SGMO

Noch vor 20 Jahren hat man von neuen Therapieansätzen, welche die Onkologie revolutionieren, nur geträumt. Nun, da sie Wirklichkeit geworden sind, zeigen sich zwar beeindruckende Verbesserungen der Lebenszeit und -qualität, aber es stellen sich auch neue Fragen wie beispielsweise: Welche Patienten profitieren von den neuen Medikamenten? Und was, wenn die Zulassung nicht mehr mit der Entwick- lung Schritt halten kann? Und, vor allem, wie können Patienten trotz Krebsdia- gnose ein glückliches Leben führen?

Bevor eine Therapie überhaupt beginnt, müssen Ängste abgebaut und wichtige Inhalte vermittelt werden. On- kologen kümmern sich deshalb auch um die kommu- nikativen, psychoonkologischen und palliativen Be-

dürfnisse ihrer Patienten und haben sich als die integrierende Spezialität für Tumorkranke etabliert – in einer partnerschaftlichen Betreuungsgemeinschaft mit dem Hausarzt1 und dem Organspezialisten1.

Verbesserte Behandlung mit ganzheit­

lichem Blick

Eine Krebsdiagnose ist für viele Menschen das einschnei- dendste Ereignis in ihrem Leben. Das müsste es aber nicht sein, beträgt das 5-Jahres-Überleben mit «Krebs»

doch weit über 50%, und in vielen Fällen ist sogar eine Heilung möglich. Mit schuld an der Dramatik sind Be- griffe wie «Krebs» und «Chemotherapie», die eigentlich in der Zeit der molekularen Medizin gar nicht mehr exis- tieren dürften und gerade in ihrer ominösen Unschärfe enorm angstauslösend sind. Es gibt ja nicht «den Krebs», sondern mehrere hundert Krankheiten, denen gemein- sam ist, dass sich körpereigene Zellen unkontrolliert

vermehren. In Abhängigkeit von der Genetik, dem be- troffenen Organ und der Ausbreitung bei Diagnose un- terscheiden sich Behandlungsmöglichkeiten und Pro- gnose: Eine Heilung oder zumindest Kontrolle über lange Zeit ist durchaus – und immer häufiger – möglich.

Auch «die Chemotherapie» gibt es nicht: Die in der Onkologie eingesetzten Medikamente sind nicht chemi- scher als Herzmedikamente oder Schmerzmittel – im Gegenteil: Das Paradigma der biologischen Therapie ist kaum in einem Gebiet der modernen Medizin besser anwendbar als in der Onkologie. Der Begriff «palliativ»

wird ebenfalls unpräzis eingesetzt, sowohl für Tumor- therapien zur Verbesserung und Verlängerung des Lebens als auch in der terminalen Krankheitssituation, wenn die Behandlung des Tumors selber nicht mehr sinnvoll scheint. Schon allein solche Erklärungen beim Erstgespräch entspannen die Betroffenen enorm. Nicht selten hört man den Satz: «Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich nicht solche Angst gehabt.» Nicht von unge- fähr sind auch kommunikative Kompetenzen ein wich- tiger Teil der onkologischen Weiterbildung. Zudem muss ein Facharzt Onkologie neu eine palliativmedizinische Zusatzausbildung absolvieren. So kann er bei Patienten und ihren Familien die in diesen schwierigen Lebens- situationen notwendige Entscheidungskompetenz för- dern, was nicht nur die Lebensqualität aller Beteiligten erhöht, sondern auch hilft, Kosten zu senken [1, 2].

Mit Überzeugungsarbeit zum Therapie­

erfolg

Trotz den Durchbrüchen der zielgerichteten (moleku- laren) Tumortherapie basieren zurzeit noch alle kurati-

1 Der Begriff wird geschlechtsneutral verwendet.

Frau K., eine rüstige Witwe mit vier Grosskindern, sucht wegen Rückenschmerzen die Notfallstation auf, und es wird ein Brustkrebs mit Knochenmetastasen gefunden. Der Abteilungsarzt eröffnet, dass es sich um eine palliative Situation handle, und Frau K. ver- liert ihren Lebensmut, bis ihr Hausarzt sie einer Onkologin1 zu- weist.

Ein Facharzt Onkologie muss neu eine palliativ­

medizinische Zusatzausbildung absolvieren.

FMH Ak tuell 1244

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI 2017;98(39):1244–1245

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ven Ansätze auf der «altmodischen» Chemotherapie.

Verschiedene Biomoleküle können zwar zusätzlich die Heilungschancen erhöhen, wie z.B. das Trastuzumab beim HER+-Brustkrebs oder das Rituximab bei der Be- handlung von Lymphdrüsenkrebs. Die unkritische Pu- blikation von medizinischen Inhalten in der Laien- presse löst jedoch oft eine unkritische Nachfrage aus, der dann eine grosse Ernüchterung folgt, wie aktuell in Bezug auf die medikamentöse Immun- therapie zu sehen ist. Herr S. konnte nur mit Mühe davon abgehalten werden, noch eine Zweitmeinung in Deutschland vier Wochen später abzuwarten – eine Verzögerung, die die Erfolgschancen seiner Behand- lung unnötig reduziert hätte. Unter der Chemothera- pie ist der Tumor verschwunden, Herrn S. geht es gut, und seine Heilungschancen liegen über 80%. Dazu waren stundenlange Diskussionen und eine grosse Er- fahrung mit komplexen Chemotherapien und deren Nebenwirkungen notwendig. Da die Facharztausbildung in der Onkologie nicht organspezifisch ist, gewährleis- tet sie eine hohe Expertise in Bezug auf die meist organ- übergreifend eingesetzten Tumormedikamente.

Erfolge durch Anwendung noch nicht registrierter Medikamente

Da moderne Tumormedikamente in komplexe mole- kulare Netzwerke eingreifen, ist häufig nicht vorauszu- sehen, welche Patienten von diesen Therapieansätzen profitieren werden. Nur wenige Patienten sprechen an, dafür häufig sehr nachhaltig und meist bei guter Ver- träglichkeit. Die Durchführung grosser randomisier- ter Studien, wie von den Zulassungsbehörden gefordert,

ist aus methodischen Gründen oft unmöglich. Die meist kleinen Zielgruppen werden als Rechtfertigung für die hohen Preise dieser Arzneien gebraucht, neue Vergü- tungsmodelle sind erst in Diskussion. Ein Onkologe muss einen zunehmenden Anteil seiner Arbeitszeit dar auf verwenden, Patienten den Zugang zu noch nicht registrierten Medikamenten zu organisieren.

Entsprechend katastrophal wirkt sich eine Beschrän- kung der Vergütung dieser Zeit auf die Versorgung aus, zumal die Industrie in diesen Situationen häufig die

Medikamente gratis zur Verfügung stellen würde, so dass für das Gesundheitswesen Kosten gespart werden könnten. Ebenso sollte der Onkologe die Teilnahme an klinischen Studien fördern, da nur so die notwendige Grundlage für den Fortschritt geschaffen werden kann.

Zusammenfassung

Die medikamentösen Therapiemöglichkeiten und die ganzheitliche Betreuung haben in der Onkologie grosse Fortschritte erzielt. Auch bei den meist unheilbaren metastasierten Leiden hat sich die Dauer des Lebens verlängert und die Qualität verbessert. Die Zahl an molekularen Medikamenten nimmt rasch zu – nur wis- sen wir häufig noch nicht, wer ansprechen wird, und die Behandlung ist sehr teuer. Der Patient muss durch diese Unsicherheiten geführt werden, und so zial- kompatible Lösungen müssen gesucht werden – das braucht Zeit. In den letzten 20 Jahren hat sich die On- kologie zu einer Disziplin entwickelt, die sich gesamt- heitlich um die Bedürfnisse des Patienten kümmert und nicht nur um rein diagnostische und therapeu- tische Aspekte.

Die in diesem Artikel geäusserte Meinung muss sich nicht not- wendigerweise mit der Meinung aller Mitglieder der Fachgesellschaft decken.

Literatur

1 Sher DJ. Economic Benefits of Palliative Care Consultation Continue to Unfold. J Clin Oncol. 2015;33(25):2723–4.

2 Borner M, Rauch D. Palliative Chemotherapie oder doch besser Palliative Care? Swiss Medical Forum. 2015;15(16):334–9.

Herr S., ein 25-jähriger Computerfachmann, erhält die Diagnose eines metastasierten Keimzelltumors und die Empfehlung einer kurativen Chemotherapie. Er hat von einer zielgerichteten und wenig toxischen Immuntherapie – allerdings beim Lungenkrebs – gehört und ist enttäuscht, dass er nicht davon profitieren kann.

Herr V., ein 59-jähriger Primarlehrer, wurde wegen eines metas- tasierten Harnblasenkarzinoms vor drei Jahren mit Chemothera- pie behandelt. Nun wurde ein Rezidiv im Bauchraum festgestellt.

Weil die verfügbaren Therapien allesamt nicht kassenpflichtig sind, organisiert die Onkologin über die Herstellerfirma eine Im- muntherapie. Die Lebensqualität von Herrn V. normalisiert sich, eine Tumoraktivität lässt sich seit elf Monaten nicht mehr feststel- len. Herr V. arbeitet hochmotiviert weiter in seinem Beruf.

Korrespondenz:

Prof. Dr. med. Markus Borner

ONCOCARE Klinik Engeried Riedweg 15 CH-3012 Bern markus.borner[at]hin.ch

Die medikamentösen Therapiemöglichkeiten und die ganzheitliche Betreuung haben in der Onkologie grosse Fortschritte erzielt.

FMH Ak tuell 1245

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI 2017;98(39):1244–1245

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In memoriam Charles-André Richon

Dr Ch.-A. Richon a étudié la médecine à Lausanne.

Après sa formation de chirurgien, il a travaillé pendant plusieurs années à la Chaux-de-Fonds. A la fin des années 1960, il est revenu en Valais et a été nommé à la  tête du service de chirurgie de l’hôpital de Sion. Il s’est pleinement engagé dans la planification et la réa- lisation du nouvel Hôpital de Champsec dont il a été l’un des derniers chirurgiens généralistes.

De 1985 à 1987 le Dr Richon a présidé la Société de Traumatologie et de Médecine des Assurances dont il était membre d’honneur.

Le Patron a été président du collège des chefs de ser- vice. Il a toujours forcé le respect de ses collègues des différents départements de l’hôpital. C’était avant tout un médecin qui gagnait immédiatement la confiance de ses patients. Dr Richon a transmis à des générations

d’assistants ses connaissances médico-chirurgicales. Il a également transmis l’éthique qu’il avait héritée de ses Maîtres lausannois, en particulier le Prof. Pierre Decker qu’il citait volontiers: «La plus grande fierté d’un chirurgien, c’est de guérir son Patient sans devoir l’opérer». Dr Richon était aussi un meneur d’hommes qui avait beaucoup de considération pour ses collabo- rateurs, grands ou petits. Un jour par exemple, il avait invité ses assistants du service de chirurgie à une jour- née inoubliable de ski à Chamonix, les guidant entre les crevasses le long de la Vallée Blanche.

Habituellement le soir, après sa journée de consulta- tions et le tour dans son service, il passait dans le bureau des internes pour prendre connaissance des problèmes et des admissions du jour. Les lundis soir, une fois les questions médicales réglées, ses assistants arrivaient à orienter la conversation sur ses activités du week-end précédent et le Patron racontait, avec passion mais modestie, ses courses en haute montagne accompagné de son guide avec qui il faisait le Weisshorn, la traver- sée du Zinalrothorn, le Cervin et beaucoup d’autres.

En parallèle à son activité médicale, le Colonel Richon a mené une carrière militaire de milice, couronnée par le commandement du Régiment d’Infanterie Mon- tagne 6, le Régiment Valaisan, dont il était très fier.

Les années passèrent; à 60 ans, il s’est remarié avec Eliane Escher puis a profité d’une retraite bien méritée.

Il est toujours resté un montagnard authentique, grim- pant sur les sentiers vers les cabanes du Club Alpin Suisse, lui devant, avec son sac à dos. Sa femme l’accom- pagnait avec le chronomètre en main pour être sûre que la forme physique soit toujours au rendez-vous.

A l’opposé, dès que le Joran se levait sur le lac Léman, ils embarquaient sur leur dériveur, un 4.7, et allaient tirer des bords au large du château de Chillon, lui derrière, à la barre.

Pour ceux qui le connaissaient personnellement,

«Coulou» était un amuseur, un véritable troubadour, connaissant par cœur le répertoire de la chanson fran- çaise, imitant Georges Brassens et sa Margot qui dégra- fait son corsage.

Il avait suivi le collège à Sion et avait été baigné de culture grecque et latine. 50 ans après sa maturité, il était capable de réciter, en grec, des vers des tragédies de Sophocle et en latin les discours de Cicéron qui ha- ranguait les sénateurs romains.

Le Dr Richon était un polyglotte autodidacte, il parlait l’anglais, l’allemand, l’italien et même le russe. Il a appris le patois valaisan lors de ses cours de service militaire et avec ses amis rotariens ainsi que le «Zer- mattertitsch» qu’il parlait comme un indigène du coin grâce à ses fréquents séjours au pied du Cervin.

Sa santé s’est brusquement détériorée à la mi-janvier, après une mauvaise bronchite. Pendant sa courte hospi- talisation, il a pu prendre congé de la famille avec beau- coup de sérénité, toute sa consciente et son habituel humour. Il est décédé le 25 janvier dans sa 88e année.

Parmi ses nombreux assistants reconnaissants:

Peter Buess, Lucerne Charles-André Richon

(1929–2017)

Pour ceux qui le connaissaient personnelle- ment, «Coulou» était un amuseur, un véritable troubadour, connaissant par cœur le répertoire de la chanson française.

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI 2017;98(39):1246

FMH Nachrufe 1246

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Todesfälle / Décès / Decessi Max Amport (1930), † 11.8.17,

Facharzt für Allgemeine Innere Medizin, 4702 Oensingen

Jean-Pierre Riedo (1945), † 6.9.17,

Spécialiste en médecine interne générale, 1784 Courtepin

Praxiseröffnung /

Nouveaux cabinets médicaux / Nuovi studi medici

TI

Patrizia Tessiatore,

Spécialiste en pédiatrie, Via Vedeggio 1, 6814 Lamone

Aargauischer Ärzteverband

Zur Aufnahme in den Aargauischen Ärzte­

verband als ordentlich praktizierende Mitglieder haben sich angemeldet:

Susanne Baarfüsser, 6003 Luzern, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, FMH, Praxiseröffnung in Rheinfelden per 1. No­

vember 2017

Ilze Kuka, 6006 Luzern, Fachärztin für Allge­

meine Innere Medizin und Endokrinologie / Diabetologie, angestellt in Praxis in Baden­

Dättwil seit 1. Januar 2017

Christiane van Bebber, 4402 Frenkendorf, Fachärztin für Allgemeine Innere Medizin, FMH, angestellt in Praxis in Möhlin per 1. Ok­

tober 2017

Zur Aufnahme als Chef­ und Leitende Ärzt­

Innen haben sich angemeldet:

Martin Heubner, 5408 Ennetbaden, Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe, Chefarzt im Kantonsspital Baden AG in Baden seit 17. Oktober 2016

Wolfram Kawohl, 8708 Männedorf, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, FMH, Chefarzt Psychiatrische Dienste Aargau AG in Brugg seit 1. November 2016

Diese Kandidaturen werden in Anwendung von Art. 5 der Statuten des Aargauischen Ärzte verbandes veröffentlicht. Einsprachen müssen innert 14 Tagen seit der Bekannt­

machung schriftlich und begründet der Geschäfts leitung des Aargauischen Ärztever­

bandes eingereicht werden. Nach Ablauf der Ein sprachefrist entscheidet die Geschäftslei­

tung über Gesuch und allfällige Einsprachen.

Bündner Ärzteverein

Zur Aufnahme in den Bündner Ärzteverein haben sich neu angemeldet:

Sabine Frei, Fachärztin für Allgemeine Innere Medizin, FMH, Praxis, Böschenstrasse 91, 7000 Chur

Christine Blumenthal, Fachärztin für Psych­

iatrie und Psychotherapie, Praxis, Rabengasse 7, 7000 Chur

Thomas Günter Koch, Facharzt für Allgemeine Innere Medizin, FMH, Chefarzt Innere Medi­

zin, Regionalspital Ilanz, Spitalstrasse 6, 7130 Ilanz

Tommaso Addonisio, Facharzt für Dermatolo­

gie und Venerologie, FMH, Praxis Ortho­ Bio­

Med., Via Scima Vera 18, 6535 Roveredo

Beata Barszczewska-Nowak, Fachärztin für Kinder­ und Jugendmedizin, FMH, Gemein­

schaftspraxis, Feldstrasse 8, 7430 Thusis

Paavo Rillmann, Facharzt für Allgemeine Chirurgie und Traumatologie, FMH, Chefarzt Chirurgie/Orthopädie, Spital Davos, Promenade 4, 7270 Davos Platz

Nadia Frey, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, FMH, Praxis, Via Chaval­

lera 6, 7500 St. Moritz

Markus Faia, Praktischer Arzt, FMH, Medizi­

nisches Center Karlihof, Karlihofstrasse 14A, 7208 Malans

Henning Usadel, Facharzt für Allgemeine In­

nere Medizin und Gastroenterologie, FMH, Leitender Arzt, Flury Stiftug, Spital Schiers, Tersierstrasse 7, 7220 Schiers

Ärztegesellschaft des Kantons Luzern Zur Aufnahme in unsere Gesellschaft Sektion Gäu hat sich gemeldet:

Darius Malekian, Praktischer Arzt, c/o Praxis Dr. Thomas Haehner, Dorfstrasse 27, 6133  Hergiswil

Einsprachen sind innert 20 Tagen nach der Publikation schriftlich und begründet zu richten an: Ärztegesellschaft des Kantons Luzern, Schwanenplatz 7, 6004 Luzern

Ärztegesellschaft Thurgau

Zum Eintritt in die Ärztegesellschaft Thurgau hat sich gemeldet:

Bente Knoth, Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe, FMH, Pfaffenwiesstrasse 17B, 8598 Bottighofen

Unterwaldner Ärztegesellschaft Zur Aufnahme in die Unterwaldner Ärzte­

gesellschaft hat sich angemeldet:

Ahmad Jalili, Facharzt für Dermatologie und Venerologie, FMH, Bürgenstock Klinik, Health & Medical, Dermatologie, Bürgen­

stock 30, 6363 Obbürgen

Einsprachen gegen diese Aufnahme sind mit Begründung innert 20 Tagen an die Präsiden­

tin der Unterwaldner Ärztegesellschaft, Dagmar Becker, Mondmattli 3, 6375 Becken­

ried, zu richten.

FMH Personalien 1247

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI 2017;98(39):1247

Personalien

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In aller Freundschaft – mit Hoffnungen …

Brief an Ignazio Cassis

Jean Martin

PD Dr. med., ehemaliger Kantonsarzt Waadt, Mitglied der Redaktion

Lieber Ignazio

Wir kennen uns schon seit sehr langer Zeit, und unsere Beziehung gründet auf grosser Achtung und Freund­

schaft. Du bist Facharzt für Innere Medizin und Facharzt für Prävention und Gesundheitswesen. Acht Jahre hast Du unseren Fachverband Public Health Schweiz erfolg­

reich geleitet und daneben Lehraufträge wahrgenom­

men. Du bist Präsident der Stiftung Radix, eines Kom­

petenzzentrums für die Entwicklung von Massnahmen der öffentlichen Gesundheit. Seit fünf Jahren arbeiten wir gemeinsam im Vorstand von Curaviva. Und nicht zuletzt warst Du von 1996 bis 2008 ein ausgezeichneter Kantonsarzt im Tessin.

Nach zehn Jahren im Nationalrat wurdest Du nun in un­

sere Landesregierung gewählt. Dazu gratuliere ich Dir herzlich! Mit diesem Brief möchte ich Dir – in aller Be­

scheidenheit – die guten Wünsche eines alten, ebenfalls der FDP angehörigen Kollegen übermitteln (ich zähle mich zu den alten, in der «extremen Mitte» positionier­

ten Liberal­Radikalen des Kantons Waadt). Nach all den erwarteten, «angemessenen» Dingen, die Du geäussert hast und die es zu sagen gilt, wenn man gewählt werden will, hoffe ich sehr darauf, dass Du – im Dienste der Nation – die Position des Staatsmannes übernimmst.

Damit meine ich, dass Du Stärke zeigst und zum Wohle aller in unserem Lande handelst, auch wenn Du damit kritische Stimmen provozierst.

Die Medien sprechen von Deinem «Rechtsrutsch», und ich stimme ihnen zu. In den letzten Jahren hast Du in meinen Augen öfter zu neoliberale Positionen vertreten.

Der Rahmen dieses Briefs reicht nicht aus, um näher auf Deine Verbindungen zu den grossen Versicherungen in­

nerhalb der Curafutura einzugehen. Vor vier Jahren hast Du dazu eine Erklärung vor den Delegierten von Cura­

viva abgegeben. Sie fürchteten zu starke Interessenskon­

flikte – eine Befürchtung, die vor kurzem wieder auf­

tauchte. Ich weiss, dass Du eine vernünftige, besonnene Gesundheitspolitik anstrebst, die die verschiedenen In­

teressengruppen ausgewogen berücksichtigt. Die Versi­

cherer sollten sich nicht wie gewinnmaximierende Ka­

pitalisten verhalten; gleichzeitig sollten die Ärzte und die anderen Partner jedoch mit gesundem Menschen­

verstand agieren und das Allgemeinwohl im Auge be­

halten. Dein Rücktritt aus dem Zentralvorstand der FMH im Jahr 2012, mit dem Du auf die unangemessen korpo­

ratistische Haltung der Mehrheit der Ärzteschaft zur in­

tegrierten Versorgung reagiert hast, war ein mutiger Schritt.

Du beweist auch Mut – auch wenn Deine Haltung offen gesagt die einzig vernünftige ist –, indem Du Dich für eine moderne Drogenpolitik einsetzt, die sich in Rich­

tung einer Regulierung jener Produkte bewegt, die ge­

genwärtig in realitätsfremder Weise verteufelt werden.

Dies ist nicht leicht in unserem Land. Dank würde Dir aber auch gebühren, wenn Du verständlich machen könntest, dass alle Substanzen mit Abhängigkeitspoten­

tial gleich zu behandeln und somit auch der Alkohol und der Tabak entsprechend zu regulieren sind. Speziell in Bezug auf den Tabak ist noch anzumerken, dass all jene, die sich für die öffentliche Gesundheit engagieren, es als inakzeptabel, ja als beschämend empfinden, wie sich die FDP­Fraktion dem Entwurf zum Tabakprodukte­

gesetz widersetzt hat. Ihr habt Euch als Diener der Lobbyisten erwiesen, die sich dogmatisch weigern, den Zugang zu Produkten einzuschränken, die jedes Jahr zehntausend Schweizer in den Tod führen. Die Argu­

mentation dieser Lobbyisten lässt sich leicht demontie­

ren: Die Wahlfreiheit der Bürger wird nicht durch die­

jenigen eingeschränkt, die sich für die öffentliche Gesundheit einsetzen, sondern durch die Tabakherstel­

ler, die – wie wir alle wissen – grosse Mittel aufwenden, um indiskutable wissenschaftliche Daten durch dau­

ernde PR­Berieselung zu diskreditieren. Sie sind die ge­

fährlichen Ajatollahs. Wirst Du uns in den kommenden Jahren nachdrücklich zeigen, dass Du nicht oder nicht mehr ihr Freund bist?

Und noch ein wichtiger Punkt: die riesigen Herausforde­

rungen in Bezug auf die Umwelt und den Klimawandel.

Sie betreffen unseren gesamten Planeten und die Lebens­

qualität der folgenden Generationen. Es wäre schön, wenn Du darauf hinwirken könntest, dass die Schweiz in  dieser Hinsicht auf nationaler und internationaler Ebene eine beispielhafte Rolle einnimmt.

Ich schliesse mit Europa! Ich war und bin immer noch fest davon überzeugt, dass die enge Zusammenarbeit mit der EU (einschliesslich einer Art Rahmenvertrag) der ein­

zig gangbare und angemessene Weg für unser Land ist.

Um es offen zu sagen: Trotz der opportunistischen Erklä­

rungen der Kandidaten für den Bundesrat ist die Kampa­

gne der Nationalisten gegen «fremde Richter» verwerf­

lich, ein weiteres taktisches Manöver der Politik.1 Alle meine guten Wünsche begleiten Dich, lieber Igna­

zio. Man weiss es wohl: «On ne gouverne qu’au centre.»

Ich wage es, Dich daran zu erinnern. Und ich bin dank­

bar, wenn Du deine berufliche Herkunft, die Gesund­

heit, die Medizin und die Pflege, nicht vergisst.

1 Vgl. den Art. «Juges étrangers: une  attaque contre l’indépendance de la justice», Prof. Yves Sandoz. Le Temps, 12. September 2017, S. 10.

jean.martin[at]saez.ch

BUNDESRATSWAHL 1248

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI 2017;98(39):1248 SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI 2017;98(39):1248

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(10)

Vergütung ab 1. August 2017

Komplementärmedizin in der Grundversicherung

Gisela Etter

Dr. med., Allgemeine Innere Medizin, Mitglied FMH, Homöopathie (SVHA)

Die obligatorische Krankenpflegeversicherung wird die ärztlichen komplementär­

medizinischen Leistungen weiterhin übernehmen, und zwar unbefristet.

An seiner Sitzung vom 16. Juni 2017 hat der Bundesrat die neuen Verordnungsbestimmungen genehmigt, welche die komplementärmedizinischen ärztlichen Leistungen den anderen von der OKP vergüteten medizinischen Fachrichtungen gleichstellen. Die neuen Regelungen tra- ten per 1. August 2017 in Kraft.

Im Mai 2009 haben Volk und Stände den neuen Verfas­

sungsartikel zur Berücksichtigung der Komplementär­

medizin deutlich angenommen. Seit 2012 vergütet die OKP die ärztlichen Leistungen der anthroposophi­

schen Medizin, der Arzneimitteltherapie der Traditio­

nellen Chinesischen Medizin (TCM), der klassischen Homöopathie und der Phytotherapie. Diese Kosten­

übernahme war jedoch bis Ende 2017 befristet.

Die Akupunktur, die bereits unbefristet von der OKP vergütet war, wurde neben den vier provisorisch ver­

güteten Fachrichtungen ebenfalls in diese Gleichstel­

lung einbezogen.

Der Statuswechsel der ärztlichen komplementärmedi­

zinischen Leistungen hat keine finanziellen Auswir­

kungen.

Die UNION Schweizerischer komplementärmedizini­

scher Ärzteorganisationen begrüsst diesen Entscheid des Bundesrates.

Der neue Lernzielkatalog «PROFILES» (= Principal Rele­

vant Objectives and Framework for Integrated Learn­

ing and Education in Switzerland) wurde am 15. März 2017 definitiv durch die Schweizerische Medizinische Interfakultätskommission (SMIFK/CIMS) genehmigt.

Auch hier wird die Komplementärmedizin, wie im Me­

dizinalberufegesetz (MedBG) aus dem Jahr 2013 gefor­

dert, klar berücksichtigt. Nun bedarf es jedoch der kor­

rekten Umsetzung an den einzelnen Universitäten, damit dem Volkswillen von 2009 Genüge getan wird!

Die UNION Schweizerischer komplementärmedizini­

scher Ärzteorganisationen vereinigt als Dachverband über 1000 Ärztinnen und Ärzte, welche zusätzlich zu ihrer konventionellen Facharztausbildung eine Weiter­

bildung gemäss Fähigkeitsprogrammen in Phyto­

therapie, klassischer Homöopathie, anthroposophisch erweiterter Medizin oder Akupunktur – Arznei mittel­

therapie der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) des Schweizerischen Instituts für Weiter­ und Fortbildung (SIWF) innehaben.

Die UNION entstand 1996 aus der «Arbeitsgruppe Kom­

plementärmedizin» heraus und dient den Behörden und der FMH seither als einheitlicher Gesprächspart­

ner in allen Fragen zur ärztlichen Komplementärmedi­

zin.

Dass sich die UNION auch für Qualität einsetzt, hat sie gezeigt, indem sie 2016 mit zahlreichen anderen Ärzte­

organisationen die Qualitäts­Charta der FMH unter­

zeichnet hat.

Die vier in der UNION vereinten Ärzteorganisationen bieten interessante und flexible Curricula zu den ent­

sprechenden Fähigkeitsausweisen. Diese werden von den einzelnen Fachgesellschaften verwaltet, sind vom Schweizerischen Institut für Weiter­ und Fortbildung (SIWF) anerkannt und berechtigen zur Abrechnung der speziellen Tarifpositionen im TARMED. Weitere Infor­

mationen finden sich auf der Website des SIWF oder der einzelnen Fachgesellschaften.

Korrespondenz:

Geschäftsstelle UNION Schweizerischer komplementärmedizini­

scher Ärzteorganisationen Tribschenstrasse 7 Postfach 3065 CH­6002 Luzern Tel. 041 368 58 05 info[at]unioncomed.ch www.unioncomed.ch

Vorstand

Präsidentin: Dr. med. Gisela Etter Vizepräsidentin: Dr. med. Anita Meyer Kassier: Dr. med. Roger Eltbogen

Vorstandsmitglieder: Dres. med. Brigitte Ausfeld-Hafter, Franziska Bläuer, Roland Koller

Der Statuswechsel der ärztlichen

komplementärmedizinischen Leistungen hat keine finanziellen Auswirkungen.

ORGANISATIONEN DER ÄRZTESCHAFT UNION 1249

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI 2017;98(39):1249

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(11)

Das (Kunst-)Fehler-System

Der Schutz von Leib und Leben inklusive Ge- sundheit ist und bleibt oberste Aufgabe der Gemeinschaft. Die zuerst dafür Verantwortli- chen sind der Verteidigungs- und der Gesund- heitsminister. Sowenig die Landesverteidi- gung als individuelle Verantwortung dem einzelnen Bürger übertragen wird, sowenig ist der Schutz vor Volkskrankheiten die indi- viduelle Aufgabe der davon betroffenen Opfer.

Diese Einsicht liegt dem Epidemiegesetz zu- grunde, dessen Erneuerung 2013 vom Volk gutgeheissen wurde.

Vor hundert Jahren dominierten die Epide- mien der übertragbaren Krankheiten (CDs), heute die der nicht-übertragbaren Krankhei- ten (NCDs). Sind im ersten Fall die biolo- gischen Erreger die Nutzniesser, so sind es in den anthropogenen Epidemien Indus- trien, z.B. die Tabakindustrie, ihre Märkte und Händler. Nach jahrzehntelangem Rin- gen wies die medizinische Wissenschaft der Tabakindustrie nach, dass ihr Produkt für die menschliche Gesundheit schädlich und letztlich tödlich ist. Heute können diese

«Epidemisten» ihr Geschäft nur noch als Bei- trag zu Wirtschaftswachstum, Wohlstand (!) und gesunden (!) Staatsfinanzen samt AHV vermarkten. Jede diesbezügliche Einnahme

geht auf Kosten der Volksgesundheit. Solange das Geschäft mit den menschengemachten Epidemien lukrativ ist, gewinnt der Staat zweimal: zum einen über die Besteuerung der Epidemisten, zum anderen über jene Steuern, die das lukrative Geschäft mit der Behandlung der modernen Volkskrankhei- ten generiert.

Als deren Nutzniesser haben weder Wirt- schaft noch Staat ein ökonomisches Interesse, die anthropogenen Epidemien zu verhindern.

Weder der Gesundheitsminister noch das BAG anerkennen in ihren Strategien die anthro pogenen Epidemien. Somit stellen sie das Gesundheitssystem ausserhalb der wis- senschaftlichen Medizin, die seit mindestens zwei Jahrzehnten die menschengemachten Epidemien der NCDs als grösste Herausforde- rung für die Gesundheitssysteme bezeichnet.

Bundesrat und BAG, aber auch die Kranken- versicherer, die Gesundheitsindustrie und ihr Markt samt FMH sind solange angeklagt, ihren ersten Auftrag im Gesundheitswesen nicht zu erfüllen, als sie

1) nicht bewiesen haben, dass die medizini- sche Wissenschaft irrt, wenn sie die Diagnose

«NCDs-Epidemie» stellt. Die Verantwortlichen müssen ihre Ablehnung dieser Diagnose be- gründen und die nationale und internatio- nale Wissenschaft und die WHO öffentlich

auffordern, ihren Irrtum nicht mehr zu ver- breiten.

2) Sollte ihnen der Beweis nicht gelingen, so müssen sie erklären, warum sie sich einer- seits auf die medizinische Wissenschaft stüt- zen, um die Gesundheit vor den biologischen Epidemien (CDs) zu schützen, andererseits aber dieselbe Wissenschaft im Fall der NCDs- Epidemien ablehnen.

3) Sie müssen den Prämienzahlern nachwei- sen, dass es zweckmässiger und wirtschaftli- cher ist und die Gesundheitskosten dämpft, wenn in die Eigenverantwortung investiert und die Epidemien behandelt statt verhindert werden.

Solange sie diese Fragen nicht beantwortet haben, ist das jetzige Gesundheitssystem un- wissenschaftlich, willkürlich und parasitär in jenen 40% bis 50%, welche die vermeidbaren NCDs ausmachen, deren grosser Teil anthro- pogene Epidemien sind. Der (Kunst-)Fehler, Epidemien zu therapieren statt zu verhin- dern, führt zu Behandlungskosten, die in dem Masse parasitär sind, als sie mit einer zeit- gemässen Politik und ihrem Epidemiegesetz verhindert würden, einem Gesetz, das unse- rer obersten Verpflichtung entspricht.

Dr. med. Roland Niedermann, Allgemeinmedizin, Genf

Mitteilungen

Schweizerische Neurologische Gesellschaft

Preis der Mogens und Wilhelm Ellermann-Stiftung

Die Schweizerische Neurologische Gesell- schaft verleiht 2018 zum sechzehnten Mal den Preis der Mogens und Wilhelm Eller- mann-Stiftung im Betrage von 20 000 CHF.

Der Preis wird vergeben

a) für eine wissenschaftliche Arbeit aus dem Gebiet der neurologi schen Wissenschaften,

die in den letzten zwei Jahren publiziert oder von einer international anerkannten Zeitschrift zur Publikation ange nommen worden ist,

b) für eine Monographie, die nicht den Charakter eines Lehrbuches oder einer Übersicht hat, oder

c) für ein wissenschaftliches Gesamtwerk aus dem Gebiet der neurolo gischen Wissenschaf- ten.

Die Arbeit muss von einem oder mehreren Schweizer Wissenschaftern oder von

Ausländern, die an einer schweizerischen Klinik oder Institut tätig sind, verfasst worden sein. Vorzugsweise sollen jüngere Autoren, die nicht oder erst kürzlich habilitiert worden sind, berücksichtigt werden.

Bewerbungen mit Curriculum vitae und Publikationsliste (nur peer-reviewed Originalarbeiten) in fünffacher Ausführung inkl. Separata sind bis zum 30.11.2017 zu richten an Prof. Dr. med. C. L. Bassetti, Direktor und Chefarzt, Universitätsklinik für Neurologie, Inselspital Bern, 3010 Bern.

BRIEFE / MITTEILUNGEN redak tion.saez@emh.ch 1250

Briefe an die SÄZ

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Interview mit Hans Rudolf Koelz, ehemaliger Vizepräsident SIWF

Eminenz, Evidenz, Exzellenz

Matthias Scholer

Wissenschaftsjournalist

Ein Mann liegt bäuchlings im Gras, seine Kamera mit markantem Teleobjektiv auf ein nicht sichtbares Objekt gerichtet. Dies ist eines der auffallend wenigen Bilder, die mir die Suchmaschine nach der Eingabe des Namens Hans Rudolf Koelz liefert. Wie dieses Bild wohl zur Person passt, die ich heute zum Interview treffen werde? Zumindest ist das Motiv unerwartet unüblich für einen Professor der Gast­

roenterologie und langjährigen Vizepräsidenten des SIWF.

Herr Koelz, wann ist das obenstehende Foto entstan- den?

Hans Rudolf Koelz: Das Foto hat meine Frau vor rund 40 Jahren im Yellowstone Nationalpark aufgenommen, als ich mich an einen Bison heranpirschte. Es ist für meine Person charakteristisch.

Inwiefern?

Seit meiner Schulzeit interessiere ich mich sehr für Naturwissenschaften, aber auch für Musik. Zuerst lieb­

äugelte ich mit einem Studium der Zoologie oder der Veterinärmedizin. Mir wurde jedoch rasch klar, dass ich danach kaum reelle Chancen haben würde, Zoo­

direktor zu werden, sondern wohl irgendwo als Lehrer enden würde. Also ging ich zum Berufsberater. Der konnte mir jedoch nicht weiterhelfen. Er meinte bloss, dass sämtliche Studien für mich in Frage kämen. So

entschied ich mich schliesslich für die Humanmedizin, da mir diese Ausbildung die meisten Optionen offen­

liess.

Sie haben bereits vor dem Abschluss ihres Studiums ein Diplom in Tropenmedizin gemacht.

Also schlummerte doch ein Hauch von Daktari und Albert Schweitzer in Ihnen?

Tatsächlich träumte ich während des Studiums von einem Einsatz in den Tropen. Diese Leidenschaft teilte ich mit einem engen Freund, den ich schon von der Schulzeit her kannte. Wir beide langweilten uns etwas während des Studiums. Und so absolvierten wir par­

allel zum regulären Unterricht den Tropenkurs am Schweizer Tropeninstitut. Dabei kam ich dank interes­

santen Themen wie Gifttierkunde, Veterinärmedizin und Biologie voll auf meine Rechnung.

Auf der Büffelpirsch in den USA.

TRIBÜNE Inter view 1261

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Trotzdem waren Sie danach nicht als Tropenarzt tätig?

Ja, es kommt eben doch oft anders, als man denkt. Zwei Wochen nach dem Staatsexamen reiste ich als Expe­

ditionsarzt einer alpinistischen Expedition auf dem Landweg von Zürich nach Kabul und dann in den Hin­

dukusch. Ich kehrte danach in die Schweiz zurück.

Evidenz statt Eminenz

Während Hans Rudolf Koelz seine Jugenderinnerun­

gen schildert, erkennt man in seinen Augen das Feuer, welches den jungen Mediziner angetrieben hat, mög­

lichst viel Wissen oder vielmehr Verstehen in sich auf­

zusaugen. Fallen bestimmte Schlüsselwörter, driftet unser Gespräch gerne in eine neue, nicht minder span­

nende Richtung. Ein Begriff auf den wir dabei immer wieder stossen ist die «Evidenz­basierte Medizin».

Nach zwei Jahren als Assistenzarzt wechselten Sie in den Forschungsbereich. Wie kam es dazu?

Während meiner Zeit an der Medizinischen Klinik des Stadtspitals Triemli lernte ich Professor André Blum kennen. Er nahm mich im Rahmen eines National­

fondsprojekts im Bereich der Gastroenterologie unter seine Fittiche. Blum war für mich persönlich und mei­

nen beruflichen Werdegang prägend. Bei ihm lernte

ich nicht nur, wissenschaftlich zu denken. Er vermit­

telte mir auch, weshalb die dazumal populäre «emi­

nence­based medicine» ausgedient hatte und durch

«evidence­based medicine» ersetzt werden musste. So lernte ich schon früh, dass jede Behauptung in einer wissenschaftlichen Arbeit mit Fakten, Zahlen und Be­

weisen unterlegt sein muss. Zwar braucht es dafür nicht immer randomisierte Doppelblindstudien, aber Schlüsse aus persönlichen Erfahrungen mit n=1 zu zie­

hen, hatten für mich damit definitiv ausgedient.

Viele Behandlungsmethoden kommen trotz mangelnder Evidenz zum Einsatz ...

Es gibt diagnostische und therapeutische Methoden, bei denen es kaum möglich ist, alles zu testen und zu belegen. Trotzdem machen sie Sinn. Aber es existieren tatsächlich Gebiete, in denen die Evidenz, die nach allen Regeln der Kunst erforscht wurde, klar zeigt, dass etwas nicht funktioniert. Dass solche Behandlungs­

methoden trotzdem im klinischen Alltag angewendet und von den Kassen sogar vergütet werden, ist störend.

Können Sie uns ein Beispiel dafür geben?

Die Homöopathie ist ein gutes Beispiel. Wenn man be­

hauptet, ein Arzneimittel habe eine stärkere Wirksam­

keit als ein Placebo, obwohl die Moleküle, welche bei der Produktion ins Wasser gegeben wurden, nicht mehr vorhanden sind, dann will ich dafür solide Be­

weise. Irgendjemand hat mal gesagt: «Für ausseror­

dentliche Behauptungen, braucht es ausserordentlich gute Evidenz.» Dem kann ich nur zustimmen. Ohne entsprechende Evidenz lasse ich mir mein Weltbild nicht so leicht umkrempeln.

Weiter- und Fortbildung

Die Mitarbeit an einem Nationalfondsprojekt weckte den Wissenschaftler in Hans Rudolf Koelz. Nach seiner Zeit in Zürich folgten einige Jahre in den USA, während derer Koelz im Bereich der Gastroenterologie forschte.

Oder wie er es augenzwinkernd ausdrückt: «Ich pipet­

tierte etwa sechs Jahre lang.» Nach seiner Rückkehr in die Schweiz setzte Hans Rudolf Koelz seine Karriere als praktizierender Gastroenterologe fort. Parallel zur klini­

schen Tätigkeit engagierte sich Koelz vermehrt auch im Bereich der Weiter­ und Fortbildung. Dies insbesondere beim Schweizerischen Institut für ärztliche Weiter­ und Fortbildung (SIWF) bzw. dessen Vorgängerorganisation.

Koelz amtete die letzten acht Jahre seiner 24­jährigen Mitarbeit in diesen Gremien als Vizepräsident des SIWF.

Was gehörte zu Ihren Aufgaben als Vizepräsident des SIWF?

Ich kümmerte mich hauptsächlich um die Weiterbil­

dungsprogramme. So musste ich Anträge auf neue Weiterbildungsgänge verschiedenster Fachrichtungen auf ihre Sinnhaftigkeit hin überprüfen. Nach meiner Begutachtung folgte die Einschätzung durch die Ge­

schäftsleitung. Auch wenn während dieses Prozesses der Diskurs mit den zuständigen Fachgesellschaften gesucht wird, fällt schliesslich der Vorstand, seltener das Plenum des SIW, demokratisch den Entscheid, ob ein Antrag angenommen wird oder nicht. Dank der weitgehenden Eigenständigkeit des SIWF sind die Ex­

perten in ihrer Entscheidungsfindung soweit machbar unabhängig von gesundheits­, standespolitischen und pekuniären Gegebenheiten. Damit lassen sich Ände­

rungen im Gefüge der Weiter­ und Fortbildung effi­

zient umsetzen – ein Umstand, für den wir von unse­

ren europäischen Kollegen in analogen Gremien häufig beneidet werden.

Was steht der Entwicklung der Weiterbildung im Weg?

Das Arbeitsgesetz schränkt die Weiterbildung stark ein.

Assistenzärztinnen und ­ärzte können kaum mehr zu­

«So lernte ich schon früh, dass jede Behauptung in einer wissenschaftlichen Arbeit mit Fakten, Zahlen und Beweisen unterlegt sein muss.»

TRIBÜNE Inter view 1262

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sätzliche Vorlesungen oder Kongresse besuchen, ohne die maximal zulässige Wochenarbeitszeit von 50 Stun­

den zu überschreiten. Das muss unbedingt geändert werden. Wir haben vorhin von Evidenz gesprochen. Für die Behauptung, jemand könne nach 50 Stunden nicht mehr adäquat arbeiten, liegt diese bei Null.

Verschärfend kommt hinzu, dass immer mehr Frauen Medizin studieren. Viele von ihnen sind nach dem Er­

reichen des Facharzttitels jedoch nicht mehr ärztlich tätig, oder arbeiten wie die Mehrheit der männlichen Kollegen nur noch Teilzeit. All diese Faktoren zusam­

men machen die Aus­ und Weiterbildung in einer Kos­

ten­Nutzen­Bilanz sehr teuer.

Sie haben letztes Jahr ihr Amt an Giatgen Spinas übergeben. Ist damit das Kapitel SIWF für Sie abgeschlossen?

Ich bin sehr froh, dass das SIWF einen so kompetenten Nachfolger gefunden hat. Was mich noch etwas beun­

Stark verkürzter Lebenslauf von H. R. Koelz

1972 Abschluss Medizinstudium Basel

1973–1986 Verschiedene Stationen im Bereich der Inneren Medizin und Forschung auf dem Gebiet der Gastroenterologie (Schweiz und USA).

1986 Habilitation Universität Bern, Facharzt Innere Medizin und Gastroenterologie.

1986–2009 Leiter der Abteilung Gastroenterologie, Stadt­

spital Triemli und diverse Funktionen in Verbän­

den und Kommissionen.

1992–2000 Mitglied des Plenums der Kommission für Wei­

ter­ und Fortbildung (KWFB) der FMH 2000–2008 Mitglied des Ausschusses der KWFB der FMH 2008–2016 Vizepräsident des Schweizerischen Instituts für

Weiter­ und Fortbildung (SIWF).

In seiner Karriere publizierte Hans Rudolf Koelz rund 180 wissen­

schaftliche Arbeiten.

Hans Rudolf Koelz kümmerte sich jahrelang beim SIWF um die Weiterbildung.

ruhigt, ist die Tatsache, dass noch keine Nachfolge für den Präsidenten Werner Bauer am Horizont zu sehen ist. Dabei wäre es doch so wichtig, dass diese Person von Bauers unglaublich breitem Fachwissen profitie­

ren könnte.

Zum Schluss unseres Gesprächs frage ich Hans Rudolf Koelz noch, ob es ihm nicht schwerfällt, nach einem so abwechslungsreichen Berufsleben kürzer zu treten.

Doch als er mir dann von seinem Garten, seinen «küh­

nen» Wanderungen und der Zuneigung zur Musik er­

zählt, zerstreuen sich meine Bedenken, dass sich Koelz mit dem Ruhestand schwertut.

Übrigens habe er sich, so erzählt er mir, auch gerade ein Gerät zusammengebaut, mit dem er den Ruf der Fledermäuse hörbar machen könne. So liegt Hans Rudolf Koelz nun nicht mehr mit dem Teleobjektiv auf der Lauer, dafür schwenkt er ein Richtmikrofon in den Nachthimmel.

Bildnachweis

Schwarzweissfoto: Hans Rudolf Koelz Porträt: Bruno Kesseli

Korrespondenz:

mscholer[at]emh.ch

«All diese Faktoren zusammen machen die Aus- und Weiterbildung in einer Kosten-Nutzen- Bilanz sehr teuer.»

TRIBÜNE Inter view 1263

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI 2017;98(39):1261–1263

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Eine nationale Infrastruktur für ein lernendes Gesundheitssystem

Swiss Learning Health System

Stefan Boesa, Mirjam Bracha, b, Cornel Kaufmanna, Sarah Mantwilla, Sara Rubinellia, b, Gerold Stuckia, b, für das Konsortium der Projektpartner im SLHS

a Universität Luzern, Seminar für Gesundheitswissenschaften und Gesundheitspolitik

b Schweizer Paraplegiker Forschung, Nottwil

Das Schweizer Gesundheitssystem zählt zu den besten weltweit. Um auch künftig den Herausforderungen im Gesundheitswesen effektiv und effizient begegnen zu können, bedarf es einer Infrastruktur und einer Kultur, in welcher die beste Evi­

denz systematisch verfügbar gemacht und genutzt wird und sich das System basie­

rend auf einem ständigen Austausch zwischen Forschung, Politik und Praxis wei­

terentwickelt. Das Swiss Learning Health System soll dies in enger Zusammenarbeit mit den verschiedenen Akteuren im Gesundheitswesen institutionalisieren. Dieser Artikel stellt die Ziele und Mechanismen des Swiss Learning Health Systems dar – vor dem Hintergrund nationaler und internationaler Initiativen zur Stärkung der Gesundheitsversorgung und zur Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung durch Lernzyklen.

Hintergrund

Moderne Gesundheitssysteme, wie das der Schweiz, werden in den nächsten Jahren mit zahlreichen Her­

ausforderungen konfrontiert. Die Alterung der Bevöl­

kerung, neue und veränderte Krankheitsbilder, der technische Fortschritt und wechselnde Anforderun­

gen an die Gesundheitsberufe sind nur einige Beispiele dafür. Um den kommenden Herausforderungen effek­

tiv und effizient zu begegnen, hat der Bundesrat die Strategie Gesundheit 2020 verabschiedet [1]. Diese legt

vier übergeordnete Handlungsfelder für gesundheits­

politische Massnahmen und Aktivitäten fest: 1. Lebens­

qualität, 2. Versorgungsqualität, 3. Chancengleichheit und 4. Transparenz. Ziel ist es, ein Gesundheitssystem zu entwickeln, das auf die spezifischen Bedürfnisse der Menschen ausgerichtet ist, zur Ver besserung der Ge­

sundheit und des Wohlbefindens der Bevölkerung.

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) unterstrich be­

reits in seinem Forschungskonzept Gesundheit 2013–2016 entsprechend die Notwendigkeit zur Stärkung der Ver­

Résumé

Le système de santé suisse est l’un des meilleurs au monde. Pour que les défis sanitaires puissent continuer d’être relevés de manière efficace et per- formante, il faut une infrastructure et une culture dans lesquelles la meil- leure donnée factuelle est systématiquement rendue accessible et exploi- tée et dans lesquelles le système se perfectionne sur la base d’un échange constant entre la recherche, la politique et la pratique. Le Swiss Learning Health System vise à institutionnaliser cette démarche en étroite collabo- ration avec les différents acteurs du système de santé. Cet article présente les objectifs et mécanismes du Swiss Learning Health System, dans un contexte d’initiatives nationales et internationales de renforcement des soins et d’amélioration de la santé de la population par des cycles d’apprentissage.

Konsortium der Projektpartner und  lokale Koordinatoren

Universität Basel, Swiss Tropical and Public Health Institute (SwissTPH): Kaspar Wyss

Université de Neuchâtel: Paul Cotofrei, Kilian Stoffel Università della Svizzera italiana (USI): Stefano Calciolari,

Marco Meneguzzo

Universität Luzern (Hauptantragsteller): Gerold Stucki, Stefan Boes, Adrian Loretan, Bernhard Rütsche Universität Zürich: Thomas Rosemann, Stefan Neuner-

Jehle

Scuola universitaria professionale della Svizzera italiana (SUPSI): Luca Crivelli, Carlo Di Pietro

Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW): Urs Brügger, Karin Niedermann, Astrid Schämann, Simon Wieser

Swiss School of Public Health (SSPH+): Nino Künzli

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI 2017;98(39):1264–1268

TRIBÜNE Thema 1264

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