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Archiv "Gesponserte Fortbildung: Etwas läuft schief" (10.11.2006)

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Deutsches ÄrzteblattJg. 103Heft 4510. November 2006 A3059

S T A T U S

I

ch will vorausschicken, dass ich die Veranstalter dieser Fortbil- dungsveranstaltung für wohlmei- nende Männer (es waren wirklich nur Männer, nichts für ungut) halte, deren Engagement für uns wichtig ist. Dennoch läuft hier etwas schief.

Nicht, dass diese Fortbildungsver- anstaltung in dieser Hinsicht etwas Besonderes wäre, ich bin vielmehr der festen Überzeugung, dass dies tagtäglich in der gesamten Republik vorkommt. Eigentlich aber macht das den Befund schlimmer.

Ich nehme am niedersächsischen Disease-Management-Programm (DMP) Diabetes teil und bin der Meinung, dass dies keine ganz schlechte Sache ist, weil es hierdurch doch zu einer strukturierten Behand- lung einer größeren Zahl von Patien- ten gekommen ist. Ich bin vertraglich

verpflichtet, die Teilnahme an einer Fortbildungsveranstaltung zum The- ma Diabetes mit mindestens vier Fortbildungspunkten nachzuweisen.

Ziel der vertragschließenden Parteien war hierbei, auf diese Weise eine wirtschaftliche und qualitätsgesicher- te Arzneimitteltherapie zu fördern.

Schon beim Betreten des Foyers war klar: „Tutti quanti“ der einschlä- gigen Pharmaindustrie hatten sich eingefunden. Schöne Frauen, bunte Tüten. Aber zunächst einmal gab es Programm, für den Besuch der Indus- trieausstellung gab es einen eigenen Tagesordnungspunkt. Die Referen- ten waren von weit her angereist.

Wenn sich auch der jeweilige Vorsit- zende bedankte, dass die Referenten den weiten Weg auf sich genommen haben, so war dies dennoch sicher- lich nicht billig.

Der erste Vortrag befasste sich mit der diabetischen Retinopathie und einem standardisierten augen- ärztlichen Befundsystem hierfür.

Kernaussage: Noch immer werden viel zu wenige Diabetiker in dem empfohlenen Abstand von einem Jahr beim Augenarzt vorgestellt.

Das war in Ordnung. Aber dann: Ei- ne Studie, die bewies, dass es unab- hängig von der Behandlung auf je- den Fall für die Patienten gut ist, wenn sie ihren Blutzucker selbst messen. In den beigefügten Unterla- gen schränkte der Referent diese Aussage zwar wieder ein, indem er sagte, dass die diesbezügliche Da- tenlage dünn sei. Die „take-home- message“, die zumindest bei mir an- kam, war eindeutig: Schreibt mehr Blutzuckerteststreifen auf!

Und dann: Rimonabant. Zum Diabetes gibt es hier zwar nur einen indirekten Bezug, aber es ist halt ge- rade Markteinführung. Wenn die Dicken abnehmen, dann bessern sich ihre Stoffwechselparameter. Na ja, depressiv sollten die Patienten nicht gerade sein, sie nehmen nach dem Absetzen ja auch wieder zu.

Am besten gibt man es ihnen le- benslang. Hoffentlich erklärt es der böse Bundesausschuss nicht zum Lifestyle-Präparat. Pause. Gelegen- heit zum Besuch der Industrieaus- stellung und zum Verstoß gegen sämtliche modernen Ernährungs- grundsätze. Man war eingeladen.

Als Nächstes dann inhalierbares Insulin: Gibt es ja auch gerade neu,

RECHTSREPORT

Privatversicherer darf auf Abrechnungsfehler hinweisen

Ein Krankenversicherungsunternehmen ist grundsätzlich berechtigt, seinen Versicherten Empfehlungen und Hinweise zu einer Arztab- rechnung zu geben. Das hat das Oberlandes- gericht (OLG) München entschieden.

Im zugrunde liegenden Fall hatte ein Or- thopäde geklagt, weil seine Rechnung an ei- nen Privatversicherten beanstandet wurde. Er sah in dem Verhalten des Unternehmens, sei- ne Abrechnung zu beanstanden und dem Pa- tienten gegenüber mit Abrechnungsfehlern zu argumentieren, einen widerrechtlichen Ein-

griff in seinen Betrieb. Dieser sei geeignet, das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient aufs Schwerste zu schädigen. Denn durch den Vorwurf der falschen Abrechnung werde ihm als Arzt die moralische Integrität aberkannt. Solche Mitteilungen, noch dazu wenn sie falsche Informationen beinhalteten, gingen über das hinaus, was ein Krankenver- sicherer gegenüber Kunden behaupten dürfe.

Die vom Arzt verlangte Unterlassungser- klärung hielt das OLG München allerdings für unbegründet. Gegenüber Versicherten hätten private Krankenversicherer Aufklärungs- und Beratungspflichten zu erfüllen. Dies ergebe sich aus dem Versicherungsvertrag. Außer-

dem werde durch Hinweise auf unzulässige Berechnungen nicht zugleich der behandeln- de Arzt diskreditiert und das Arzt-Patienten- Verhältnis zerstört.

Gewöhnlich weiß der privat versicherte Pa- tient nach Ansicht des Gerichts, dass nicht al- les von seiner Krankenversicherung erstattet wird, sodass er dies nicht automatisch dem Arzt anlasten wird. Ein Eingriff in den Gewer- bebetrieb oder gar eine Ehrverletzung lässt sich deshalb in Fällen, in denen Gebührenzif- fern als nicht berechnungs- beziehungsweise erstattungsfähig genannt werden, nicht her- leiten. (Urteil vom 19. Januar 2006, Az.: 8 U

4256/05) BBee

Die Regelung, wonach es nur Fortbildungspunkte für Veranstaltungen geben soll, die wirtschaftlich unabhängig sind, erweist sich als zahnlos.

GESPONSERTE FORTBILDUNG

Foto:Fotolia/Klementiev

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A3060 Deutsches ÄrzteblattJg. 103Heft 4510. November 2006

S T A T U S

Nebenwirkungen nicht erheblich, leicht zu bedienen (der Referent hatte gleich ein Demonstrationsmodell in der Tasche). Preis auf Nachfrage lei- der dreimal so hoch wie Normalinsu- lin, aber wenn unsere Patienten sich doch nicht stechen wollen?

Zu allen Vorträgen hatte es auch ein wenig Literatur gegeben, beson- ders viel zum nächsten, der ver- sprach, sich mit der Praxis der Insu- lintherapie zu befassen. Es gab die Zusammenfassung einer Studie, die zwei verschiedene Therapieregimes mit Analoginsulin verglich. Wichti- ger aber war, was noch beigepackt war. Es war ein kurzer Artikel aus dem Deutschen Ärzteblatt, der den

Beschluss des Gemeinsamen Bun- desausschusses referierte, kurzwirk- same Insulinanaloga nur noch in Aus- nahmefällen zu erstatten, und dann ein Artikel, der das dieser Entschei- dung zugrunde liegende Gutachten des IQWiG kritisierte (IQWiG = In- stitut für Qualität und Wirtschaft- lichkeit im Gesundheitswesen). Ver- fasser waren Mitarbeiter zweier CROs (CRO = Contract Research Organization = Auftragsforschungs- institut). Solche Firmen haben in der Vergangenheit dafür gesorgt, dass

die Pharmafirmen weitgehende Kon- trolle über die ihre Präparate betref- fenden Studien erhalten, indem die- se Studien nicht mehr durch aka- demische Einrichtungen, sondern durch ebendiese direkt im Auftrag der Industrie tätigen und von diesen somit vollständig abhängigen Fir- men durchgeführt werden. Das Er- gebnis der kritischen Auseinander- setzung fiel denn auch vernichtend für das IQWiG aus. Dass keine Stellungnahme des IQWiG beige- fügt war, versteht sich in diesem Zu- sammenhang von selbst.

Der Vortrag weckte dann regel- recht Emotionen. Dr. med. Peter Sa- wicki erging es wie Lord Voldemort aus Harry Potter, dem schwarzen Lord („der, des- sen Name nicht genannt werden darf“). Er wurde nur noch als Herr S. aus K.

apostrophiert. Im Wesent- lichen wurde die oben erwähnte auch schriftlich beigefügte Studie abgearbeitet. Danach fragte ein empörter Kollege, ob das Nichter- statten der kurzwirksamen Insulin- analoga nicht den Tatbestand der Körperverletzung erfülle. Eine Kol- legin war ebenfalls ganz verzwei- felt. Ihr war jedoch offenbar entgan- gen, dass in der lang und breit dar- gestellten Studie gar nicht Insulin- analoga mit Normalinsulin vergli- chen worden waren, also nicht Äp- fel mit Birnen, sondern nur Äpfel

mit Äpfeln. Der Referent tat wenig, um diesen Irrtum zu korrigieren.

Das hätten ihm seine Finanziers ver- mutlich auch übel genommen. Der letzte Vortrag war dann wieder wirt- schaftlich unabhängig, vermutlich, weil es sich noch um reine For- schung handelte. Wahrscheinlich war er deshalb auch ganz nach hin- ten gelangt, wo schon ein deutlicher Schwund bei den Zuhörern einge- treten war.

Naive könnten dies jetzt für eine Win-win-Situation halten. Ich habe meine Fortbildungspunkte bekom- men, durfte noch umsonst etwas es- sen, und die Pharmaindustrie konnte mich über ihre Blockbuster in spe in- formieren. Auf der Strecke jedoch blieb ganz sicher das, was mit der Fortbildungspflicht im DMP beab- sichtigt war: eine wirtschaftliche und qualitätsgesicherte Arzneimittelthe- rapie. Und dies ist, fürchte ich, exem- plarisch für das ganze Elend der Fort- bildungspflicht. Man jagt die Kolle- gen in die Fortbildungen, wo sie mit offenen Armen von der Industrie be- grüßt werden. Die Regelung, wonach es nur Fortbildungspunkte für Veran- staltungen gibt, die wirtschaftlich un- abhängig sind, ist offensichtlich zahn- los. Nie liefen die Chappi-Veranstal- tungen so gut wie heute, wo selbst solche Kollegen kommen müssen, die sich früher aus gutem Grund fern-

hielten. n

Dr. med. Wolfgang Stehle

EBM-RATGEBER

Der EBM spricht im Kapitel 31 vom Operateur. Ist damit die Person oder die durchführende Praxis gemeint?

Gemeint ist die Praxis, die die Leistung er- bringt. In der Präambel 31.2, Nummer 8 sind Leistungen zugelassen, die zusätzlich zur Ope- ration berechenbar sind. Andere Leistungen sind in der Operation einkalkuliert und damit daneben ausgeschlossen. Diese Regelung gilt gleichermaßen für Gemeinschaftspraxen. In die Operationsleistung wurde beispielsweise ein postoperativer Arzt-Patienten-Kontakt einge- rechnet. Könnte der Partner in der Gemein- schaftspraxis den höherbewerteten, überwei- sungsgebundenen Nachbehandlungskomplex berechnen, würde eine doppelte Vergütung des ersten Arzt-Patienten-Kontaktes erfolgen. Eine

Behandlung auf interne Überweisung ist in Gemeinschaftspraxen auch laut Bundesmantel- vertrag nicht möglich. Eine Ausnahme ist die in der Gemeinschaftspraxis zulässige Nebenein- anderberechnung von Narkose und Operation (Allgemeine Bestimmung 5.4).

Kann ein Konsultationskomplex berechnet werden, wenn eine Leistung einen oder mehrere Arzt-Patienten-Kontakte enthält?

Ja, denn der Konsultationskomplex stellt primär eine Zählziffer dar, die nach der Leistungs- legende „je Arzt-Patienten-Kontakt“ berechnet werden kann. Daher ist hier nicht die Allgemeine Bestimmung 2.1.3 zum EBM einschlägig, wonach eine Leistung nicht berechnungsfähig

ist, „wenn sie Teilleistung einer anderen berech- nungsfähigen Leistung eines Leistungskomple- xes ist“. Neben Leistungen wie der Nummer 07330 Behandlung einer Funktionsstörung der Hand mit mindestens drei Arzt-Patienten-Kon- takten kann der Konsultationskomplex daher grundsätzlich berechnet werden. Bei solchen Komplexen ist die Angabe der Konsultationskom- plexe sogar erforderlich, um nachvollziehen zu können, dass die Leistungsinhalte vollständig erbracht wurden. Zu beachten sind stets die spe- ziellen Berechnungsausschlüsse zum jeweiligen Konsultationskomplex. So ist insbesondere die Berechnung des Konsultationskomplexes neben dem beispielsweise für den ersten persönlichen kurativen Arzt-Patienten-Kontakt anzusetzenden Ordinationskomplex ausgeschlossen. KBV

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Schon beim Betreten des Foyers war klar: Tutti quanti der einschlägigen Pharmaindustrie hatten sich eingefunden.

Referenzen

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