Zu Seite 18.
lieber mexikanische Alterthümer
von Prof. SiShelln,
in Form eines Briefes an die Bedaclion.
Hiermit erhalten Sie das Verlangte. Dabei bemerke ich
aber noch einmal , dass was ich in Jena auf Rndigers Bitte
vorzutragen geneigt war und was dann der Mangel an Zeit
verhinderte, nur Reminiscenzen waren aus einigen Vorlesungen
über mexikanische Alterthümer, die mein College Müller
in der historischen und antiquarischen Gesellschaft vorgetragen
hatte und zu denen er sich durch die reichhaltige Sammlung
mexikanischer Alterthümer, welche die Baseler Bibliothek be¬
sitzt, veranlasst sab. In der ersten Vorlesung sprach Müller
über die Quellen, die ihm bei seinen Untersuchungen zu Gebote
stehen ; er cbarakterisirte dieselben und hob namentlich ihre
Bedeutung für die Religinnsgeschichte hervor. Diese Quellen
sind zum Theil die Schriften der Eroberer Mexiko's, wie eines
Cortez, Diaz u. s. w. , die mit dem alten, noch ungetrübten
mexikanischen Wesen in vielfache Berührung kamen; dann
die gelehrten Werke spanischer Geistlichen in Mexiko, von
denen uns namentlich Acosta und Clavigero Kugänglich sind.
Diese Männer haben durch vieljährigen Fleiss an Ort und
Stelle sich mit der Landessprache, den alten Sitten und Ueber¬
lieferungen bekannt gemacht, und selbst Werke von Indianern,
— 20G —
die spanisch die Geschichte ihres Volkes beschrieben, wie
Ixllilxochitl, benutzt. Die meisten dieser Quellen sind dem
deutschen Forsclier in französischen und deutschen Ueber¬
setzungen zugänglich. An diese zwei Arten von Quellen schlies¬
sen sich drittens die Untersuchungen in Europa lebender For¬
scher an. Ausser einigen Spaniern , die aber die Religion
der Eingebornen weniger berücksichtigten , waren Italiener
die ersten die gründliches Studium zeigen, ohne jedoch die
Aufmerksamkeit der Gelehrten erregen zu können. Dazu be¬
durfte es, im Anfange dieses Jahrhunderts, eines Alex, von
Humboldt. Durch ihn angefeuert, haben Franzosen und Deutsche,
meist durch Uebersetzung der Quellenschriftsteller und durch
Monographien dieses Studium ihren Landsleuten möglich und in¬
teressant zu machen gesucht. Eines der gründlichsten deutschen
Originalwerke ist die Schilderung Mexiko's von Mühlenpfordt,
in welcher die religiösen Alterthümer treu berücksichtigt werden.
Die Engländer und Amerikaner haben Iheils durch kostbare
Sammelwerke , die aber nicht leicht zugänglich sind, wie das
des Lords Kingsbourough , theils durch selbstständige Bear¬
beitungen, wie die Eroberung Mexiko's von l'rescott, sich in
neuster Zeit rühmlich au.sgezeichnet.
In der zweiten Vorlesung redete Müller von den mexi¬
kanischen Hieroglyphen. Er bezweckte bloss den gegenwär¬
tigen Standpunkt der Untersuchung darzustellen. Er wies nach,
t»ie bei den Mexikanern die Schrift aus der Malerei her¬
vorging und grossentheils Zeichensprache blieb, wie aber den¬
noch dieses Volk zu phonetischen, wenn auch nicht alphabe¬
tischen Hieroglyphen fortgeschritten war. Der Ciiarakter ihrer
symbolischen und phonetischen Zeichen wurde im .\llgemeinen
angegeben. Müller wies dabei auf die vielfachen, noch nicht
benutzten Sammlungen mexikanischer Hieroglyphen hin, die
zum Theil mit spanischer Uebersetzung begleitet sind und
um vieles leichter zu erforschen wären als die ägyptischen, da
die mexikanischen Sprachen noch leben.
Nachdem so diese beiden Vorlesungen mehr einlegend
gewesen waren , beschäftigte sich Müller in der dritten mit
dem Nationalgotte der Mexikaner, Huitzilopochtli. Er wies
durch Mythus, Cultus, Geschichte und Analogie anderer poly¬
theistischer Völker nach, wie dieser Gott, dessen Name
,, Kolibri-links" bezeichnet, ursprünglich nichts andres ist
als der in der alten Aztekensage öfters erwähnte Huitziton,
H. h. kleiner Kolibri, der, wie der lateinische Ficus, aus dem
weissagenden Thiergotte allmälig anthropomorjihosirt wurde.
Wie Mars , ist Huitzilopochtli ursprünglich der (ioft der in
Pflanzen und Illüthen sich darstellenden Jahreskraft. Das
aztekische Wort für Kolibri bezeichnet eigentlich den Son¬
nenstrahl. Darum ist dieser Gott im Mythus zu der Pflan¬
zengöttin in so nahe Beziehung gestellt: er ist ihr Sohn;
darum werden seine drei Jahresfeste am Anfange der drei
wichtigsten Jahreswechsel des mexikanischen Klimas gefeiert.
Als Lenker der Natur im Grossen, ist er dann auch zum
Nationalgotte geworden, und, was bei einem so kriegerischen
A'^olke, wie die Azteken waren, sich von selbst ergeben musste,
zum Kriegsgotte, den» vorzugsweise jene bekannten Menschen¬
opfer in so grosser Zahl dargebracht wurden. Müller glaubt
noch nachweisen zu können, dass diese Menschenopfer in
Amerika uralt seien, mit der Anthropophagie der dortigen Wil¬
den zusammenhängen, mit Beginn unsres Mittelalters von dem
Kullurvolke der Tolteken abgeschaft, später von den Azteken
wieder eingeführt worden seien
So weit die Vorlesungen meines Freundes, und das möchte
das w ichtigste sein, was davon noch in meiner Erinnerung lebt.
Dieses Studium scheint mir für den Mythologen besonders
dessw egen interessant , weil wir hier weit deutlicher als an-
!_) Im Aul'lragc dos liinscndoi's halicn wir zu bemerken, dass Herr Prof.
Müller selbst die Güte gehabt hat, die obigen Krinnerungen aus seinen
\'orlesungen zu revidiren und sie, mit Anscbliessung an die gewählte tonn, genau auf das wirklich Vorgetragene zurückzuführen. ^- '^"d-
— 208
(Icrswo in eine Urzeit derlleligionsentwtckhing geführt werclen,
die bei den Völkern der alten Welt der Mythenzeit ange¬
hört, wobei dann spätere, freie und poetische Behandlung der
Mythen den ursprünglich religiös-symbolischen Sinn verdun¬
kelt hat, während bei den Azteken das Licht der Geschichte
einen ursprünglicheren Zustand der Mythenbildung plötzlich
ertappte.
Zu Seite 18.
Ueber den Genitiv in den dekhanischen
Sprachen
von Cand. Rost.
Unter der grossen Anzahl der Volkssprachen, die wie
ein bunter Teppich über den vorderindischen Continent und
die demselben zunächst benachbarten Inseln ausgebreitet sind,
verdienen eine besondere Aufmerksamkeit, ein vorzügliches
Interesse diejenigen, die wir unter dem Namen der dekha¬
nischen zu begreifen pflegen. Schon ihr hohes Alter —
sie haben sich ja aus jenen frühen Zeiten bis jetzt erhalten^
wo Indien den mannichfachen Einflüssen der Arier noch nicht
unterlegen war, — lässt uns dieselben mit ganz andern Augen
betrachten als die verhältnissmässig bei weitem jüngern En¬
keltöchter des Sanskrit. Zwar zeigen einzelne der letzteren,
so namentlich das weitverbreitete Hindustani und die Sprache
von Brag-, eine im Ganzen fast reichere und sclbstständigere
Literatur auf, als selbst die gebildetsten der dekhanischen, die
sich überhaupt, wie schon ein Blick in den von Wilson heraus¬
gegebenen Catalog der Mackenzie Collection lehrt, in vielen
Zweigen der Wissenschaft mehr an sanskritische Muster an¬
geschlossen haben, und diesem Umstände darf es wohl haupt¬
sächlich zugeschrieben werden, dass die Beschäftigung gerade
mit diesen Sprachen den meisten deutschen Orientalisten bis
jetzt um so ferner bleiben musste, als besonders die Bekannt¬
machung der ältesten Denkmäler sanskritischer Literatur die
ungetheilten Kräfte der Indologen seit einer Reihe von .lahren
II. Jahrg. 14