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Archiv "Biografie: Ungewöhnliche Lebenswege" (10.01.2011)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 108

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Heft 1–2

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10. Januar 2011 A 45 Vom Landarzt in eigener Praxis, ge-

legen in der deutschen Provinz, zum Forscher von Weltrenommee und dann gar zum Medizinnobel- preisträger aufzusteigen – in der recht rigide strukturierten Welt mo- derner medizinischer Forschung wäre die Vita des Robert Koch un- denkbar gewesen. Groß wäre das Naserümpfen – der Mann hatte ja nicht einmal eine Habilitation ver- fasst. Doch an Kochs Lebensstatio- nen – von Orten wie Niemegk, Rakwitz und Wollstein nach Berlin und zu ausgedehnten Reisen nach Ostafrika, Ägypten, Indonesien und in das ferne deutsche Kolonialge- biet des Bismarck-Archipels – zeigt sich das Ungewöhnliche einer Vita, die die Medizin veränderte.

Wider die Konvention verlief auch das Privatleben des Entde- ckers des Tuberkuloseerregers: Nur wenige Jahre, nachdem Scheidun- gen im Deutschen Reich legal ge- worden waren, machte Koch von dieser Möglichkeit Gebrauch und heiratete eine wesentlich jüngere Frau, Hedwig Freiberg. Diese aus dem Dunkel des Vergessens und der Diffamierung durch Zeitgenossen BIOGRAFIE

Ungewöhnliche Lebenswege

(„17-jährige Bühnendame“) in die Nachwelt geholt zu haben, ist das Verdienst einer wahrhaft epochalen Robert-Koch-Biografie, die der Ophthalmologie Johannes Grüntzig und der Tropenmediziner Heinz Mehlhorn jetzt vorgelegt haben.

Dass Hedwig schon auf dem Titel- bild an der Seite des bärtigen und oft auf Fotos so grimmig dreinbli- ckenden Forschers platziert ist, ent- spricht ihrem Platz in der späteren Phase seines Lebens. Die beiden heirateten 1893, und Hedwig wurde die wichtigste Mitarbeiterin Kochs, die sich nicht scheute, das so übel beleumundete Tuberkulin an sich im Selbstversuch auszuprobieren und ihren Mann in nicht ungefährli- che Weltteile auf seiner Suche nach Therapien, zum Beispiel der Mala- ria, der Rinderpest, der Cholera, zu begleiten.

Grüntzig und Mehlhorn schil- dern neben Kochs Biografie auch das Leben dieser ungewöhnlichen Frau, der „First Lady der deutschen Wissenschaft“ (das Paar wurde 1908 im Weißen Haus empfangen), die das Ende des Zweiten Weltkrie- ges 1945 im völlig zerstörten Berlin

erlebte und, was erst später ans Licht kam, unter abenteuerlichen Umständen Kochs Nobel-Goldme- daille rettete.

Die Lebenswege dieser beiden Persönlichkeiten sind eingebettet in eine Geschichte der Seuchen und ihrer Bekämpfung, von 1348 mit dem Schwarzen Tod bis zur Gegen- wart mit den medialen Hysterien um Schweinepest und Vogelgrippe.

Mit 1 096 Seiten ist es ein schweres Werk, das sich nicht in einem Abend goutieren lässt. Man braucht Zeit, viel Zeit – und sie ist ange- sichts einer faszinierenden und wundervoll illustrierten Saga gut investiert. Ronald D. Gerste

Johannes W. Grüntzig, Heinz Mehlhorn: Robert Koch. Seuchenjäger und Nobelpreisträger.

Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2010, 1096 Seiten, Hardcover, 99,95 Euro

M E D I E N

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