• Keine Ergebnisse gefunden

...........................Anlage ............... AG beim Regierungspräsidium Halle Beschluss Vergabekammer

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "...........................Anlage ............... AG beim Regierungspräsidium Halle Beschluss Vergabekammer"

Copied!
16
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Vergabekammer

beim Regierungspräsidium Halle

Beschluss

dazu OLG-Entscheidung 1 Verg 7/03 vom 08.01.2003 und 09.02.2005 sowie Entscheidung des EuGH vom 11.01.2005 – C 26/03

AZ: VK Hal 03/02 Halle, 27.05.2002

§ 97 Abs. 7 GWB; § 107 Abs. 2,3 GWB - keine Rügeverpflichtung

- Antragsbefugnis

- Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines In-House-Geschäfts - Ausschreibungspflicht

In dem Nachprüfungsverfahren der Arbeitsgemeinschaft

...Anlage ... AG

... GmbH & Co.KG ...& Co.GmbH & Co.KG Verfahrensbevollmächtigte

Rechtsanwälte/Steuerberater ...

Antragstellerin gegen

die Stadtv..., Verfahrensbevollmächtigte ...

Antragsgegnerin unter Beiladung der

... GmbH

Verfahrensbevollmächtigte

Beigeladene

(2)

wegen

Vergabe des Auftrages über Dienstleistungen in der Abfallentsorgung der Stadt ... hat die Vergabekammer beim Regierungspräsidium Halle aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 03.Mai 2002 durch den Vorsitzenden Oberregierungsrat Thomas, der beamteten Beisit- zerin Regierungsamtsrätin Katzsch und dem ehrenamtlichen Beisitzer Dolge beschlossen:

1. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, anstehende Dienstleistungen

- „Entsorgung der Restabfälle der Stadt ... ab dem 01.06.2005“ - im Wettbe- werb und im Wege eines transparenten Vergabeverfahrens nach der VOL zu vergeben.

2. Die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten seitens der Antragstellerin wird für notwendig erklärt.

3. Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsgegnerin sowie die Beigeladene zu gleichen Teilen.

4. Die von ihnen zu zahlenden Gesamtkosten werden auf ... € festgesetzt.

Davon tragen die Antragsgegnerin sowie die Beigeladene je ... €.

Gründe I.

Die Antragsgegnerin beabsichtigt, entsprechend den Regelungen des Abfallrechtes, mit der Beigeladenen ohne vorherige Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens einen Ver- tag über die Entsorgung der Restabfälle der Stadt ... mit Wirkung zum 01.06.2005 ab- zuschließen. Gegenstand des Unternehmens ist gem. § 2 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages vom 16.11.2001 der Betrieb von Recycling- und Abfallentsorgungsanlagen, insbesondere der Betrieb von Anlagen zur Kompostierung von Bioabfällen, zur Aufbereitung von Baustel- lenmischabfällen und Gewerbeabfällen, der Bau und Betrieb von Anlagen zur Klärschlamm- behandlung und -verwertung, zur Verwertung von Sickerwasser, Deponie- und Biogas sowie zur thermischen Abfallbehandlung.

Die Stadt ist durch ihre direkte Beteiligung von 100% an der Verwaltungsgesellschaft für ... (...) und die daraus folgende mittelbare Beteiligung von 100% an der ... Halle GmbH, die wiederum Anteile an der ... GmbH (...) besitzt, beteiligt.

Auf der Grundlage des Gesellschaftsvertrages stellt sich unter Einbeziehung der notariellen Niederschrift über Zustimmmungsbeschlüsse sowie über die Änderungen der GmbH-

Satzung vom 16.11.2001 (beides im Rahmen des bereits laufenden Nachprüfungsverfahrens am 27.2.2002 beurkundet) der kommunale Einfluss der Stadt ... auf die ... GmbH wie folgt dar. Mit dem Zuerwerb der Gesellschaftsanteile hat die ... GmbH nunmehr eine Beteiligung in Höhe von 75,1 % an der ... GmbH. Nach dem Gesellschaftsvertrag sind die Beschlüsse mit einfacher Mehrheit und bei den ausdrücklich definierten Entschei- dungen im § 8 des Gesellschaftsvertrages mit 75 % der Stimmen zu fassen. Im Weiteren wurden die Satzungsregelungen zum Jahresabschluss in § 11 dahingehend ergänzt, der Stadt ... die Rechte aus § 53 Haushaltsgrundsätzegesetz (HGrG) zuzugestehen. Damit hat die Rechnungsprüfungsbehörde der Stadt ... die Befugnisse nach § 54 HGrG.

Weiterhin wurde der erkennenden Kammer ein Eckpunktepapier eines Garantie- und Kon- sortialvertrages zwischen der Antragsgegnerin, der ... GmbH, der ... Umwelt AG und der ... Umwelt ... GmbH im Entwurf vorgelegt. Darüber hinaus wurde ein Vertrag über die thermische Behandlung und Verwertung von überlassungspflichtigen Abfäl- len zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen im Entwurf eingereicht. Zusätzlich

(3)

legte die Antragsgegnerin Vereinbarungen zur Teilübertragung der Abfallentsorgung mit den Landkreises ... sowie dem ... im Entwurf vor.

Bereits in der Niederschrift vom 19.04.2001 zur Tagung des Stadtrates der Stadt ..., welcher die Gewährleistung der Entsorgungssicherheit entsprechend dem Kreislaufwirt- schafts- und Abfallgesetz, Einführung der Abfallbehandlung ab dem 01.06.2005 zum Inhalt hatte, wurde festgelegt, dass

1. ein kommunal dominierter Vorhabensträger die genehmigungsrechtlichen Voraus- setzungen für die Errichtung und den Betrieb einer Thermischen Abfallbehandlungs- und Verwertungsanlage (TABVA) mit einer Anlagenkapazität von mindestens

100.000 Mg/a am Standort ... für eine eigenständige abfallwirtschaftliche Lösung in der Region schafft.

2. der kommunal dominierte Vorhabensträger die ... GmbH wird, die mit der Schaffung der genehmigungsrechtlichen Voraussetzungen für die Realisierung des Vorhabens TABVA am Standort ... beauftragt wird. Hierfür ist für die Gesell- schaft entsprechend auszustatten und der Gesellschaftsvertrag anzupassen, damit unverzüglich die notwendigen Maßnahmen ergriffen werden können.“

3. die Oberbürgermeisterin beauftragt wird, mit dem ... und dem Landkreis ... unverzüglich Gespräche zum Anschluss des Entsorgungsraumes für die TABVA am Standort ... zu führen.

Mit der Niederschrift wurde auch eine Kapazitätsermittlung vorgelegt, die auf einer seitens der Antragsgegnerin erstellten Prognose des künftigen Abfallaufkommens im Entsorgungs- raum Mitte basiert, der aus der Stadt ..., dem ... und den Landkreis ...

bestehen soll.

... ... ... ... ...

überlassungspflichtige Abfälle

Hausmüll 39.201 14.642 21.840 53.843 75.683

Sperrmüll 8.738 3.264 4.868 12.002 16.870

Marktabfälle / Stra- ßenkehricht

3.306 1.235 1.842 4.541 6.383 Summe

überlassungspflich- tige

Abfälle

51.245 19.141 28.550 70.386 98.936

nicht überlassungs- pflichtige Abfälle hausmüllähnliche

Gewerbeabfälle 10.155 3.793 5.657 13.948 19.605

Baustellenabfälle 14.574 87.123 19.719 101.697 121.416

Prod. spezif. Abfälle 7.654 3.584 1.163 11.238 12.401 Summe

Gewerbeabfälle 32.383 94.500 26.539 126.883 153.422

(4)

Summe

überlassungspflich- tige und nicht überlassungspflich- tige

Abfälle

83.628 113.641 55.089 197.269 252.358

In Ergänzung des Beschlusses vom 18.4.2001 wurde in der Stadtratssitzung am 12.12.2001 beschlossen, dass

1. die Stadt ... zur Gewährleistung ihrer Entsorgungssicherheit die ... GmbH mit der unverzüglichen Umsetzung des Vorhabens einer Thermischen Abfallbehand- lungs- und Verwertungsanlage (TABVA) am Standort ... beauftragt.

2. die Oberbürgermeisterin einen Entsorgungsvertrag der Stadt ... mit einer städ- tischen/städtischdominierten Gesellschaft abzuschließen und dies vor Abschluss dem Finanzausschuss zur Kenntnis zu geben hat. Der unter den derzeit geltenden wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen errechnete Behandlungs- preis von 180,00 DM/Mg (netto) darf nicht überschritten werden.

3. die Oberbürgermeisterin zur Absicherung einer weitergehenden Abfallbereitstellung mit den Landkreisen ... und ... weitere Verhandlungen über den Ab- schluss von Zweckvereinbarungen führt, so dass auch diese andienungspflichtigen Abfälle in der TABVA am Standort ... behandelt werden können.

Vor Baubeginn der TABVA ist insbesondere durch Abschluss von Zweckvereinba- rungen der Nachweis zu führen, dass die Mengenauslastung der TABVA gewähr- leistet ist.

Mit Schriftsatz vom 21.02. 2002 beantragte die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin gegenüber der Kammer die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens und trug in verschie- denen Schriftsätzen vor. Danach vertritt sie die Auffassung, dass die Antragsgegnerin aus- schreibungspflichtige Entsorgungsleistungen ohne Ausschreibungsverfahren vergebe. Es handele sich hierbei um die Entsorgung von Restabfällen der Stadt ... ab dem 01.06.2005.

Im Einzelnen führt sie dazu aus:

Als Wettbewerberin der ... und künftigen Betreiberin einer thermischen Restabfall- und Entsorgungsverwertungsanlage am Standort ... habe sie ein Interesse daran, dass die bei der Antragsgegnerin verfügbaren Mengen an Restabfällen öffentlich ausgeschrieben werden sollten.

Die Antragstellerin macht geltend, dass sie durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschrif- ten in ihren Rechten aus § 97 Abs. 7 GWB verletzt sei, da Dienstleistungsaufträge im Wett- bewerb und im Wege transparenter Vergabeverfahren zu vergeben seien.

Durch das beabsichtigte „In-house-Geschäft“ drohe ihr auch ein Schaden, die Vereitelung einer Chance, sich mit einem Angebot im Rahmen einer Ausschreibung um die Auftragsver- gabe zu bewerben.

Sie habe ihre Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Vorgehens bereits gegenüber der Antragsgegnerin mit Rügeschreiben vom 21.12.2001 gerügt.

Der Antrag sei zulässig, da die Antragsgegnerin entgegen einer vergaberechtlichen Ver- pflichtung kein förmliches Vergabeverfahren eingeleitet habe. In diesem Zusammenhang verweist sie auf entsprechende Rechtssprechung. So habe das OLG Düsseldorf klargestellt,

(5)

dass ein dem Nachprüfungsverfahren zugängliches Vergabeverfahren beginne, wenn der öffentliche Auftraggeber zur Deckung eines akuten Bedarfs oder eines zukünftigen Bedarfs, dessen Deckung er aber schon in der Gegenwart vorbereiten und organisieren will, im Wege konkreter organisatorischer und/oder planerischer Schritte zu regeln beginne, auf welche Weise und mit welchen gegenständlichen Leistungsanforderungen das Beschaffungsvorha- ben eingeleitet und durchgeführt werde, wie die Person oder der Personenkreis des oder der Leistenden ermittelt und dann ausgewählt werden solle, und alles dies mit dem Ziel, dass am Ende dieser organisatorischen Schritte ein Vertragsschluss stehe.

Es gäbe zwar grundsätzlich keinen vorbeugenden Rechtsschutz im Nachprüfungsverfahren, jedoch nach Auffassung von Gerichten, schließen diese die Zuständigkeit der Vergabekam- mern für Aufträge, bei denen die Ausschreibung rechtswidrig unterblieben sei, nicht aus. Um einen solchen Vergabeverstoß zu erfassen, sei ein materielles Verständnis des Vergabever- fahrens erforderlich. Es sei in Abgrenzung zu bloßen Markterkundungen darauf abzustellen, ob und inwieweit der öffentliche Auftraggeber den Beschaffungsvorgang organisatorisch und planerisch bereits eingeleitet und mit potentiellen Anbietern Kontakte mit dem Ziel aufge- nommen habe, das Beschaffungsvorhaben mit einer verbindlichen Einigung abzuschließen.

Die Antragstellerin sei in ihren Rechten insoweit verletzt, als durch das Unterlassen eines Vergabeverfahrens der in § 97 Abs. 1 GWB verankerte Grundsatz der öffentlichen Aus- schreibung von Waren, Bau- und Dienstleistungen im Wettbewerb und im Wege transparen- ter Vergabeverfahren nicht eingehalten werde.

Die Anwendung des GWB sei auch statthaft, da es sich hier um einen öffentlichen Auftrag- geber gem. § 98 Nr. 1 GWB handele und der Wert der Leistung den maßgeblichen Schwel- lenwert von 200.000,00 € für ein Verfahren nach der VOL erheblich übersteige.

Zur Begründetheit ihres Antrages führt die Antragstellerin an, dass entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin die von ihr gewählte Konzeption zur Organisation der Restabfallentsor- gung ab dem 01.06.2005 kein vergabefreies „In-house-Geschäft“ nach Maßgabe der hierzu in Literatur und Rechtssprechung entwickelten Grundsätze darstelle.

Auch die zwischenzeitliche Reduzierung der Beteiligung des privaten Partners an der ...

reiche bei weitem nicht hin, die Schwelle zu einem vergabefreien „In-house-Geschäft“ zu überschreiten. Die Anwendung der das Vergaberecht ausschließenden Tatbestände sei grundsätzlich restriktiv auszulegen. Dies gelte für den Begriff des öffentlichen Auftraggebers gemäß § 98 GWB ebenso wie für die Ausnahmetatbestände des § 100 GWB. Dieser Grund- satz habe deshalb uneingeschränkt auch bei der Grenzziehung zwischen einem vergabe- freien „In-house-Geschäft“ und einer vergabepflichtigen Drittbeauftragung zu gelten. Die An- tragsgegnerin verkenne die Bedeutung eines sauberen Wettbewerbes und die Gewährleis- tung von Chancengleichheit, die letztlich auch im Interesse der Antragsgegnerin und ihrer Gebühren zahlenden Bürger liege.

Sie trägt weiterhin vor, dass sie die Auffassung der Antragsgegnerin nicht teilen könne, dass sie sich nicht in einem für ein Nachprüfungsverfahren relevanten Stadium befinde. Der Stadt- ratsbeschluss vom 12.12.2001 markiere die Zäsur zwischen dem Stadium der Vorplanun- gen, in deren Mittelpunkt die Alternativprüfung für die TABVA ... stehe, und dem Sta- dium der konkreten Umsetzung der Absicht, einen langfristigen Entsorgungsvertrag für die Stadt mit der ... zu schließen.

Obwohl der Beschluss in Ziffer 2 von der Beauftragung einer „städtischen/städtisch- dominierten Gesellschaft“ spreche, könne in der Sache kein Zweifel daran bestehen, dass hiermit die ... gemeint sei.

Es treffe auch nicht zu, dass die Beauftragung der ... nur unter der Bedingung erfolgen solle, dass die Antragsgegnerin mit den Landkreisen ... und ... Zweckvereinba- rungen über die Übernahme der dortigen Restabfälle zur Gewährleistung der Mengenauslas- tung der geplanten TABVA schließe. Dagegen spreche bereits die Tatsache, dass das Aus- schreibungsverfahren über die Errichtung der TABVA bereits eingeleitet worden sei. Wäre die Übernahme der Mengen aus den Nachbarkreisen als echte Bedingung für die Realisie- rung der gesamten Entsorgungskonzeption gedacht gewesen, hätte auch erst nach Eintritt

(6)

dieser Bedingung, also nach Abschluss der entsprechenden Zweckvereinbarungen, die Be- auftragung der ... mit der Umsetzung der Errichtung der TABVA erfolgen können. Auch der Wortlaut der Ziffer 3 des Stadtratsbeschlusses stütze die These einer nur bedingten Auf- tragserteilung nicht.

Letztlich könnten jedoch alle diese Fragen dahingestellt bleiben, weil selbst unterstellt, dass die Beauftragung der ..., wie die Antragsgegnerin behaupte, unter der Voraussetzung des Zustandekommens von Zweckvereinbarungen mit den genannten Landkreisen stehen wür- de, ebenfalls ein die Anwendung des Vergaberechts erforderlich machender Beschaffungs- akt eingeleitet worden wäre. Die Antragsgegnerin hätte nämlich auch in diesem Fall den ein- deutigen Beschluss gefasst, die Beauftragung eines Dritten ohne Durchführung einer öffent- lichen Ausschreibung vorzunehmen, selbst wenn diese Beauftragung noch unter die Bedin- gung des Eintritts bestimmter Voraussetzungen gestellt worden wäre.

Auch in Ansehung der Ausführungen der Antragsgegnerin in ihrer Antragserwiderung und der zwischenzeitlich vorgenommenen Änderungen des Gesellschaftsvertrages der ... sei festzustellen, dass die geplante Beauftragung der ... mit der Restabfallentsorgung für die Antragsgegnerin ab dem 01.06.2005 nach wie vor nicht die Voraussetzungen eines In- house-Geschäftes im Sinne der sich durch Literatur und Rechtsprechung zunehmend klarer herauskristallisierenden Kriterien erfülle, und zwar weder im Hinblick auf die Kontrolle der ... wie eine eigene Dienststelle, noch in Bezug auf den Anteil der Marktaktivitäten, die die ... für die Antragsgegnerin erbringe.

Allein die Verringerung des Anteils des privaten Mitgesellschafters an der ... von 49 auf 24,9 % reiche nicht aus, um eine Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle herbeizuführen.

Die Antragsgegnerin verweise zu Recht darauf, dass die Reduzierung des Stimmanteils des privaten Mitgesellschafters allenfalls im Zusammenhang mit weiteren Änderungen der GmbH-Satzung zu einer den Maßstäben eines In-house-Geschäftes standhaltenden Beherr- schung des gemischtwirtschaftlichen Unternehmens durch den öffentlichen Auftraggeber zu führen geeignet sei. Es müsse vielmehr jederzeit ein beherrschender Einfluss des öffentli- chen Mehrheitsgesellschafters bis in jede Einzelmaßnahme des operativen Tagesgeschäftes gewährleistet sein.

Auch die Ergänzung der Satzung um einen § 11 Abs. 4, durch den der Stadt die Rechte aus

§ 53 HGrG sowie der Rechnungsprüfungsbehörde der Stadt die Befugnisse nach § 54 HGrG eingeräumt würden, führe nicht zu einer Kontrollausübung, wie über eine eigene Dienststelle.

Neben den nicht ausreichenden Kontrollrechten wie über eine eigene Dienststelle scheitere die Annahme eines In-house-Geschäftes vorliegend in jedem Fall auch daran, dass die ... nicht im Wesentlichen für die Antragsgegnerin tätig sei. Die abweichende Auffassung der Antragsgegnerin beruhe darauf, dass diese rechtsirrig als maßgebenden Zeitpunkt für die Feststellung einer wesentlichen für den Auftraggeber erbrachten Tätigkeit die Zeit nach der Beauftragung durch den öffentlichen Auftraggeber und der Leistungsaufnahme ansehe.

Die Antragstellerin beantragt

1. die Antragsgegnerin zu verpflichten, im Rahmen der Beauftragung eines Dritten mit der Entsorgung der bei der Antragsgegnerin anfallenden Mengen an Restabfällen ab dem 01.06.2005 eine öffentliche Ausschreibung nach Maßgabe der § 97 ff. GWB durchzuführen,

2. die Antragsgegnerin ferner zu verpflichten, während des Nachprüfungsverfahrens und bis zum Ablauf der Beschwerdefrist gem. § 117 Abs. 1 GWB keinen Vertrag mit der ... GmbH oder anderen Dritten über die TASi-gerechte Entsorgung der bei der Antragsgegnerin anfallenden Restabfälle ab dem 01.06.2005 abzuschließen, 3. die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes für notwendig zu erklären,

(7)

4. die Anträge der Antragsgegnerin und der Beigeladenen auf Feststellung der Not- wendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes zurückzuweisen,

5. der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

- die Beschwerde zurückzuweisen.

- hilfsweise die Antragsgegnerin zu verpflichten, einen etwaigen Auftrag

über eine Entsorgung der bei der Antragsgegnerin anfallenden Restabfälle nicht oh- ne ein den gesetzlichen Vorschriften entsprechendes Vergabeverfahren zu verge- ben.

- die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes für notwendig zu erklären, - der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Zur Begründung trägt sie vor,

dass die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens gem. § 107 ff. GWB unzulässig sei, da die Mindestbedingungen für die Durchführung eines solchen nicht gegeben seien. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin befänden sich die Planungen und Handlungen im Hinblick auf die Entsorgung des im Gebiet der Antragsgegnerin anfallenden Restabfalls zum derzeitigen Zeitpunkt in keinem für ein Nachprüfungsverfahren relevanten Stadium.

Dies gelte insbesondere auch unter Berücksichtigung des von der Antragstellerin aufgeführ- ten Beschlusses des OLG Düsseldorf vom 20.06.2001, da hier vom OLG bereits auf den Beginn eines konkreten Vergabeverfahrens erkannt wurde.

Im hier vorliegenden Fall liege eine entsprechende verbindliche Vereinbarung oder Erklärung zwischen der Antragsgegnerin und einem Dritten zum jetzigen Zeitpunkt nicht vor und würde von den von der Antragstellerin zitierten Beschlüssen des Stadtrates der Antragsgegnerin auch nicht gefordert.

Im Übrigen stehe der Beschluss vom 12.12.2001, mit welchem der vorhergehende Be- schluss vom 18.04.2001 konkretisiert werde, ausweislich des unter Ziffer 3 enthaltenen Be- schlusstextes, unter der Bedingung, dass die Antragsgegnerin mit den Landkreisen ...

und ... Zweckvereinbarungen nach dem Gesetz über kommunale Gemeinschaftsar- beit des Landes ... (...) zur Gewährleistung der Mengenauslastung der geplanten TABVA schließe.

Die vorliegende Situation bei der Antragsgegnerin sei in keinster Weise mit dem Fall zu ver- gleichen, der Gegenstand des Beschlusses des Oberlandesgerichtes Düsseldorf war. Etwas anderes ergäbe sich auch nicht aus dem von der Antragstellerin angeführten Beschluss des Bayrischen Obersten Landgerichtes vom 22.01.2002.

Gegenstand des diesem Beschluss zugrunde liegenden Nachprüfungsverfahrens war u.a.

die Frage, ob der Beginn eines konkreten Vergabeverfahrens bereits in dem verbindlichen Beschluss des Stadtrates der dortigen Antragsgegnerin, dem Vorschlag der Verwaltung fol- gend den Entsorgungsauftrag der im Nachprüfungsverfahren Beigeladenen zu erteilen, ge- sehen werden könne. Obwohl das v.g. BayOLG dies bejaht, führe es in dem hier vorliegen- den Falle zu keinerlei Konsequenzen, da ein entsprechend verbindlicher Stadtratsbeschluss nicht vorläge. Der Verfahrensverlauf hänge von der Erfüllbarkeit der bereits erwähnten Be- dingung ab. Darüber hinaus sei im strittigen Stadtratsbeschluss keine Festlegung darüber getroffen worden, dass zwingend mit der ... GmbH ein Entsorgungsvertrag abzuschlie- ßen sei. Es werde insofern ausdrücklich nur von einem „städtischen/städtisch dominierten Unternehmen“ gesprochen.

Des Weiteren fehle es der Antragstellerin an einer Antragsbefugnis gem. § 107 Abs. 2 GWB, da sie hinsichtlich der bei der Antragsgegnerin anfallenden Mengen an Restabfällen nicht im

(8)

Wettbewerb mit vor Ort ansässigen Entsorgungsunternehmen stehe und dieser Zustand auch nicht in naher Zukunft hergestellt werden könne. Der Grund liege darin, dass die An- tragstellerin zwar das Genehmigungsverfahren zur Errichtung einer thermischen Restabfall- und Energieverwertungsanlage (TREA) in ... betreibe, an der Genehmigungsfähigkeit dieses Vorhabens aber aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorgaben erhebliche Zweifel bestehen dürften.

Soweit die Antragstellerin ihr Begehren darauf ausrichtet, dass die Vergabekammer die An- tragsgegnerin anweisen möge, die Beauftragung eines Dritten für die Entsorgung von Rest- abfällen nach Maßgabe der §§ 97 ff. GWB durchzuführen, sei dies unzulässig. Der Grund dafür liege darin, dass die Antragsgegnerin im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens von der Vergabekammer nicht dazu verpflichtet werden könne, grundsätzlich die Beauftragung eines Dritten mit der Entsorgung der bei der Antragsgegnerin anfallenden Mengen an Rest- abfällen ab dem 01.06.2005 öffentlich auszuschreiben.

Im Übrigen ergäbe sich die Unzulässigkeit aber auch daraus, dass allenfalls die Beachtung der vergaberechtlichen Vorschriften, nicht aber eine förmliche Ausschreibung zwingend vor- gegeben werden könne, wenn ebenso gut ein Verhandlungsverfahren zulässig sei.

Sie verweist zusätzlich auf die Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofes, welcher unter bestimmten Voraussetzungen „In-house-Geschäfte“ als rechtmäßig anerkenne. Da- nach sei die Antragsgegnerin jederzeit berechtigt, „In-house-Geschäfte“ abzuschließen oder die betreffende Tätigkeit selbst zu erbringen.

Aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes lasse sich nicht entnehmen, dass ein

„In-house-Geschäft“ immer schon dann ausscheiden solle, wenn an einer gemeinwirtschaftli- chen Gesellschaft, die mit einem Auftrag betraut werden solle, ein privater Dritter beteiligt sei. Der Europäische Gerichtshof habe vielmehr als Voraussetzungen für die Beurteilung eines vergabefreien „In-house-Geschäftes“ in den Fällen, in denen der Auftraggeber Gesell- schafter des Auftragnehmers sei, nur vorgegeben, dass

a) der Auftraggeber über den Auftragnehmer die Kontrolle ausübe wie über eine eigene Dienststelle, und

b) die Tätigkeit des Auftragnehmers im Wesentlichen für den Auftraggeber erfolge.

a) In Analogie des Beschlusses des Bayerischen Obersten Landgerichtes vom 22.01.2002 seien bestehende Unterschiede einer in der Gebietskörperschaft integrierten Dienststel- le und einer juristisch selbständigen Person nicht wortwörtlich dahingehend zu verste- hen, dass eine identische Kontrolle ausgeübt werden müsse, sondern nur eine ver- gleichbare Kontrolle gemeint sein könne. Aufgrund dessen, dass das Gesellschaftsrecht eine Vielzahl von Möglichkeiten biete, einen Mehrheitsgesellschafter einen mehr oder weniger starken und beherrschenden Einfluss auf die Tätigkeit der Gesellschaft einzu- räumen, seien ausschließlich die gesamtgesellschaftliche Situation des gemischtwirt- schaftlichen Unternehmens unter Beachtung des konkreten Umfanges der Mehrheitsbe- teiligung der Gebietskörperschaft, der konkreten Ausgestaltung des Gesellschaftsvertra- ges und der damit einhergehenden Rechte des öffentlich-rechtlichen Mehrheits- und des privatrechtlichen Minderheitsgesellschafters entscheidend. Bei entsprechender Würdi- gung dieser Kriterien bestehe nach Auffassung der Antragsgegnerin kein Zweifel an ei- nem vergabefreien „In-house-Geschäft“.

Es sei festzustellen, dass die Antragsgegnerin an zwei Entsorgungsunternehmen ge- sellschaftsrechtlich beteiligt sei. Dies sei zum einen die Stadtwirtschaft ... GmbH, an der die Antragsgegnerin über die Verwaltungsgesellschaft für Versorgungs- und Ver- kehrsbetriebe der Stadt ... mbH und die ...GmbH mit 100 % beteiligt sei, und zum anderen die ... GmbH, an der ausweislich des sich im vorliegenden Gesell- schaftsvertrages vom 16.11.2001 sowie der ebenfalls beigefügten Niederschrift über die Änderung der GmbH-Satzung und der Niederschrift über Zustimmungsbeschlüsse, nunmehr 75,1 % der Geschäftsanteile von der ... GmbH und nur 24,9 % der Ge-

(9)

schäftsanteile von dem Minderheitsgesellschafter, der ...Umwelt ... GmbH, gehalten würden.

Durch die Änderung der Gesellschaftsanteile und der GmbH-Satzung läge eine unein- geschränkte Beherrschung der ... GmbH durch die Antragsgegnerin vor. Zur Kom- plementierung seien neben den vorgenannten Kompetenzen zugunsten der Mehrheits- gesellschafterin ... GmbH auch von der Antragsgegnerin vorzunehmende direk- te Kontrollrechte in § 11 Abs. 4 des Gesellschaftervertrages eingefügt worden. Mit den Änderungen zum Gesellschaftervertrag seien somit bestehende Blockaderechte des Minderheitsgesellschafters im Hinblick auf die Beherrschung der Gesellschaft über den Mehrheitsgesellschafter ausgeschlossen worden.

Die Antragsgegnerin führt weiterhin aus, dass sie sich zurzeit mit der ...GmbH in der Ausgestaltung des Gesellschaftervertrages befinde, die der Antragsgegnerin nach den geltenden Rechtsvorschriften für die Form einer Gesellschaft mit beschränkter Haf- tung eine größtmögliche Bestimmung und Kontrolle des Verhaltens der ... GmbH sowohl auf Gesellschaftsebene als auch auf Geschäftsführerebene gewähre.

b) Die ... GmbH werde mehr als 80 % ihrer Tätigkeit im Bereich der Müllverbrennung für die Antragsgegnerin erbringen.

Aus den Beschlüssen des Stadtrates ergebe sich eindeutig, dass seitens der Antrags- gegnerin ein Entsorgungsvertrag nur geschlossen werden dürfe, wenn durch den Ab- schluss von Zweckvereinbarungen mit den bereits genannten Landkreisen die Mengen- auslastung der von der ... GmbH geplanten Müllverbrennungsanlage gewährleistet sei. Danach werde die Stadt ... die durch die Landkreise eingesammelten Müllmen- gen - voraussichtlich 47.791 Mg/a - im Wege der Aufgabenübernahme zum Zwecke der Verbrennung übernehmen. Da durch die ... GmbH der Bau einer Müllverbrennungsan- lage mit einer Kapazität von 100.000 Mg/a geplant sei, würde die Geschäftstätigkeit der ... GmbH fast ausschließlich für den öffentlichen Auftraggeber erfolgen.

In diesem Zusammenhang sei allein auf den Zeitraum, auf den das angestrebte „In- house-Geschäft“ hinziele, also den Zeitraum ab dem 01. Juni 2005 abzustellen. Die ...

GmbH werde erstmals ab dem 01.06.2005 die Abfallentsorgung im Rahmen thermischer Behandlung durchführen. Daher sei die Antragsgegnerin der Ansicht, dass bei der Beur- teilung der Frage einer wesentlichen Tätigkeit für die Auftraggeberin allein auf den Zeit- punkt 01.06.2005 abzustellen sei. Zu diesem Zeitpunkt sei ausweislich des bisherigen Vortrages eine wesentliche Tätigkeit für die Antragsgegnerin unzweifelsfrei gegeben.

Die Beigeladene beantragt

- die Anträge der Antragstellerin zurückzuweisen,

- die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes für notwendig zu erklären, - der Antragstellerin die Kosten aufzuerlegen.

Ihre Begründung stützt sie im Wesentlichen auf die Argumente der Antragsgegnerin.

Im Übrigen führt sie aus, dass nach ihrer Auffassung weitere vom Unternehmensgegenstand der Beigeladenen umfasste Tätigkeiten der Erfüllung originärer Pflichten dienten, die der Stadt ... oder ihren Eigengesellschaften obliegen würden. Denn nach § 2 Abs. 1 des Gesellschaftervertrages ist Unternehmensgegenstand der Beigeladenen auch der „Bau und Betrieb von Anlagen zur Klärschlammbehandlung und Verwertung“. Dieser Unternehmens- gegenstand stehe in unmittelbarem sachlichen und rechtlichen Zusammenhang mit der Ab- wasserbeseitigungspflicht der Antragsgegnerin gemäß § 151 Abs. 1 Wassergesetz für das Land ... Denn der bei der Abwasserbeseitigungspflicht anfallende Klärschlamm unter- liege ebenfalls dem Behandlungs- und Verwertungsgebot.

(10)

Auch die in § 2 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages genannte „Verwertung von Sickerwasser, Deponie- und Biogas“ stehe in unmittelbarem sachlichen und rechtlichen Zusammenhang mit der Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten der Antragsgegnerin.

Die Antragsgegnerin erfülle ihre abfallwirtschaftliche Verpflichtung zur Entsorgung der in ih- rem Gebiet angefallenen und überlassenen Abfälle aus privaten Haushalten und Abfällen zur Beseitigung aus anderen Herkunftsbereichen derzeit durch Ablagerung der Abfälle auf der Deponie ..., die von einer stadteigenen Gesellschaft betrieben werde. Bei dem Be- trieb dieser Deponie entstehe Sickerwasser sowie Deponiegas. Dieses müsse behandelt bzw. verwertet werden. Dies unterstreiche, dass die Beigeladene nach ihren satzungsmäßi- gen Unternehmensgegenstand zu dem Zweck gegründet wurde, für die Antragsgegnerin Aufgaben zu erfüllen, die dieser als öffentlich-rechtlicher Körperschaft obliege. Es handele sich mithin um einen Akt der Organisationsprivatisierung.

Somit bediene sich die Antragsgegnerin der Beigeladenen als verwaltungsgesteuerte juristi- sche Person des Privatrechts zur Erfüllung ihrer Pflichten im Bereich der Daseinsvorsorge, insbesondere bei der Abfallbeseitigung.

Zusammenfassend sei festzustellen, dass die Beigeladene sowohl einer umfassenden Ein- flussnahme durch die Antragsgegnerin unterliege als auch „im wesentlichen“ für diese tätig sei.

Die Beteiligten hatten in der mündlichen Verhandlung Gelegenheit, ihren Vortrag zum Sach- verhalt und zur rechtlichen Würdigung zu ergänzen.

Durch Beschluss vom 05.03.2002 wurde der Antragstellerin Akteneinsicht gewährt und durch Beschluss vom 24.04.2002 ist die Firma ... GmbH zum Verfahren beigeladen wor- den.

In Bezug auf weitere Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 03.05.2002 sowie auf die Vergabeakten, die der Kammer vorgelegen haben, verwiesen.

II.

Die Anträge der Antragstellerin sind zulässig und begründet.

Die Zuständigkeit zur Überprüfung der Vergabebeschwerde durch die Vergabekammer beim Regierungspräsidium Halle ist in § 104 Abs. 1 GWB i.V.m. dem Runderlass des Ministeriums für Wirtschaft und Technologie – Richtlinie über die Einrichtung von Vergabekammern in Sachsen-Anhalt – vom 04.03.1999-63-32570/03-, Abschnitt II Abs. 1 und 2 geregelt.

Im Rahmen des § 104 Abs. 2 GWB ist vor den Vergabekammern ein möglichst effektiver Primärrechtsschutz zu gewährleisten. Zwar enthalten die Vorschriften des 4. Teiles des GWB keine Regelungen zum vorbeugenden Rechtsschutz. Es kann aber im besonderen Einzelfall ein Bedürfnis nach einer vorausgreifenden vorsorglichen Regelung durch die Ver- gabekammer zulässig und ein dahingehender Antrag statthaft sein, um individuelle bieter- schützende Vergabevorschriften durchzusetzen.

Die Kammer hält nach dem Wortlaut der Bestimmung einen solchen Anspruch grundsätzlich für zulässig, wenn die hierfür zu fordernden Voraussetzungen gegeben sind.

Der Zugang zur Vergabekammer ist nach Maßgabe des 4. Teiles des GWB von bestimmten prozessualen Voraussetzungen abhängig, die in § 104 Abs. 2 GWB allgemein umschrieben sind. Hiernach können Rechte aus § 97 Abs. 7 GWB, die auf die Vornahme oder das Unter- lassen einer Handlung in einem Vergabeverfahren gerichtet sind, nur vor der Vergabekam- mer geltend gemacht werden.

(11)

Zwar entsteht ein vorvertragliches Vertrauensverhältnis aus culpa in contrahendo erst, wenn der Bieter aufgrund der Anforderung der Ausschreibungsunterlagen an dem Ausschrei- bungsverfahren konkret teilnimmt. Steht aber fest, dass der öffentliche Auftraggeber eine bestimmte Maßnahme - ohne förmliche Ausschreibung - durchführen will, ist diese Maßnah- me hinreichend konkret, um ein Rechtsschutzinteresse zu begründen.

Ist die Entscheidung gefallen, dass die Leistung durch einen Dritten erbracht werden soll, so ist ein Antrag auf Nachprüfung auf der Grundlage des subjektiven Rechts nach § 97 Abs. 7 GWB grundsätzlich als zulässig anzusehen. Eine Verletzung des durch § 97 Abs. 7 GWB gegebenen subjektiven Rechts liegt somit dann vor, wenn von dem öffentlichen Auftraggeber die Entscheidung getroffen bzw. die definitive Erklärung abgegeben wird, einen konkret an- stehenden Auftrag ohne Vergabeverfahren zu erteilen, obwohl ein Vergabeverfahren zwin- gend vorgeschrieben ist.

Der vorbeugende Rechtsschutz muss jedoch die Ausnahme sein und ist nur statthaft, wenn ein besonderes Rechtsschutzinteresse gegeben ist.

In den Beschlüssen des Stadtrates vom 18.4. und 12.12.2001 wird die Oberbürgermeisterin jeweils unter Ziffer 2 beauftragt, einen Entsorgungsvertrag mit einer städtischen/städtisch- dominierten Gesellschaft abzuschließen. Sowohl aus Ziffer 1 als auch aus Ziffer 3 ergibt sich, dass die TABVA am Standort ... errichtet werden soll. Nach § 2 Abs. 1 des Gesell- schaftsvertrages der Beigeladenen gehört auch der Betrieb der thermischen Abfallbehand- lung am Standort ... zum Gegenstand des Unternehmens. Wenn unter Ziffer 2 der Be- schlüsse des Stadtrates von einem städtisch/städtisch-dominierten Unternehmen die Rede ist, kann es sich somit nur um die Beigeladene handeln.

Soweit die Antragsgegnerin dem Rechtsschutzbedürfnis insoweit entgegenzutreten versucht, als in den fraglichen Beschlüssen des Stadtrates kein Bindungswille zugunsten der Beigela- denen zum Ausdruck kommen soll, so vermag dies nicht zu

überzeugen. Mit der Errichtung der TABVA ist die Beigeladene ausweislich Ziffer 1 der Be- schlüsse bereits jetzt beauftragt worden. Die Tatsache, dass durch sie diesbezüglich bereits ein Ausschreibungsverfahren durch Bekanntmachung eingeleitet wurde, stellt im Rahmen der wirtschaftlichen Abhängigkeit zwischen der Errichtung der TABVA und dem Zustande- kommen des Entsorgungsvertrages klar, dass seitens der Antragsgegnerin sehr wohl eine Konkretisierung ihres Bindungswillens zugunsten der Beigeladenen erfolgt ist.

Die Voraussetzung des besonderen Rechtsschutzbedürfnisses liegt somit vor.

Die Antragsgegnerin ist öffentlicher Auftraggeber im Sinne von § 98 Ziffer 1 GWB.

Die Vorschriften des § 97 ff. GWB sind anwendbar, da der maßgebliche Schwellenwert für die Vergabe von Dienstleistungen gem. § 100 Abs. 1 GWB i.V.m. § 2 Abs. 2 der Vergabe- verordnung (VgV) vom 09.01.2001 (BGBl. I S. 110), und § 2 VOL, mit einem geschätzten Gesamtauftragswert von ca. ...Mio € überschritten ist. Der Fall des § 100 Abs. 2 Buchst.

g) GWB liegt nicht vor.

Die Ermittlung basiert auf der Grundlage des § 3 VgV.

Der Zulässigkeit des Antrages steht die nach § 107 Abs. 3 GWB ausgesprochene Rügever- pflichtung nicht entgegen.

Bei sogenannten de-facto-Vergaben kann eine Rügeverpflichtung - wenn überhaupt - nur rudimentär bestehen. Der öffentliche Aufraggeber soll nach dem Sinn und Zweck des § 107 Abs. 3 GWB eine Korrekturmöglichkeit haben, damit Nachprüfungsverfahren vermieden werden. Maßgebend ist der dieser Vorschrift zugrunde liegende Gedanke, dass unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben unnötige Nachprüfungsverfahren vermieden werden sollen. In dieser Hinsicht ist der Antragstellerin kein Vorwurf zu machen. Sie hat vorliegend mit Schreiben vom 21.12.2001, also noch rechtzeitig mit Blick auf den Vertragsschluss, die Nichtausschreibung gerügt und damit der Antragsgegnerin Gelegenheit gegeben, zu über- prüfen, ob eine Ausschreibungsverpflichtung für den beabsichtigten Vertragsschluss besteht.

Gegen die Antragsbefugnis der Antragstellerin (§ 107 Abs. 2 GWB) bestehen – entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin und der Beigeladenen – keine Bedenken. Die Antragstellerin hat an einem Auftrag oder an Aufträgen zur Abfallentsorgung im Entsorgungsraum Mitte als

(12)

Fachunternehmen der Entsorgungs- und Abfallwirtschaft unmissverständlich ihr Interesse bekundet. Das ist aktenkundig und braucht hier nicht im einzelnen wiedergegeben zu wer- den. Allein die Tatsache, dass sie (nachdrücklich) dieses Nachprüfungsverfahren betreibt und zugleich ihre Dienste anbietet, erfüllt unter den gegebenen Umständen insoweit die Vor- aussetzungen des § 107 Abs. 2 Satz 1 GWB. Dabei ist zu betonen, dass hier ohnehin keine hohen formalen Anforderungen an das Interessenmoment des § 107 Abs. 2 Satz 1 GWB gestellt werden können, da die Antragsgegnerin ihrerseits jegliche Förmlichkeit eines Verga- beverfahrens – wie Ausschreibung oder Aufforderung zur Angebotsabgabe – unterlassen hat.

Der Verpflichtung nach § 107 Abs. 2 Satz 2 GWB auf Darlegung der Verletzung von Verga- bevorschriften mit anschließendem Schadenseintritt hat die Antragstellerin unter den gege- benen Umständen schon dadurch genügt, dass sie zu Recht darauf hinwies, durch die Miss- achtung jeglicher Vergabevorschriften sei ihr bisher die Möglichkeit genommen worden, im Wettbewerb ein aussagekräftiges und detailliertes Angebot zur Erbringung der nach ihrer Ansicht auszuschreibenden Leistungen abzugeben (vgl. NZBau 2000). Nachweise ihrer Eig- nung für die hier in Betracht kommenden Abfallentsorgungsleistungen brauchte die Antrag- stellerin zum derzeitigen Verfahrensstand nicht vorzubringen.

Die Antragsgegnerin geht fehl, wenn sie glaubt, an die Antragsstellerin höhere Anforderun- gen als an die Beigeladene richten zu können. Wenn sie zu Gunsten der Beigeladenen als potenziellem Vertragspartner im Hinblick auf den derzeitigen immissionsschutzrechtlichen Verfahrensstand von einer Rechtzeitigkeit der Fertigstellung und Inbetriebnahme ausgeht, muss dies grundsätzlich auch für die Antragstellerin gelten. Angesichts des weit fortgeschrit- tenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsstandes der geplanten Anlage der An- tragstellerin waren keine offensichtlichen Genehmigungshindernisse erkennbar. Die Verga- bekammer konnte die Antragsbefugnis hier daher nur bejahen.

Der Antrag zu 1) ist begründet, da die Antragsgegnerin durch die geplante Auftragserteilung gegenüber der Beigeladenen gegen zwingende Vorschriften des Vergaberechts zu versto- ßen droht und somit die Antragstellerin in ihren Rechten gem. § 97 Abs. 7 GWB verletzt.

Die Kammer stellt fest, dass nach Artikel 1 Buchstabe a) der Richtlinie 92/50 grundsätzlich dann eine Ausschreibungspflicht besteht, wenn ein Vertrag zwischen einer Gebietskörper- schaft und einer rechtlich von dieser verschiedenen Person geschlossen werden soll. Dieser Grundsatz dient der Gewährleistung des freien Wettbewerbes und genießt als solcher einen hohen Stellenwert, der sich auch in dem sich in § 3/3a VOL/A widerspiegelnden Regelaus- nahmeverhältnis zeigt. Zur Gewährleistung genau dieses Grundsatzes hat der EuGH in sei- nem Urteil vom 18.11.1999 die Voraussetzungen für ein zulässiges In-house-Geschäft inso- weit konkretisiert, dass die beauftragende Gebietskörperschaft über den in Frage kommen- den Vertragspartner (a) wie eine Dienststelle verfügen können muss. Des Weiteren muss der Vertragspartner (b) zugleich seine Tätigkeit im Wesentlichen für die Gebietskörperschaft ver- richten, die seine Anteile inne hat.

a) Die Antragsgegnerin kann über die Beigeladene nicht wie über eine eigene Dienststelle verfügen.

Die durch das EuGH Urteil als mitentscheidend qualifizierte Dienststelleneigenschaft kann nicht im wörtlichen, sondern muss im übertragenen Sinne aufgefasst werden. Dabei hat der EuGH unmissverständlich klargemacht, dass die Dienststellenqualität sich nicht an ei- ner bestimmten Anteilseignerschaft der öffentlichen Hand an dem als Vertragspartner in Frage kommenden gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen orientiert. Vielmehr soll einzig und allein die tatsächliche Herrschaftsgewalt entscheidend sein.

Grundlage der Beurteilung war hier zunächst der Gesellschaftsvertrag der Beigeladenen.

Soweit seitens der Antragsgegnerin darüber hinaus ein Eckpunktepapier eines Garantie- und Konsortialvertrages zwischen der Antragsgegnerin, der Stadtwerke ... GmbH, der ... Umwelt AG und der ...Umwelt ... GmbH sowie ein Vertrag über die thermische Behandlung und Verwertung von überlassungspflichtigen Abfällen zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen jeweils im Entwurf vorgelegt wurden, infor- mierte die erkennende Kammer die Beteiligten bereits in der mündlichen Verhandlung

(13)

ausdrücklich darüber, dass Vertragsentwürfen keine rechtliche Verbindlichkeit zukommt und diese somit nicht zur Grundlage der Entscheidung gemacht werden können.

Wie bereits unter I festgestellt, beträgt der mittelbare Gesellschaftsanteil der Antragsgeg- nerin an der Beigeladenen mittlerweile 75,1%. Da die Entscheidungen im Rahmen der Gesellschafterversammlung der Beigeladenen mit einfacher Mehrheit bzw. in den aus- drücklich definierten Fällen des § 8 des Gesellschaftsvertrages mit 75 % der Stimmen- mehrheit gefällt werden können, kommt der Antragsgegnerin augenscheinlich eine aus- reichende Dominanz gegenüber der Beigeladenen zu.

Dennoch gelangt die erkennende Kammer zu dem Schluss, das Vorliegen dieses Tatbe- standsmerkmals zu verneinen.

Das Bayerische Oberste Landesgericht hat in seinem Beschluss unter dem Aktenzeichen Verg 18/01 vom 22.01.2002 die in den §§ 50, 61 Abs. 2 Satz 2, 66 Abs. 2 GmbH-Gesetz (GmbHG) normierten Minderheitenrechte als wesentliche Gesellschafterrechte qualifiziert.

Dabei wurde offen gelassen, ob die Existenz dieser unabdingbaren wesentlichen Gesell- schafterrechte bei einer Beteiligungsquote der freien Wirtschaft von mind. 10 % an einem gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen dem Vorliegen der Voraussetzung eines die Aus- schreibungspflicht entbehrlich machenden Eigengeschäftes ausschließt.

Die erkennende Kammer ist der Auffassung, dass bereits die Qualifizierung dieser Ge- sellschafterrechte als wesentliche Gesellschafterrechte dem Tatbestandsmerkmal der Dienststelleneigenschaft entgegensteht. Gemäß § 66 Abs. 2 GmbHG können ein oder mehrere Gesellschafter die mind. den 10-ten Teil des Stammkapitals besitzen, aus wichti- gen Gründen die Bestellung von Liquidatoren durch das zuständige Gericht beantragen.

Nach § 21 Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO) hat das Insolvenzgericht alle Maßnahmen zu treffen, die erforderlich erscheinen, um bis zur Entscheidung über den Antrag auf Ein- setzung eines Liquidators nachteilige Veränderungen der Vermögenslage zu vermeiden.

Laut § 21 Abs. 2 InsO kann das Gericht insbesondere einen vorläufigen Insolvenzverwal- ter bestellen bzw. der betroffenen Gesellschaft - hier der Beigeladenen und somit auch mittelbar der Antragsgegnerin - ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegen. Vorausset- zung zur Antragstellung auf Einsetzung eines Liquidators ist lediglich die Glaubhaftma- chung eines rechtlichen Interesses, d.h. ein schlüssiger Sachvortrag reicht aus.

Auf der Basis dieser Gesetzeslage ist die Kammer unter Auslegung des Urteils des EuGH und Einbeziehung des Beschlusses des BayObLG zu der Feststellung gelangt, dass ein Eigengeschäft im Rahmen einer grundsätzlich auszuschreibenden Leistung bei einer Minderheitenbeteiligung ab 10% der freien Wirtschaft an einem gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen generell ausscheidet.

Da sich dieser Anteil im vorliegenden Fall auf 24,9 % beläuft, ist hier das Vorliegen einer Dienststelleneigenschaft unabhängig von der konkreten vertraglichen Gestaltung des Ge- sellschaftsvertrages auszuschließen.

b) Das Merkmal der Tätigkeit der Beigeladenen - im Wesentlichen für die Antragsgegnerin - ist ebenfalls nicht gegeben.

Soweit zwischen den Beteiligten unterschiedliche Auffassungen bestehen, was den dies- bezüglich relevanten Zeitpunkt und den Umfang der Geschäftstätigkeit der Beigeladenen betrifft, vertritt die Kammer die Auffassung, dass der im Jahr 2005 einschlägige Gegens- tand des Unternehmens zur Grundlage der Entscheidung gemacht werden muss. Aus- weislich § 2 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages vom 16.11.2001 umfasst der Geschäfts- gegenstand neben der zukünftigen thermischen Abfallbehandlung auch die Kompostie- rung von Bioabfällen, die Aufbereitung von Baustellenmisch- und Gewerbeabfällen, den Bau und Betrieb von Anlagen zur Klärschlammbehandlung und -verwertung sowie die Verwertung von Sickerwässern/Deponie- und Biogasen.

Die Antragstellerin vermag mit ihrer Betrachtung des Geschäftsfeldes der Beigeladenen unter Außerachtlassung der thermischen Abfallverwertung schon deshalb nicht zu über- zeugen, als die öffentliche Hand auch durch das Vergaberecht grundsätzlich nicht gehin- dert ist, eine juristische Person des privaten Rechtes, die die Dienststelleneigenschaft er- füllt, neu zu gründen. In einem solchen Fall liegt es auf der Hand, hinsichtlich des Merk-

(14)

mals der Tätigkeit im Wesentlichen für den öffentlichen Auftraggeber, mangels Vorliegens einer zurückliegenden Geschäftstätigkeit, sich ausschließlich auf die neu zu vergebende Leistung zu beziehen. Da keinerlei Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine andere Be- trachtungsweise hinsichtlich einer bereits bestehenden Gesellschaft rechtfertigen, muss der Blick hier in die Zukunft gerichtet werden und die gesamte Geschäftstätigkeit umfas- sen.

Zur Beurteilung des Vorliegens dieses Tatbestandsmerkmales wurde die Antragsgegnerin mehrfach schriftlich, letztmalig im Laufe der mündlichen Verhandlung aufgefordert, aus- sagefähige Nachweise zu erbringen.

Die Antragsgegnerin übergab eine tabellarische Aufstellung über im Jahre 2005 anfallen- de überlassungspflichtige und nicht überlassungspflichtige Abfälle aus dem Gebiet der Stadt ..., dem ... und dem Landkreis ...

Hinsichtlich der beiden Landkreise existiert derzeit keine bindende vertragliche Überein- kunft mit der Antragsgegnerin, die sicherstellt, dass die dort anfallenden Abfälle im Rah- men einer Teilübertragung der Abfallentsorgung auf die Antragsgegnerin übergehen.

Auch diesbezüglich vertritt die Kammer die Ansicht, dass Vertragsentwürfe allenfalls als unverbindliche Absichtserklärungen gewertet werden können und diesen somit keine rechtliche Relevanz zukommt. Insoweit konnte die Kammer auf den angebotenen Zeu- genbeweis verzichten, da diese Zeugen allenfalls die Existenz einer unverbindlichen Ab- sicht hätten bestätigen können.

Soweit die Antragsgegnerin nicht nur überlassungspflichtige Abfälle, sondern auch nicht überlassungspflichtige Abfälle aus dem Stadtgebiet in ihre Betrachtungsweise einbezieht, besteht nach Ansicht der Kammer mangels Verpflichtung

der Verbringung der nicht überlassungspflichtigen Abfälle, nur an den Standort

..., keine hinreichende Wahrscheinlichkeit, die ein Abweichen von der Ausschrei- bungspflicht rechtfertigt. Denn auch der EuGH hat in der fraglichen Entscheidung deutlich gemacht, dass die von ihm aufgestellten Voraussetzungen mit hinreichender Sicherheit vorliegen müssen, ansonsten erscheint ein Abrücken vom Erfordernis der Gewährleistung des freien Wettbewerbes als nicht hinnehmbar.

Auf der Grundlage dieser rechtlichen Bewertung können in die Betrachtung lediglich 51.245 Mg/a einbezogen werden. Die Kammer hält jedoch eine Berücksichtigung der im Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 29.04.2002 angezeigten Abfallmengen von den der Verfügungsbefugnis der Antragsgegnerin unterstehenden Unternehmen in einer Größen- ordnung von weiteren 10.000 Mg/a für angezeigt.

Die vorgetragene Summe von 61.245 Mg/a Abfall aus dem Stadtgebiet der Antragsgegne- rin reicht hinsichtlich einer isolierten Betrachtung der thermischen Abfallverwertung nicht aus, um dem Erfordernis des EuGH zu entsprechen.

Die Kammer stützt sich zur Beurteilung des Merkmales „im Wesentlichen für den öffentli- chen Auftraggeber“ auf § 10 Abs. 1 der Vergabeverordnung. Dort ist für Dienstleistungs- aufträge von Sektorenauftraggebern an sogenannte verbundene Unternehmen eine Frei- stellung von der Ausschreibungspflicht normiert. Voraussetzung ist dabei, dass das zu beauftragende Unternehmen während der letzten drei Geschäftsjahre mind. 80 % seines Umsatzes aus einer Geschäftstätigkeit für ein oder mehrere Unternehmen aus diesem Unternehmensverbund erwirtschaftet hat. Die 61,25 % Auslastung der TABVA reichen somit nicht aus. Diese Auslastung macht es unternehmerisch zwangsläufig erforderlich, sich um eine Erweiterung des Kundenkreises zu bemühen. Gleiches gilt auch, wenn man entsprechend dem Vortrag der Beigeladenen hinsichtlich der städtisch-dominierten Unter- nehmen nicht von einem Abfallaufkommen in einer Größenordnung von 10.000 Mg/a, sondern 20.000 Mg/a ausgeht.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Einbeziehung der übrigen Geschäftsfelder der Beigeladenen. Obwohl der Antragsgegnerin ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung am 03.05.2002 nochmals die Möglichkeit eingeräumt wurde, die erforderli- chen Nachweise im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal der Geschäftstätigkeit für die Beigeladene beizubringen, wurden keine aussagefähigen Unterlagen vorgelegt. Der von

(15)

der Beigeladenen eingereichte 36-seitige Wirtschaftsprüfbericht umfasst hinsichtlich der Jahre 2000 und 2001 lediglich eine Aufsplitterung von Umsatzerlösen in unterschiedliche Entsorgungswege. Trotz intensiver Auseinandersetzung mit dem Inhalt der vorgelegten Unterlagen war es der Kammer nicht möglich, fundierte Rückschlüsse hinsichtlich der Problemstellung zu ziehen, welcher Anteil der Tätigkeit für die Antragsgegnerin erbracht wird.

Angesichts der Bedeutung des Wettbewerbes und des durch das Inkrafttreten des Vergabe- rechtsänderungsgesetzes zum 01.01.1999 erstmals normierten Individualanspruches auf Einhaltung des Vergaberechtes kann die Kammer aufgrund der Aktenlage und den Darle- gungen in der mündlichen Verhandlung die Voraussetzung für ein sogenanntes In-house- Geschäft nicht bejahen.

Hinsichtlich der zu vergebenden Leistung besteht demnach eine Verpflichtung zur Aus- schreibung.

III.

Kosten

Die Kostenentscheidung beruht auf § 128 Abs. 3 GWB. Die Antragsgegnerin und die Beige- ladene haben die Kosten des Verfahrens zu gleichen Teilen zu tragen.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Antragstellerin war angesichts der sach- lichen und rechtlichen Schwierigkeiten des Falles notwendig, § 128 Abs. 4 Satz 3 GWB in Verbindung mit § 80 Abs. 2 VwVfG.

Gemäß § 128 Abs. 3 GWB sind die Kosten des Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabe- kammer von demjenigen bzw. denjenigen zu tragen, die im Verfahren unterliegen. Für die Beurteilung des Obsiegens bzw. Unterliegens eines Beteiligten ist allein der Ausgang des Nachprüfungsverfahrens im Verhältnis zu dem von ihm gestellten Antrag in diesem Verfah- ren maßgeblich.

Die Höhe der Gesamtkosten beläuft sich hier auf ... €,

§ 128 Abs. 1 Satz 1 GWB. Die Kosten gliedern sich auf in Gebühren in Höhe von ...

€ (§ 128 Abs. 2 Satz 2 GWB) und Auslagen in Höhe von ... €

(§ 128 GWB i.V.m. § 10 VwKostG LSA). Die Antragsgegnerin und die Beigeladene tragen die Kosten jeweils in Höhe von ... €.

Die Einzahlung hat auf das Konto 805 015 00 bei der Landeszentralbank -LZB-

Dessau -, BLZ 805 000 00 durch die Antragsgegnerin unter Verwendung des Kassenzei- chens ... und durch die Beigeladene unter Verwendung des Kassenzeichens ... zu erfolgen.

(16)

Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen den Beschluss der Vergabekammer ist die sofortige Beschwerde zulässig,

§ 116 Abs. 1 GWB. Sie ist schriftlich innerhalb einer Frist von zwei Wochen, die mit Zustel- lung des Beschlusses beginnt, beim Oberlandesgericht Naumburg, Domplatz 10 in 06618 Naumburg, einzulegen, § 117 Abs. 1 GWB.

Die sofortige Beschwerde ist zugleich mit ihrer Einlegung zu begründen. Die Beschwerdebe- gründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit der Beschluss der

Vergabekammer angefochten und eine abweichende Entscheidung beantragt wird sowie die Tatsachen und Beweismittel bezeichnen, auf die sich die Beschwerde stützt, § 117 Abs. 2 GWB.

Die Beschwerde muss durch einen bei einem Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unter- schrieben sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, § 120 Abs. 1 GWB.

Die sofortige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung entfällt zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist, § 118 GWB.

gez. Thomas gez. Katzsch gez. Dolge

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Insbesondere wurde seitens der Beigeladenen vorgetragen, dass sie bei der Antragsgegnerin vor Angebotsabgabe unter anderem nachgefragt habe, ob auch Wand- lerkerne mit

7 GWB verletzt sei (vgl. Der Antrag ist im Ergebnis begründet.. a) Allerdings beanstandet die Antragstellerin zu Unrecht, dass die Nebenangebote der Beigeladenen nicht

dass das Rügevorbringen vom 12.05.2003 in seiner Gesamtheit präkludiert sei. Lediglich im Hinblick auf den gerügten Ausschluss ihrer Nebenangebote sei der Vortrag der Antragstelle-

dass der Auftraggeber nach § 27 a VOL/A den bei der Vergabe eines Auftrags nicht berück- sichtigten Bewerbern oder Bietern, die dies beantragen, innerhalb von 15 Tagen nach Ein-

39 des Vergabehandbuches – Straßen- und Brückenbau – (verbindlich eingeführt für alle Straßenbauämter und das Autobahnamt des LSA mit Schreiben des Minis- teriums für

Für die Entscheidung der Vergabekammer, die Erledigung der Hauptsache durch Beschluss festzustellen, hält die Kammer gem.. 1 Satz 3 GWB die mündliche Verhandlung nicht

- und Einbeziehung von juristischen Personen entgegen der Bekanntmachung. In der Bekanntmachung vom 14.07.2000 sei neben den allgemeinen Nachweisen der fachli- chen Eignung im

Unter Berücksichtigung des Aufwandes der Vergabekammer und im Hinblick darauf, dass weitergehende Sachprüfungen und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich waren, hält