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Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugendstärkungsgesetz - KJSG)

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Academic year: 2022

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12.02.21

Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

ISSN 0720-2946

Stellungnahme

des Bundesrates

Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugendstärkungsgesetz - KJSG)

Der Bundesrat hat in seiner 1000. Sitzung am 12. Februar 2021 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zu Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe a (§ 1 Absatz 1 SGB VIII) In Artikel 1 Nummer 2 ist der Buchstabe a wie folgt zu fassen:

‚a) In Absatz 1 werden nach dem Wort „hat“ die Wörter „als Träger von Grundrechten“ und nach dem Wort „einer“ das Wort „selbstbestimmten,“

eingefügt.‘

Begründung

Die Reform des SGB VIII stärkt in vielen Bereichen die Rechte der Kinder und Jugendlichen. Der Umstand, dass Kinder und Jugendliche Grundrechtsträger sind, sollte daher in § 1 des SGB VIII sichtbar gemacht werden. In diesem Zu- sammenhang würde klargestellt, dass Kinder und Jugendliche sowohl Träger von Grundrechten sind als auch die Kernprinzipien der UN-Kinderrechts- konvention im SGB VIII Beachtung finden.

Die Bundesregierung hat aktuell die Diskussion über die ausdrückliche Veran- kerung der Kinderrechte im Grundgesetz erneut aufgenommen.

Der Umstand, dass Kinder verfassungsmäßige Rechte haben, deren Garantie und Durchsetzung mit dem SGB VIII verfolgt werden, wird mit dem Einschub in § 1 Absatz 1 SGB VIII sichtbar gemacht.

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2. Zu Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb – neu –

(§ 1 Absatz 1 Satz 2 – neu – SGB VIII) In Artikel 1 Nummer 2 ist der Buchstabe a wie folgt zu fassen:

‚a) Absatz 1 wird wie folgt geändert:

aa) Nach dem Wort „einer“ wird das Wort „selbstbestimmten,“ eingefügt.

bb) Folgender Satz wird angefügt:

„Das Kindeswohl ist vorrangig zu beachten.“ ‘

Begründung

Aus Artikel 3 Absatz 1 der UN-Kinderrechtskonvention geht hervor, dass das Wohl von Kindern vorrangig zu beachten ist. Diese vorrangige Beachtung der Belange von Kindern wird gerade in der Kinder- und Jugendhilfe umgesetzt.

Aus diesem Grund sollte die Vorgabe des Artikel 3 UN-Kinderrechts- konvention sich auch im SGB VIII niederschlagen.

3. Zu Artikel 1 Nummer 5 (§ 4a Absatz 4 – neu – SGB VIII)

In Artikel 1 Nummer 5 ist dem § 4a folgender Absatz 4 anzufügen:

„(4) Näheres kann durch Landesrecht geregelt werden.“

Begründung

Der neu eingeführte § 4a SGB VIII beinhaltet unbestimmte Rechtsbegriffe und Vorgaben, die es unter Berücksichtigung der jeweiligen länderspezifischen Struktur auszufüllen gilt. So ist es beispielsweise für die Annahme eines selbstorganisierten Zusammenschlusses im Sinne des § 4a Absatz 1 SGB VIII notwendig, dass diese sich „nicht nur vorübergehend“ zusammenschließen. Um Rechtssicherheit zu schaffen ist es zwingend erforderlich, dass dies durch Lan- desrechtsvorbehalt näher bestimmt werden kann.

Auch werden die Formen der Zusammenarbeit im Rahmen des § 4a Absatz 2 SGB VIII nur beispielhaft genannt. Um einen Qualitätsstandard etablieren zu können, der sich im jeweiligen Land auch umsetzen lässt, ist auch dort ein Landesrechtsvorbehalt unabdingbar.

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4. Zu Artikel 1 Nummer 7 Buchstabe b (§ 8 Absatz 4 SGB VIII)

In Artikel 1 Nummer 7 Buchstabe b ist § 8 Absatz 4 wie folgt zu fassen:

„(4) Beteiligung und Beratung von Kindern und Jugendlichen nach diesem Buch erfolgen in einer für sie verständlichen, nachvollziehbaren und wahr- nehmbaren Form.“

Begründung:

Der neu angefügte § 8 Absatz 4 SGB VIII verlangt konkretisierend, dass Betei- ligung und Beratung von Kindern und Jugendlichen in einer für sie „wahr- nehmbaren Form“ erfolgen soll, um eine aktive Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an Entscheidungsprozessen sowie eine adressatenorientierte Be- ratung zu ermöglichen.

Eine umfassende Beteiligung und Beratung von Kindern und Jugendlichen ist fachlich zu unterstützen.

Dennoch ist der Begriff „wahrnehmbar“ zu eng. „Wahrnehmbar“ impliziert die Wahrnehmung von Informationen mittels Sinnesorganen. Im Hinblick auf die Inklusion ist dies beispielsweise für junge Menschen mit Sehbehinderungen zu begrüßen. Die Gesetzesbegründung geht allerdings von „verständlich und nachvollziehbar“ aus. Dies ist ein grundsätzlich anderer Sinngehalt. Um die un- terschiedlichen Belange aller jungen Menschen zu berücksichtigen, wird daher eine Konkretisierung im Sinne von „verständlich, nachvollziehbar und wahr- nehmbar,“ empfohlen.

5. Zu Artikel 1 Nummer 8 Buchstabe a1 – neu – (§ 8a Absatz 2 Satz 1a – neu – und

Satz 1b – neu – SGB VIII)

In Artikel 1 Nummer 8 ist nach Buchstabe a folgender Buchstabe a1 einzufügen:

‚a1) In Absatz 2 werden nach Satz 1 folgende Sätze eingefügt:

„Das Jugendamt hat dem Familiengericht alle aus seiner Sicht für die Ein- schätzung der Kindeswohlgefährdung erforderlichen Daten zu übermitteln.

Dies gilt auch für Daten, die dem Jugendamt erst nach der Anrufung des Familiengerichts bekannt werden.“ ‘

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Begründung:

Um einen bestmöglichen Kinderschutz in gerichtlichen Verfahren zu gewähr- leisten, bedarf es in Verfahren nach §§ 1666 und 1666a BGB unter anderem einer umfassenden Information des Familiengerichts. Die Befugnis zur Daten- übermittlung des Jugendamtes an das Familiengericht ergibt sich grundsätzlich aus § 69 Absatz 1 Nummer 1 Alternative 2 SGB X in Verbindung mit § 8a SGB VIII. Darüber hinaus ist das Jugendamt in Verfahren nach §§ 1666 und 1666a BGB zu beteiligen und anzuhören (§ 162 Absatz 1 und Absatz 2 Satz 1 FamFG). Auch über die Beteiligung und Anhörung des Jugendamtes erlangt das Familiengericht Daten und Informationen über die an dem familiengericht- lichen Verfahren Beteiligten. Um aber Unsicherheiten hinsichtlich der Daten- übermittlung zwischen dem Jugendamt und dem Familiengericht zu beseitigen, ist in § 8a SGB VIII zu implementieren, dass das Jugendamt dem Familienge- richt alle für die aus seiner Sicht zur Einschätzung einer Kindeswohlgefähr- dung erforderlichen Daten übermittelt und dies auch für Daten gilt, die dem Jugendamt erst nach Anrufung des Familiengerichts bekannt werden.

6. Zu Artikel 1 Nummer 8 Buchstabe a1 – neu – (§ 8a Absatz 3 Satz 1 und

Satz 3 – neu – SGB VIII In Artikel 1 Nummer 8 ist nach Buchstabe a folgender Buchstabe a1 einzufügen:

‚a1) Absatz 3 wird wie folgt geändert:

aa) In Satz 1 wird das Wort „oder“ durch ein Komma ersetzt und nach dem Wort „Polizei“ werden die Wörter „oder sonstiger Dritter“

eingefügt.

bb) Folgender Satz wird angefügt:

„Legen Tatsachen die Schlussfolgerung nahe, dass über den kon- kreten Kindeswohlgefährdungsfall hinaus in einer unbestimmten Anzahl von Fällen eine Kindeswohlgefährdung droht, hat das Ju- gendamt die Dritten einzuschalten, deren Tätigwerden zur Abwen- dung dieser Gefährdung erforderlich ist.“‘

Begründung:

Nach bisheriger Rechtslage hat ein Jugendamt zur Abwendung einer Gefähr- dung auf ein Tätigwerden anderer Leistungsträger, einer Einrichtung der Ge- sundheitshilfe oder der Polizei durch die Erziehungsberechtigten hinzuwirken.

Nach grammatikalischer Auslegung dieser Norm könnte der Schluss gezogen werden, dass diese Aufzählung eine abschließende darstellt. Aus der Gesetzes- begründung selbst (BT-Drucksache 15/3676, Seite 30) könnte aber durchaus

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der Schluss gezogen werden, dass hier keine abschließende Aufzählung erfolgt ist. Hier sollte daher zur Verbesserung des Schutzauftrags bei Kindeswohlge- fährdung auch auf sonstige Dritte zurückgegriffen werden können, sofern für die Abwendung einer konkreten Gefahr eine Inanspruchnahme dieser Dritten von Nöten ist. Es müssen aber Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der soge- nannte Dritte (beispielsweise ein Arbeitgeber, der einen das Kindeswohl Ge- fährdenden in einem dieses fördernden Umfeld beschäftigt) Schritte zur Ab- wendung einer konkreten Kindeswohlgefährdung, die im Umfeld des Dritten bestehen, unternehmen könne. Dies hätte für die Handelnden nach § 8a Ab- satz 3 SGB VIII de lege ferenda eine klarstellende und rechtssicherheitsgeben- de Wirkung.

Grundsätzlich setzt ein Tätigwerden nach § 8a Absatz 3 SGB VIII das Vorlie- gen einer konkreten Gefahr voraus. Aus Anlass einer konkreten Gefahr und der damit verbundenen Kindeswohlgefährdung können sich aber auch Anhalts- punkte für eine abstrakte Gefahr für weitere, noch nicht namentlich bekannte Kinder und Jugendliche, aber einen eingrenzbaren und bestimmbaren Perso- nenkreis ergeben. Es kann dann eine abstrakte Gefährdung (oder Gefahrenlage) schnell in eine konkrete Gefahr umschlagen; diese ist anzunehmen, wenn die objektive Tatsachenlage die konkrete Befürchtung zulässt, dass weitere Kinder oder Jugendliche einem Missbrauchstatbestand unterliegen können. Es sollte daher auch bei konkreten Anhaltspunkten für eine Gefährdung (beispielsweise im Rahmen einer beruflichen oder Vereinstätigkeit) ein Handeln eines Jugend- amtes möglich sein, obwohl eine Gefährdungslage noch nicht wissentlich be- kannt ist.

7. Zu Artikel 1 Nummer 8 Buchstabe b Doppelbuchstabe aa – neu – (§ 8a Absatz 4 Satz 1,

Satz 2 und

Satz 3 SGB VIII) In Artikel 1 Nummer 8 ist Buchstabe b wie folgt zu fassen:

,b) Absatz 4 wird wie folgt geändert:

aa) In Satz 1 werden nach dem Wort „erbringen“ die Wörter „oder einer Erlaubnispflicht nach § 45 unterliegen“ eingefügt.

bb) Satz 2 wird durch folgende Sätze ersetzt:

< … weiter wie Vorlage … >‘

Begründung:

Es ist im Sinne des Kinderschutzes nicht stringent, dass nur Einrichtungen und Dienste, die Leistungen nach dem SGB VIII erbringen, verpflichtet sind ent-

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sprechende Vereinbarungen zu schließen; vielmehr sollten alle Einrichtungen, die nach § 45 SGB VIII betriebserlaubnispflichtig sind (zum Beispiel Träger von Leistungen der Eingliederungshilfe oder Pflege), verpflichtet werden, ent- sprechende Vereinbarungen zu schließen, da allen Einrichtungen gemeinsam ist, dass Kinder und Jugendliche ganztätig oder für einen Teil des Tages betreut werden oder Unterkunft erhalten.

8. Zu Artikel 1 Nummer 8 Buchstabe b (§ 8a Absatz 4 Satz 2 SGB VIII)

In Artikel 1 Nummer 8 Buchstabe b sind in § 8a Absatz 4 Satz 2 nach dem Wort „Behinderungen“ die Wörter „sowie dem Schutz von Kindern und Ju- gendlichen vor Vernachlässigung, körperlicher, psychischer und sexualisierter Gewalt“ einzufügen.

Begründung:

Mit Einführung des § 8a SGB VIII im Jahre 2005 wurde der Anspruch auf Be- ratung durch eine insoweit erfahrene Fachkraft als verbindlicher Standard in der Kinderschutzarbeit für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter freier Träger der Jugendhilfe etabliert. Dieser Beratungsanspruch erfuhr durch das Bundeskin- derschutzgesetz (BKiSchG) im Jahr 2012 wesentliche Erweiterungen mit Blick auf weitere Berufsgruppen. Die insoweit erfahrene Fachkraft nimmt bei einer möglichen beziehungsweise tatsächlichen Kindeswohlgefährdung eine zentrale Rolle im Verfahren der Risikoeinschätzung ein und ist somit verbindliches Element der Qualitätssicherung und -entwicklung im Kinderschutz.

An die Kompetenzen der insoweit erfahrenen Fachkraft sind mithin besondere Anforderungen zu stellen. In die Vereinbarungen mit den Trägern von Einrich- tungen und Diensten, die Leistungen nach dem SGB VIII erbringen, sind folg- lich nach § 8a Absatz 4 Satz 2 SGB VIII Kriterien für die Qualifikation der in- soweit erfahrenen Fachkraft aufzunehmen. Diese Qualifikationskriterien sollen nun erstmalig spezifiziert werden und zwar mit Blick auf die „besonderen Schutzbedürfnisse von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen“.

Aus Sicht des Bundesrates ist es notwendig, diese Spezifizierung zu ergänzen um das Kriterium des Schutzes von Kindern und Jugendlichen vor Vernachläs- sigung, körperlicher, psychischer und sexualisierter Gewalt. Der Schutz vor Vernachlässigung und Gewalt mag als so grundlegend im Kinderschutz ver- standen werden, dass er einer gesonderten gesetzlichen Hervorhebung in

§ 8a SGB VIII nicht bedarf. In der Praxis erweist es sich jedoch, dass in Ver- fahren der Risikoeinschätzung der präventive wie intervenierende Schutz vor Vernachlässigung und Gewalt in seinen unterschiedlichen Ausprägungen diffe- renzierte Qualifikationen erfordert, die einer gesetzlichen Konkretisierung mit Blick auf die insoweit erfahrene Fachkraft bedürfen.

Die hier beantragte Ergänzung steht in einem fachlichen Begründungszusam- menhang mit den Empfehlungen zur Konkretisierung des Gewaltschutzbegriffs

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in §§ 37b Absatz 1, 45 Absatz 2 sowie 79a SGB VIII in Bezug zu Schutzkon- zepten.

9. Zu Artikel 1 Nummer 8 Buchstabe c – neu – (§ 8a Absatz 4a – neu – SGB VIII) In Artikel 1 ist der Nummer 8 folgender Buchstabe c anzufügen:

‚c) Nach Absatz 4 wird folgender Absatz 4a eingefügt:

„(4a) In Vereinbarungen mit den Kindertagespflegepersonen, die Leis- tungen nach diesem Buch erbringen, ist sicherzustellen, dass die Kinderta- gespflegepersonen bei Bekanntwerden gewichtiger Anhaltspunkte für die Gefährdung eines von ihnen betreuten Kindes eine Gefährdungseinschät- zung unter Einbeziehung einer insoweit erfahrenen Fachkraft eines Trägers der Jugendhilfe vornehmen. Die Erziehungsberechtigten sowie das Kind sind in die Gefährdungseinschätzung einzubeziehen, soweit hierdurch der wirksame Schutz des Kindes nicht in Frage gestellt wird. Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.“ ‘

Begründung:

Bislang sieht § 8a Absatz 4 SGB VIII vor, dass Vereinbarungen mit Einrich- tungen und Diensten, die Leistungen nach dem SGB VIII erbringen, abzu- schließen sind. Nach dem Wortlaut sind Kindertagespflegepersonen nicht ein- bezogen.

Mit der vorgeschlagenen Änderung würde klargestellt, dass Kindertagespfle- gepersonen nicht nur nach dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift zu den Ad- ressaten der Regelung gehören, sondern der Schutzauftrag bei Kindeswohlge- fährdung unmittelbar auch in der Kindertagespflege gilt und Kindertagespfle- gepersonen bei Anzeichen von Kinderwohlgefährdung das Verfahren des Ju- gendamtes zur Abschätzung des Gefährdungsrisikos einleiten müssen. Somit würde das Erfordernis von Vereinbarungen auch für dieses Angebot der Kin- der- und Jugendhilfe geregelt. Mit dieser Klarstellung würde das Anliegen des Gesetzentwurfs, den Schutz der Kinder – in diesem Fall der Kinder in Kinder- tagespflege – zu verbessern, verstärkt.

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10. Zu Artikel 1 Nummer 10 Buchstabe b (§ 9 Nummer 3 SGB VIII)

In Artikel 1 Nummer 10 Buchstabe b ist § 9 Nummer 3 wie folgt zu ändern:

a) Die Wörter „junge Menschen“ sind durch die Wörter „Mädchen und Jun- gen“ zu ersetzen.

b) Nach dem Wort „fördern“ ist der Punkt durch ein Komma zu ersetzen und folgender Halbsatz ist anzufügen:

„die besonderen Lebenssituationen transidenter, nicht-binärer und interge- schlechtlicher Kinder und Jugendlicher sind einzubeziehen.“

Begründung:

Die Änderung in „der Geschlechter“ ist unzureichend, weil sie nach aktueller Gesetzesauslegung nur die nach Personenstandsgesetz vorgegebenen physi- schen Geschlechter meint. Die Problematik der Identitätsgeschlechter fiele demnach aus dem Regelungsgehalt der Norm raus.

Die Einbeziehung der Bedarfe von Kindern und Jugendlichen im Zusammen- hang mit ihrer (Identitäts-)Geschlechtlichkeit in den Normgehalt ist jedoch eine durch Beschluss bekräftigte Forderung der Obersten Landes- und Familienbe- hörden (AGJF-Sitzung September 2020).

Den strukturellen Benachteiligungen aufgrund des binär zugeschriebenen Ge- schlechts ist weiterhin zu begegnen.

11. Zu Artikel 1 Nummer 11 (§ 9a Satz 1 SGB VIII)

In Artikel 1 Nummer 11 ist in § 9a Satz 1 nach dem Wort „Beratung“ das Wort

„in“ einzufügen.

Begründung:

§ 9a SGB VIII sieht vor, dass in den Ländern sicherzustellen ist, dass sich jun- ge Menschen und ihren Familien an Ombudsstellen wenden können. Die Auf- gabe der Ombudsstellen soll sich auf die Beratung, Vermittlung und Klärung von Konflikten zwischen Leistungsträgern und Leistungsempfängern im Zu- sammenhang mit Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe konzentrieren. Laut Gesetzesbegründung dienen Ombudsstellen „als Anlaufstellen (…) zur Ver- mittlung und Klärung von Konflikten im Kontext sämtlicher Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe.“ Ombusstellen sollen hingegen nicht die Funktion

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haben, allgemeine Beratung zu Angeboten und Leistungen der Kinder- und Ju- gendhilfe vorzuhalten. Hierzu sieht das Gesetz eigenständige Beratungsansprü- che in Verantwortung der Jugendämter vor. Die Einfügung stellt diese Unter- scheidung der Aufgaben klar.

12. Zu Artikel 1 Nummer 13 (§ 10a Absatz 1 SGB VIII)

In Artikel 1 Nummer 13 ist § 10a Absatz 1 wie folgt zu fassen:

„(1) Zur Wahrnehmung ihrer Rechte nach diesem Buch werden junge Men- schen, Mütter, Väter, Personensorge- und Erziehungsberechtigte, die leistungs- berechtigt sind oder Leistungen nach § 2 Absatz 2 erhalten sollen, in einer für sie verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form, auf ihren Wunsch auch im Beisein einer Person ihres Vertrauens, beraten.“

Begründung:

Der neu eingefügte § 10a SGB VIII sieht einen umfassenden Beratungsan- spruch für die Zielgruppen der Kinder- und Jugendhilfe vor. Diese soll in einer für sie „wahrnehmbaren Form“ erfolgen.

Eine umfassende Beratung der Zielgruppen der Kinder- und Jugendhilfe ist fachlich zu unterstützen.

Bezogen auf die Form ist jedoch anzumerken, dass der Begriff „wahrnehmbar“

zu eng ist. „Wahrnehmbar“ impliziert die Wahrnehmung von Informationen mittels Sinnesorganen. Im Hinblick auf die Inklusion ist dies beispielsweise für junge Menschen mit Sehbehinderungen zu begrüßen. Die Gesetzesbegründung geht allerdings von „verständlich und nachvollziehbar“ aus. Dies ist ein grund- sätzlich anderer Sinngehalt. Um die unterschiedlichen Belange aller jungen Menschen zu berücksichtigen, wird daher eine Konkretisierung im Sinne von

„verständlich, nachvollziehbar und wahrnehmbar,“ empfohlen.

13. Zu Artikel 1 Nummer 15a – neu – (§ 13 Absatz 4 SGB VIII)

In Artikel 1 ist nach Nummer 15 folgende Nummer 15a einzufügen:

‚15a. In § 13 Absatz 4 werden nach dem Wort „Arbeit,“ die Wörter „Jobcen- ter,“ eingefügt.‘

Begründung:

Im Rahmen der Reform des SGB VIII ist auch § 13 SGB VIII aufgrund der Qualitätsentwicklung in den Jugendberufsagenturen beziehungsweise der

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rechtskreisübergreifenden Arbeit weiterzuentwickeln. Die Aufzählung in § 13 Absatz 4 SGB VIII sollte um die Einbindung der Aufgabenstellung der Jobcen- ter ergänzt und nicht als abschließende Aufzählung von Institutionen kenntlich gemacht werden. Angelehnt an die Stellungnahme der AGJ wird es für erfor- derlich gehalten, dass auf kommunaler Ebene eine verbindliche Planung zu Leistungen und Diensten der Jugendsozialarbeit etabliert wird, die die Bereiche Jugendhilfe, Schule, und den Übergang in Ausbildung und Beschäftigung um- fasst. Dies betrifft die Weiterentwicklung jugendgerecht ausgestalteter Ange- bote für Jugendliche und junge Erwachsene, auch unter Einbezug der Reha- Fachabteilungen.

14. Zu Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe d1 – neu – (Inhaltsverzeichnis),

Nummer 2 Buchstabe a0 – neu – (§ 2 Absatz 2 Nummer 1 SGB VIII) und Nummer 15a – neu – (§ 14a – neu – SGB VIII)

In Artikel 1 ist nach Nummer 15 folgende Nummer 15a einzufügen:

‚15a. Nach § 14 wird folgender § 14a eingefügt:

㤠14a Schulsozialarbeit

Schulsozialarbeit umfasst sozialpädagogische Angebote nach diesem Abschnitt, die jungen Menschen am Ort Schule zur Verfügung gestellt werden. Die Träger der Schulsozialarbeit arbeiten bei der Erfüllung ih- rer Aufgaben mit den Schulen zusammen. Das Nähere über Inhalt und Umfang der Aufgaben der Schulsozialarbeit wird durch Landesrecht geregelt. Dabei kann durch Landesrecht auch bestimmt werden, dass Aufgaben der Schulsozialarbeit durch andere Stellen nach anderen Rechtsvorschriften erbracht werden.“ ‘

Folgeänderungen:

Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:

a) In Nummer 1 ist nach Buchstabe d folgender Buchstabe d1 einzufügen:

‚d1) Nach der Angabe zu § 14 wird folgende Angabe eingefügt:

„§ 14a Schulsozialarbeit“.

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b) In Nummer 3 ist dem Buchstaben a folgender Buchstabe a0 voranzustellen:

‚a0) Nummer 1 wird wie folgt gefasst:

„1. Angebote der Jugendarbeit, der Jugendsozialarbeit, des erziehe- rischen Kinder- und Jugendschutzes und der Schulsozialarbeit (§§ 11 bis 14a),“ ‘

Begründung:

Soziale Arbeit an Schulen ist mittlerweile in fast allen Ländern zu einem un- verzichtbaren Bestandteil der Jugendhilfe geworden. Sie leistet einen wichtigen Beitrag zur notwendigen Verzahnung der Kinder- und Jugendhilfe mit den Aufgaben des Bildungssystems.

Bislang wird Schulsozialarbeit in der Fachliteratur und in landesrechtlichen Ausführungsgesetzen überwiegend als Unterfall der Jugendsozialarbeit in

§ 13 SGB VIII angesehen, sie enthält darüber hinaus in der praktischen Umset- zung aber auch Elemente der Jugendarbeit und des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes.

Vor dem Hintergrund der wachsenden Bedeutung dieser jugendhilferechtlichen Leistung ist eine klarstellende Regelung zur Schulsozialarbeit im SGB VIII er- forderlich, um Rechtssicherheit für die Jugendhilfeträger zu schaffen.

Es wird der rechtliche Rahmen für die Erbringung von Leistungen der Schulsozialarbeit im Rahmen der Jugendhilfe definiert. Insbesondere die ver- änderten Lebenswelten von Jugendlichen und die Veränderungen in den Sys- temen Kinder- und Jugendhilfe sowie Schule erfordern eine neu durchdachte Verankerung der gesamten Kooperationsbeziehungen zwischen den beiden Systemen. In § 14a Satz 2 SGB VIII erfolgt daher eine Konkretisierung der Kooperationsregelung des § 81 SGB VIII, die auch die vorhandene Praxis un- terstützt.

Die nähere Ausgestaltung von Inhalt und Umfang der Leistungen obliegt den Ländern und erfolgt durch Landesrecht.

§ 14a Satz 4 SGB VIII enthält eine Öffnungsklausel, die den bestehenden An- gebotsstrukturen Rechnung trägt. So ist in einigen Ländern Schulsozialarbeit außerhalb der Jugendhilfe normiert, insbesondere als schulrechtliche Aufgabe und Leistung.

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15. Zu Artikel 1 Nummer 16 Buchstabe a (§ 16 Absatz 1 Satz 2 SGB VIII)

In Artikel 1 Nummer 16 Buchstabe a ist in § 16 Absatz 1 Satz 2 nach dem Wort

„Gesundheit,“ das Wort „Bildung,“ einzufügen.

Begründung

Die auf Unterstützung und Ermächtigung zielende neue Formulierung des

§ 16 SGB VIII ist sehr zu begrüßen. Die Sicherstellung von Bildung sowie die Bildungsbegleitung stellt jedoch ebenfalls einen wichtigen Aspekt der Erzie- hungsverantwortung dar. Die konkrete Benennung des Auftrags ist daher um den Bildungsbegriff zu erweitern. Der Bildungsbegriff umfasst gleichrangig zur schulischen Form (formal) auch andere Formen, die außerhalb der Schule und in besonderer Verantwortung der Familie erfolgen (non-formal und infor- mell). Durch die oben vorgeschlagene Ergänzung des § 16 Absatz 1 Satz 2 SGB VIII würden Unterstützungsangebote, zum Beispiel zur Elternbegleitung nunmehr explizit gesetzlich umfasst sein.

16. Zu Artikel 1 Nummer 16 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb (§ 16 Absatz 2 Satz 2 SGB VIII) In Artikel 1 Nummer 16 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb sind in § 16 Absatz 2 Satz 2 nach dem Wort „kooperativer“ die Wörter „, niedrigschwelliger, partizi- pativer“ einzufügen.

Begründung:

§ 16 Absatz 2 SGB VIII regelt, welche Angebote als Leistungen zur Förderung der Erziehung in der Familie gelten. § 16 Absatz 2 Satz 2 SGB VIII konkreti- siert, dass überdies „die Entwicklung vernetzter, kooperativer und sozialraum- orientierter Angebotsstrukturen unterstützt werden“ soll. Aus Sicht einer mo- dernen Familienpolitik sollten die Angebote überdies partizipativ und nied- rigschwellig sein.

Im Gesetzentwurf wird § 16 Absatz 1 Satz 2 SGB VIII neu eingefügt und dabei ebenfalls konkretisiert, dass durch die Leistungen Erziehungsberechtigte in „ih- ren Fähigkeiten zur aktiven Teilhabe und Partizipation gestärkt werden“ sollen.

Die Einfügung der Begriffe „partizipativ“ und „niedrigschwellig“ in § 16 Ab- satz 2 Satz 2 SGB VIII führt damit diesen im Gesetzentwurf vorgesehenen An- satz fort.

Angebote für Familien sollten nicht nur im Sozialraum, also vor Ort erbracht werden, sondern auch die Familien in die Erarbeitung und Entstehung der An-

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gebote einbeziehen. Die bisherige Formulierung, dass Angebote auf Bedürfnis- se, Interessen und Erfahrungen von Familien eingehen, wird mit der vorge- schlagenen Änderung erweitert um die Perspektive, dass die Familien selbst am besten wissen, welche Angebote sie brauchen. Partizipative Ansätze stär- ken die Akzeptanz der Angebote der Familienpolitik. Damit erfahren die Fami- lien zudem mehr Wertschätzung.

Angebote, die wohnortnah und an bestehenden familienrelevanten Infrastruktu- ren (zum Beispiel Familienzentren, Mehrgenerationenhäusern, Kitas, Schulen, und so weiter) angebunden werden, erreichen insbesondere einkommens- schwache Familien, Alleinerziehende, Mehrkindfamilien und Familien mit Migrationshintergrund besser. Niedrigschwellige Angebote sind dabei die Vo- raussetzung, um soziale Ausgrenzung und Schamgefühl zu vermeiden.

17. Zu Artikel 1 Nummer 17 (§ 20 SGB VIII) Nummer 23 (§ 28a SGB VIII) und Nummer 26 (§ 36a Absatz 2 SGB VIII) Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:

a) Nummer 17 ist wie folgt zu fassen:

‚17. § 20 wird wie folgt gefasst:

㤠20

Betreuung und Versorgung des Kindes in Notsituationen

(1) Eltern haben einen Anspruch auf Unterstützung bei der Be- treuung und Versorgung des im Haushalt lebenden Kindes, wenn 1. ein Elternteil, der für die Betreuung des Kindes überwiegend

verantwortlich ist, aus gesundheitlichen oder anderen zwingen- den Gründen ausfällt,

2. das Wohl des Kindes nicht anderweitig, insbesondere durch Übernahme der Betreuung durch den anderen Elternteil, ge- währleistet werden kann,

3. der familiäre Lebensraum für das Kind erhalten bleiben soll und

4. Angebote der Förderung des Kindes in Tageseinrichtungen o- der in Kindertagespflege nicht ausreichen.

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(2) Der zeitliche Umfang der Betreuung und Versorgung des Kindes soll sich nach dem Bedarf im Einzelfall richten.“

b) Nummer 23 ist zu streichen.

c) Nummer 26 ist zu streichen.

Begründung:

Für Familien in Notsituationen sind verbindlichere Regelungen erforderlich.

Allerdings ist die vorgeschlagene Regelung in § 28a SGB VIII und ihre Veror- tung im Vierten Abschnitt „Hilfen zur Erziehung“ abzulehnen.

Im Gegensatz zur Regelung in § 20 (alt) SGB VIII, die im Vorfeld der Hilfen zur Erziehung angelegt ist, führt die Zuordnung der Leistung in den Bereich der Hilfen zur Erziehung dazu, dass die bisherige Flexibilität des

§ 20 SGB VIII nicht mehr gegeben ist. Mit der Einordnung in den Katalog der erzieherischen Hilfen wird zudem ein erzieherisches Defizit vorausgesetzt, das nicht regelmäßig Gegenstand der Notsituationen ist. Durch die Verknüpfung mit den komplexen und in der Praxis schwierig umzusetzenden Leistungszu- gängen sind erhebliche Planungs- und Steuerungsprobleme zu erwarten.

Es wird unter Aufrechterhaltung der inhaltlichen Zielrichtung vorgeschlagen, anstelle der Neuregelung in § 28a SGB VIII die bisherige Soll-Regelung in

§ 20 SGB VIII unter Berücksichtigung der im § 28a SGB VIII vorgesehenen Voraussetzungen als Rechtsanspruch auszugestalten und im Zweiten Abschnitt

„Förderung der Erziehung in der Familie“ zu belassen. Damit wird auch er- reicht, dass insbesondere Eltern mit einer psychischen Erkrankung, einer Suchterkrankung oder einer anderen vergleichbaren schwerwiegenden Beein- trächtigung die erforderliche Unterstützung erhalten.

Abzulehnen ist auch § 36a Absatz 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB VIII, wonach die Hilfe ohne Hilfeplan zu leisten ist und damit keine fachliche Steuerung des Ju- gendamtes gegeben ist. In diesem Zusammenhang muss darauf geachtet wer- den, dass auch der Gesundheitsbereich seine Aufgabe in diesem Bereich (ins- besondere §§ 38, 20 SGB V) weiterhin gegebenenfalls verstärkt verantwortlich wahrnimmt.

18. Zu Artikel 1 Nummer 19 Buchstabe a0 – neu – (§ 22a Absatz 1 Satz 2 SGB VIII) In Artikel 1 Nummer 19 ist dem Buchstaben a folgender Buchstabe a0 voranzu- stellen:

‚a0) In Absatz 1 Satz 2 werden nach dem Wort „Förderungsauftrags“ die Wörter „,die Bereitstellung von Fach- und Praxisberatung“ eingefügt.‘

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Begründung

Die Fach- und Praxisberatung leistet einen wesentlichen Beitrag zur Sicherstel- lung und Weiterentwicklung der Qualität in der Kindertagesbetreuung (verglei- che Empfehlungen des Deutschen Vereins zur konzeptionellen und strukturel- len Ausgestaltung der Fachberatung im System der Kindertagesbetreuung, DV 2012; Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Implementierung und Ausge- staltung multiprofessioneller Teams und multiprofessionellen Arbeitens in Kindertageseinrichtungen, DV 2016; Communiqué „Frühe Bildung weiterent- wickeln und finanziell sichern“, BMFSFJ/JFMK 2014, Punkt 4, Satz 4).

Im Zuge der rasanten Ausbau-Entwicklungen und stetig wachsender Anforde- rungen an die Kindertagesbetreuung ist auch die Bedeutung einer professionel- len Beratung und Begleitung gestiegen.

Die Fach- und Praxisberatung hat dabei ein breites Aufgabenspektrum, in des- sen Kern die Initiierung, Begleitung und Sicherung von kontinuierlichen Pro- zessen der Qualitätsentwicklung in den Einrichtungen und Angeboten der Kin- dertagesbetreuung steht. Die Fach- und Praxisberatung unterstützt Verände- rungsprozesse, nimmt eine wichtige Rolle beim Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Praxis ein und begleitet Prozesse der Teamentwicklung – eine Aufgabe, der im Zuge der Ausbreitung multiprofessioneller Teams aktuell eine besondere Bedeutung zukommt. Sie verfügt über Kenntnisse der Einrich- tungen und Strukturen der Jugendhilfe in ihrem Zuständigkeitsbereich und sorgt – gerade vor dem Hintergrund wachsender Komplexität von Anforderun- gen und Aufgaben – für bedarfsgerechte Qualifizierungsangebote.

Ihrer zentralen Rolle und wachsenden Bedeutung gemäß sollte die Fach- und Praxisberatung nun auch im Bundesrecht ausdrücklich Erwähnung finden.

19. Zu Artikel 1 Nummer 22 Buchstabe a (§ 27 Absatz 2 Satz 3 SGB VIII)

In Artikel 1 Nummer 22 Buchstabe a ist in § 27 Absatz 2 Satz 3 das Wort „Hil- fearten“ durch die Wörter „Leistungen nach diesem Buch“ zu ersetzen.

Begründung:

Die Umformulierung dient der Klarstellung, dass Familien, die einen Hilfebe- darf nach § 27 SGB VIII haben, auch weiterhin andere Leistungen der Jugend- hilfe in Anspruch nehmen können. Im Sinne einer ganzheitlichen Betrachtung der Familie werden diese Leistungen in der Hilfeplanung berücksichtigt. Die Einbindung solcher niedrigschwelliger Leistungen in die Hilfeplanung macht diese nicht zu Hilfen zur Erziehung.

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20. Zu Artikel 1 Nummer 24 Buchstabe a (§ 35a Absatz 1 Satz 1 SGB VIII), Buchstabe b (§ 35a Absatz 1a SGB VIII), Buchstabe c (§ 35a Absatz 2 SGB VIII), Buchstabe d (§ 35a Absatz 3 SGB VIII) und Buchstabe e (§ 35a Absatz 4 Satz 2 SGB VIII) In Artikel 1 ist die Nummer 24 wie folgt zu fassen:

‚24. § 35a wird wie folgt geändert:

a) Absatz 1 Satz 1 wird wie folgt gefasst:

„Kinder und Jugendliche mit einer seelischen Behinderung im Sin- ne von § 7 Absatz 2 erhalten Leistungen nach diesem Gesetz, um ihre Selbstbestimmung und ihre volle, wirksame und gleichberech- tigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern.“

b) Absatz 1a wird gestrichen.

c) Absatz 2 wird wie folgt gefasst:

„(2) Hinsichtlich der Feststellung der Behinderung, der Ermitt- lung des Hilfebedarfs und der Feststellung der erforderlichen Teil- habeleistungen sind gemäß § 13 des Neunten Buches Arbeitspro- zesse und Arbeitsmittel (Instrumente) zu verwenden, die eine indi- viduelle und funktionsbezogene Bedarfsermittlung entsprechend gewährleisten. Die Bedarfsermittlung erfolgt auf Grundlage der In- ternationalen Klassifikation der Funktionsbeeinträchtigung, Behin- derung und Gesundheit nach ICF. Die Feststellung der psychischen Beeinträchtigung erfolgt auf Grundlage des Kapitel 1 „Mentale Funktionen“ der Komponente „Körperfunktion und -strukturen der ICF. Die in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbeding- ten Umweltfaktoren resultierende Teilhabebeeinträchtigung und damit die Feststellung der Zugehörigkeit zum leistungsberechtigten Personenkreis erfolgt durch das Jugendamt. Die Teilhabeplanung wird in die Hilfeplanung integriert.“

d) Absatz 3 wird wie folgt gefasst:

„(3) Aufgabe und Ziele der Hilfe, die Bestimmung des Perso- nenkreises sowie Art und Form der Leistungen richten sich nach Kapitel 6 des Teils 1 des Neunten Buches, sowie § 90 und den Ka- piteln 3 bis 6 des Teils 2 des Neunten Buches.“ ‘

(17)

e) Absatz 4 Satz 2 wird wie folgt gefasst:

„Sind heilpädagogische Leistungen für Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind, in Tageseinrichtungen für Kinder zu gewähren und lässt der Hilfebedarf es zu, so sollen sie in Einrich- tungen erbracht werden, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam gefördert werden.“

Begründung:

Ohne die vorgenannten Änderungen wird in § 35a SGB VIII Behinderung wei- terhin als Eigenschaft der Person betrachtet und nicht als Wechselwirkung wahrgenommen. Behinderung wird nach dem im SGB IX überwundenen Mo- dell mit der Beeinträchtigung der Körperfunktionen gleichgesetzt und nicht mit der Beeinträchtigung der Teilhabe. Die Abweichung der seelischen Gesundheit wird über die Diagnose (ICD) erhoben anstatt über die Beeinträchtigung der mentalen Funktionen nach der Internationalen Klassifikation der Funktionsfä- higkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF). Die gegenwärtige Formulierung des § 35a SGB VIII widerspricht somit den Grundsätzen der VN- Behindertenrechtskonvention und damit den Vorschriften des SGB IX. Insbe- sondere die Vorschrift der funktionsbezogenen Ermittlung der Behinderung und des Bedarfs nach § 13 SGB IX wird ignoriert, obwohl die Jugendhilfe als Rehabilitationsträger nach § 6 SGB IX an sie gebunden ist.

Der bisherige Gesetzeswortlaut ordnet Tageseinrichtungen für Kinder aus- nahmslos den teilstationären Einrichtungen zu und schließt eine ambulante Eingliederungshilfe für Kinder mit seelischen Behinderungen in Kindertages- einrichtungen somit aus. Für Kinder mit seelischen Behinderungen wurden die Änderungen, die das Bundesteilhabegesetz für Kinder mit körperlichen und/oder geistigen Behinderungen mit sich gebracht hat, bislang nicht nach- vollzogen. Für Kinder mit seelischen Behinderungen ist der (gesamte) Kita- Besuch nach der derzeitigen SGB VIII-Regelung damit weiter eine teilstationä- re Eingliederungshilfeleistung nach § 35a SGB VIII und damit keine Kinderta- gesförderung im Sinne des §§ 22 ff. SGB VIII. Im Gegensatz zur Regelung bei körperlichen und/oder geistigen Behinderungen müssen die Eltern bei seeli- schen Behinderungen zu einem individuell berechneten Kostenbeitrag nach

§§ 91 ff. SGB VIII herangezogen werden.

Mit dem Änderungsvorschlag wird die Unterscheidung zwischen ambulanten, teilstationären und stationären Leistungen – dem BTHG folgend – aufgegeben.

Auch Kinder mit seelischen Behinderungen können somit die Leistungen nach den §§ 22 ff. SGB VIII in Anspruch nehmen und die heilpädagogischen Fach- leistungen werden dann in der jeweiligen Tageseinrichtung für Kinder zusätz- lich zur Kita-Regelleistung erbracht. Die Rechtslage für Kinder mit seelischen Behinderungen wird so der Rechtslage für Kinder mit körperlichen oder geisti- gen Behinderungen angeglichen. Dies hat auch Folgen für die Gleichbehand- lung aller Kinder in Bezug auf den Elternbeitrag. Ohnehin verweist § 35a Ab- satz 3 SGB VIII zu Art und Form der Leistungen auf das SGB IX.

(18)

Der Begriff „heilpädagogische Maßnahmen“ wird durch den Begriff des SGB IX „heilpädagogische Leistungen“, der Begriff „betreut“ entsprechend der Terminologie der §§ 22 ff. SGB VIII durch „gefördert“ ersetzt. Die Um- formulierung „in Einrichtungen erbracht werden“ verdeutlicht die Möglichkeit der heilpädagogischen Leistung während einer Kita-Regelleistung nach den

§§ 22 ff. SGB VIII.

21. Zu Artikel 1 Nummer 27 (§ 36b Absatz 2 SGB VIII)

In Artikel 1 Nummer 27 ist § 36b Absatz 2 wie folgt zu fassen:

„(2) Abweichend von Absatz 1 werden bei einem Zuständigkeitsübergang vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe auf einen Träger der Eingliederungs- hilfe rechtzeitig im Rahmen eines Teilhabeplanverfahrens nach § 19 des Neun- ten Buches die Voraussetzungen für die Sicherstellung einer nahtlosen und be- darfsgerechten Leistungsgewährung nach dem Zuständigkeitsübergang geklärt, im Rahmen dessen der Leistungsberechtigte durchgehend zu beteiligen ist. Die Teilhabeplanung ist frühzeitig, in der Regel ein Jahr vor dem voraussichtlichen Zuständigkeitswechsel, vom Träger der Jugendhilfe durch Beteiligung des zu- künftig voraussichtlich zuständigen Trägers der Eingliederungshilfe einzuleiten.

Mit Zustimmung des Leistungsberechtigten oder ihrer Personensorgeberechtig- ten ist eine Teilhabeplankonferenz nach § 20 des Neunten Buches durchzufüh- ren. Stellt der beteiligte Träger der Eingliederungshilfe fest, dass seine Zustän- digkeit sowie die Leistungsberechtigung absehbar gegeben sind, soll er die Teilhabeplanung nach § 19 Absatz 5 des Neunten Buches vom Träger der öf- fentlichen Jugendhilfe übernehmen. Dies beinhaltet gemäß § 21 des Neunten Buches auch das Verfahren zur Gesamtplanung gemäß §§ 117 ff. des Neunten Buches.“

Begründung:

§ 36b Absatz 2 SGB VIII soll den Übergang der Leistungsverantwortung bei Zuständigkeitswechsel vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe auf den Träger der Eingliederungshilfe regeln. Dabei müssen die Regelungen im SGB VIII an die Regelungen des SGB IX anschlussfähig sein und insbesondere der Logik des Teilhabeplanverfahrens folgen. Die Fassung des Gesetzentwurfs ist nur teilweise geeignet, die Ansprüche des jungen Leistungsberechtigten auf konti- nuierliche und bedarfsgerechte Leistungserbringung und ein strukturiertes und beteiligendes Übergangsverfahren sicherzustellen. Im Einzelnen sind daher folgende Änderungen vorzunehmen:

(19)

Zur Änderung in § 36b Absatz 2 Satz 1 SGB VIII:

Eine kontinuierliche Beteiligung des jungen Leistungsberechtigten im gesam- ten Übergangsverfahren ist sicherzustellen, um die Berücksichtigung seiner persönlichen Vorstellungen und Anliegen im Übergangsverfahren sicherzustel- len, Vertrauen zu neuen Ansprechpersonen zu schaffen und die Akzeptanz zum Verfahren und für die Maßnahmen zu fördern. Durch die Verankerung der Be- teiligung in Satz 1 wird deutlich, dass sich diese auf die Zielsetzung des Satz 1 und damit durchgehend auf das im weiteren geregelte Übergangsverfahren be- zieht.

Zur Änderung in § 36b Absatz 2 Satz 2 SGB VIII:

Kommt es zum Zuständigkeitswechsel auf Grund des Erreichens der Volljäh- rigkeit des Leistungsberechtigten, zeigen die Erfahrungen aus der Praxis, dass sechs Monate für eine Übergangsplanung nicht ausreichend sind. Sechs Mona- te können mithin nicht als „frühzeitig“ bezeichnet werden. Da die Volljährig- keit für junge Menschen eine Zäsur der Lebensphase darstellt, muss häufig bei einem Wechsel der Zuständigkeiten auch ein Wechsel der Angebote und Leis- tungserbringer geprüft werden, zum Beispiel, wenn neue altersentsprechende Wohn- oder Betreuungsangebote oder Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsle- ben gesucht werden. Auch bei einem Zuständigkeitswechsel bei Minderjähri- gen, der zum Beispiel durch eine neu erstellte Diagnostik erfolgen kann, ist ei- ne längere Übergangsphase im Sinne der betroffenen Familien und dient dem Kindeswohl. Daher ist hier eine Regelvorbereitungszeit von einem Jahr erfor- derlich.

Der bisherige § 36b Absatz 2 Satz 3 SGB VIII mit Verweis auf § 15 Absatz 2 Satz 1 SGB IX wird gestrichen, da der Verweis auf das trägerübergreifende Verfahren bei mehreren beteiligten Rehabilitationsträger an dieser Stelle nicht zweckdienlich ist, da der Träger der öffentlichen Jugendhilfe und der Träger der Eingliederungshilfe nicht zeitgleich für verschiedene Leistungen, sondern in zeitlicher Abfolge für die gleichen Leistungen zuständig sind. Stattdessen enthält Satz 2 neu den klar verständlichen Handlungsauftrag an den Träger der Jugendhilfe, den zukünftigen Eingliederungshilfeträger zu beteiligen.

Zu § 36b Absatz 2 Satz 3 SGB VIII:

Das Herzstück des Übergangsverfahrens muss ein gemeinsames Gespräch des bisherigen und des zukünftigen Leistungserbringers in Rahmen einer Teilhabe- konferenz bilden, um im persönlichen Kontakt den aktuellen Bedarf des Leis- tungsberechtigten zu ermitteln, sich kennenzulernen und Vereinbarungen zum weiteren Vorgehen unter Beteiligung des Leistungsberechtigten zu treffen. Bei der Teilhabeplankonferenz verzahnt sich das Hilfeplanverfahren nach SGB VIII mit den zukünftig anzuwendenden Gesamtplanverfahren nach

§§ 117 ff. SGB IX. Ähnlich wie in § 20 Absatz 2 Satz 2 SGB VIII in Bezug auf

(20)

Leistungen an Elternteile mit Behinderung gibt es bei Minderjährigen im Übergang zur Volljährigkeit keine Begründung, in dieser wichtigen Lebens- phase vom Wunsch auf eine Teilhabekonferenz abzuweichen. Bei der Teilha- bekonferenz nach § 20 SGB IX ist der in Absatz 3 Satz 3 geregelte Hinweis auf die Unabhängige Teilhabeberatung besonders zu berücksichtigen, um den Leis- tungsberechtigten in der Phase der Verselbstständigung besonders in seinem Streben nach Peer-Beratung, Empowerment und Abkopplung zu unterstützen.

Der Teilsatz „zur Sicherung des nahtlosen Überganges“ kann gestrichen wer- den, da die Zielsetzung bereits vollständig in Satz 1 enthalten ist.

Zu § 36b Absatz 2 Satz 4 und 5 SGB VIII:

Die Sätze 4 und 5 enthalten den Hinweis, dass der voraussichtlich zuständige Träger der Eingliederungshilfe seine Verpflichtung zu erfüllen und seine Leis- tungszuständigkeit im Rahmen des Teilhabeplanverfahrens zu überprüfen hat.

Auf Basis der erfolgten Teilhabeplankonferenz kann er nun ohne Antrag das Gesamtplanverfahren nach §§ 117 ff. SGB IX einleiten.

22. Zu Artikel 1 Nummer 28 (§ 37b Absatz 1 Satz 1 SGB VIII)

In Artikel 1 Nummer 28 ist § 37b Absatz 1 Satz 1 wie folgt zu fassen:

„Das Jugendamt stellt sicher, dass während der Dauer des Pflegeverhältnisses ein nach Maßgabe fachlicher Handlungsleitlinien gemäß § 79a Satz 2 entwickel- tes Konzept zur Sicherung der Rechte des Kindes oder des Jugendlichen und zum Schutz vor Vernachlässigung, sexueller, körperlicher und psychischer Ge- walt sowie Machtmissbrauch angewandt wird.“

Begründung:

Das Jugendamt hat sicherzustellen, dass während der Dauer eines Pflegever- hältnisses ein Konzept zum Schutz gegen Gewalt angewandt wird.

Um sicherzustellen, dass das zu erstellende Schutzkonzept alle Arten von Ge- walt und Machtmissbrauch adressiert, sollte der Gewaltschutzbegriff im Geset- zestext konkretisiert werden.

Damit deutlich wird, dass in einem umfassenden Schutzkonzept dezidiert auf die unterschiedlichen Formen von Gewalt eingegangen wird, soll die genannte Konkretisierung in § 37b Absatz 1 Satz 1 SGB VIII erfolgen.

(21)

23. Zu Artikel 1 Nummer 28 (§ 38 SGB VIII)

In Artikel 1 Nummer 28 ist § 38 wie folgt zu fassen:

⤠38

Zulässigkeit von Auslandsmaßnahmen

(1) Hilfen nach diesem Abschnitt sind in der Regel im Inland zu erbringen;

sie dürfen nur dann im Ausland erbracht werden, wenn dem Bedarf des Kindes oder des Jugendlichen im Einzelfall nur dadurch entsprochen werden kann.

Dies ist im Hilfeplan darzulegen. Eine Hilfe, die ganz oder teilweise im Aus- land erbracht wird, ist nur dann zulässig, wenn die aufenthaltsrechtlichen Vor- schriften des aufnehmenden Staates sowie im Anwendungsbereich

1. der Verordnung (EG) Nummer 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Voll- streckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nummer 1347/2000 die Voraussetzungen des Artikels 56 oder

2. des Haager Übereinkommens vom 19. Oktober 1996 über die Zuständig- keit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zu- sammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maß- nahmen zum Schutz von Kindern die Voraussetzungen des Artikels 33 erfüllt sind.

(2) Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe soll vor der Entscheidung über die Gewährung einer Hilfe, die ganz oder teilweise im Ausland erbracht wird, 1. zur Feststellung einer seelischen Störung mit Krankheitswert die Stellung-

nahme einer in § 35a Absatz 1a Satz 1 genannten Person einholen, 2. sicherstellen, dass

a) der Leistungserbringer über eine Betriebserlaubnis nach § 45 für eine Einrichtung im Inland verfügt, in der Hilfe zur Erziehung erbracht wird, b) der Leistungserbringer die Gewähr dafür bietet, dass er die Rechtsvor-

schriften des aufnehmenden Staates einschließlich des Aufenthalts- rechts einhält, insbesondere vor Beginn der Leistungserbringung die in

(22)

Absatz 1 Satz 3 genannten Maßgaben erfüllt, und mit den Behörden des aufnehmenden Staates sowie den deutschen Vertretungen im Ausland zusammenarbeitet,

c) mit der Erbringung der Hilfen nur Fachkräfte nach § 72 Absatz 1 be- traut werden,

d) die Überprüfung und Fortschreibung des Hilfeplans unter Beteiligung des Kindes oder des Jugendlichen in der Regel am Ort der Leistungser- bringung erfolgt und

e) mit dem Leistungserbringer über die Qualität der Maßnahme eine Ver- einbarung abgeschlossen wird; dabei sind die fachlichen Handlungsleit- linien des überörtlichen Trägers anzuwenden,

3. die Eignung der mit der Leistungserbringung zu betrauenden Einrichtung oder Person an Ort und Stelle überprüfen.

(3) Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe soll der erlaubniserteilenden Behörde unverzüglich Angaben zum Leistungserbringer, zu Beginn und Ende der Leistungserbringung im Ausland sowie zum Aufenthaltsort des Kindes oder des Jugendlichen melden.‘

Begründung:

Die Verschärfungen der Voraussetzungen für Auslandsmaßnahmen sind grundsätzlich zu begrüßen.

Änderungsbedarf besteht allerdings vor allem in Bezug auf die Praktikabilität der Umsetzung. Insbesondere die Regelung in § 38 Absatz 5 SGB VIII wäre mit einem erheblichen bürokratischen Aufwand verbunden, ohne dass bei den erlaubniserteilenden Stellen die zur weiteren Prüfung erforderlichen Kenntnis- se, insbesondere der Regelungen im jeweiligen Ausland, gewährleistet wären.

Deshalb ist die engere und damit auch stringenter vollziehbare Formulierung, wie sie in der Fassung des § 36c Kinder- und Jugendstärkungsgesetzentwurfs der letzten Legislaturperiode enthalten war, zu verwenden, ergänzt um das Er- fordernis, dass im Falle einer Auslandsmaßnahme die aufnahmerechtlichen Vorschriften des aufnehmenden Staates sowie die Voraussetzungen von Arti- kel 56 der VO (EG) Nummer 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 beziehungsweise des Artikels 33 des Haager Übereinkommens vom 19. Oktober 1996 erfüllt sein müssen.

Diese bringt auch die vorrangige Verantwortung der für die jeweilige Ent- scheidung von Auslandsmaßnahmen zuständigen Jugendämter zur Geltung.

(23)

24. Zu Artikel 1 Nummer 29 Buchstabe b (§ 41 Absatz 1 Satz 1 SGB VIII)

In Artikel 1 Nummer 29 Buchstabe b ist in § 41 Absatz 1 Satz 1 das Wort „ge- währleistet“ durch die Wörter „erwarten lässt“ zu ersetzen.

Begründung:

Die Hilfe für junge Volljährige ist verbindlicher ausgestaltet. Die gewählte Formulierung verdeutlicht, dass nicht in der Mehrzahl der Fälle generalisierend eine weitere Hilfe erforderlich ist, sondern jeder Einzelfall zu prüfen ist.

25. Zu Artikel 1 Nummer 30 (§ 41a Absatz 1 SGB VIII)

In Artikel 1 Nummer 30 ist § 41a Absatz 1 wie folgt zu fassen:

„(1) Junge Volljährige werden innerhalb eines angemessenen Zeitraums nach Beendigung der Hilfe bei der Verselbständigung im notwendigen Umfang und in einer für sie verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form beraten und unterstützt.“

Begründung:

Der neu eingefügte § 41a SGB VIII sieht eine Beratung und Unterstützung für junge Volljährige nach Beendigung der Hilfe vor. Diese soll in einer für sie

„wahrnehmbaren Form“ erfolgen.

Eine Nachbetreuung für junge Volljährige ist fachlich zu unterstützen.

Bezogen auf die Form ist jedoch anzumerken, dass der Begriff „wahrnehmbar“

zu eng ist. „Wahrnehmbar“ impliziert die Wahrnehmung von Informationen mittels Sinnesorganen. Im Hinblick auf die Inklusion ist dies beispielsweise für junge Menschen mit Sehbehinderungen zu begrüßen. Die Gesetzesbegründung geht allerdings von „verständlich und nachvollziehbar“ aus. Dies ist ein grund- sätzlich anderer Sinngehalt. Um die unterschiedlichen Belange aller jungen Menschen zu berücksichtigen, wird daher eine Konkretisierung im Sinne von

„verständlich, nachvollziehbar und wahrnehmbar,“ empfohlen.

(24)

26. Zu Artikel 1 Nummer 31 (§ 42 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 3 SGB VIII) Artikel 1 Nummer 31 ist wie folgt zu fassen:

‚31. § 42 wird wie folgt geändert:

a) In Absatz 2 Satz 1 werden nach den Wörtern „während der Inob- hutnahme“ die Wörter „unverzüglich das Kind oder den Jugendli- chen umfassend und in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form über diese Maßnahme aufzuklären,“ einge- fügt.

b) In Absatz 3 werden nach dem Wort „unterrichten“ ein Komma und die Wörter „sie in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form umfassend über diese Maßnahme aufzuklä- ren“ eingefügt.‘

Begründung:

Die geplanten Änderungen in § 42 Absatz 2 und Absatz 3 SGB VIII sehen eine Aufklärung der Kinder oder Jugendlichen über die Maßnahme der Inobhut- nahme vor. Diese soll in einer für sie „wahrnehmbaren Form“ erfolgen.

Eine umfassende Aufklärung der Kinder oder Jugendlichen ist fachlich zu un- terstützen.

Bezogen auf die Form ist jedoch anzumerken, dass der Begriff „wahrnehmbar“

zu eng ist. „Wahrnehmbar“ impliziert die Wahrnehmung von Informationen mittels Sinnesorganen. Im Hinblick auf die Inklusion ist dies beispielsweise für junge Menschen mit Sehbehinderungen zu begrüßen. Die Gesetzesbegründung geht allerdings von „verständlich und nachvollziehbar“ aus. Dies ist ein grund- sätzlich anderer Sinngehalt. Um die unterschiedlichen Belange aller jungen Menschen zu berücksichtigen, wird daher eine Konkretisierung im Sinne von

„verständlich, nachvollziehbar und wahrnehmbar,“ empfohlen.

(25)

27. Zu Artikel 1 Nummer 31a – neu – (§ 42a Absatz 1 Satz 1a – neu – und

Satz 1b – neu – SGB VIII) In Artikel 1 ist nach der Nummer 31 folgende Nummer 31a einzufügen:

‚31a. In § 42a Absatz 1 werden nach Satz 1 die folgenden Sätze eingefügt:

„Bei Einreisen im Rahmen humanitärer Aufnahmeverfahren entfällt die Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme. Das im Rahmen dieser Verfahren mit entsprechender Zuweisungsentscheidung nach § 42b Ab- satz 1 und 3 bestimmte Jugendamt nimmt die betreffenden Kinder oder Jugendlichen unmittelbar am Ort der Einreise oder vorläufigen Unter- bringung in Obhut.“ ‘

Begründung:

Für die Betreuung, Unterbringung und Versorgung von UMA sind gemäß bun- desgesetzlicher Vorgaben des SGB VIII die örtlichen Träger der Jugendhilfe – die Jugendämter – zuständig. Mit einer entsprechenden Klarstellung soll si- chergestellt werden, dass die für die Inobhutnahme zuständigen Jugendämter die ihnen zugewiesenen UMA bereits – in der Regel werden die Personengrup- pen per Charterflug an den Flughafen Hannover-Langenhagen gebracht – in Hannover beziehungsweise an dem Ort, an dem sie untergebracht sind, abholen und in Obhut nehmen können.

Die Möglichkeit, eine anderweitige Zuständigkeit zu bestimmen, wird nicht gesehen. Eine Regelung über den Landesvorbehalt in § 88a Absatz 1 Satz 1 SGB VIII als Alternative ist nicht möglich, da damit keine länderübergreifen- den Regelungen getroffen werden können.

Bislang wurden daher entsprechende Aufnahmen in den Ländern sehr indivi- duell, meist auf der Basis freiwilliger Absprachen im Einzelfall, gelöst. Um den Jugendämtern allerdings Rechtssicherheit zu geben, sind gesetzliche Klar- stellungen notwendig.

Die Jugend- und Familienministerinnen und –minister kamen 2020 überein, dass die bundesgesetzlichen Regelungen des SGB VIII zu Umsetzungsschwie- rigkeiten bei den humanitären Aufnahmeverfahren führen können. Die Bundes- regierung wurde bereits in diesem Rahmen aufgefordert, diesen Umstand in den gesetzlichen Regelungen klarzustellen.

(26)

28. Zu Artikel 1 Nummer 32 Buchstabe c – neu – (§ 43 Absatz 4 SGB VIII) In Artikel 1 ist der Nummer 32 folgender Buchstabe c anzufügen:

‚c) In Absatz 4 werden nach dem Wort „Kindertagespflege“ die Wörter „ein- schließlich Fragen zur Sicherung des Kindeswohls und zum Schutz vor Vernachlässigung, sexueller, körperlicher und psychischer Gewalt sowie Machtmissbrauch“ angefügt.“ ‘

Begründung:

In der Praxis bestehen nach wie vor Unsicherheiten, ob für Kindertagespflege vergleichbare Kinderschutzstandards gelten wie beispielsweise für Einrichtun- gen der Kindertagesbetreuung, weil es sich bei den Kindertagespflegepersonen in der Regel nicht um Fachkräfte im Sinne des § 72 SGB VIII handelt.

Mit der Ergänzung in § 43 Absatz 4 SGB VIII soll klargestellt werden, dass auch Kindertagespflegepersonen wie die Kindertageseinrichtungen zur Ent- wicklung, Anwendung und Überprüfung von Konzepten zum Schutz vor Ge- walt als Voraussetzung für die Erteilung einer Erlaubnis zur Kindertagespflege verpflichtet sind.

Im Übrigen gilt der Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung nach

§ 8a SGB VIII.

29. Zu Artikel 1 Nummer 32a – neu – (§ 44 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 und 3, Absatz 2 Satz 1a – neu – und Absatz 3 Satz 1 SGB VIII) In Artikel 1 ist nach der Nummer 32 folgende Nummer 32a einzufügen:

‚32a. § 44 wird wie folgt geändert:

a) In Absatz 1 Satz 2 werden Nummer 1 und 3 aufgehoben.

b) In Absatz 2 wird nach Satz 1 folgender Satz eingefügt:

„Die Pflegeerlaubnis ist insbesondere zu versagen, wenn

a) die Pflegeperson nicht über ausreichende erzieherische Fähig- keiten verfügt,

b) die Pflegeperson nicht die Gewähr dafür bietet, dass die religiö- se Erziehung des ihr anvertrauten Kindes oder Jugendlichen im

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Einklang mit der von der Personensorgeberechtigten bestimm- ten Grundrichtung der Erziehung durchgeführt wird,

c) die Pflegeperson oder die in ihrer Wohnung lebenden Personen nicht die Gewähr dafür bieten, dass das sittliche Wohl des Kin- des oder Jugendlichen nicht gefährdet ist,

d) die wirtschaftlichen Verhältnisse der Pflegeperson und ihre Haushaltsführung nicht geordnet sind,

e) die Pflegeperson oder die in ihrer Wohnung lebenden Personen nicht frei von psychischen oder von physischen, das Wohl des Kindes gefährdenden Krankheiten sind oder

f) kein ausreichender Wohnraum für das Kind oder den Jugendli- chen und die in der Wohnung lebenden Personen vorhanden ist.“

c) In Absatz 3 Satz 1 wird das Wort „soll“ durch das Wort „hat“ er- setzt und nach dem Wort „Stelle“ wird das Wort „zu“ eingefügt.

Begründung:

Zu den Aufgaben des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe zählt insbesondere der Schutz von Kindern und Jugendlichen in Familienpflege und in Einrichtun- gen. Um diesem Auftrag gerecht zu werden, normiert das SGB VIII in den

§§ 43 bis 48 Erlaubnisvorbehalte für Kindertagespflege, Vollzeitpflege und Einrichtungen.

Die vorgeschlagenen Änderungen zielen darauf ab, die Vorschriften zur Ertei- lung der Pflegeerlaubnis den Bedürfnissen des Schutzes von Kindern und Ju- gendlichen, die bei Pflegepersonen aufwachsen, anzupassen und vorhandene Schutzlücken zu schließen, um das Wohl von Kindern und Jugendlichen in Pflegestellen zu gewährleisten.

Zu Buchstabe a:

Bei der Unterbringung eines Kindes bei einer Pflegeperson im Rahmen von Hilfen zur Erziehung oder von Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder bedurfte es bislang – anders als bei der Unterbringung eines körperlich oder geistig behinderten Kindes im Rahmen der Eingliederungshilfe – einer re- gelhaften Erteilung einer Pflegeerlaubnis nicht. § 44 Absatz 1 Nummer 1SGB VIII erfasst auch die Fälle sogenannter „Netzwerkpflege“, in denen das Kind bei Personen untergebracht wird, die von den Eltern vorgeschlagen werden.

Es ist infrage zu stellen, ob bei den in Nummer1 umfassten Sachverhalten im Hilfeplanverfahren durch den örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe tat- sächlich die notwendige fachlich fundierte Überprüfung der Pflegeperson als eine Art „inzident geführtes Nebenverfahren“ in der Praxis stattfindet. In der

(28)

Vergangenheit hat sich in der Praxis gezeigt, dass es hier durchaus Versäum- nisse gegeben hat. Es bedarf daher zur Sicherstellung des Kinderschutzes auch in den Fällen des § 44 Absatz 1 Nummer 1 SGB VIII zwingend einer Pflegeer- laubnis.

Darüber hinaus bringen Jugendämter Kinder im Rahmen der Hilfen zur Erzie- hung und der Eingliederungshilfe auch außerhalb ihres örtlichen Zuständig- keitsbereiches bei Pflegepersonen unter. Es muss daher sichergestellt werden, dass eine verantwortliche Überprüfung dieser Pflegepersonen tatsächlich durch das Jugendamt am Ort ihres gewöhnlichen Aufenthalts stattgefunden hat (§ 87a SGB VIII).

Das im § 37c Absatz 3 SGB VIII enthaltene Kooperationsgebot beteiligter öf- fentlicher Träger ist zu begrüßen, kann aber die Sicherstellung des Kinder- schutzes nur flankieren.

Bislang unterliegt die Verwandtenpflege nicht dem Erlaubnisvorbehalt, das heißt Verwandte bis zum 3. Grad (Onkel, Tante, Nichte, Neffe) können ohne Pflegeerlaubnis ein Kind in ihre Obhut nehmen. Diese Privilegierung der Ver- wandtenpflege ist zu streichen. Enge Verwandtschaft ist nicht per se ein Garant für die verantwortliche Ausübung der Pflichten von Pflegepersonen. Gerade im Bereich sexualisierter Gewalt stammen Täter häufig aus dem näheren familiä- ren Umfeld. Ebenso bedeutsam ist die Tatsache, dass Gefahren für das Kin- deswohl auch durch eine Überforderung der Pflegepersonen entstehen können, welchen durch Überprüfung im Rahmen der Pflegeerlaubnis sowie fachkompe- tente Beratung und Unterstützung begegnet werden kann.

Zu Buchstabe b:

Gemäß § 44 Absatz 2 SGB VIII hat die Pflegeperson einen Anspruch auf Ertei- lung der Pflegeerlaubnis, wenn das Wohl des Kindes beziehungsweise des Ju- gendlichen in der Pflegestelle gewährleistet ist. Die Pflegeerlaubnis ist dem- nach nur zu versagen, wenn das Wohl des Kindes bei der Pflegeperson nicht gewährleistet ist, wobei die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Versagungsgründen hier beim Jugendamt liegt. Der unbestimmte Rechtsbegriff des Kindeswohls ist hier allein als Maßstab für die Versagung der Pflegeer- laubnis jedoch nicht geeignet und bedarf, für eine rechtssichere Umsetzung in der Praxis, der Konkretisierung. Eine solche kann durch eine nicht abschlie- ßende Formulierung von Sachverhalten, bei deren Vorliegen das Wohl des Kindes oder Jugendlichen jedenfalls nicht gewährleistet ist, erfolgen. Die Ver- sagungsgründe bilden tatsächliche und belegbare Anhaltspunkte, die auf ein konkretes Gefährdungspotenzial in der Pflegestelle hinweisen. In diesen Fällen wäre die Erteilung der Pflegerlaubnis durch das Jugendamt nicht zu verantwor- ten und somit zu versagen.

Zu Buchstabe c:

Die bisherige Regelung zur Prüfung des Weiterbestehens der Voraussetzungen für die Erteilung der Pflegeerlaubnis sollte als „Muss-Vorschrift“ formuliert werden und nicht wie bisher als „Soll-Vorschrift“. Diese Änderung ist erfor- derlich um sicherzustellen, dass das Wohl des Kindes in der Pflegefamilie, auch nach Erteilung der Pflegeerlaubnis, dauerhaft gewährleistet ist. Die Ertei- lung einer Pflegeerlaubnis allein ist kein Garant dafür, dass das Wohl des Kin-

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des oder Jugendlichen in der Pflegefamilie auf unbestimmten Zeit gewährleis- tet ist. Durch eine verpflichtende, regelmäßige Überprüfung können mögliche, das Kindeswohl gefährdende (nachträgliche) Veränderungen erkannt und Maßnahmen zum Schutz des Kindes / Jugendlichen getroffen werden.

30. Zu Artikel 1 Nummer 33 Buchstabe b Doppelbuchstabe aa Dreifachbuchstabe ddd (§ 45 Absatz 2 Satz 2 Nummer 4 SGB VIII) In Artikel 1 Nummer 33 Buchstabe b Doppelbuchstabe aa Dreifachbuch- stabe ddd ist in § 45 Absatz 2 Satz 2 Nummer 4 das Wort „Gewalt“ durch die Wörter „Vernachlässigung, sexueller, körperlicher und psychischer Gewalt so- wie Machtmissbrauch“ zu ersetzen.

Begründung:

Die Verpflichtung zur Entwicklung, Anwendung und Überprüfung von Kon- zepten zum Schutz vor Gewalt wird in § 45 Absatz 2 Satz 2 Nummer 4 SGB VIII als Voraussetzung für die Erteilung einer Betriebserlaubnis festge- schrieben.

Um sicherzustellen, dass das zu erstellende Schutzkonzept alle Arten von Ge- walt und Machtmissbrauch adressiert, sollte der Gewaltschutzbegriff im Geset- zestext konkretisiert werden.

Zum Schutz vor körperlicher Gewalt sind andere Schutzmaßnahmen zu treffen als zum Schutz vor sexueller Gewalt. Der Schutz vor psychischer Gewalt oder Vernachlässigung erfordert andere Maßnahmen als strukturelle Vorkehrungen zur Verhinderung von Machtmissbrauch in Einrichtungen. Nicht zuletzt ver- bergen sich hinter den Straftatbeständen der körperlichen und der sexuellen Gewalt grundlegend andere Tätertypen und Täterstrategien. Diesen strukturell unterschiedlichen Formen von Gewalt gilt es, in den Schutzkonzepten gerecht zu werden.

Damit deutlich wird, dass es hierzu unterschiedliche Schutzkonzepte für junge Menschen in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe braucht, beziehungs- weise in einem umfassenden Schutzkonzept dezidiert auf die unterschiedlichen Formen von Gewalt einzugehen ist, soll die genannte Konkretisierung in § 45 Absatz 2 Satz 2 und Nummer 4 SGB VIII erfolgen.

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31. Zu Artikel 1 Nummer 33 Buchstabe c (§ 45 Absatz 3 Nummer 1, 2 und 3 SGB VIII) In Artikel 1 ist Nummer 33 Buchstabe c wie folgt zu fassen:

‚c) In Absatz 3 Nummer 1 werden nach den Wörtern „Qualitätsentwick- lung und -sicherung“ die Wörter „sowie zur ordnungsgemäßen Buch- und Aktenführung in Bezug auf den Betrieb der Einrichtung“ einge- fügt.‘

Begründung

Die Verortung der Pflichten des Trägers zum Nachweis einer ordnungsgemä- ßen Buch- und Aktenführung sowie Dokumentation der Betriebsführung in

§ 45 Absatz 3 SGB VIII unter den zu prüfenden Voraussetzungen für die Ertei- lung einer Erlaubnis ist ergänzend zur Zuverlässigkeit des Trägers folgerichtig.

Allein dort wird diese Verpflichtung als zu schwach eingeschätzt. Zwar muss der Träger bereits mit Antragstellung nachweisen, dass er die geforderten Pflichten erfüllen wird, kann dies zunächst aber nur theoretisch tun. Deshalb wird es für die Phase der Erlaubniserteilung als ausreichend angesehen, in § 45 Absatz 3 Nummer 2 SGB VIII die Nachweise zur ordnungsgemäßen Buch- und Aktenführung in Bezug auf den Betrieb der Einrichtung in der Konzeption zu beschreiben. Die Beschreibung zum wirtschaftlichen Bereich der Buch- und Aktenführung kann darüber hinaus ebenfalls in der Konzeption erfolgen.

Ergänzend dazu wird die laufende Verpflichtung des Trägers zur Dokumenta- tions- und Aufbewahrungspflicht während der Betriebsführung in § 47 SGB VIII aufgenommen und verstärkt so die Pflichten des Trägers von be- triebserlaubnispflichtigen Einrichtungen. Darüber hinaus stärkt und konkreti- siert die Verpflichtung für den Träger das Instrumentarium der betriebserlaub- niserteilenden Behörde sowohl aufsichtsrechtlich als auch in der beratenden Funktion. Sie konkretisiert außerdem die den Umfang der im Rahmen von § 46 Absatz 1 SGB VIII zulässigen Prüfung von Unterlagen vor Ort und die Dul- dungs- und Mitwirkungspflicht.

(31)

32. Zu Artikel 1 Nummer 34 (§ 45a SGB VIII)

In Artikel 1 Nummer 34 ist § 45a wie folgt zu fassen:

㤠45a Einrichtung

Eine Einrichtung ist eine auf mindestens drei Monate angelegte förmliche Ver- bindung ortsgebundener räumlicher, personeller und sachlicher Mittel mit dem Zweck der ganztägigen oder über einen Teil des Tages erfolgenden Unter- kunftsgewährung sowie Betreuung, Beaufsichtigung, Erziehung, Bildung oder Ausbildung von Kindern und Jugendlichen außerhalb ihrer Familie, wenn der Bestand unabhängig von bestimmten Kindern und Jugendlichen, den dort täti- gen Personen und der Zuordnung bestimmter Kinder und Jugendlicher zu be- stimmten dort tätigen Personen ist. Keine Einrichtungen im Sinne von Satz 1 sind Wohnformen, in denen Kinder und Jugendliche ausschließlich im Rahmen der Vollzeitpflege nach § 33 betreut werden und Unterkunft erhalten.“

Begründung:

Die im KJSG vorgenommene Legaldefinition des Einrichtungsbegriffs begeg- net erheblichen Bedenken. Der Gesetzentwurf benennt erstmalig im SGB VIII

„familienanaloge Betreuungsformen“ und will diese zur Vollzeitpflege nach

§ 33 SGB VIII abgrenzen. Die gewählte Formulierung führt jedoch zu großen Unsicherheiten in Bezug auf Anwendungsbereich und Vollziehbarkeit in der Praxis von Betriebserlaubnisverfahren und Aufsicht. Zur Auflösung dieser Probleme sieht der nun vorliegende Gesetzentwurf, im Gegensatz zum Refe- rentenentwurf, einen Landesrechtsvorbehalt vor, welcher die Länder in die La- ge versetzen soll, die rechtlichen Unklarheiten im SGB VIII auf Landesebene zu bereinigen. Dieser Landesrechtsvorbehalt dürfte im Hinblick auf das ange- strebte Ziel, Kinder und Jugendliche in Einrichtungen der Kinder- und Jugend- hilfe zu schützen, jedoch zu einem nicht erwünschten „Flickenteppich“ auf Bundesebene führen und sollte deshalb gestrichen werden. Dies gilt insbeson- dere, da Kinder und Jugendliche auch außerhalb des bisher zuständigen Landes untergebracht werden können.

Es sollte daher die vorgeschlagene Formulierung übernommen werden, welche im Hinblick auf Satz 1, dem Einrichtungsbegriff des § 45a KJSG 2017 bezie- hungsweise der BT-Drucksache 19/18315 entspricht, welcher schon einmal zwischen den Ländern konsentiert und zudem sprachlich klarer gefasst war.

§ 45a Satz 2 SGB VIII stellt zusätzlich klar, dass „familienähnliche Wohnfor-

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men“ grundsätzlich dem Einrichtungsbegriff im Sinne des Satzes 1 unterliegen.

In der Definition der Einrichtung ist zur Schaffung von Rechtssicherheit zudem auch das Erfordernis einer auf ,,gewisse Dauer“ angelegten Unterkunftsgewäh- rung zu definieren, wobei der Zeitrahmen von mindestens drei Monaten bereits heute der gängigen der Rechtsprechung und Verwaltungspraxis entspricht und durch die Einführung einer Legaldefinition nicht gefährdet werden sollte.

33. Zu Artikel 1 Nummer 35 (§ 46 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 SGB VIII)

In Artikel 1 Nummer 35 ist § 46 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 wie folgt zu fassen:

„2. mit den Beschäftigten und mit den Kindern und Jugendlichen jeweils Ge- spräche zu führen; soweit dadurch der wirksame Schutz der Kinder und Ju- gendlichen in der Einrichtung nicht in Frage gestellt wird, hat die zuständi- ge Behörde den Kindern und Jugendlichen die Hinzuziehung einer von ihnen benannten Vertrauensperson zu Gesprächen zu ermöglichen und sie auf dieses Recht hinzuweisen; der Anspruch des Kindes oder Jugendlichen nach § 8 Absatz 3 bleibt unberührt.“

Begründung:

Gespräche der Betriebserlaubnis erteilenden Behörde mit Kindern und Jugend- lichen im Rahmen der örtlichen Prüfung müssen auch weiterhin zeitnah, in- formell und vertraulich möglich sein, um frühzeitig und vor Eintritt einer struk- turellen Gefahr für das Kindeswohl etwaige Mängel und/oder Missstände zu erkennen.

Hierzu bedarf es nicht des Einverständnisses der Personensorgeberechtigten, da das Kind oder der Jugendliche nur Eindrücke aus seiner Umgebung schildern soll. In diesem Zusammenhang müssen gerade spontane Äußerungen von Kin- dern und Jugendlichen sehr ernst genommen werden.

Zudem soll die Möglichkeit erhalten bleiben, Kindeswohlverletzungen aufzu- decken, die in Einrichtungen im Einverständnis mit den Personensorgeberech- tigten erfolgen.

Die vorherige Einholung des Einverständnisses beziehungsweise die mangeln- de Klarheit, in welchen Fällen ein Einverständnis entbehrlich ist, würde die Möglichkeit beeinträchtigen, die Kinder und Jugendlichen zu schützen und das präventive Handeln der Betriebserlaubnis erteilenden Behörde erheblich er- schweren.

Damit würden im Ergebnis – entgegen der gesetzgeberischen Intention – der Schutz und die Beteiligungs- und Beschwerdemöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen und die Rechte der aufsichtführenden Stellen geschwächt.

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