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Zur Frage der Lokalisation der Polyneuritis.

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( Aus der Psychiatrischen und Nervenklinik Rostock-Gehlsheim [Dir. Prof. K 1 e is t]. )

Zur Frage der Lokalisation der Polyneuritis.

V o n

Prof. F. K. Walter,

Oberarzt d. Klinik, z. Z. ordinierender Arzt der Nervenabteilung des Res.-Lazaretts Rostock.

Mit 11 T e x t a b b i l d u n g e n . (Eingegangen am 12. Juli 1918.)

Trotz zahlreicher Untersuchungen ist die Genese der Polyneuritis heute keineswegs geklart. W~thrend die Annahme einer primaren Muskelerkrankung, wie sie ffir die Bleil~itnmmg z. B. von H i t z i g und F r i b d l a n d e r gemacht wurde, jetzt wohl ziemlich Mlgemein ver- lassen ist, stehen sich nach wie vor zwei Anschauungen gegenfiber, yon denen die eine dell Ausgang des Leidens im peripheren Nerv, die anderc in den zugeh6rigen Nervenzellen sucht. Der Versuch, die Frage auf pathologisch-anatomischem Wege zu entscheiden, hat bisher nicht zmn Ziele geftihrt. Sicher ist wohl, dab man in vorgeschrittenen Fallen regehn~Big Ver~nderungen degenerativer Art im Peripheren Nerven findet, wahrend solche im Riickenmark h~ufig vermigt werden. Anderer- seits sind yon verschiedenen Autoren -- und die Befunde haben sich bei der Anwendung der verfeinerten Farbemethoden 2weifellos ge- mehrt -- Vcr~inderungen im Rtickemnark, besonders an den Vorder- hornzellen nachgewiesen, die den Gedanken nahelegen, dab hier der Angriffspunkt der Noxe liege. Eine Stiitze findet diese Vermutung sicherlich haufig in dem klinischen Bilde, dessen Erkli~rung als zentrale Erkrankung sich zuweilen fSrmlich aufdrangt. Aber gerade die Ver- sehiedenheit der Symptomatologie und die L~bergange, die sich yon der L a n d r y s c h e n Paralyse und der Poliomyelitis fiber die typische Poly- neuritis zu den sicher als peripher lokalisierten Mononeuritiden linden, ilatten R a y m o n d bereits vor 20 J a h r e n zu der Uberzeugung gebracht, dal3 es sich hierbei um eine groBe einheitliche Gruppe handele, deren Trennung nur durch klinische ZweckmMtigkeitsgrfinde gerechtfertigt sei.

Auf der Lazarettabteihmg unserer Klinik hatte ich Getegenheit einc Anzahl Polyneuritiden verschiedener Genese und Symptomatologie zu beobachten, die mir zur Er6rterung der angedeuteten Fragen Ver- anlassung geben.

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F . K . Walter: Zur Frage der Lokalisation der Polyneuritis. 151 I c h gebe zuni~chst die betreffenden K r a n k e n g e s c h i c h t e n kurz wieder.

Als ersten mSchte ich einen Fall postdiph~erischer Polyneuritis mRteilen, der letal endete, u n d bei d e m ich die histologische U n t e r - suchung des N e r v e n s y s t e m s v o r n e h m e n konnte.

F a l l 1. Emil K., Landwirt, 36 Jahre alt.

Nie ernstlich krank. Frau und 4 Kinder gesund. Keine Fehlgeburten dcr Frau. Lues wird verneint. Seit Jahren Krampfadern.

18. X L 1915 zum Milit~rdienst eingezogen.

Abb. 1.

~ , . Beriihrung.

i!llll Temperaturschmerz.

Gelenk.

7. II. 1917 meldete er sich wegen I-Ialsschmerzen krank. Nur einen Tag Fieber. Diphtheriebacillen nachgewiesen. Nach 14 Tagen beschwerdefrei. 8 Tage sparer Kribbelgefiihl zuerst in den Fingerspitzen, dann in Lippen, Zi~hnen, Zunge und Nasenspitze. Allm~hlich dehnte sich das Kribbel- und Taubheitsgeftihl auf den ganzen Kopf, dann auch auf die Beine aus. Doppeltsehen sowie Schluek- beschwerden, die fast gleichzeitig mit den Par~sthesien entstanden, wechselten in ihrer Intensit~t stark. Geruch und Geschmack skit Beginn der nerv6sen Er- scheinungen sehr schlecht, GehSr ungestSrt, tn s~imtliehen K'6rpermuskeln Sehlaffheitsgefiihl. - - Am 29. III. Aufnahme in die Klinik.

Befund: Kr~iftig gebauter, noch leidlieh gut gen~hrter Mann. Iterzt6ne rein, 2. Aorten- und Pulmonalton leicht akzentuiert. D~mpfung nicht verbreitert.

Puls gleiehm~Big (78 i. d. Minute), Blutdruck 150 tt,O. (~ber der Lunge bron- ehitisehe Ger~u~ehe. S~mtliehe Sehnenreflexe fehlen. Von H~utreflexen ist der

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linke Cremas(er- und der reehte o b e ~ Bauehdeekenreflex eben ausl6sbar. Die Gesiehtsmuskulatur maeht im ganzen einen sehlaffen Eindruek. Die oberen Augen.

lider h/~ngen leicht herab. Muudfaeialis und Hypoglossus gleichm~Big innerviert.

Pupillen o. B. Reehts leiehte Abdueensparese (Doppeltsehen). Zei~weise leichter Nyst.agmus naeh links. Geschmack und Geruch fast. aufgehoben. Keine Druck- schmerzhaftigkeit der Nervenstgmme, ausgesproehener Dehnungssehmerz der Beine. Beriihrungs-, Schmerz- und Temperaturempfindung nieht deutlich herab- gesetzt, dagegen C4elenksensibilit:/~t in Zehen deutlieh, in Fingern weniger gostSrt.

Die robe Kraft ist in siimtlichen Muskeln herabgesetzt, am st~rksten in Hiift- und Sehulternmskeln. K. ist vSllig unf/~hig', sich aus liegender Lage aufzurichten.

zu gehen und die Arme im Schultergelenk zu erheben. An den Oberarmen i~t der Triceps am sehw/tchsten, die Htiftbeuger sind schw/icher als die Streeker.

das ganze rechte Bein ist schw~eher als das linl~e.

Liquorbefund: Liquor etwas t riibe, Phase [ + , Pandy * , Lymphocyten 2/3.

Albumen: 6 Strich (Nissl-R.Shrchen).

Wassermann fin Blur und Liquor bei Auswertmxg negativ. In den niichsten Tagen nehmen die Sensibilit~tsstSrungen etwas zu. Am 3. IV. ist die Sensibilit~t (vgl. Abb. 1) ungefithr yore Ellenbogen und der Mitte der Wade an, distal etwas zuneh.mend, leicht herabgesetzt. Auf dem Dorsum der reehten Hand-sind die drei ubmren Finger starker betroffen a ts die Leiden radialen. Die StSrung der Be- riihrungsempfindung ist ausgedehnter als die fiir Sehmerz and Temperatm'.

l~t~:tere besehr//nkt sieh an den oberen Extremitgten nut auf die Hiinde; auf dor reehten Seite ist der Ausfall etwas st/~rker als links.

31. i I I . Die L/ihmung hat zugenommen. Sie betrifft an den Extremitiiten die Muskeln nieht gteiehmiiBig, z, B, ist yon der Radialismuskulatur der Triceps- und der Fingerstreeker am st/irksten befallen; die Handstreeker viel weniger.

Fingerbeugung and -streekm N in allen Gelenken ziemlieh gleiehm/igig gesehw/ieht -owoht im Ulnaris- wie im Medianusgebiet. Hiiftbeugung stark herabgesetzt.

Stl~ekung in Hiifte und Knie ~,erhitltnism/iBig gut. Ebenso Kniebeugung, Pug- l'~,ugung und Streekung links nur mii$ig, reehts erheblieh gesehwiieht. K.' ist nieht imsta.nde, allein zu gehen, offenbar infolge der H~ift~ehw~ietie. Bauehpresse kontrahiert sieh leidlieh.

4. IV. Znnebmende atlgemehle Sehw/iehe, vor allen Dingen der Sehlund- mid Atemmtrskulatur. Der Versueh, K. mit der Sonde zu ern//hren, muB auf- gegeben werden, da K. bei starker Breehneigung sieh zu versehlueken und dabei zu et~ticken droht.

Am 6. IV. k6nnen nur noeh die Arme im Ellenbogen aktiv etwas gebeugt werden. Die Spraehe ist heiser und mtihsam. Sehlueken unmSglieh, deshalb Niihrklistie~e. Starke Atenmot. [Tnter ausgesproehenen Erseheinungen (let"

Ateml/i~hmung tritt bei guter HeIxti/tigkeit am 8. IV. der Exitus ein.

Z u s a m 111 e n f a s s u n g . E t w a 3 W o e h e n n a e h einer t i b e r s t a n d e n e n l e i e h t e n H a l s d i p h t h e r i e trit.~ bei e i n e m kr/iftigen M a n n e K r i b b e l g e f t i h l in d e n F i n g e r s p i t z e n , Nasenspit, ze, L i p p e n , Z g h n e n u n d Z u n g e ein, alas sieh altmiihlieh fast, a u f d e n g a n z e n K 6 r p e r a u s d e h n t . B a l d gesellen sieh d a z u L ~ h m u n g s e r s e h e i n u n g e n in fast allen Muskeln, die a b e r w e d e r einen z e n t r a l e n n o e h p e r i p h e r e n T y p aufweisen. Die Sen- s i b i l i t i i t s p r i i f u n g ergib~ z i r k u l g r e t I y p ~ s t h e s i e in allen v i e r E x t r e m i - t:~tten, w o b e i d i e r e e h t e Seite m e h r als die linke befallen ist. A n d e r r e e h t e n Seite ist die U l n a r s e i t e m e h r als die r a d i M e betroffen. D e r

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Zur Fr~,.)e der Lokalisation der Polyneuritis. 153

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L i q u o r zeigt starke V e r m e h r u n g des Eiweiggehaltesl), keine L y m p h o - cytose, Phase I positiv. E x i t u s an Atemti~hmung nach vierw6chiger K r a n k h e i t s d a u e r .

Die Diagnose der Polyneuritis dfirfte in keiner Weise zweifelhaft sein, zumal die Xtiologie hier klaxliegt.

Sektion: Aui3er einem stark mit Blur gefiiltten Herzen zeigen die inneren Organe nichts Krankbaftes. Gehirn grog, Gewicht mit 0dem 16t0 g. Starkes PiaSdem. St~rke injektion der Pia. Ventrikel nieht erweitert. Keine Ependy- mitis granularis. Keine tterde. Pia auf Hinterseite des giiekenmarks, besonders im Bereieh des Dorsalmarkes, zeigt geringe milchige Triibung. Sonst o. B.

Abb. 4. Abb. 5.

Die histologische Untel~uchmlg des Gehlrns ergibt nichts Pathologisches.

Vom Riickenmark werden aus den vemchiedensten tIShen Pr/iparate nach Nissl, v a n Gieson, W e i g e r t und Marchi gef/~rbt. Unter den Vorderhornzellen sieht man vereinzelte, bei denen die Tigroidscholten in~ Zentrum geschwlmden sind, und der Kern etwas verlagert ist. Indessen ist die Zahl derartig veri~nderter Zellen so gering, daft sie in gar keinem Verhiiltnis zu den klinischen Erseheinungen steht und tiberhaupt das physiologisehe MaB kaum tibersehreitet. Im Weigert- Markscheidenpr/iparat fehlen Ausf/~lle vSllig sowohl in der weil3en Substanz der Medulla als in den Wurzeln, dagegen ]assen sieh mit der Marchi-Methode deut- liehe Degenerationen nachweisen, die sich aber fast ausschliel~lich auf die Vorder- 1) Die Bestimmung des Gesamteiweil3gehaltes gesehah in allen F/illen ver.

mittels der Nissl-Rbhrchen und V4stiindigem Zentrlfugiel~en mit elektrischer Zentrifuge. Die V~rerte sind so zu beurtei|en, dab t 5 - - l , 7 5 als oberste Grenze des n'ormalen EiweiBgehaltes anzu~ehen ist. Der Durchsehnift betr/igt beim normalen Liquor 1,0 Strieh.

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Zur Frage der Lokalis~tion do~ Potyneuritis. 155 und Hinterwurzeln und deren Austrittszone besehr~nken (vgl. Abb. 2 und 3).

AuBerdem sind die Markkugeln aueh in den Hinterstr~ngen etwas vermehrt.

Besondetvs Interesse beanspruehen bei dem Liquorbefund natiirlieh die Meningen.

Es bedurfte der Durehsicht einer groBen Anzahl Sehnitte, bevor ein sieher patho- logischer Befuud erhoben werden konnte, der mir aber sehr wichtig erseheint.

W~hrend im Riiekenmark selbst und seinen Gef~f~en Infiltrationen v61tig fehlten.

fanden sieh an der Oberfl~ehenpia ganz umsehriebene Lymphocytenanh~tufungeI).

Unter s~mtlichen durebgemusterten Pr~paraten babe ich derartige Stellen nur in der n~chsten Umgebung der Wurzelaustritte gefunden. Zwei davon sind in Abb. 4 und 5 wiedergegeben. Sie lassen keinen Zweifel fiber die entz~indliehe Natur aufkommen.

F a l l 2. Richard Schl., 25jiihriger Kaufmann. Anfnahme 12. V. 1917.

KeJne Heredit~t. Als Kind nicht ernstlich krank. 1912 l~ngere Zeit in Bra- silien, dort 21/~ Monate wegen Malaria behandelt. Seither 5fter Erk~ltungen und Mandelentziindungen. Sept. 1914 eingezogen. Naeh 10 Wochen Frontdienst wegen, allgemeiner KSrpersehwiiche und fieberhafter Erk~ltung zurfick. Seither Garnisondienst getan. Vor 4 Woehen wegen Husten mit Fieber in l~evierbehand- hmg. Nach Besserung anstrengenden Dienst gemacht, mul~te viel marsehieren.

Vor 5 ~Iagen auf Spaziergang pl6tzlich grol]e Schwfiehe~ vor alIem in den Behlen, aber aueh im iibrigen K6rper, muf~te sieh erst im n~ehsten Haus ausruhen, bevor er sieh miihsam in die Kaserne schleppte. Da der Zustatld sieh nicht besserte, erfolgte seine Einweisung in die Klinik.

Klagen: Kopfsehmerzen, besonders im Hinterkopf, Sehw~che in den Gliedern und im Riieken,-so dab er nur mfihsam gehen kSnne, Kau- und Spraehersehwerung, Nachtr~ufeln naeh Urinlassen, Kribbeln in Finger- und Zehenspitzen.

Befnnd: Sehm~iehtiger und ]eidlieh gen~hrter Mann. Cor und Pulmones o. B.

Leib nicht druekempfindlieh. Patellarsehnenreflex bds. sehwach. Aehillessehnen- reflex r. schwaeh, 1. fehlend. Tricepsreflex und Radiusperiostreflex r. und 1. -~;

Cremasterrdlex r. und 1. - - ; Bauehdeckenreflex oben @, unten --. Pupillen o. B . Geringe Konvergenzsehwiiehe. Kein Nystagmus. Gesichtsmusku]atur v611ig schlaff, maskenartiges Gesieht. Stirnrunzeln, Augenschliel]en: Z~hnezeigen v611ig unmSglich. Beim Spreehen wird die FacialismuskuIatur gar nicht innerviert.

Die Spraehe ist daher sehr undeutlieh. Kieferschlut] aktiv mSglieb, aber herab- gesetzt. Rohe Kraft in allen Extremit~ten deutlich, aber nieh~ sehr stark herab- gesetzt, am schw~ichsten sind die ttiiftbeuger; Aufriehten aus ~Iorizontallage nieht m6glich. Ausgesprochene Dtuckscbmerzhaftigkeit der Nn. supraorbitales, beider Nn. mentales, auricu]otemporales und occipitales. Fast iiberall ist die Empfindliehkeit rechts starker als links. Die Nerven der Extremitgten und des Rumples (Nn. intereostales) weisen keine nennenswerte Druckempfindlichkeit. aufi Dagegen ist die gesamte Muskulatur tier Beine diffus druckempfindlieh. Dehnungs, schmerz in beiden Beinen ziemlich ausgesproehen. Babinski and Oppenheim feh|en. Keine Ataxie, keln Intensionstremor. Gerueh und Geh6r gut, aber zeit- weise starke Schmerzem als ob er Ohrentziindung bekame. Geschmaek auf der ganzen Zunge fast aufgehoben. Elektrisch besteht allgemein geringc, quantitative Herabsetzung ffir fara~lisc~en Strom, keine EAR., keine myasthenische geaktion.

Sensibitit~t nirgends herabgesetzt, dagegen yon T 9 - - L I u n d auf beiden Ful]- ri~eken Hyperalgesie (Abb. 6). Keine StSrung der Gelenksensibilit~t. Urin: E. - - , g. - - . Keine Temperatursteigerung.

Liquor klar. Phase I ~--~-. Zellen 92/3, darunter 50 voJn Aussehen yon K6rnehen~ellen. Gesamteiweifl 5 Strieh (Nissl). Wassermann in Blur und Liquor negativ. Im Halsabstrieh keine Diphtheriebaeillen gefunden.

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20. V. Kopfsehmerzen geringer. Spraehe etwas deutlich~r, kann 3hind etwas besser 6ffnen. _Mul3 fltissig ern~hrt werden, da er niehts zerbeiBen kann. Gesiehts- mimik fehlt noeh v61fig. Patellarsehnm~reflex 1. - - , r. cben noeh auslr mit .fendrassil;. Klagt iiber Kribhelgeftthl in den Fingern und Ffl6en und Kraft- Iosigkeit. Objektiv keine Verschleehterung der rohen Kraft.

2.3. V. Augenschlul3 aktiv fast v611ig mi~glieh. Kopfnerven imnwr noch gleich druckempfindlich. Kribbeln in Fiif~en geschwunden, in H~nden gebesser+. Oe- sehmaek etwas gebessert. M u t t katheterisiert werden. Stuhl angehalten.

25. V. Allgemeinzustand besser. Aber wieder Taubheitsgefi~hl in den Finger- spitzen. Gesichtsmimik andeutungsweise vorhanden. Spraehe deutlicher.

Abh. 6.

26. V. Patcllarsehncnreflex 1. - - , r. eben ausl6sbar. Achillessehnenreflex 1. eben ausl6sbar, r. - - . Trieepsreflex, Radiusperiostreflex bds. --. Bauchdeeken- reflex r. := 1. -f-; Cremastetxeflcx r. = 1. + .

31. V. H a t t e in den letzten Tagen mehr gelesen, bemerktc jetzt, dab die Buehstaben leieht versehwimmen mid manchma! doppelt erscheinen. Bet Priifung keine Dol>pelbilder.

4. VI. Von Sehneln'eflexen nut 1. Achillessehnenreflex auslSsbar.

12. VI. Fortschreitende Besserung. Alle Reflexe ausl6sbar, ~+enn aueh :ehwach. Gehirnnerven nieht mehr druekempfindlieh."

26. VL Punktion. Liquor klar. Phase I: sehwaeh --. Zellen: 18/3. Ei- weil]: 1,25 Strich (Nissl).

12. VII. Noeh geringe Sehwiiehe in Gesiehtsmuskulatur und leichte ~h'mfid- barkeit beim Oehen. Neurologiseh bis auf geringe Druekempfindliehkeit der Waden normaler Befund. Keine Sensibilitiitsst6rungen. In Erhohmgsheim ent- lassen.

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Zur Frage der Lokalisation der Polyneuritis. 157 Z u s a m m e n f a s s u n g . Die Atiologie der Erkrankung ist unklar, da der Halsabstrich bei der Aufnahme negativ war und im Beginn der Erkrankuug nicht vorgenommen wurde. DaB die 4 Wochen vorher durchgemachte fieberhafte Erkrankung unbekannter Art als Ursache in Frage kommt, mug als wahrscheinlich angenolmnen werden. Beginn gaI)z akut mit Schw~tchegefiihl im ganzen K6rper. Die Liihmung er- greift vor allen Dingen die Faeialismuskulatur, ist aber auch im Masti- catorius, im Rumpf und Extremitiiten deutlich nachweisbar; sie ent- spricht nicht dem Gebiet einzelner peripherer Nerven, sondern ist mehr nach K6rperteilen angeordnet. Sensibiliti~t: Beginn mit Kribbeln in den Fingern und Zehen, starke Druckeml)findlichkeit der sensiblen Kopfnerven, diffuse Druckempfindlichl~cit der Bei,mmskulatur ohne Bevorzugung der Nervenst~tmme. Hautgeftihlsst6rung bcschr:,tnkt sich auf hyperalgctische Zone am Rumpf im Gebietc yon T 9 - - L ] und auf beide Fugrticken. Aul.~crdem St6rung des Gcschmackes. Liquor- befund im Bcginn der E r k r a n k u n g : Phase I -! ~ , Zellvernlehrung 92/3, starke Eiweiftvermehrung: 5 Strieh Nissl. Naeh Ablauf der Krank- heitserseheinungen ist der Liquor, abgesehen yon einer schwaeh posi- tiven Phase I, normal.

Die Diagnose der Polyncuritis stiitzi sieh auf die ausgcsproehen(, Druckempfiudlichkeit der sensiblcn Gesichtsnerven und den Verlauf der LShmungserscheimmgen. Dal.~ (tas periphere Neuron ergriffen ist, zeigt die vor0bergehende Herabsetzung (lcr elektrischen Erregbarkeit.

Die Ammhmc einer Myasthcnie kmm durch das Fehhm der myastheni- schen g e a k t i o n ausgeschh)ssen werden. Eine luetische E r k r a n k u n g kommt bei dem negativen W~ssermannbefund ,rod dem sich schnell ohne antiluetische Behandhmg bcsseI'nden Zustand nieht in Fragc.

Fall 3. August Gr., Unteroffizier, 25 Jahre alt.

Kcine Hcrcdit/it. Selbst hie ernstlieh krank. Zu Anfang des Kricges ein- gczogcn. 2mal wegen Magenkrankheit, 1 real wegen Kchlkoptkatarrh voriiber- gehendfim Lazarett. Am 21. 1. I917 mit Viehtranspot't n~mh Frankreich. Fiihlte sich am 24. I. schon krank, dabei voriibevgehend klogiges (;efiihl im Hals. Zu- glcieh Reigen und Kribbeln im Iinken ()twrschenkel, das })aid auf Knie und bei(h.

UnteI'schenkel iiberging. Am niichsten Morgen fiihlt(~ ('r sich so schlaff in den Kni'cn, dab er beim Gehen einknickte; dabei t r a t e n aueb Sehmcrzen in beiden Armen auf. Kopfschmerzen bestanden nicht, angeb]ich *mch kein Fiebcr (nicht gemessen), geiste mit Hi]re yon Kameradcn zum Ersa/ztrui)penteil zuriick, wo e r sofort ins Lazarett aufgenommen und am 7. H. |917 (tot" Kliuik iiberwiesen wurde.

Aufnahmebcfmld: Leidlich gen:,ihrter, sehmSchtig(,~' Mann. l'nnew Organe o.B. S~imtliche Sehnenreflexe fehle~. Bauchdeeken- m~d (~remast(wrcfh~xe ".

Hirnnerven o. B. Pupillen o. B.

Sensibi]itiit: Geringe Hyp~isthcsie und Hypalgesie ~'twa v()rnc yon T 8--L 3, links bis L 2, hinten yon der gleicben HShe his ungefiihr L 4 einschlie[3lich; das Segment. litflt sich auf der Vovderseite (h,r Beine jedoch nicht welter verfolgen;

aul3er(hqu Hyp/isthesie und Hyp~dgesi(, im Bereieh des Afters und der' Genitalien

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(S 3--S 5), ferner an der medialen Seite der FuBsohlen und Auf~enseite der Unter- arme yore Ellenbogen ab abw/~rts. Die drei radialen Finger sind stSrker betroffen als die beiden ulnaren; in der Vola manus nut an den Fingern aussehlieBlieh der Handfl/~ehe geringe Herabsetzung des Hautgeffihls (Abb. 7). Gelenksensibiliti~t in Zehen stark herabgesetzt, in Fu.IL, Knie- und Hiiftgelenk nur wenig, in oberen Extremit~ten intakt. N. isehiadicus yon Hiifte bis Knie drucksehmerzhaft. Rohe Kraft in Hiiften und Rumpf stark herabgesetzt (G. kanu sich ilicht aufrichten, im Stehen sinkt die Wirbels/iule in st~rkste Lordose), ebenso in Ober- und Unter- schenkehnuskeln fiir Beuger und Streeker ziemlich gleieh geschw/ieht. Aktive Beweglichkeit der Zehen nur in geringem Vmfang m6glieh. In Zehen- und in

Abb. 7.

Fingerspitzen Kribbeln und Taubheitsgeffihl. Keine Ataxie. Babinski und Oppen- heim negativ. Keme Temperatur. Im ttalsabstrich keine Diphtheriebacillen ge- funden.

20. II. Elektrisch quantitative Herabsetzung fiir faradischen und galva- nischen Strom in allen geschw~chten Muskeln; nirgends EaR.

22. IL Bauchdeckenreflexe fehlen jetzt auch. Cremasterreflex noeh ausl6s- bar. Zunehmende Schw~che der Extremit~ten. N. tibialis druckempfindlich.

25. II. Lumbalpnnktion. Liquor: klar. Wassermann in Blur und Liquor --.

Zellen: 5/3. Phase I: --. EiweiS: 3 Strieh (Nissl).

11. I l L Klagt fiber zunehmende Schw~iehe in den Arden. Rohe Kraft in allen Muskeln herabgesetzt. Hypalgesie und Hyphsthesie der tt~nde (ttandschuh- form). Im 1. bis 3.-Finger mehr als im 4. nnd 5. Finger. Bewegungsempfindung im Daumen erheblic|l, im Zeigefinger weniger, im 3. bis 5. Finger nieht gestSrt (siehe Abb. 7).

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Zur Frage der Lokalisation der Polyneuritis. 159 31. III. Muskelschwiiche nimmt weiter zu. Elektrisch noch keine EAR., aber quantitative tterabsetzung stgrker.

14. V. Liegt v61]ig bilflos im Bett. Kann sich nicht yon einer Seite auf die andere w~lzen, nicht die Beine bewegen und die Arme nur wenig im E]lenbogen- gelenk beugen. Gesichts- und Schlundmusku]atur intakt, ebenso die Atemnmskeln, Cor o. B.

6. VI. In letzter Zeit wesentliche Besserung. fiihlt sich vor allem im Rumpf kraftiger. Kann sich kurze Zeit im Sitzen halten. RefleXe fehlen noch s~mtlich.

25. VI. Schmerzempfindung am ganzen KOrper auger Gesicht ]eicht herab- gesetzt, jedoch keine Abgrenzung nach zentralen oder peripheren Grenzen m6g- lich. Berfihrungsempfindung nirgends mehr gest6rt. Bewegungsempfindung in Grundgelenken s~mtlicher Finger und Zehen noch erheblich gest6rt, in Hand- gelenken nur geringe tIerabsetzung, in Fingergelenken etwas mehr. Ubrige Ge- ]enke frei. Ver]angsamung des Tasterkennens.

25. VII. In s~imtlichen Extremit~tenmuskeln EaR. Hautgefiihl hat sich welter gebessert. Rohe Kraft der Arme und Beine noch wie oben.

25. VIII. Reflexe fehlen noch s~mtlich. EaR. besteht noch. In Armen Besserung der rohen Kraft. G. kann die Arme etwas beugen und in den Schultern leicht heben.

1. X. F~ngt an~ Gehiibungen zu machen. Kann die Arme frei bewegen, wenn auch mit geringer Kraft. Sehnenreflexe fehlen noch.

29. X. Klagt noch fiber zeitweises Taubheitsgeftihl in allen zehn Fingern.

Pa~ellarsehnenreflex --. Achillessehnenreflex --. Tricepsreflex schwach an- gedeutet. Bauchdeckenreflex r. - - , ]. ~-. Die rohe Kraft der Rumpfmuskulatur ist nahezu normal, die der Arme nnd Beine distalw~rts zunehmend (Hiiftbewegun- gen nur noch wenig) abgeschw~cht. Dorsalf]exion der Ffi~e noch gar nicht mSg- lich. Plantarflexion eben beginnend. Auger Hyperalgesie der FuSrticken keine Sensibilit~itsst5rungen mehr. Liquor: Mar. Zellen: 10/3. Phase h - - . Eiweig:

8 Strich.

26. XI. Es bestehen jetzt hyperalgetische Zonen, die am Rumpf yon L 3 beginnen und am st~rksten im Bereich der Fiige und des Alters sind. Indessen ist die mediale Seite beider Beine bis zu den KnScheln herab frei. Eine zweite Zone liegt in der Kreuzgegend yon T 10--T 12, erstreckt sich aber nicht auf den Bauch, augerdem ist die mediale Seite beider Arme mit Einschlug des 4. und 5. :Fingers iiberempfindlich. Dieser Streffen verbreitet sich yon den Schultern bis zur Wirbels~ule hin. Beriihrungs-, Temperatur- und Gelenkempfindung sind iiberall intakt. Die robe Kraft in Arm und Rumpf ist ann~hernd wieder normal, in I-Iiifte ist die Beugung noch deutlich geschw~icht, die Streckung gut. Knie- beugung und Streckung nur noch wenig herabgesetzt. Die Plantarflexion der FiiBe ist noch rechts mehr als links herabgesetzt, aber bereits mit ziemlicher Kraft mSglich. Die Dorsalflexion ist links vSllig negativ, rechts sehr schwach.

22. IL 1918. Fortschreitende Besserung; nur noch geringe Schw~che in den FiiSen, wird als a. v. Heimat fiir leichten Innendienst entIassen.

Z u s a m m e n f a s s u n g . O h n e nachweisbare, v o r h e r g e h e n d e fieber- h a f t e E r k r a n k u n g setzen a m 24. I. 1917 S c h m e r z e n i n b e i d e n B e i n e n u n d K r i b b e l n i n d e n Zehen ein, zu d e m sich schnell eine Schwi~che ge- sellt. Die L i ~ h m u n g s e r s c h e i n u n g e n b r e i t e n sich d a n n ziemlich auf die ganze K S r p e r m u s k u l a t u r , ausschlieglich d ( s Kopfes, aus, u n d fiihren allmi~hlich zu eincr a l l g e m e i n e n L ~ h m u n g m i t k o m p l e t t e r E n t a r t u n g s - r e a k t i o n der Muskeln. D r u c k e m p f i n d l i e h k ~ i t der N e r v e n s t ~ m m e be-

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senders an den unteren ExtremitSten. L~ngsame Rfiekbildung; die Sehw~che der FO[te und speziell die DorsMflexion bleiben am l~ngsten gestSrt. Die Sensibilit~tsst5rungen betreffen anfangs haupts~chlieh den Rumpf und sind an den Extremit~ten nur gering, am st~rksten ist die Gelenkempfindung in den Zehen gestSrt ; sparer Sensibilit~tsstSrungen an den oberen Extremit:,~ten in Handschuhform mit stiirkerem Betroffeu- sein der radialell Handfl~iche ftir alle Qualit:,iten. Naeh Riiekbildtmg der L~ihmungen tritt Hyperalgesie am R u m p f und an den Beineu auf, die im allgemeinen das zweite Lumbal- bis ftinfte Sakralsegmcut ran- faint miter Freilassung eines symlnetrisehen Streifens an der Innenseite beider Ober- und Untersehenkel. Aul~erdem in der Kreuzgegend eine hyperalgetische Zone etwa von T t 0 - - L 1, die aber nieht auf die Vorder- seite tibergreift. Eille dritte Zone umfa[~t die mediale Vorderfli~ehe beider Arme und setzt sich proximal verbreiternd in Streifenform bis zur Wirbelsi~ule fort. Die Zonen entspreehen keinerlei peripheren Nervenbczirkem zeigeu dageg~:'a gr9/3e ~_hnliehkeit mit segmeut~lelL ohne ganz mit ihnen zusammenzufallen. Der Liqu~rbefund zeigt eine erhebliche Eiweiftvermehruug (wie bei Fall l und 2) bei sonst aor- maler Zusammensetzung. Bemerkenswert ist, dab diese Eiwcil.~'r- mehrung im letzten Stadium der Erkrankung noch in erh6htem Mal./e bestand.

Die komplette Entartungsreaktion zeigt, dal3 es sich um eiue Er- krankuug der peripheren Neurone handelt; zusammen mit der Druck- empfindlichkeit der Nervenstiimnle, den Par~sthcsien und dem Ver- lauf der Erkrankung geben sie das typische Bild einer allgemeinen l)olyneuritis.

Fall 4. Christian S(.h., 25j/ihriger hifantcrist (Landmann).

Keinc H,rcdit/~t. Anamnese o. B.

3. I[1. 1917 wegen Zellgcwebsentztindung des rechten Hackens krank ge- mcldet. Am 19. V. leichte Temperatursteigerung mit Kopf- und Halsschmerzcn, die nach wenigcn Tagen schwinden, darauf entwickelt sich Schw/tche in den Beinen und Armen, die sich verst/irkt, deshalb am 16. V[. Aufnahme in die Klinik.

Befund: Kriiftig gebauter, gut gen~ibrter Maml. [nnere Organe o. B. Siimt- lithe Sehnenreflexe fehlen, Hautreflexe +. Starke Hypotonie der Extremitiiten- muskeln. Gesichtsnerven o.B. [~ohe Kraft der Rumphnuskeh) ziemlich gut, (ler Extremit~itenmuskeln distal st~rk zunehmend herabgesetzt, in Beugern st/irker als in Streckern. Aktive Beweglichkeit der Fiil~e fast gleieh Null, ebenso Hgnde- druek sehr gering. Gehen ohne Stock unmSglieh. Keiue Druekempfiudliehkeit der Nervenst~imme.

Sensibilit~t: Leichte Hypi~sthesie der Extremit/iterl (nieht sicher). (~elenk- .~ensibilit/it in Fingern und Zehen herabgesetzt. An der rechten Hand ist di(, St5rung in den drei ulnaren Fingern wesentlieh stgrker als in den zwei radialen.

26. V[. Von Ellenbogen resp. Knien an distalab~v~irts strumpffSrmig Hyp- iistbesie fib' alle Qua]it~iten, nut in Vola manus ttyperalgesie bei herabgesetzter Beriihrungsempfindung. Gelenk~ensibilit~t in Zehen.und Fingergelenken erheb-

(12)

Zur Frage der l~okalisation der Polyneuritis. 161 lich, in Hand und FuB weniger, in Knie und Ellenbogen nicht gestSrt (Abb. 8).

Es besteht Tasfagnosie. h a Mandelabstrieh keine Diphtheriebacillen.

25. VL Liquor: klar. Phase I: +. Zellen: 180/3, Eiweil~: 3 Strich (Nissl).

Wassermann in Blut and Liquor --.

24. VII. Parese hat sich gut zurfickgebildet, nut Dol~atflexiorl der Fiil3e noch deutlich abgeschw/icht. Gelenkempfindung in den oberen Extremit/iten jetzt intakt, in Zehengelenken noch in geringem MaBe herabgesetzt.

3. III. 1918 entlassen.

N a e h u u t e r s u e h u n g am 7. XL 1917. Alle Sehnenreflexe gut ausl6sbar, links Aehiltessehnenreflex etwas schw/~cher als rechts. Hautref]exe +, keinc Sensibilit/itsst6rung, bei Priifung kelne L/~hmungserseheinungen mehr, klagt nut noeh fiber leichte Ermfidbarkei~ bei 1Engerem Gehen.

Abb. 8.

Z u s a m m e n f a s s u n g . I m AnschluB an eine fieberhafte Halser- krankung, deren Xtiologie zweifelhaft ist, treten Li~hmungserschei- m m g e n vorwiegend der 4 E x t r e m i t a t e n auf. Die Li~hmungen nehmen distalwarts zu und zeigen besonders in den Beinen zentralen T y p in- sofern die Beuger deutlieh mehr betroffen sind als die Streeker. Die Sensibilitii, tsstSrungen sind auf die distalen Teile der Extremiti~ten be- schriinkt und zeigen proximal zirkul~tre Begrenzung. Vom Beginn der Beobachtung an besteht jedoch in der Vola manus eine Hyperalgesie.

Nach Rtickbitdung der Li~hmungserscheinungen werden die ganzen, frtiher h333a, sthetischen Endglieder der Extremitat, en hyperalgetisch, ebenfalls mi~ zirkul~xer Abgrenzung. Keine Druekempfindliehkeit der

Z. f. d. g. lqeur, u. Psych. O. XLIV. 11

(13)

N e r v e n s t ~ i m m e ; L i q u o r zeigt s t a r k p o s i t i v e r Befund. P h a s e I § s t a r k e V e r m e h r u n g des Z e l l g e h a l t e s (180/3) u n d des GesamteiweiB- g e h a l t e s (3 S t r i c h Nissl). D a u e r d e r K r a n k h e i t e t w a 3 M o n a t e .

F a l l 5. Friedrich M., Arbelter, 30 Jahre alt.

~'iiher nie ernstlich krank gewescn. Am 10. X. 1916 im Feldc am linken Unterschenkel dureh Granatsplitter verletzt. Zerreil3ung der Aehillessehne. Wcgen SpitzfuBstellung Tenotomie. Im Ansch]uB daran funktionellc Gehst6rung, die dutch Gehiibungen bcseitigt wurde. Wunde am Untersehenkel braeh wieder auf.

Deshalb yon neuem Lazarcttbehandlung. Anfang Nov. 1917 entwickelte sieh Sehwgchc in den Gliedern und Taubheitsgeftihl an Zunge und Lippen, einige Tage

Abb. 9.

sp/~ter Kribbe]n in allen Fingerspitzen, das bis zum Handgelenk hinaufzog, bald auch in den FiiBen und Aftergegend.. Am 28. XI. 1917 Aufnahme .in die Klinik.

Befund: ]nnere Organc o. B. S~mtliche Sehnenreflexe fehlen. Bauchdecken- reflexe links unten fehlend, die tibrigen ganz sehwach vorhanden; keine oculo- pupillaren StSrungcn, In beiden ,4_rmen, st/irker in beiden Beincn, Ataxie; Ba- t:inski, Oppenhcim negativ. Rohe Kraft in allen Extremit~ten deutlich herab- gesetzt, far Beugung und Streckung ungef~hr in gleiehem MaBe, vielleicht distal twas zunehmend. An den Armen ist der Triceps am moisten geschw~cht. Auller- dem sind die Paresen anf der ]inken Seite durchweg etwas st/irker a.ls rechts.

Es besteht eine tIyp~.sthesie der Haut des ganzen KSrpers fiir alle Qualit/iten mit deutlicher Zunahme an den -~ier Extremit~ten (vgl. Abb. 9). Aul]erdem s /irkere Hyps im After und Genitalgegend yon S 3--S 5 und im Trige- mincsgcbiet. Die Gelenksensibilit/it ist in den Zehen bds. g~nzlich aufgehoben;

ia dem FuB- und Kniegelenk stark hcrabgesetzt, in den Hiiftgelenken ann~hernd

(14)

Zur Frage der Lokalisation der Polyneuritis. 163 intakt. In der reehten Hand keine St6rung, Kinks deutlich Hembsetzung im 3. bis 5. Finger, w/~hrend der 1. und 2. Finger fast g/inzlich frei sind. In der linken Hand im Ellenbogengelenk ganz leiehte St6rung, keine Druekempfindliehkeit der Nervenst~mme. Gesehmaek aufgehoben; Gerueh herabgesetzt r. > 1.

29. XI. Liquor: Mar. Zellen: 1/'3. Phase I: + . Gesamteiweift: starke Ver- mehrung, 3,5 Strieh. Wassermann im Blur und Liquor --. Allm~hliehe Zu- nahme der Lahmungen.

21. XII. Sensibiiit/~t: am g a m p f vielleieht noch geringe, an alien vier Ex- tremit/iten distal deutlieh zunehmende Hyp•sthesie, jedoeh ist an den Ful3sohlen und in der H0hlfl/iehe der Hgnde in einem talergroften Bezirk Hyperalgesie vor- handen. Die Gelenkempfindung ist in allen vier Extremitgten distal stark zu- nehmend noeh gest6rt. Die L/flnnung ist fast komplett. Der Kranke vermag die Arme im Ellenbogen nut sehwaeh zu beugen. Hand- und Fingerbewegungen sehr sehwaeh, bier Streekung etwas besser als Beugung. An den unteren Ex- tremitgten ist die Htiftbeugung, Beugung der Knie und Plantarflexion der Ftilte aufgehoben, Streekung im Knie und Dorsalflexion der FOBe ganz sehwaeh m6g- lieh. Elektrisch besteht an sgmtliehen geseh~idigtel} Muskelfi quantitative Herab- setzung bei geringer Verlangsamung der Zuekung, keine Entartungsreaktion.

Gesiehtsmuskulatur sehlaff. Augensehlug nut nfit Miihe m6glieh. )lastieatorius nieht gel/ihmt.

4. I. 1918. Die Lghmung geht alhn/ihlieh zuriiek. ~1 den Fiigen ist die Dorsalflexion besser a]s die Plantarflexion. Das Kribbelgeftihl hat naehgelassen.

22. tII. Die L~thmungen haben sieh gut zurtiekgebildet, so daft M. jetzt allein gehen und alle Bewegnngen ausfiihren kann. Die Sehnem'eflexe sind s//mtlieh ausl/isbar, ebenso die Hautreflexe. Die rohe Kraft der Beiae ist in Htiftbeugung anl sehw~Lehsten; Dorsal- und t?lantarflexion noeh etwas gesehwtieht. Es besteht noeh eine geringe Hypalgesie des ganzen K6rpers, stgrker wird sie an den distalen Enden der Extremiti~ten, we sic handsehuh- resp. strumpff6rmig noeh reeht deut- lieh ist. Der LTbergang zu den stgrker gest6rten Partien ist nicht seharf und reieht am Iinken Unterarme nicht ganz so hoeh wie reehts, w/ihrend an den Faften die St6rung ganz gleiehartig ist. Die Ful3sohlen und ein marksttiekgro~]er runder Bezirk in der Vola manus beiderseits zeigten jetzt normales Hautgefiihl ftir alle Qualitgten. Die Perianalgegend ist gegeniiber der Umgebung jetzt nieht mehr untersehieden. AuBerdem ist eine st//rkere Hyp~isthesie fiir alle Qualit~ten noeh am ganzen KopI bis C I H nnd an den Wangengegenden, ohne dab hier die Grenzen naeh Segmenten angeordnet sind, naehweisbar. Gerueh und Geschmaek wieder in Ordnung.

Z u s a m m e n f a s s u n g . J3eginn o h n e n a e h w e i s b a r e U r s a e h e m i t P a r i i s t h e s i e n in d e n E x t r e m i t / t t e n , L i p p e n l i n d Nase. Zugleieh sieh sehnell s t e i g e r n d e Sehw~tehe in d e r g e s a m t e n K 6 r p e n n u s k u l a t u r . Wiih- r e n d die SensibilitS, ts s t 6 r u n g e n a n d e n E x t r e m i t ~ t e n d i s t a l s t a r k zu- n e h m e n u n d keinerlei p e r i p h e r e B e g r e n z u n g zeigen, s o n d e r n eher n a e h z e n t r a l e n T y p a n g e p r d n e t sind, e n t s p r i e h t die K o p f - u n d A n a l z o n e w e i t g e h e n d in d e r B e g r e n z u n g s p i n a l e n S e g m e n t e n ; keine D r u e k e m p f i n d - l i e h k e i t d e r Nervenst~imme. Die M o t i l i t h t s s t 6 r u n g e n l a s s e n eine E i n - o r d n u n g in p e r i p h e r e oder z e n t r a l e L a h m u n g s t y p e n n i e h t ohne weiter~s zu, so ist anfangs a n den A r m e n b e s o n d e r s d e r T r i c e p s gesetlwiieht, a n d e n B e i n e n die P l a n t a r f l e x i o n s t a r k e r als die DorsMflexion g e s t 6 r t . L i q u o r b e f u n d a u s g e s p r o e h e n p o s i t i v : s t a r k e V e r m e h r u n g des E i w e i g e s

l l *

(15)

(3,5 Strich), P h a s e I + , sonst n o r m a l e r Befund. Die a b g e s c h w i i c h t e e l e k t r i s c h e E r r e g b a r k e i t m i t A n d e u t u n g v o n v e r l a n g s a m t e r Z u c k u n g d e u t e n auf E r k r a n k u n g des p e r i p h e r e n N e u r o n s . D e r ganze V e r l a u f und d a s S y m p t o m . b i l d Iassen die D i a g n o s e P o l y n e u r i t i s als sicher er- seheinen.

F a l l 6. Ernst Seh.. 42 Jahre alt.

Anamnese o.B. Mit 16 Jahren Typhus, sonst stets gesund. Lues negiert.

Am 8. ll. 1918 wegen Diphtheric ins Lazarett. Naeh 31/~ Wochen Wieder auf-

Abb. 10.

::~- Hyp~sthesie.

o o ttyperalgesie.

Herabsetzung der Gelenkempfindung.

gestanden. Fiih]te beim ttolzhacken Kribbeln in Fingex~pitzen und Taubheits- gefiihl im After, das anf die GesEBmuskulatur iiberging und darm die Beine herunterzog. Die Beschwerden warden als rheumatisch angesehcn und 8t/~gige Bettruhe verordnet. Auf Aspirin Besserung der Beschwerden, die jedoeh nach erneutem Aufstehen sich wieder steigertm~, dazu kam Sehw/iche in allen Gliedern.

Seit 4 Wochen wieder Bettruhe.

8. V. 1918 Aufnahme in die K]inik. AuBcr m/igig starkem Kribbelgefiihl in Hiinden und Ftigen und allgemeiner Schw/~che, so dab er nicht gehen und allein essen kann, kcine Beschwerden. Die kurze Zeit bestehende Schluekbehinderung ist geschwunden; Stuhlgang ist angehalten.

Befund: Innerc Organe o.B. Hirnnerven intakt. S~mtliche Sehnenreflexe f0hlen. Bauchdeekenreflex und Cremasterreflex r ~- 1. + . Bei Bestreichen der

(16)

Zur Frage der Lokalisation tier Polyneuriiis. 165 FuBsohlen zuweilen Andeutung yon DorsMflexion der grol~en Zehe, aber kein deutlieher Babinski; Oppenheim negativ. An den Extremit~ton distal zunehmende L/thmung, doch ist der reehte Arm und d~s linke Bein st/trker geschw~eht Ms das der Gegenseite. Beugung und Streckung ist ziemlich gleich betroffen. Aufrichten nieht mSglich. Die Sensibilitiit zeigt ebenfalls ausgesprochen distalen Typus it~

der Weise, da~ yore Ellenbogen resp. Knien an distal zunehmende Hyp/~sthesie, St6rung der Gelenkempfindung nnd Hyperalgesie besteht, also ausgesprochene Dissoziation (vgl. Abb. 10). in allen Extremitiiten ausgesprochene Ataxie und Hypotonie. Nervensti~mme nirgends druckempfindlich.

13. V. Lumbalpunktion. Liquor: kl,~r. 1)base I (Nonne-Apelt): +. Zellen:

5/3. EiweiB: 5 Strieh. Wassermann im Blur und Liquor --.

20. V. Zustand unver/indert.

1. VI. Lghmungen geben zurf~ck. Hyperalgesie beschr/inkt sich auf Vota manus und Dorsum der Finger sowie FuBsohlen. Aul~erdem noch bis etwa an FuB- und Handgelenke reiehende geringe Hypiisthesie.

Z u s a m m e n f a s s u n g . 3 Woehen nach fiberstandencr Diphtheric treten typische Par:,tsthesien in Extremiti~ten und After auf. Dann allgemein zunehmende Li~hmung yon ausgcsprochen distalem Typ, d a b e i sind r e e h t e r A r m u n d linkes Bein a m stSrksr b e t r o f f e n .

:Die Sensibiliti~tsstSrungen beschr:~tnken sieh (in s p S t e r e m S t a d i u m bei A u f n a h m e in K l i n i k ) auf die E x t r e m i t i i t e n u n d sind ebcnfalls d i s t a l z u n e h m e n d . D~bei b e s t e h t D i s s o z i a t i o n beztiglich B e r i i h r u n g u n d S e h m e r z e m p f i n d u n g . K e i n c D r u e k e m p f i n d l i c h k e i t d e r N e r v e n s t i t m m e . I m L i q u o r b e s t e h t s t a r k e E i w e i g v e r m e h r u n g (5 Strich). M~Bige G l o b u l i n v e r m e h r u n g ( P h a s e I + ) . K e i n e Z e l l v e r m e h r u u g .

F ~ l l 7. Ernst Gr., 39 Jahre alt.

tIereditgt o. B. Erste Frau an Tuberkulose gestorhem Zweite Frau gesund.

Keine Kinder. Nie ernstlieh krank. ]911 Auftreten yon Driisenschwellungen am Hals; 19]2 wegen maligner Lymphome mit RSntgenstrahlen behandelt. Fiihlte sich kSrperlich matt, sonst keine Beschwerden; Juli 19] 5 eingezogen. August 1915 wegen st/trkerer Drfisensehwollungen in reed. Klinik Rostock aufgenommen.

Diagnose: Lymphogranulom. Neurologiseh land sich auf3er Tremor der Hiinde und starkem Zittern der Zunge niehts Krankhaftes. Dez. 1915 gebessert entlassen.

M/irz 1917 Gon.-Infektion und 2 real Gesiehtserysipel; Mai 1917 zunehmende innere Unruhe. G. maehte sieh wegen de1: Gon.-Erkrankung Vorwiide. Ausgesprochene Depression; Suieidversuch durch Offnen der Radialis. Lt~zarettaufnahme. Dort mehrere Suicidversuche. Halluzinierte, war stltrk deprimiert. Als der Arzt zu ibm kam, sprang er plStzlieh aus dem Fenster (gab hintei'her an, er habe geglaubt, der Arzt wolle ihn ins Zuchthaus bringen). L7berfiihrung in eine Heilanstalt.

Dortiger neurologiseher Befund: 1)tosis geringen Grades. FaeiMis 1. > r. Leichtes Zittern der Zunge. Pupillenre~ktion auf Licht etwas triige. Sehnenreflexe lebhaft r. = 1. Spraehe skandierend, bei sehwereren WSrtern sto]pernd. Psychisch ge- hemmt, desorientiert. Am 20. V[. kommt er wegen der beim Sprung aus den,

Fenster entstandenen Sehenkelhalsfraktur in Streekverband.

8. VIII. 1917. Urticariaartiger Ausschlag des ganzen K6rpers mit Temperatur- anstieg. Nach 6 Tagen wieder normale Temperatur. Naeh 10 Tagen Exanthem versehwunden. Starke Hautabschilferung,

Unterm 20. VIH. ist vermerkt: , I n ]etzter Zeit Tremor der Extremitgten.

kann angeblieh keinen Gegenstand fe~t in den H/inden halten.'"

(17)

16. X. ,,Macht die ersten Gehversuche. Selbst'~ndig vermag G. nicht zu

g e h e n " . . . . . Der Gang ist stampfend und schleudernd."

I m Abgangsbefund vom 20. X. heigt es: ,,Sehnen- und Hautreflexe sind

~tark herabgesetzt bzw. fehlen."

20. X. Aufnahme in die Lazarettabteilung der Klinik.

Aufnahmebefund: Kr~ftig gebauter Mann in nr~ftigem Erni~hrungszustand.

Muskulatur des ganzen K6rpers atrophiseh, am st~irksten an den Beinen einsehl.

der Oberschenkel, deren Umfang etwa auf die Halfte reduziert ist. Haut besonders

~m Baueh und Beinen trocken und schilferig, im tibrigen gespannt und zmn Tell gl~inzend. Lymphdriisen in Iuguinalbeuge und Achselh6hle noeh deutlich ge- sehwollen, aber nieht druckempfindlich. Herzt6ne sehr leise (St), sonst Herz o. B., ebenso Lungen. Cremasterreflex und linker Trieepsreflex sind ausl6sbar, sonst fehlen alle Sehnen- und Hautreflexe. Babinski und Oppenheim negativ. Gesiehts- muskulatur schlaff und maskenartig, vMMcht rechts Spur st~trker als links:

reehts deutliehe Ptosis. Aktive Faeialisinnervation herabgesetzt, Augenbewegungen frei, kein Nystagmus, Pupillen fund r. = t. Liehtreaktion nieht sehr ausgiebig.

abet prompt, Konvergenzreaktion gut. Die robe Kraft ist in s/imtliehen Muskeln herabgesetzt, am st/irksten distal zunehmend in den Beinen. I n den Armen (Sehultm' und Obetarmmuskulatur) ist sic relativ wenig, aber in H~inden und Fingern erheblieh ahgesehw~eht. Es besteht Hypasthesie Itir alle Qualit/iten in heiden Untersehenl/eln (strumpffbrmig), links etwas hbher reiehend, und am Dorsum der Unterarme, Hyperalgesie in der Vola manus vom Handgelenk an m~d am l)orsmn aller Finger, aul3erdem am Iliicken. Die Gelenksensibilitfi.t in allen Extremit/iten distal stark zunehmend gest6rt (in Zehen und Fingern fast aufgehohen). Beiderseits Tastagnosie. Wademnuskulatur (X. tibialis?) und X. medianus druekempfindlieh. Elektriseh iiberall quantitative Herabsetzung fin' beide Stromarten, am stfirksten in den Beinen; aber nirgends EaR. Keine Blasenst6rungen; Stuhlgang ersehwert. Spraehe hulb/ir, tremolierend. Zuweilen Versehlueken. Urin: Spur Eiweig, Z. - - ; vereinzelte Zylinder. Lmnbalpunktion:

Druek nieht gesteigert. Liquor: Mar. Phase l: -b. Zellen: 6/3. Eiweil3: iibe,' 3 Strich. (Nissl). Blutbefund: Hiimoglobingehalt 65~ 4 300000 Erythroeyten, 81~ Leukoeyten, 130o Lymphoeyten, 4~ {~Tbergangszellen, 2~ groge Mono- nuele/ire, 1~ Eosinophile. - - (~. klagt i~ber dauerndes starkes Kribbeln in Beinen ,rod H/i.nden.

11. X[. Hoehgradige Sehwaehe in allen Muskeln. l~,'s besteht jetzt an beiden Unterarmen distal zunehmende Hyp/isthesie fiir Beriihrnng; dagegen in der Hand- flitebe und dem Dorsum der Finger ausgesproehene Hyperalgesie. Am Unter- sehenkel Sensibilit/i.tsbefund unverhndert Nur an FuBsohlen nfiigige Hyper- algesie bei herahgesetzter Beriihrungsempfindung (Abb. 11).

I m Laufe der n/iehsten Monate nimmt die SehwRehe zu: dabei dauernd stark(.

Obstipation und h/iufiges Erbreehen naeh dem Essen. Stimmung a!~haltend depressiv i~ngstlieh.

Befund am 28. IL 1916. Maximale Atrophic der Arm- mid Beinmuskeln.

Cremasterreflex + . Alle iibrigen Ileflexe fehten. Maskenartiger Gesiehtsausdruek.

Leiehte Ptosis beiderseits. Sehwitehe der Arme in allen Gelenken ziemlieh gleich stark, ehenso in den Beinen. Doeh sind die Flexoren durehweg sehw/ieher als die Streeker, wiihrend an den oberen Extremitiiten hierin kein deutlieher Unter- sehied besteht. - - Sensihiliti/t: Beriihrungsempfindung am Untersehenkel hand- breit unter dem Knie beginnend herabgesetzt, unterhalb des FuBgelenkes besser;

an Fugsohle intakt. Von der Mitre der Untersehenkel an distal zunehmende Hyperalgesie. Am st~irksten an der Ful3sohle. Am Arm handselmhfbrmige ttyp- /tsthesie und tIyperalgesie, letztere am stiirksten in Vola manus und am Dorsum der Finger. StOrung der Gelenkempfindung yon ausgesproehen di.~talem Typus.

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Zur Frage der Lokalisation der Polyneuritis. 167 Z u s a m m e n f a s s u n g . Bei einem seit Jahren an malignen Lym- phomen leidenden Manne entwiekelt sieh, naehdem er Gon.-Urethritis, 2 real Gesichtserysipel und eine fieberhafte Erkrankung mit Aussehlag durehgemaeht hat, eine typisehe Polyneuritis mit aufgehobenen Sehnen- reflexen. Die Paresen zeigen ausgesproehen distalen Typ, ebenso die Sensibilit~tsst6rungen, dabei Dissoziation zwischen Sehmerz- und Be- riihrungsempfindung. AuBerdem Par~sthesien in den Beinen und Hhn- den. Keine Druckschmerzhaftigkeit der Nervenst~mme auger voriiber- gehend im Medianus. Liquorbefund: Erhebliehe Eiweigvermehrung (3 Strich). Phase I (Nonne-Apelt) -~-. Zellen nieht vermehrt (6/3).

Abb. 11.

Versuchen wir nun aus den mitgeteilten Fhllen einen Schtug auf die vermutliche Lokalisa~ion der Polyneuritis zu ziehen, so ist hier zuerst der in allen Fi~llen ausgesproehen positive Liquorbefund als wichtigster zu nennen.

Die folgende Tabelle gibt eine Zusammenstellung der Befunde in den sieben mitgeteilten ]~'~llenl). Ats absolut konstan~e Erseheinung finden wir eine sehr erhebliehe Vermehrung des GesamteiweiBgehaltes bis auf das Ftinffaehe des Normalen. Augerdem mit Ausnahme von

1) Uber einen Teil dicser Liquorbefunde habe ieh bereits Anfang Nov. 1917 auf dem Rostocker klinischen Abend berichtct.

(19)

168 F . K . Walter:

Fall 3 aueh eine Globulinvernlehrung (Phase I + ), di6 im 2. Falle sogar sehr stark war und schlieBlieh in zwei der 7 F~ille aueh r eine starke und einmal nieht unerhebliehe Vermehrmlg des Zellgehaltes.

F a l l f~esamteiweill ~)

Strich (NisslrShrehen~

6 5 3

3

3.5 5 3,3

P h a s e I

~ o n n e - A p e l t

§

Z e l l e n : W a s s e r m a n n i

2,,' 3 9 2 /

/3 - -

6,/11 - -

180 / / 3 1 / 3 5 /

',3 - - -

6,/3

1909 hat R 6 m h e l d t bereits fiber einen pathologisehen Liquor- befund bei postdiphtherischer Lahmung beriehtet. Die Patientin hatte bei der ersten Punktion, die ungefiihr 4 Wochen nach Beginn der Er- krankung vorgenommen wurde, starke EiweiBvermehrung (7 St rieh Nissl), und Globulinvermehrung (Phase I + + bei 2.0/3 Zellen). 2 Monate da.rauf wa/" der EiweiBgehalt auf 3 Strich zurfickgegangen, w~ihrend die Zellen fehlten und Phase I nut geringe Opaleseenz aufwies.

h n folgenden J a h r e beriehtete F e e r fiber analoge Liquorver- anderungen bei Kindern mit postdiphtherisehen L~hmungen. In 5 Fallen war das Eiweift, in 1 aueh der Zellgehalt vermehrt.

Vor kurzem erschien eine interessante Arbeit yon Q u e c k e n s t e d t fiber .Veranderungen der Spinalflfissigkeit bei Erkrankungen peripherer Nerven insbesondere bei Polyneuritis und bei Ischias. Der Autor kommt auf Grund yon Befunden bei 10 metadiphtherischen und 3 krypto- genetisehen Polyneuritkten zu dem SehluB, dab im Verlauf dieser Er- krankung ,,Veranderungen der Spinalflfissigkeit nur selten wahrend der ganzen Dauer des Leidens ausbleiben dfirften. Zu Beginn und im Rfiekbildungsstadium kSnnen sie fehlen; auf der HOhe der Krankheit geh6rt selbst ein annahernd normaler Liquor offenbar zu den Aus- nahmen. Die gefundenen Veranderungen zeigen durehweg einen be- sonderen Typus, der dadurch gekennzeiehnet ist, dab bei erh6htem;

oft sehr betr~ichtlieh gesteigertem Eiweil~gehalt die Zahl der Zellen ganz oder nahezu normal bleibt".

Diesen Befunden kann ieh a u f G r u n d meiner eigenen Beobaehtungen in weitgehendem MaBe zustimmen, dagegen scheint mir die Deutung, die Q u e e k e n s t e d t denselben gibt, nicht stichhaltig zu sein. Er meint, dab der Befund der isolierten Eiwei6vermehrung in vollkom-

1) Normaler Eiweillgehalt bis 1,5 Strich.

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Zur Frage der Lokalisation der Polyneuritis. 169 menem Gegensatz zu dem Verhalten bei entzfindliehen Vorg~ngen, vor allen Dingen der luetischen, stehe und auf ,,Zirkulationsst6rungen und einem dad~urch bedingten, nicht entziindlichen Odem der Meningen"

beruhe; denn einen ganz analogen Befund fanden wir nur bei dell Kompressionserkrankungen des l:~fiekenmarks, wo die starke Vermeh- rung des GesamteiweiBgehaltes ein fast regeln~giges Symptom sei -- nach Mlgemein herrsehender Ansicht Ausdruck einer ven6sen Stau- ung. -- Q u e c k e n s t e d t ist fiberzeugt, da6 dieses 0dem irgendwie mit der Polyneuritis in Beziehung stehe, und nieht etwa die Folge der der Polyneuritis ~tiologiseh zugrunde tiegenden Krankheit ist, da er z. B. in 6 unkomplizierten DiphtheriefMlen stets normalen Liquor fand.

Aber ebensowenig will er es mit etwaigen Raekenmarksver~inderungen

~tiologisch in Zusammenhang bringen, da diese vie! zu geringf~igig seien, und ein ParMlelismus zwisehen der Eiweigvermehrung und den klinisehen' Symptomen durehaus nicht bestehe. So land er sie nie bei Isehiasrezidiven, wo die erstmalige Erkrankung eine deutliche Eiweig- vermehrung ergeben hatte, wieder, und aueh bei sehr lange bestehenden Neuritiden (Isehias) fehlten sie. Falls die Eiweigvcrmehrung direkte Folgeerseheinung der Neuritis ware, m~gte sie naturgemS[t auch w~h- rend des ganzen Krankheitsverlaufes und vor allen Dingen bei erneuter Erkrankung gefunden werden. Ist abet die Annahme richtig, dag sie Folge von Zirkulationsst6rungen ist, so wird ihr dauerndes Verschwinden nach Q u e c k e n s t e d t dadureh verst~ndlieh, dag die Zirkulations- stSrung dutch Anpassung an die ver~nderten Verhaltnisse einen Aus- gleich erfahren kann, der aueh dureh eine Neuerkrankung nicht mehr gest6rt wird. Der Autor stellt daher die angenommene Capillarseh~di- gung in AnMogie zu der bei Nephritis.

Nach meinen obigen Befunden mug ieh aber zu der sehr wahrsehein- lichen Annahme kommen, da6 aueh die Eiweigvermehrung bei der Polyneuritis Folgeerseheinung eines entzandliehen-Prozesses ist!

Richtig ist ja, dag bei den sonst bekannten Meningitiden (MetMues) der AlbumengehMt im allgemeinen einen gewissen Parallelismus zmn ZellgehMt aufweist, aber dieses ist doch keineswegs die Regel. Man findet sogar nicht selten Mtere FMle von Paralyse mit sehr geringer resp. fehlender Zellvermehrung und ausgesproehen positiver Albmnen- vermehrung. Es h~ngt das mit der Tatsache zusammen, die ich bereits vor mehreren Jahren auf Grund eingehender Untersuchungen fest- stellen konnte, dab eine circumscripte Zellinfiltration der Meningen noch nieht ohne weiteres einen positiven Zellbefund im LumbMpunktat ergeben mug, well die Propagation der Zellen durch den ganzen Sub- arachnoidMraum lange nicht so sehnell vor sieh geht, wie man frfiher allgemein anzunehmen geneigt war. Der oben mitgeteilte histologische Befund yon Fall 1 best~tigt diese Tatsaehe von neuem. Es fanden sieh

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a l l e r d i n g s a n r e c h t u m s c h r i e b e n e n k l e i n e n u n d v e r e i n z e l t e n Stellen d e u t l i c h L y m p h o c y t e n i n f i l t r a t i o n e n , die n u r als A u s d r u c k einer l o k a l e n E n t z i i n d u n g g e d e u t e t w e r d e n k 6 n n e n . Der Z e l l g e h a l t i m L u m b a l - p u n k t a t w a r a u c h ill d i e s e m F a l l d u r c h a u s n i c h t v e r m e h r t . N u n h a b e n wir a b e r 2 F~lle m i t a u s g e s p r o c h e n e r Z e l l v e r m e h r u n g i m L i q u o r selbst b e o b a c h t e t u n d F e e r h a t in e i n e m F a l l e einen a n a l o g e n Beflmd er- h o b e n .

A n m e r k u n g: W~hrend der Drucklegung habe ich oinen weiteron Fall yon typiseher Polyneuritis mi~ Zellvermehrung beobaehtet. Liquorbefund: Li- tluor klar, Phase I ~ q- Zellen 118/3, Alb. 6 S~rich.

Miissen wir n u n in diesen F S l l e n zweifellos einen entzfindlichen ProzefJ i m Sinne d e r Meningitis a n n e h m e n , so ist d e r S c h l u 6 k a u m zu u m g e h e n , d a b ein gleicher Prozel3 a u c h in d e n i i b r i g e n F i i l l e n vorliegt resp. v o r g e l e g e n h a t , u n d es muB als ein u n g l i i c k l i c h e r Zufall b e t r a c h t e t werden, w e n n in d e n Q u e c k e n s t e d t schen F i i l l e n i m A u g e n b l i c k d e r P u n k t i o n eine Z e l l v e r m e h r u n g fehlte. W i r zweifeln d a m i t in k e i n e r Weise a n d e r R i c b t i g k e i t seiner Befunde, d a wir j a s e l b s t in d e r Mehr- zahl d e r F~ille keine i i b e r n o r m a l e n W e r t e g e f u n d e n h a b e n , und d a m6glicherweise d e r p r i m g r e e n t z t i n d l i c h e V o r g a n g schnell a b l a u f e n karat, w g h r e n d die, wie wir uns vorstellen, r e a k t i v d a d u r c h ausgel6ste ven6se S t a u u n g we'iterbestehen k a n n . I s t es d o e h ei~ne b e k a n n t e T a t s a c h e , d a b bei d e r o h n e Zweife] e n t z t i n d l i c h e n P o l i o m y e l i t i s e b e n f a l l s hgufig keine Z e l l v e r m e h r u n g g e f u n d e n wird. I c h selbst h a t t e kiirzlich Ge- legenheit einen d e r a r t i g e n F a l l zu p u n k t i e r e n , d e n ich g a n z k u r z hier w i e d e r g e b e n m 6 c h t e :

Paul g., Student, erkrankte Anfang Dez. 1917 wghrend seines Urlaubs aus dora Felde pl6tzlich mit allgemeinem Unwohlsein und SehSttelfrost bei Tempora- turen zwisohen 39 und 40 ~ ohne Halsschmerzen. Nach 4 Tagon vorsehwand das Fieber; als pat. am 6. Tage aufzustehen versuehte, merkte er; dab or im Kreuz und in den Beinen v6llig gel/ihmt war. Seither trat allm~hlieh fortschreitendo Besserung eh~..

Bei der Aufnahme in die Klinik am 15. XI. 1917 bet or folgenden Befund:

Patel]arsehnenreflex r. q-, ]. - - . Achillessehnenreflex bds. q-, 1. < r. Plantar- reflexe 1. < r. Babinski, Oppenheim wegen Fehlen der grol~en Zehen (durch Er- frieren) nicht zu priifon. Cremasterreflex sehwach. Bauehdeckenreflex bds. - - . Hirnnerven intakt. Etwt~ veto 8. Dorsal- bis ]. Lumbalsegment unscharf be- grenzte Hyperalgesie. Ischiadieus und Wadenmuskulatur bds. empfindlieh. Kehle SensibilitiitsstSrungen, Hiiftbeugor bds. und Quadrieeps dcr linken Seite fast v6llig gelRhmt, ebenso Adductoren beider Oberschenkel. K-niebeugor abgesohw/~eht, 1. < r. FuSbewegung intakt, hn ]inken Quadriceps und bds. in den Adductoren komplette EaR. In den Glutiien und Bauchmuskeln quantitative tterabsetzung.

Punktion am 16. XL ergab: Liquor klar, Phase I q - q - + q - , Eiweil~ 4 Strieh (Nissl), Zellen 13/3. Dic Besserung hat in den folgenden Monaten weitore, abet ]angsame Fortsehritte gemacht, so dab R. jetzt imstande ist, ohne Stock zu stehen und aueh kurzo Stroekon zu gehen. Am stgrksten besehiidigt ist naeh wie vet der linke Quadrieeps.

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Zur Frage der Lokalisation der Polyneuritis. 171 Die Diagnose Poliomyelitis seheint mir naeh dem Krankheitsverlauf und dcr akuten umschriebenen L~thmung bei Fehlen der typischen distalen L~hmungs- und Sensibilit~ttsstSrungen einwandfrei.

Wir habzn also hier den gleichen Liquorbefund: Starke ErhShung des Eiweiggehaltes bei Fehlen der Zellvermehrung, obwohl hier an der entztindlichen Genese kein Zweifel bestehen kann. Es k o m m t sehlieg- lieh noch dazu, dag Q u e c k e n s t e d t anfangs den Zellgehalt nach dex franz6sisehen Methods ausz~hlte, die bekanntlich bei Grenzwerten sehr zweifelhafte Resultate gibt, so dalt er selbst vielfach im Zweife!

war, ob eine Erh6hung d e r Zellzahl vorlag oder nieht.

Ieh habe schon gesagt, dab aueh ieh in 5 von den oben angeffihrten Fiillen keine Zellwrmehrung fand. Einmal habe ieh eine Liquorunter- suchung bei einem Fall naeh Absehlul3 der ldinisehen Erseheinungen vorgenommen und konnte dabei noeh deutliehe Eiweigvermehrung ohne abnormen Zellgehalt konstatieren. Der Betreffende meldete sieh a m 17. V. 1917 krank und wurde wegen Palyneuritis im Feldlazaret~

und spitter im Kriegslazarett behandelt, we er 4 Woehen wegen Lah- m u n g zu Bert lag. Am 23. V I I I . wurde er in unserer Klinik aufge- nommen. K6rperlieh fand sieh lcdiglieh Fehlen der bciden Aehilles- sehnenreflexe, dagegen keine deutliehe Schw~iehe und keine Sensibilitiits- st6rungen mehr. Als Klagen best anden noeh Zersehlagenheit nach k6rperliehen Anstrengungen und frtihzeitige Ermiidbarkeit. Die am 4. I X . 1917 vorgenommene Punktion ergab: L y m p h o e y t e n 16/3.

Phase I + , Gesamteiweig 3 Strieh Nissl.

Dag abet aueh Zellvermehrung bei nur wenig erhShtem Eiweig- gehalt noch naeh Ablauf der klinisehen S y m p t o m e der Polyneuritis sieh finden kann, zeigt folgender Fall:

Albert M., 22 Jahre alt. 1t0. V. 1916 Aufnahme in Feldlazarett wegen Hals- entztindung. "Diphtherie bakteriologiseh festgestellt. Drei Woehen spiiter be- ginnende Liihmungserseheinungen, die sehnell zunehmen, so dab fast vollkommene Lghmung der Arme eintrat und wegen Sehluekl//hmung Sondenerniihrung vor- genommen werden mugte. A'm 13. IV. 1917 Aufnahme in die Lazarettabteilung der Klinik wegen ausgesproehener funktioneller Gehst6rung. Die neurologische Untersuehung ergab das Vorhandensein aller Reflexe, keine SensibilitgtsstSrungen.

angeblieh nur sehr geringe Kraft in den Bcinen bei Priifung derselben. Dic Geh- stSrung wurde durch Kaufmann-Behandlung schnell beseitigt. - - Lumbalpunk- tion am 21. IV. 1917 ergab: Zellgehalt 42/3, Phase I sehwach -~, Eiweiggehalt

1,75 Strich (Nissl); Wassermann im Blut und Liquor negativ.

Fassen wir unsere Befunde mit denen der fibrigen Autoren zusammen, so seheint es mir nieht zweifelhaft zu sein, d a g die bei der Polyneuritis wohl stets zu irgendeiner Zeit vorhandene Eiweigvermehrung Folge eines entziindlidhen meningealen Prozesses ist. Allerdings stimme ieh nun darin wieder mit Q u e e k e n s t e d t tiberein, d a g bei der Polyneuritis meist ein MiBverh~iltnis zwisehen Zell- und EiweiBgehalt vorhanden ist,

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172 F.K. Walter :

wenn wir z. B. die luetischen Erkrankungen des Zentralnervensys~enls oder die tuberkul6se Cerebrospinahneningitis damit vergleiehen; aber der angeffihrte Fall yon Poliomyelitis zeigt sehon, dag hier kein bei- spielloser Befund vorliegt. Die Frage ist nur die, wie wir ihn erkli~ren sollen. Aueh wir daehten, als wit unsere ersten diesbezfigliehen Befunde erhoben, sofort an die Ahnliehkeit mit dem Liquorbefund bei Stauungs- erseheinungen des Rfiekenmarkes. Vielleieht darI man sieh vorstellen, daft analog etwa dem Stauungs6dem bei einer eireumseripten Wirbel- caries aueh die eireumseripten Meningitisinfiltrationen zu einem kolla- teralen ()dem ffihren, das vet allem die Abfluftwege an den Durehtritts- stellen der Wurzeln dureh die Dura versperrt. Es ist zum mindesten auffallend, daft die in unserem ersten Fall beobaehteten Infiltrations- stellen stets im Gebiet der Wurzelaustrittszone lagen, und man k6nnte sich denken, daft dadureh ein besonderer geiz auf die Nerven mitsamt den sie umgebenden Venen ausgefibt wird. Man k6nnte diesen Gedanken vielleieht aueh auf die Poliomyelitis mit ihrem analogen Liquorbefund, fiir den iibrigens aueh Q u e e k e n s t e d t ein Beispiel anfiihrt, anwenden, da bier ja der entztindtiehe Prozeg in den Kerngebieten des Nerven liegt.

Der entziindliehe Reiz, der das eine Mal den Nerven an seinem Austritt aus der Medulla trifft, wiire hier im Ursprungsgebiet selbst zu suehen.

Den primiiren Erkrankungsherd a'uch bei der Potyneuritis in den Vorderhornzellen zu suchen, wie das yon versehiedenen Seiten versucht wurde, geht fiir unseren Fall 1 nach dem anatomisehen Befund jeden- falls nieht an. Weder waren hier Infiltrationsherde zu finden noeh Veri~nderungen der Ganglienzellen akuter oder ehroniseher Art vor- handen, die aueh nur entfen~t als Erkl~irung fiir die sehweren klinisehen Symptome hiitten gelten k6nnen. Besonders 0 p p e n h e i m hat wieder- holt gewarnt, geringfiigige, v e t allem mit der Marchimethode naeh- gewiesene Degenerationsprodukte als Beweis fiir den zentralen Sitz der Erkrankung anzusehen. Jeder, der 6fter Marehipr~iparate des Rfieken- marks durehmustert hat, wird ihm darin zustimmen miissen. Ebenso wie im peripheren Nerven sind aueh in der Medulla normalerweise stets Markkugeln naehweisbar. Wenn. ieh die in der Abbildung wiederge- gebenen Befunde dennoch als pathologiseh ansehe, so gesehieht das vor allem deshalb, weil die Zahl der Markkugeln gerade in den Wurzel- zonen und zum Teil aueh den Hinterstr~ngen so erhebliehe Differenzen gegeniiber den fibrigen Teilen des Quersehnittes zeigte, dag daffir eine besondere Erklgrung gesueht werden muftte, die nur in dem Krank-

t

heitsprozeg bestehen kann. Man kSnnte einwenden, daft zwisehen den sehweren ad exitum ffihrenden klinischen Symptomen und dem ana- tomisehen Befund trotzdem ein Widersprueh bestehe. Es ist abet darauf hinzuweisen, daft es sieh um ein relativ fr/ihes Stadium der Erkrankung handelte. Und die tediglieh quantitative Herabsetzung der

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Zur Frage der Lokalisation der Polyneuritis. 173 elektrischen Muskel- und Nervenerregbarkeit beweist ja, dal3 schwere Degenerationen noch gar nicht zu erwarten waren. Unsere heutigeu Hilfsmittel erm6glichen es uns leider noch in keiner Weise, jede physio- logisch deutlich hervortretende Leitungsst6rung der Nervenfaserll histologisch nachzuweisen. Was in unserem Falle im peripheren extra- duralen Abschnitt der Nerven histologisch besonders auch mit der Marchimethode nachweisbar war, liegt ebenfalls noch in normalen Grenzen, so daft rein anatomiseh nur die kleinen Infiltrationsherdc der Pia und die beginnende Degeneration der Wurzel als sicher krank- haft tibrigbleibt. Aber gerade diese Tatsache erscheint mtr in Rticksicht auf den Liquorbefund bedeutsam.

K o m m e n wir nun zu den klinischen Symptomen und versuehen wir, sie durch einen intradural gelegenen KrankheitsprozeB zu erklaren, so muir yon vornherein betont werden, dab die Ausbreitung der Lah- mungen wie Sensibilitatsst6rungen und ihre weitgehende symmetrische Anordnung viel einfaeher durch eine zentrale als peripher angreifende Schadigung erklarbar ist. Wo in unseren F~llen die Krankheit nicht allc KSrperteile gleichma[~ig befallen hatte, war die Anordnung gleich- sam nach Segmentabschnitten verteilt. Das trifft besonders deutlieh ftir den zweiten Kranken zu, bei dem die bei weitem starkste Lahmung und vor allem aueh die Druckschmerzhaftigkeit der Nervenstamme sich fast ausschlieBlich atff den Kopf, aber bilateral beschrankte. Um- gekehrt zeigte der Fall 3 eine extreme Lahmung der ganzen KSrper- muskulatur mit Ausnahme des Kopfes. Geringe Asymmetrien besonders beziiglich der Sensibiliti~tsstSrungen sind zwar niehts UngewShnliches.

Erhebliche Differenzen, wie in Fall 5, wo die ganze linke Seite starker geli~hmt war, und in Fall 6, wo der rechte Arm und das linke Bein schwacher als die der Gegenseite waren, gehSren aber offenbar schon zu den selteneren Vorkommnissen. Aber auch hierbei hand,It es sich nieht um periphere Nervengebiete, die einseitig mehr oder weniger befalle, sind, sondern um ganze KSrperteile.

Was nun die einzelnen Symptome anbetrifft, so wird ja gew6hnlich die Druekschmerzhaftigkeit eines Nerven als Zeichen einer peripheren interstitiellen Neuriiis angesehen. Im allgemeinen ist auffallend wie stark dieses S y m p t o m (mit Ausnahme von Fall 2) gegentiber den Lah- mungen und den Sensibiliti~tsstSrungen zurticktrat. Trotzdem konnte man in den meisten Fallen doeh voriibergehend, wenigstens am ein- zelnen Nerven eine erh6hte Empfindliehkeit gegen mechanische Reize feststellen. Haufig war aber die Druckempfindliehkeit so diffus, dab sie als myalgiseh aufgefa6t werden muir. Daraus den Beweis ftir die periphere Lokalisation des Krankheitsprozesses herzuleiten, ist jedoeh kaum ang~ngig. Wir wissen z. B., dab aueh bei der Poliomyelitis die gleiehe Erscheinung auftreten kann ; und besonders W i e k m a n n

(25)

[74 F.K. Walter:

hat darauf hingewiesen, dab in den bisher darauf untersuchten FMlcn histologiseh an den peripheren Nerven keinerlei Ver~nderungen im Sinne der interstitiellen Neuritis oder ganz allgemein entzt~ndlieher Erseheinungen gefunden wurden. Der Antor nimmt deshalb an, dal~

sie zentral bedingt seien. Jedenfalls liegen keine prinzipiellen Sehwierig- keiten vor bei der Annahme, dab ein Druek auf den pGripheren sensibleh Nerven bei einem bestehenden KrankheitsprozeB im intraduralen Krankheitsproze~ als lokaler Schmerz empfunden wird, da dureh die Entztindung, wenigstens solange degenerative VorgSnge fehlen, eine E1[hShung der Reizsehwelle bedingt sein wird.

Bedeutungsvoller scheinen mir bezfiglieh der Lokalisationsfrage die Sensibilit~tsst6rungen zu sein. Ganz allgemein l~Bt sich sagen, dal3 Abgrenzungen nach peripheren Zonen in den obigen generalisierten PolyneuritisfMlen gar nieht beobaehtet wurden. Am h~ufigsten fand sieh 9 der bekannte distale Typ bei entspreehender Beteiligung aller Qualit~ten.

Der Ubergang yon den normalen zu den hyp~sthetisehen Bezirken is~

aber hie seharf. DaB eine I)issoziation der Empfindm~gsst6rungen bei Polyneuritis vorkommt, hat besonders O p p e n h e i m beto~t. Wir konnten sie ganz ausgesprbehen in Fall 6 und 7 beobaehten. ]~ei letz- terem deekten sich Hyp~sthcsie fiir Berfihrung und Hypcralgesie voll- st~ndig. Viel h~ufiger scheint aber eine engere Umgrenzung der Schmerz- t'lberempfindliehkeit auf H~nde und Fiifte, und zwar speziell auf die Vola bzw. Plantarseite derselben zu sein. Eine eigentiimliehe Form hatte sie in Fall 5, wo ein talergroBer, seharf abgrenzbarer B.~zirk in der t[ohlhand naehweisbar war. J~hnlieh auch in Fall 4 und 7 ! Zu den regel- m~Bigsten Empfindungsanomalien geh6ren, die St6rungen der Gelenks- empfindung. Und bier ist der distate Typus meist am auffallendsten.

Die Genese der distalen EmpfindungsstSrungen is~ "bereits vielfaeh diskutiert worden. Das Naheliegendste ist j edenfalls, sie mit der gr61~eren ,,Vulnerabilit~t" der langen Fasern in Zusammenhang zu bringcn.

DaB diese nieht nur eine unbegriindete Hypothese isf, wird jBder be- st~tigen, der experimentell dureh Kompression periioherer Ner~en Degenerationen zu erzeugen versueht hat. Komprimiert man nicht lange oder nieht krMtig genug, so wird man bei einer sp~teren histo- logischen Untersuchung fast immer intakte Fasern linden k6nnen, und zwar sind es immer die dfinneren. Da nun die Dieke der Faser mit ihrer L~nge zunimmt, so kann man annehmen, dab tats~ehlieh die l~ng- sten gegen meehanisehe Einwirkungen am wenigsten widerstandsf~hig sind. Freilieh sind toxisehe Seh~digungen nieht ohne weiteres mit meeha- nischen gleiehzusetzen, aber der Sehlul3, dab der Untersehied zwisehen langen und kurzen Fasern in der gleichen Weise aueh hier besteht, ist zum mindesten naheliegend.

Auf dem Bonner Neurologentag 19i7 hat C u r s e h m a n n in einer

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