A 866 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 109|
Heft 17|
27. April 2012 Ovarialkarzinom oder Hinweisendarauf aus den letzten 12 Monaten.
Unabhängige und altersadjustier- te Risikofaktoren waren abdomi- nelles Spannungsgefühl mit einer Hazard Ratio von 23,1, Familien- anamnese mit einem Ovarialkarzi- nom (HR 9,8), Schmerz im Abdo- men (HR 7,0), postmenopausale Blutung (HR 6,6), Appetitverlust (HR 5,2), Hämoglobin unter 110 g/l in den letzten 12 Monaten (HR 2,3) und unbeabsichtigter Gewichtsver- lust sowie Blutung im Rektum mit jeweils einer HR von 2,0.
Die Daten unterstützen die im April 2011 überarbeiteten Richtlini- en des britischen National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE) zur Diagnostik von Ovari- alkarzinomen und Erstversorgung
der Patientinnen (2), so die Autorin- nen. Anämie, postmenopausale und rektale Blutungen, die sich in der aktuellen Studie als unabhängige Risikofaktoren für die Entwicklung eines Ovarialkarzinoms erwiesen hätten, seien in der NICE-Richtlinie allerdings nicht eingeschlossen.
Fazit: In einer prospektiven briti- schen Studie sind unabhängige Ri - sikofaktoren für die Entwicklung eines Ovarialkarzinoms qualitativ und quantitativ beschrieben worden.
„Der entwickelte Score gibt dem Allgemeinarzt Hinweise, wann er an die Diagnose Ovarialkarzinom den- ken muss und eine weitere Abklä- rung zu erfolgen hätte“, erläutert Prof. Dr. med. Barbara Schmalfeldt, Frauenklinik der Technischen Uni-
versität München. „Bei den abge- fragten Beschwerden handelt es sich um Spätsymptome, die für fortge- schrittene Ovarialkarzinome typisch sind.“ Der Algorithmus ermögliche also wahrscheinlich nicht die Früher- kennung mit der Option prophylakti- scher Maßnahmen, sondern ledig- lich, die Patientinnen schneller einer Therapie zuzuführen. Ob sie davon profitierten und sich dadurch die Mortalität reduziere, lasse sich auf Basis dieser Daten nicht beurteilen.
Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze
1. Hippisley-Cox J, Coupland C: Identifying women with suspected ovarian cancer in primary care: derivation and validation of algorithm. BMJ 2011; 344: d8009, doi:
10.1136/bmj.d8009; published online January 4, 2012
2. www.nice.org.uk/guidance/CG122
Die Betreuung von Patienten mit Demenz und Verhaltensstörungen in Alten- und Pflegeheimen gehört zu den schwierigsten Problemen der medizinischen Versorgung. Die meisten Leitlinien stimmen darin überein, dass bei Verhaltens- und psychologischen Problemen mit agitierten, aggressiven oder psy- chotischen Patienten zunächst ein nichtmedikamentöser Therapiever- such gemacht werden sollte. Weil dies oft schwierig bis unmöglich ist, wird von den betreuenden Ärz- ten vielfach die Verschreibung von Antipsychotika erwartet, obwohl dies eigentlich die Ultima Ratio sein
sollte. Seit einigen Jahren gibt es Warnungen vor einem erhöhten Mortalitätsrisiko bei Patienten un- ter entsprechender Medikation.
Die Frage einer Studie war, ob sich verschiedene Substanzen in die sem Kriterium unterscheiden.
Analysiert wurden Krankenversi- cherungsdaten von 75 445 Patien- ten (Alter ≥ 65 Jahre), die zwischen 2001 und 2005 in US-amerikani- schen Heimen lebten und Antipsy- chotika (Haloperidol, Aripiprazol, Olanzapin, Quetiapin, Risperidon oder Ziprasidon) neu erhielten. Mit statistischen Verfahren (Propensity Score Adjustment) wurden poten- zielle Störfaktoren herausgerechnet.
Verglichen mit dem am häufigs- ten verschriebenen Risperidon war das Mortalitätsrisiko unter Halope- ridol verdoppelt (Hazard Ratio 2,07; 95-%-Konfidenzintervall 1,89–
2,26) und unter Quetiapin leicht re- duziert (HR 0,81; 95-%-KI 0,75–
0,88). Die anderen Substanzen un- terschieden sich nicht wesentlich von Risperidon. Der Effekt war am stärksten kurz nach Beginn der Be- handlung, war bei allen Dosierun- gen und für alle untersuchten To- desursachen (mit Ausnahme von
Krebserkrankungen) erkennbar, so- wohl bei Patienten mit Demenz als auch bei solchen mit Verhaltensstö- rungen. Für alle Medikamente au- ßer für Quetiapin wurde eine Dosis- Wirkung-Beziehung in Bezug auf die Mortalität beobachtet.
Fazit: Die Gabe von Antipsychotika ist mit unterschiedlichen Mortali- tätsrisiken bei geriatrischen Patien- ten assoziiert. Kausale Zusammen- hänge lassen sich durch populati- onsbasierte Kohortenstudien wie diese ebenso wenig belegen wie Störfaktoren ausschließen. Den- noch bekräftigen die sehr robusten Daten das Risiko durch Antipsy- chotika bei Patienten in Pflegehei- men sowie die Notwendigkeit, die- se nur bei dringendem Bedarf und in der niedrigsten erfolgverspre- chenden Dosis anzuwenden, so die Autoren. Haloperidol solle vermie- den werden. Quetiapin scheine zwar mit einem geringeren Risiko assoziiert zu sein, aber für diese Substanz gebe es bislang wenig schlüssige Evidenz für eine Wir- kung bei neuropsychiatrischen Pro- blemen dementer Patienten.
Josef Gulden
Huybrechts KF, et al.: Differential risk of death in older residents in nursing homes prescribed specific antipsychotic drugs: Population based cohort study. Br Med J 2012; 344: e977.
ANTIPSYCHOTIKA IN ALTEN- UND PFLEGEHEIMEN
Mortalität bei Haloperidol-Behandelten am höchsten
GRAFIK
Kaplan-Meier-Kurven für einen nichtkrebsbedingten Tod
Überlebenswahrscheinlichkeit
Beobachtungsdauer (in Tagen)
modifiziert nach: Br Med J 2012; 344: e977