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Gutachterliche Stellungnahme
Zusammenfassung der Ergebnisse Auftraggeber:
Bundesstelle für Energieeffizienz (BfEE)
beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) Frankfurter Straße 29-35
D-65760 Eschborn
http://www.bfee-online.de
Rechtsgutachten Contracting – Endbericht
Arbeitspaket 1 (Anwendbares Recht / Hemmnisse)
PricewaterhouseCoopers Legal Aktiengesellschaft
Rechtsanwaltsgesellschaft Friedrich-Ebert-Anlage 35-37 60327 Frankfurt am Main Tel.: +49 69 9585-6617 Fax: +49 69 9585-6419
Datum: 3. Dezember 2019
Auftrag: BfEE 10/2017
2 A. Ausgangslage und Aufgabenstellung
Der Begriff „Contracting“ (oder „Energie-Contracting“) hat sich für integrierte Energiedienstleis- tungsprodukte etabliert, welche das Ziel haben, Energie- und Kosteneffizienz von Gebäuden oder Produktionsbetrieben langfristig zu verbessern. In 2017 entfiel hierauf ein Umsatz von insgesamt rund 7,2 – 8,6 Mrd. €.1
Gegenstand der vorliegenden Ausarbeitung ist die Identifizierung derjenigen rechtlichen Nor- men, welche auf Contracting-Gestaltungen anwendbar sind, sowie die Beschreibung etwaiger rechtlicher Hemmnisse, denen sich Anbieter und Nachfrager von Contracting-Leistungen gegen- übersehen.
Das Ziel der BfEE ist dabei, durch die Unterstützung von Marktteilnehmern höhere Energieeffi- zienz für besseren Klimaschutz zu erreichen. Deshalb sollen im Rahmen dieses Arbeitspakets Vor- schläge entwickelt werden, wie rechtliche Normen geändert werden könnten, um zukünftig mehr Contracting-Projekten zur Realisierung zu verhelfen, welche Energieeffizienzmaßnahmen tat- sächlich umsetzen.
Dieses Dokument enthält eine Zusammenfassung des Arbeitspaket 1 des „Rechtsgutachtens Contracting“ (BfEE 10/2017).
1 Vgl. Bundesstelle für Energieeffizienz (BfEE) (Hrsg.), „Empirische Untersuchung des Marktes für Ener- giedienstleistungen, Energieaudits und andere Energieeffizienzmaßnahmen im Jahr 2018“, Endbericht 2018 – BfEE 17/2017, Eschborn, 2019.
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B. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
I. Vielseitige Gestaltungsmöglichkeiten im Contracting führen zu Berührungspunkten mit vielen verschiedenen Rechtsnormen
Als integrierte Energiedienstleistungsprodukte handelt es sich bei allen vier Contracting-Arten (Energieliefer-Contracting, Energiespar-Contracting, Technisches Anlagenmanagement/Be- triebsführungscontracting und Finanzierungs-Contracting) um gemischte Verträge. Je nach konkreter Ausgestaltung findet eine Vielzahl von Gesetzen bzw. Normgruppen Anwendung.
II. Normen, die im Wesentlichen das jeweilige Geschäftsmodell prägen
Der Frage nach möglichen Contracting-Hemmnissen vorangestellt ist die Frage, welche Normen das jeweilige Geschäftsmodell prägen, also Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit haben. Die De- tailanalyse der Studie zeigt, dass es sich hierbei im Wesentlichen um Normen handelt, die un- mittelbaren Einfluss auf das mögliche Contracting-Entgelt und die Kostentragung haben (etwa
§ 24 AVBFernwärmeV oder § 556c BGB) sowie auf die Steuer- und Umlagenbelastung bzw. de- ren Entlastungsmöglichkeiten (also Strom- und EnergieStG, EEG, KWKG). Zudem sind die an- spruchsvollen vergabe- und haushaltsrechtlichen Vorgaben zu betrachten.
III.Eigenerzeugung und kompletter Fremdbezug als sinnvolle Vergleichs- gruppen
Die Studie unterstellt, dass sich rational agierende Wirtschaftsteilnehmer vor dem Hintergrund konkreter Handlungsalternativen für oder gegen eine Contracting-Gestaltung entscheiden. Ver- gleichsgruppen sind deshalb Eigenerzeugung und kompletter Fremdbezug.
Es zeigt sich:
• Komplexe rechtliche Anforderungen liegen vielfach „in der Natur der Sache“ einer kom- plexen Dienstleistung, beispielsweise höherer vergaberechtlicher Aufwand. Ursache der- artiger Hemmnisse ist nicht eine rechtliche Ungleichbehandlung (die einfach beseitigt werden könnte). Ursache sind strukturelle Unterschiede, die im Geschäftsmodell Contrac- ting begründet sind und allenfalls durch rechtspolitische Maßnahmen kompensiert wer- den könnten. Eine Förderung des Contractings wird dann – wie schon heute u.a. von der BfEE praktiziert – an der Beratung und Unterstützung der Akteure ansetzen müssen, etwa durch Musterverträge, Leitfäden und weiteren Informationen.
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• Gegenüber Eigenerzeugung/Eigenverbrauch werden Contracting-Gestaltungen insbeson- dere nach dem EEG, KWKG und StromNEV rechtlich benachteiligt, da dem Contractor die gesetzlichen Begünstigungen nicht zustehen. Die Umsetzung von Energieliefer- Contracting scheitert derzeit deshalb häufig an mangelnder Wirtschaftlichkeit. Auch au- ßerhalb des Energieliefer-Contractings ergibt sich hieraus ein Hemmnis, wenn mehrere Personen Gebäude und/oder Anlagen nutzen. Das Strom- und EnergieStG dagegen ist im positiven Sinne „Contracting-neutral“ und kann Orientierung bieten.
IV. Technische Anlagenmanagement als Ausweichlösung
Die Contracting-Praxis hat auf die Benachteiligung des Energieliefer-Contractings durch Aus- weichen auf Technisches Anlagenmanagement reagiert und vielfach auch bestehende Verträge umgestellt. Ursache hierfür waren sinkende Energiepreise bei steigenden Umlagen. Auch beim Einspar-Contracting besteht dieser Nachteil nicht, solange der Einspar-Contractor nicht Anla- genbetreiber wird.
Anders als beim Energieliefer-Contracting müssen die mit dem Anlagenbetrieb verbundenen Aufgaben und Anforderungen (energierechtliche Compliance) vom Contracting-Nehmer erfüllt werden. Der Contractor kann lediglich (dienstleistend) unterstützen. Die diesbezüglichen Com- pliance-Anforderungen sind in den letzten Jahren vielfach gestiegen.
V. Fehlen von Rechtssicherheit und Vertrauensschutz als Contracting- Hindernis
Da Contracting-Verträge meist über längere Zeiträume abgeschlossen werden, besteht auf Sei- ten der Akteure ein großes Bedürfnis nach Rechtssicherheit und Vertrauensschutz. Hier sind weitere flankierende Maßnahmen möglich und wünschenswert.
VI. CO2 Preissignale setzen
In rechtspolitischer Hinsicht contracting-fördernd wäre eine stärkere Finanzierung der Ener- giewende über CO2-Preissignale anstelle der Betonung des Eigenverbrauchs.
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Eine Reform müsste jedoch einen Zielkonflikt bewältigen: die Umstellung der bestehenden Sys- tematik bei gleichzeitiger Gewährung von Vertrauensschutz für getätigte Investitionen unter Be- achtung der beihilfenrechtlichen Vorgaben.
VII. Möglichkeiten zu contracting-förderlichen Maßnahmen im bestehenden rechtlichen Rahmen
Auch innerhalb des bestehenden rechtlichen Rahmens sind contracting-förderliche Maßnahmen möglich:
• Im bestehenden rechtlichen und wirtschaftlichen Umfeld stehen Energieliefer-Contrac- ting, Energiespar-Contracting und Technisches Anlagenmanagement (ggf. verbunden mit Finanzierungs-Contracting, „Pachtmodell“) gleichberechtigt nebeneinander. Staatliche Institutionen, wie die BfEE, sollten auch zukünftig Transparenz und Vielfalt fördern und die Akteure hierdurch in deren Entscheidung für die in der jeweiligen Situation beste Contracting-Art unterstützen.
• Deshalb empfiehlt sich die Aufwertung des Technischen Anlagenmanagements (Betriebs- führungscontracting). Eine Übertragung von Effizienzchancen und -risiken auf den Be- triebsführer birgt jedoch die Gefahr, dass dieser Anlagenbetreiber wird und in der Folge Begünstigungen verloren gehen. Eine gesetzliche Klarstellung könnte hier mehr Transpa- renz und Rechtssicherheit schaffen.
• Der jüngst novellierte § 556c BGB schützt Mieter davor, dass eigentlich vom Vermieter zu tragende Investitionen über ein Wärme-Contracting als Mietnebenkosten auf Mieter über- wälzt werden. Folge ist, dass eine Umstellung auf das Contracting häufig wirtschaftlich nicht darstellbar ist. Eine Lösung kann schon heute ein „Baukostenzuschuss“ des Vermie- ters sein; hier ist eine gesetzliche Klarstellung empfehlenswert.
• Contracting-Gestaltungen, welche Errichtung und Betrieb von Erneuerbare-Energien- (EE) oder Kraft-Wärme-Kopplungs- (KWK) Erzeugungsanlagen beinhalten, resultieren in komplexen technischen und rechtlichen Pflichten (EEG-, KWKG-, Strom- und Energie- steuer-Compliance), insbesondere bei Weiterleitungssachverhalten. Die diesbezüglichen rechtlichen Vorgaben sind (zu) hoch; das BMWi hat dies erkannt und im Rahmen des
„Energiesammelgesetzes“ adressiert. Eine umfassende und einheitliche gesetzliche Rege- lung ist im Sinne der Contractoren wie der Contracting-Nehmer zu unterstützen.
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• Preisklauseln in Wärmeliefer(contracting)-verträgen erfüllen die Vorgaben aus der AVB- FernwärmeV häufig nicht rechtssicher. Da eine Reform primär die Bedürfnisse der Fern- wärmekunden (und nicht die der Contracting-Nehmer) berücksichtigen muss, empfiehlt die Studie eine erleichterte Abdingbarkeit der AVBFernwärmeV.
PricewaterhouseCoopers Legal Aktiengesellschaft
Rechtsanwaltsgesellschaft
Dr. Boris Scholtka Dr. Christian Trottmann Dr. Melanie Meyer
Rechtsanwalt Rechtsanwalt Rechtsanwältin