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Oktober 1847 in der Versa lung der Orientalisten zu Basel von Ur

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Die Sage von Feridun in Indien nnd Iran.

Vorgetragen den 1. Oktober 1847 in der Versa lung der

Orientalisten zu Basel

von Ur. K. Hot Ii.

Vor zwei Jahren hatte icb die Ehre über das inuthiuaassliche

Alter der alten indischen Liedersammlungen zu berichten, die

unter dem Namen der Weden auf uns gekommen sind. Weniges

zwar ist aus diesem Gebiete inzwischen veröffentlicht worden,

desto lebhafter wird aber, wie Ilinen bekannt ist, darin gearbeitet,

und ich habe Grund zu hoffen , dass die damals gezeichneten

Umrisse noch fest stehen , so weit wenigstens feststehen , dass

icb heute einen Schritt weiter gehen und das indische Altcrthum

mit dem persischen zusammenknüpfen kann.

Die möglich engste Verbindung beider wird nach meiner

Ueberzeugung für die Wissenschaft vom persischen Altertbume,

wie sie jetzt steht, um förderlichsten seyn.

Da mir zu einer vollständigen Uebersicht über deu ursprüng¬

lichen Zusammenhang persischer uud indischer Religionsgeschichte bis jetzt noch Kraft und Mittel fehlen, so möchte ich wenigstens

an einein Beispiele zeigen, wie VVeda und Zenduwesta aus Einer

Quelle fliessen uls zwei Arme, von welchen der eine — im Weda

— voller, reiner, seinem ursprünglichen Wesen gleicher geblieben

ist, der andere vielfach sich verfärbt, seinen ersten Lauf geän¬

dert bat und durum nicht immer mit gleicher Sicherheit bis zu

seinen Ursprüngen zurück verfolgt werden kann. Für diesen

Nachweis wähle ich den Sagenkreis des Fei iddn , eines der ge¬

feiertsten Helden der persischen Vorzeit, bei welchem man am

meisten versucht ist , einen nationalen geschichtlichen Stoff unter

der sagenhaften Hülle zu suchen, mit dessen Aussprüchen noch

spät Dichter ihre Werke schmücken , dessen berühmtes Banner,

nachdem es die Sasanidcn auf ihren Zügen begleitet hatte, erst

in der Schlacht von Kadesia den Unterdrückern Persiens unter

Omar zur Beute wurde.

Die Fabel von Feridun, so weit sie bieher gehört, wird in

der Hauptquelle für unsere Kenntniss der persischen Heldensage

in b'irdnsi't Köitigsbuch so erzählt. Unter Zohäk"s Herrschaft wird

(2)

Roth, Die Sage von Feridun in Indien und Iran. 217

Keridün geboren, ein Solln Abtiu's und der Firänek. Zohäk stellt

dem Kinde nacb, weil von ibm nacb dem Munde der Wahrsager

der Untergang seiner Herrschaft kommen sollte. Nur dessen Vater

Abtin fällt aber in seine Hände und wird getödtet; die Mutter

flieht mit dem Sohne in den Wald, wo die wunderbare Kuh Pur-

■iiaje weidet, deren Wächter das Kind drei Jahre lang mit der

Milch der Kuh ernährt. Als die Mutter ihn auch hier nicht mehr

sicher glaubt, flieht sie mit ihm nach Hindustan zum Berge El-

burz und übergibt ihn einem Einsiedler zur Erziehung. In seinem

sechzehnten Jahre verlangt Feridun von der Mutter Aufschluss

über seine Abkunft. Sie sagt ibm von Zohäks Verfolgung, unfl

duss er aus dem alten Königsgeschlecbte des Tahmurus stamme.

Keridün bescbliesst Rache an Zohäk. Die Ausführung seines Planes

wird möglich gemacht durch die gleichzeitige Empörung gegen den

Fürsten unter der Anführung des Eiseiischiniedes Kdwe. Käwes

Söhne waren den Schlangen zur Speise geworden, welche nach der

Sage durch einen Kuss des Teufels aus Zohäks Schultern em¬

porgewachsen waren; der empörte Vater macht sein Schurzfell

zur Fahne des Aufruhrs. Diess ist die berühmte Kawefahue,

^LjjI.^ (jiiijvi. Feridun lässt sich zum Kampfe eine gewaltige

eiserne Keule in Form eines Stierkopfes verfertigen und zieht

mit seinen beiden älteren Brüdern Kajdndsh und Purmdje aus

zum Streite. Auf dem Wege wollen diese, eifersüchtig auf des

Bruders wachsende Macht, ihn heimlich tödten , aber seine über¬

natürliche Wissenschaft und Kraft verhindert es. Diess scheint

jedoch ein hinzugefügter Zug zu seyn , um Feriddns Grösse zu

lieben, denn beide erscheinen später wieder in seinein Gefolge

(v. 426. Zohäk. Ausg. v. J. Mohl). Er kommt endlich, Käwe

an der Spitze seines Heeres, zum Flusse Arvund, den Firdusi

ausdrücklich als den Tigris bezeichnet, setzt über den Fluss, nimmt

Zohäks Burg Gungidizhucht oder mit dem arabischen Namen Beit-

ul-mukaddes — die gewöhnliche Bezeichnung Jerusalems — und

findet zwar nicht Zohäk selbst , aber seine beiden Weiber aus

Dsheinshid's Geschlecht, Arnewäz und Shehrinäz. Zuletzt erscheint

Zohäk, um Burg und Weiber wieder zu gewinnen, wird aber

von Feridun mit der Stierkeule getroffen. Der Sieger tödtet ihn

nicht, weil der himmlische Genius Serosb räth , ihn in Felsen

einzuschliessen ; die Stunde seines Todes sey noch niclit gekommen.

Feridun geleitet ibn gebunden nach Shirchän, wird von dem Genius

noch einmal abgehalten Hand an Zohäk zu legen und angewiesen

ihn im Berge Demävend gefangen zu halten. Dort nagelt ihn

Feridün an die Felsen; so bleibt er aufgehängt und sein Herzblut

träufelt auf den Boden.

Diess ist die Sage so weit sie für unseren Zweck herbeizu¬

ziehen ist. Was über die nachmalige Regierung Ferfdün's und

die fünf hundertjährige Dauer derselben erzählt wird, ist nur ein

weiterer Beweis für den Satz , welchen die folgende Ausführung

(3)

218 Roth, Die Sage von Feridun

festzustellen bemüht ist, duss dieser Sage keine geschichtliche Er¬

innerung zu Grunde liege. Sie bat übrigens in der Gestillt ver-

mutblicb schon lange vor Firdusi bestunden; denn es linden'sich

in ihr ziemlich unversehrt alle Hauptzüge alter Göttersage, und

sie mag zu den Ausführungen gehören, welche Firdusi's Feinde

bei seinem Gönner dem Gaznewiden Mahmud dadurch herabzusetzen

suchten, dass sie dieselben als blosse Ausflüsse älterer Quellen

bezeichneten.

Leider besitze icb nicht die Mittel, die Entwicklung der

Sage regelmässig aufwärts zu verfolgen und sie in den Peh-

lewi-Büchern wieder aufzusuchen. Anquctil's Uebersetzung der

letzten Capitel des Bundebesch , die vornehmlich zu benutzen

wären, ist so verdächtig, dass es gerathener seyn wird, die

Lücke offen zu lassen und eine Anknüpfung unmittelbar an die

Zendbücher und noch weiter hinauf zu versuchen.

Feridün, in den Zendbüchern Thracldna, woraus die späteren

Mündarten durch Uebergang der Hauchlaute Phredüna bilden, ist

Sohn Alhwja's. Seine Geburt wird in dem merkwürdigen neunten

Abschnitte des Yafna , über welchen wir Burnout's vortreffliche

Erklärungen haben, als eine Gnade Homa's dargestellt. Den

Sterblichen, die in der Vorzeit seinen Dienst geübt haben,

werden durch ihn Söhne verlieben, welche Segen über die

Welt bringen. Vivanghvat ist der Erste, welcher das Homaopfer

bringt, ibm wird Jinia geboren, unter dessen Regierung nicbt

Hunger, Krankheit, Alter, Tod noch anderes Elend die Men¬

schen drückt. Der Zweite ist Athwja; er zeugt Thracldna. Der

Dritte ist Thrita, welchem Urvdkshaja und KfoVcdcpa geboren

werden. Der letztere überwindet die giftige, Menschen und Vieh

verschlingende Schlange. Der vierte endlich ist Purushacpa; als

sein Sohn erscheint Zaralhuslra der Dämonenfeind, der Lehrer

des wahren Gesetzes.

Wir haben hier die drei grossen Helden der persischen Sage

Jima, Thracldna, Kere<;ä<;pa — Dshem-sMd, Feridün, Gershasp —

und den Propheten des reinen Glaubens. Der Sinn der Zusammen¬

stellung ist offenbar nicht der, dass die Väter besonders hoch¬

gestellt und gepriesen würden für ihre Frömmigkeit, sondern dass

die Kraft des alten heiligen Ritus des Homaopfers verherrlicht

werde, indem das arische Land ihm seine gewaltigsten Männer

verdanke. Von dem zweiten derselben, von Thracldna wird erzählt,

„dass er erschlagen habe die " verderbliche ') Schlange mit drei

Rachen, drei Schwänzen *), sechs Augen und tausend Kräften,

gemacht von Ahrimnn zum Verderben dieser Welt." Diess ist

die That auf welche der Ruhm Tbraetona ; s gegründet ist; sie

bildet den Mittelpunkt seiner Geschichte, sie ist seine ganze Ge-

t) Siehe Anm. t. ?) Siehe Anm. 2.

(4)

in Indien and Iran. '219

schiebte. Der NamegZohäk in der späteren Feriddnsuge ist Ver¬

stümmlung der zendisclieu Bezeichnung ashi dahäka, verderbliche

Schlange; Zohäk heisst übrigens auch in Firdusi's Erzählung noch

oft geradezu üi'L^Ojt, ash dchäk; auch die drei Köpfe der Schlange

im Yacna sind ibm geblieben, mit dem Unterschiede dass die

neuere Fabel mindestens Einen derselben zu einem menschlichen

Haupte umgestalten musste, um die Schlange für den Thron Irans

einigennassen brauchbar zu machen. Thraetdna ist der Sohn eines

menschlichen Vaters Athwja, dessen Name sonst in persischen

Büchern dem Zend ähnlicher Albin lautet (Burb. qat. s. v.), wäh¬

rend Firdusi die etymologischere Form Abtin hat; er ist, wie im

ersten Fargard des Vendidäd erzählt wird, in dem vierzehnten der

von Ahurnmazda geschaffenen Länder geboren , in Varenn dem

viereckigen. Welches dieses Land sey, ist zwar für die Sage

von keinem Werthe — auch bat Firdusi keine Erwähnung einer

Ocrtlichkeit, ■— ich möchte aber die Vermuthung aussprechen,fdass

wir dasselbe im Südosten der arischen Ländermasse auf den Grun¬

zen des alten Gedrosiens und Aracbosiens zu suchen haben, wo¬

hin kein anderer der bis jetzt festgestellten Namen reicht, wo die

von Nord nach Süd und von West nach Ost streichenden und sich

treffenden Gebirgszüge Landnbschnitte bilden, die man füglich

calhru-gansa , viereckig nennen konnte, wo endlich der Name der

Oriten , Eöritcn (Ptol. Geogr. 6,22.) oder Oren auf einen einhei¬

mischen Namen wie Wnra, Warna hinführt. Erst die spätere

Auslegung der Zendbücher hat die Vorgänge und Ländernomen

des Ostens auf den Westen übergetragen und die Barbaren und

bösen Geister der Wüste im Norden in das waldige Gebirge süd¬

lich vom kaspischen Meere nach Mazenderan verlegt.

Diesen dracbenf ödf enden Sohn Athwja's , den wir so eng in

die Urgeschichte Persiens verflochten glaubten, finden wir gleich¬

wohl wieder bei den alt-indischen Stämmen, bei dem wedischen

Volke. Sein Patronymicum ■— wenn man es noch so nennen

kann — ist Aplja, dem zendischen Athwja bis auf die Versetzung

des t und p Lautes entsprechend , wie schon Burnouf in einer

nachträglichen Note (J. ns. V. 120.) bemerkt hat. Der Name des

Melden selbst aber lautet Trila. Es lässt sich das zendische Thrae-

tona von diesem Trita allerdings nicht unmittelbar ableiten, sans¬

kritisch müsste jenes etwa Tretavana lauten, das man für ein Patro¬

nymicum mit unregelmässiger Vocalsteigerung von Tritavan halten

könnte '). Einmal findet sich im Rigweda die dem Zend ähnlicher

klingende Form Trailana '). Wie dem aber auch sey, so erkennt man

1) Hiezu ist der Name des Königs der Matsja DhvnsA Dviiitnvnna zu vergleichen, (in Cat. Brahin. XIII, 3, 6, 9. bei Weber, Specimen II, 1?09) nach welchem der gleichnamige See und Wald in der Nähe der Saraswali {ernannt seyn soll.

Siehe Anm. 3.

(5)

220 Roth , Die Sage von Feridun

in dem Zendworte jedenfalls alle'Elemente des wedischen Trita, und

wenn vollends dieser Trita der Aptja genannt wird, wie Thraetona der Sohn Athwja's heisst, so kann, hätten wir auch niclits weiter als

diese Worte, die Identität beider kaum mehr bezweifelt werden.

Hiezu kommt aber eine innige sachliche V erwandtschaft beider.

Der persische Thraetona tödtet die verheerende Schlange (ashim

duhäkein) ; ebenso liegt der wedische Trita im Kampfe wider die

Schlange (ahi), wenn z. B. India in einem Liede, das ihm selbst

in den Mund gelegt ist, von sich rühmt: ich bin es, der Trita

verlieh , wider Ahi — wider die Schlange — die Kühe zu ge.

Winnen. (X, 4, 6, 2.).

Ferner: die Geburt und die Heldenkruft Tbraetona's sind

eine Gnade Homa's, eiu Geschenk für die ihm geleistete Verehrung.

Ganz dieselbe Vorstellung, nur eigentlicher, kehrt im Weda wieder,

wenn — um nur Kin Beispiel anzuführen — Agastja in einem

Liede sagt: icb will den Trank loben -— den Sorna trank — durch

dessen Kraft Trita den Writra in Stücke riss. (I, 24, 8, 1.)

Writra, der Entwickler, Umbiiller, ist nur eiu andrer Name des

Dämon, der sonst Abi, die Schlange, heisst.

Wenn endlich im Zcnduwcsta das Ungeheuer, das unser Held

bekämpft, mit dreifachem Rachen und Leibe, sechsaugig beschrieben

wird, so wird im Weda (X, 1, 8, 8.) von Trita dein Aptja gesagt:

Der Aptja vvussle seines Vaters Walten zu gebrauchen Von Indra gesandt (oder: erinuthigt) schritt er zum Kampfe,:

Den Dreiköpfigen mit sieben Schwänzen selling Trita und befreite aus Twashlra's Gewalt die Kinder.

Man wird, wo es sich um den Nachweis von Aehnlichkciteii

in den Mythen religionsverwandter Völker bandelt — nicht bloss

von unselbständigen Entlehnungen — kaum eine vollständigere

Aehnlichkeit erwarten dürfen als diese. Der Kämpfer, der Kampf

und der Feind sind in beiden Sagen dieselben; nur das Gut, um

welches gekämpft wird, ist verschieden und daran kommt die Stu¬

fenfolge der dreifachenSngenbildung am deutlichsten zum Vorschein.

In den Weden ist es ein göttliches Wesen , nach der Einen

Stelle könnte es sogar scheinen Indra's eigener Sohn, der die

Schlange oder den Dämon, heisse er Abi oder Writra oder Wala,

niederwirft und ihm die geraubten Kühe abnimmt. Es ist die alte

Sage von dem Wolkendämon, der die am Himmel irrenden Ge¬

wässer, die farbigen Wolken ,- welche wie Kühe auf der Weide

ziehen und wie diese bestimmt sind den Menschen zu nähren,

indem sie befruchtend zur Erde fallen, — der diese Gewässer

wegtreibt hinter den Horizont und in seine Verschlüsse legt; oder

die Sage von dem Rösen , der in den Gebirgen haust, wo er die

Quellen und Flüsse hinter den Riegeln seiner Felsen gefangen

hält. Hier wie dort fällt der Donnerkeil Indra's, oder nacb der

uns angehenden Wendung der Fabel Trita's Geschoss auf ihn,

(6)

/ii Indien und Iran. 221

spullcl die Klüfte der Felsen, dass die Gewässer rieseln, oder

/erreissl die schwarze Hülle, die er über den Himmel gelebt bat

und Fruchtbarkeit der Fluren und tier erfreuende Glanz des

Himmels kehrt wieder auf die Knie zurück. Dieses King-en zwischen IJehl und Dunkel am Himmel, zwischen Fruchtbarkeit und Hiin<rer

auf Knien - eiu Ringen das im Gcmiilhc des wedischen Volkes

eine der obersten Stellen einnimmt, isl auch der kämpf zwischen

Trita und der Schlange.

In den Zendbärhrrn steigt der kämpf vom Himmel herab auf

die Knie, oder er steigt hinauf aus der Reibe der natürlichen

Erscheinungen in das sittliche Gebiet; denn der Streiter ist eiu

Sohn, der seinem Vater geboren und der ganzen Welt zum Heile

gegeben wird fiir die fromme l'ebung des Homacultus. Der Drache,

den er schlägt, ist eine Schöpfung des bösen Machthabers, aus¬

gerüstet mit dämonischer Gewalt, damit er die Reinheit in der

Welt zerstöre. Thraetona ist ein Sterblicher auf Knien geboren

und er kämpft in dem kriege des Reinen gegen das Unreine, ei¬

nem kriege, der auf Knien inmitten der menschlichen Gesellschaft geführt wird.'

Die persische Heldensage endlich tritt auf den Hoden der Ge¬

schichte. Der kämpf wird im arischen Lande geführt. Die Schlange

wird zum Tyrannen auf dem Throne Irans, ihr Frevel ist die

grausame Bedrückung der Völker und die Unrcchtmässigkeit ihrer

Herrschaft, und das Gut, welches der streitbare Feridun dem be¬

rechtigten Volke erwirbt, ist Freiheil und Zufriedenheit des Le¬

bens auf väterlichem Boden und unter dem angestammten Herr¬

scherhaus!'.

Diese Stufen hat die Sage im Laufe von nahezu zwei Jahr¬

tausenden durchwandert. Dass die geschichtlich oberste Stufe

jene sev, wo Trita um Himmel kämpft, um Fruchtbarkeit und Wohl¬

fahrt der Knie zu fördern, würde schon in der begrifflichen Ent¬

wicklung des Mythus liegen, wenn auch keine anderen Beweise

zur Hand wären, wie sogleich der aus dem Patronymicum Trita's

oder Tbraetona's zu entnehmende. Dieses Athwja der Zendtexte

nämlich bat keine Ktymologie, es ist nur die Anbei|uemung des

Wortes Aptja an das spätere Organ, eines der alten Sprache,

welche Zend- und Wcdavolk vereint redeten, ungehörigen und im

Sanskrit unversehrt gebliebenen Wortes. Aptja aber bezeichnet

den Wasserbcwolincr oder Wassergebieler.

Um den bisherigen Zusammenstellungen eine Unterlage zu

geben, ist die Stellung zu bestimmen, welche Trita der Aptja in

dem Kreise der wedischen Göttcrvorstcllungen einnimmt. Die

Aufgabe ist nicht ganz leicht. Die Lieder geben ihn nicbt in fester

und lebendiger Gestalt, wie etwa den Indra, die Acwin u. s. w.

Es wird seiner nur in flüchtigen Erwähnungen gedacht, deren in

allen tausend Liedern des Rigweda kaum über dreissig sein mö¬

gen. Trita der Aptja scheint auf der Stufe der indischen Mythen-

1 5

(7)

222 Roth, Die Sage von Feridun

bildung, welcbe uns in der Mehrzahl der erhaltenen Lieder vor¬

liegt, ein tbeilweise in Vergessenheit zurückgetretener Gott zu

seyn. Zusammenfassende Darstellungen dieses Systemes, wie der

zweite Theil des Nirukta, widmen ihm darum aucb keine beson¬

dere Stelle; der Verfasser des letzteren erklärt vielmehr an einem

Orte, verführt durch die Aebniicbkeit des Kampfes, der von Trita

erzählt wird, mit dem des Indra, den Trita geradezu für Indra.

(Ebenso bat neuerlich A. Kuhn gelhau, ich zweifle aber nicht,

dass er, wenn J hm die oben angeführten und noch weiterhin zu

nennenden Stellen der Lieder zur Hand gewesen wären, mit mir

über die Verschiedenheit beider übereinstimmen würde).

Wollte man den Trita mit irgend einem der übrigen wedi¬

schen Götter identificiren, so dürfte es am ehesten mit Väju, dein

Wehenden, seyn. Es wird z. B. in einem der grossen Somulieder

des 9. Buches gesungen: „der süsse Soma floss und erzeugte

Trita's Namen (d. h. nach wedischem Spracbgchraucbc, Trita's

Wesen, Macht, Herrschaft), damit Väju Indra's Genosse werde "

— Genosse natürlich in dem Kampfe gegen den Dämon. (IX, 5,

1, 20). Noch deutlicher ist dieses in einein Liede Gaja's, wo

es von Agni, dem Feuer, heisst, duss seine Flammen plötzlich

auflodern, wenn ihn vom Himmel Trita wie ein Bläser anblase.

(V. 1, 9, 5). Ebenso steht in den Anrufungen eines demselben

Verfasser beigelegten Liedes Trita neben väta und vielleicht ist

dieses Wort eben zu Trita zu ziehen ,, der Wind (oder der we¬

hende) Trita." (X, 5, 4, 3). Mit dieser Zusammenstellung Tri¬

ta's und des Windes würde aucb der Scboliast des Nirukta, Durga,

eine sonst nicht gering zu schätzende Autorität, übereinstimmen,

welcher ibn an einer Stelle für den Väju hält. Allein wir wer¬

den schwerlich so durchgreifend zu Werke geben dürfen, als die

indischen Theologen von Jäska bis auf Säjana herab, die ohne

viele Umstände jeden Gott in eines der drei Fächer, Erde, Luft,

Himmel, einschoben, Göttergruppen spalteten oder zusammenstellten, wie das jedesmalige Bedürfniss es wünschenswert)! erscheinen licss.

Das wedisebe Pantheon ist ohnehin in der Abtheilung der blasen¬

den Götter wohl versehen. Da sind die Maral, die Schaaren der

Winde mit glänzenden Rüstungen fahrend auf flüchtigen Wagen,

die bald sanft am klaren Himmel ziehen, bald in stürmischer Eile

Wolken und Finsterniss vor sich herjagen als Genossen Indras

in seinem Kampfe. Da ist Vdju, der Wehende, ein freundlicher

Gott, der mit Indra zum Somatrank geladen wird; fahrend auf

dem von Stuten gezogenen Wagen hellt er den Himmel auf und

lässt die Morgenröthe leuchten (I, 20, 1, 3). Und endlich ist

Riidra gepriesen als der Vater der Winde, ein gefürebteter Gott,

der Herrscher des Sturmwindes , der verderbliche Geschosse in

seiner Hand trägt und des Menschen wie der Heerden Leben be¬

droht, aber auch über tausend Heilmittel gebietet und den Schaden

verhüten und vergüten kann.

(8)

in Indien und Iran. 223

So scheint für Trita kaum eine Stelle übrig zu bleiben. Kr

muss dieselbe anderswo finden, und es fehlt uns dafür in den

Liedern keineswegs ganz an Andeutungen. — In einein Liede Par-

vata's (VIII, 2, 6, 16. 17.) wird Indra angeredet: „Wenn du, o

Indra, am Sorna dich ergehest wie Wishnu, oder bei Trita dem

Aptja oder unter den Marutas , — ob du dich oben im fernen

Luftmeere ergebest: freue dich des von uns bereiteten Sorna!"

Indra, wie ferne er immer sey, möge herbeikommen. — Trita ist

neben Wishnu genannt, der nach des Aiturija Krähmana Ausdruck

der oberste der («iiiler d. Ii. der räumlich höchste, die Sonne im

Scheitelpunkte ist, wo sie dein Klicke am fernsten scheint. In

ähnlichem Abstünde müssen wir Trita suchen. So wird er denn

an die fernste Gränzc, welche die menschliche Vorstellung errei¬

chen kann, binausgerückt in der Anrufung (VIII, 6, 5, 13fgg.):

Unsere Sünden, seien sie offenkundig, seien sie verbürgen, ihr Götter!

schaffet sie alle weit weg von uns zu Trita dem Aptja.

Noch viermal in demselben Liede wiederholt sich der Wunsch. —

Nur diese unbestimmte Ferne von Trita's Gebiet mag auch der

Grund seyn, dass in einem Liede Näbhäkus (VIII, 5, 11, 6.)

Warüna mit dem Namen Trita bezeichnet wird — Warüna die

Gränze des All's, der ovQavog, der ferne Lenker menschlicher

Schicksale. An diesen Gränzcn der Schöpfung denkt man sich

die geheimnissvoll schallenden Gewalten, und Trita erscheint so

unter den Göttern, welche bei der Schöpfung der Sonne thätig

sind, die in einem mystisch - allegorischen Liede . des Dirghatamas

(I, 22, 7, 1 — 3) als ein den Himmelsraum durchlaufendes Ross

vorgestellt wird:

1. Als zuerst du wiehertest bei deinem Entstehen aufsteigend aus dein Luflineerc oder den Gewässern

mit den Flügeln des Falken, mit den Schenkeln des Hirsches — da erhob sich dir grosser Preis, o Arwan.

2. Jaina gab ihn (d. h. schuf ihn), Trita schirrte ihn, Indra bestieg ihn zuerst,

Gandharwa ergriff seinen Zügel:

aus der Sonne, ihr Vasn (d. h. ihr leuchtenden Götter), habt ihr ein Pferd gemacht.

;i. Du bist Jaina, o Arwan, du bist Aditja, du bist Trita mit der geheimnissvollen Herrschaft, du bist verbrüdert mit Sorna :

dreifache Verwandtschaft, sagen sie, habest du im Himmel.

Ehe wir diese Züge zusammenfassen , müssen wir noch die

Bezeichnung Trita's als Aptja , als des Wassergeboren oder Was¬

sergebieters, herbeiziehen. Die Wasser, welche in der wedischen

(9)

224 Hulh, Diu Sai/u von Feridun

Natursymbolik von vorzüglichem Belange sind, sind weniger die

Wasser der Flüsse und des Meeres — von dem letzteren insbe¬

sondere zeigen alle Spuren, dass das Volk mit ibm wenig vertraut

war —- als die himmlischen Wasser; im Luflkreis sind Wellen,

Ströme, Meere. Sic umwallen die dem Menschen bekannte Schöpfung,

Ein Sohn oder Gebieter dieser äussersten Wasser, von welchen

die Welt getragen und genährt wird, mag Trita seyn. Von diesen

fernen Gränzen des Lebens, aus diesen bewegten Wassern der

äussersten Atmosphäre muss aucb der Lufthauch kommen , der

Wind, von welchem Niemand weiss, wober er kommt und wohin

er fährt. — In diesem Sinne kann aucb Indra der Aptja der Ap-

tja's genannt werden, wie es Ein Mal geschieht, als der in dem

sichtbaren Dunstmeere der Luft vor allen andern gebietende. End¬

lich ist auch die einzige Stelle, in welcher die Trita's in der

Mehrzahl genannt sind (VI, 4, 1, 23). von diesen Genien der

fernsten Lüfte zu verstehen.

Es stände demnach fest, dass Trita der Wassergeborne in

jenen fernen und darum gehcimnissvollcn schaffenden und die

Welt nährenden Wassern wohnt,' und dass er, weil eben dort

aucb die Geburtsstätte der Stömungen der Luft gedacht wird , in

die Reibe der Götter des Windes eintritt. Eben damit wird er

ein Genosse Indra's so gut wie die Marutas, die Sehaaren der

Winde, welche Indra den Schlupfwinkel der Schlange, des Wol¬

ken-Dämons, zerbrechen und jenen tödten helfen. Da nun dieser

Kampf — wiewohl er auch anderen Göttern z. R. dem Agni zu¬

geschrieben wird — doch vorzugsweise dem Indra angehört, so

ist es eiue leicht erklärliche Ausschmückung der Vorstellungen

von Trita, dass ihn] die Sage in dieser Eigenschaft zu einem

Vorbilde oder gar zu einem Sohne Indra's macht. Indra herrscht

in dem siebtbaren Luftreiche und es ist nach dieser Vorstellung

ein Eingreifen in sein Gebiet, wenn ein anderer jenseitiger Gott

wie Trita dieselbe Thätigkeit sich zueignen würde; man stellt

ibn demnach unter Indra's oberste Leitung.

Indessen wird es keine gewagte Vermuthung seyn, wenn wir

annehmen, dass in den Vorstellungen einer früheren Zeit, rück¬

wärts der meisten wedischen Lieder, Trita eine bedeutendere

Stellung eingenommen habe und namentlich in dem Streite mit

der Schlange nach seiner doppelten Seite als Wasser- und Wind-

gott ganz anders hervorgehoben gewesen sey, als die wenigen

Trümmer dieser Sage, welche in den Liedern sich gerettet haben,

uns schildern. Aus diesem ursprünglich reicheren Trita-Mythus

ist in der Zend - Religion die Sage von dem Drachen kample als

eine dem Wesen dieses Glaubens besonders zusagende geblieben,

während in der wedischen Mythologie man gerade dieser Seite

am wenigsten bedurfte, da sie gänzlich in Indra vorgestellt war,

und dagegen häufiger des Trita als des fernen Wassergebieters

gedacht wird, des fernen vielleicht nur darum weil er immer mehr

(10)

in Indien und Iron. 225

■ins dem Gedächtnisse sich verwischt halte und man ihm , da an¬

dere an seine Stelle sich gedrängt hatten, in dem näheren Reiche

der Luftcrschcinuiigcn keine Stelle mehr zu geben wusste.

Dass ferner Trita. ein wirklicher Gull der alten arisch - in¬

dischen Religion, in dem Glauben des Zendvolkes auf die Stufe

eines blossen Helden herabsinkt, dafür dürfen wir nicht erst an¬

derwärts Beispiele sucl W ir linden dieselbe Erscheinung in

den aiulcreii grossen Helden der persischen Sage, in dem Jima

der Zcudbüchcr, dem Dsbcin (Dsheinshid) der späteren Sprache,

welcher nach dem Zendawcsta ein Diener Abura Mazda's in den

Urzeiten die Welt einrichtet, die Mittel zur Wohlfahrt herstellt

und in einer goldenen Zeit über die Menschen herrscht, der in

der Heldensage ein bevorzugter Herrscher Irans und zwar nach

Firdusi erst der vierte ist, während er in der älteren Vorstellung

der Weden als Jaina im Himmel wohnt ein freundlicher Gebieter

der abgeschiedenen Seelen der Väter, die. dort oben mit ihm

schmausen (X, 1, 14, 10).

Wo unvergängliches Licht ist (sagt ein schönes Lied Kacjnnu's, 1\. 7.10.7.8.) in der Welt, wo der Sonnenghinz wohnt.

Dahin bring' mich, o Sorna, in die unsterbliche unverletzliche Well.

W o der W iwaswatsohn (Jaina) als König gebietet.

wo die Stufen zum Himmel sind . wo jene grossen Wasser wohnen, Dort lliss' mich unsterblich seyn!

Daraus dass jener erste Schritt der Sage — die Herabsetzung

eines Hiinmclsgottes zum Sterblichen —- zu gross wäre, wird

man also keinen Beweis gegen die Richtigkeit der bisher erläu¬

terten Identität Trita's, Thructona's und Feriduns entnehmen kön¬

nen. Dagegen könnte von einer anderen Seite, welche ich nicht

verschweigen darf, wenngleich kein Gegenbeweis , doch eine

Schwierigkeit erhoben und eine andere Identification vorgeschlagen

werden. Der Zendawcsta kennt einen anderen Heroennaiueii , der

dem wedischen Trita nicht nur weit ähnlicher ist als Thraetona.

sondern völlig derselbe: der Zendawesta hat geradezu einen Tbritu.

Im Anfange des 20. Farg. des Vendidäd heisst es: „Ks fragte

Zaratbustra (den Ab. M.) : wer bat zuerst unter den Menschen,

unter den lebenskräftigen, herrlichen, kraftbegabten, tbätigen, glän¬

zenden, rührigen, frommen .Menschen des Hungers Hunger gebrochen,

des Todes tödtliche Kraft gebrochen, die Fieberglutben gebroebeu

und — Alles dieses — aus dem menschlichen Leibe verbannt (" Ahuru Mazda antwortet, es sey Thrita gewesen, der dieses getban ; und wenn

im Folgenden, wo nur der lithograpbirte Text zum Verständnisse

niclit ganz zureicht, die Erklärung Anquetils eiuigermaassen ver¬

lässlich ist, so geschah die Heilung durch den Gebrauch der

zahllosen Kräuter und des Hoinu insbesondere , welche Ahura

Mazda wachsen liess. Denselben Thrita sehe ich wieder in der

II. ltd. 15

1 5 *

(11)

Kot/i . Die. Sage von Feridun

oben angeführten Stelle aus dem 9. Abschnitte des Yaenn. vco

er der wohlthätigste der Heilkundigen oder, wenn man das Wort

edmandm als Eigennamen verstehen will, der wohlthätigste der

Cftma's genannt wird. Hier siebt zwar der Sanskrit Übersetzer

Neriosengh und die Parsi und ebenso Hurnoiif das Thrita für ein

Zahlwort an — gerade so wie die W'cdeucrklärer mit dem we¬

dischen Trita thun —, allein das Zahlwort steht sogleich daneben

in seiner richtigen Form und Neriosengh deutet — was ohne

allen Zweifel vor ihm die Peblewi - Glosse gethan hat — einen

Eigennamen au durch seine Umsetzung des Thrita in die Sans-

ki'itlautc 3JfJ(T.

Ich verzweifle nicht, aucb diesem Thrita in den wedischen

Texten auf die Spur zu kommen. Thrita heisst dort an manchen

Stellen der den Homa mit Steinen ausschlagende und durchpres¬

sende Priester (IX, 2, 8, 2. 10, 4. 13, 4. 14, 2. 5, 10, 4).

Könnte nun nicbt die Bezeichnung des Priesters, welcher den

kräftigen und heilenden Trank bereitet in der verschwisterten Re¬

ligion, in ihren Erinnerungen aus einer gemeinschaftlichen Vor¬

zeit zu dem Namen eines heilkundigen Heroen sich umgestaltet

haben? Oder umgekehrt: wenn wir annehmen wollten, dass das

Zendvolh hier das Ursprüngliche bewahrt habe, könnte nicht der

Name des Heilkundigen auf den Homapriester übergegangen sevn ?

Und dass in diesem Falle ein Heilkundiger den Namen eines Gottes

der Gewässer trage, ist vollkommen wahrscheinlich hei einem V olke,

welchem das Wasser für heilkräftig in hohem Grade galt.

Mancherlei Fragen bleiben hier freilich noch zu beantworten , %.

B. die, wie es kommt dass im Zend ein und dasselbe wedisebe

Wort zweierlei Gestalten trägt. Mit Vermuthungen über dieses

und Aehnliches kann ich bier Ihre Zeit nicht in Anspruch nehmen;

auch würde jede Lösung dieser Fragen das Wesentliche der

aufgestellten Ergebnisse schwerlich erschüttern können.

Nachdem so der Umriss der Entwicklung der Sage herge¬

stellt ist, versuche ich noch einzelne Züge der Heldensage bei

Firdusi herauszulesen und an Aeltercs anzureihen. Dass hier

Vieles verwischt ist oder über Gebühr sich in die Breite gesponnen

oder endlich sich gespalten hat, wird nicht überraschen, wenn

man erwägt, welche Reihe von Jahrhunderten zwischen der Zeit

der ersten Bildung der Tritasage und der epischen Erzählung

Firdusi's liegt.

Der Eine der Brüder Fcridün's wird im Schahnäme Kajdn-ush

genannt. Wir werden unter dem Namen schwerlich etwas An¬

deres zu verstehen haben als den Käv-us oder Ka-us des Per¬

sischen, den Kava-uc der Zendbücher und — den h'dvja Ucand

der Weden.

In der freilich sebr modern hergerichteten Stelle, in welcher

Firdusi die Vorbereitungen Fcridüns zum Zuge gegen Zohäk er-

(12)

in Indien und Iran. 227

zählt, lässt er denselben sieb un die Brüder Kujäu-iisli und Pur-

uiäjc wenden, damit sie ibm Waffen verseliaffen. Im Sinne seiner

Zeit lässt Firdusi sie auf den Bazär der Eisenschmiede (^ty(i$>?) laufen und diese berufen, damit die eherne Keule verfertigt werde.

Ks bleibt aber unter diesem Gewände doch so viel von der alten

Sage, dass die Brüder, unter ihnen Kajdn-ush, die eherne Keule

liefern, mit welcher der Azdehäk erschlagen wird.

Dieselbe Persönlichkeit der Sage, denselben Kävja Ucand

sehe ich wieder auch in Käwe dem Eisenscbmied (.£»3-1), mit

dessen Hülfe Feridün den Drachen besiegt. Dass wir hier Kajän-

ush und Käwe ueben einander auftreten sehen, ist nacb meinem

Dafürhallen eine leicht zu überwindende Schwierigkeit: aus zwei

verschiedenen Versionen der Sage hatte sich diese Form derselben

vielleicht schon vor Firdusi — verschmolzen.

Von dem Kävja Ucana aber, dem Kavisobnc oder Scher Ue.anä,

den ich für deu Ahnherrn der genannten beiden halte, wird in

den wedischen Liedern gesagt: dass er einmal durch seine Seher¬

kraft die von dem Dämon verborgenen Kühe aufgespürt habe

(IX, 5, 2, 3), wie Käwe Feriduns Heereszuge vorangeht; dass

er dem Indra zum Tödten seines Feindes das tausendzackige

Geschoss geliefert (V , 3,2, 2), dass er den Writra tödtenden

Donnerkeil ihm verfertigt babe (I, 18, 1, 12). Der Donnerkeil

ist von Krz (djasa), daher die Kisenschmiedc der persischen Sage.

Der Kävja Ucana selbst aber ist, wie aus sonstigen Krwäh-

nungen hervorgeht, ein bevorzugter Seher oder Weiser, der in

der Vorzeit im lebendigsten Verkehre mit den Göttern stehend,

ihre Hülfe für die Menschen in Anspruch genommen hat, und so

als ihr Verbündeter im Kampfe angeschen wird, gleichwie er

auch besonderer Kettling von ihrer Seite sich zu erfreuen hatte

(X, 3, 11, 7). Als die Indrasage dem Zcudvolke verloren ging

und der Kampf mit der Schlange nur von Thraetona erzählt wurde,

so erscheint Ucana der Kävja als ein Verbündeter des letzteren.

Will man die Zusammenstellung einzelner Züge noch weiter

führen, so kann man daran erinnern, dass Käwe das Fell (^a-),

das von der Sage als ein Schurzfell angesehen wird, weil er ein

Schmied ist, zu dem Zeichen macht, unter welchem sie den Drachen

besiegen wollen. Das Fell (carina) ist aber in der alten Religion

auch das wichtige Opfergeräth, das bei der Somnbereitung ge¬

braucht wird, ein Symbol des Trankes selbst, in dessen Kraft

der Gott über den Drachen siegt.

Ferner: wie Feridün in Zohäk's Paläste die Weiber findet,

so hat auch der Dämon der indischen Sage Weiber an seiner

Seite, die er sogar im Kampfe zu Hülfe ruft (V, 2, 1K, 9).

Dieser Zug ist um so mehr der Anführung werth, als die Götter

des Weda keine Weiber haben. Wenn ihrer erwähnt wird, ge¬

lb*

(13)

Hulli , Die Siuje von Feridun

schiebt es nur beiläufig- und sie sind keine feste Persönlichkeiten, z. B. Vurunani, Indrani u. s. f.

Endlich ist bemerkenswert!! , dass Feridun den Zohäk in

Felsenklüfte sperr! und nicht tödtet auf ausdrücklichen und wieder¬

holten Rath des Serosh. Der Drache in seinem ursprünglichen

Sinne kann ja nicht vernichtet werden; in den Klüften der Berge

hat er wie im Anbeginne, so stets fort seine Behausung, dort

wird er überwunden. Der Gott wäre niclit mehr, wenn der Dämon

nicht wäre. Der Kampf ist stets neu.

Die persische Heldensage sogar in ihrer spätesten Gestalt

trägt also noch eine Menge von Zügen an sich, mittelst deren

wir — besässen wir auch gar keines der Mittelglieder —- we¬

nigstens Einen ihrer bedeutendsten Helden, den Feridun, zurück-

vcrfolgen können bis in die Göttersage der uralten Zeit, wo die

nachmaligen indischen und persischen Stämme noch ungetrennt

einerlei Götterdienst und einerlei Göttersage besnssen ; und die

indischen Quellen, die alten Lieder des Weda, sind um so vieles

älter, oder sie sind um so vieles ihren Ursprüngen treuer geblieben

als der Zendawcsta, dass wir aus ihnen die erste Gestalt des

Mythus beinahe vollständig wiederherstellen können. Eine ganz

ähnliche Zusammenstellung lässt sich fiir Dshentshtd, Jima, Jaina

durchführen. Zwei liöitige des alten Persiens erscheinen als (liUlcr

in der gemeinsamen indisch-arischen Vorzeit. Wie steht es nun

mit der persischen Königschronik \ Wie steht es mit den ge¬

schichtlichen Unterlagen , welche die persische Sage selbst sich

zu geben gesucht hat, wenn z. B. Firdusi bei Feridün und Zohäk

ganz deutlich durchschimmern lässt, dass' Zohäk Repräsentant

einer erobernden semitischen Race ist, welche der einheimischen

arischen unter Feridün erliegt ? Findet hier wirklich eine ge¬

schichtliche Uebertragung der alten Göttersage statt, oder ist

dieses geschichtliche Element ein willkürlich hineingetragenes?

Für die Beantwortung aller dieser Fragen ist jetzt die Zeit

herangekommen durch die Aufschliessung der lange verborgenen

altindischen Sage; sie tritt in Bund mit dem Zendawcsta, und

für den Forscher im persischen Altertbunie gilt es nun nicht mehr

wie früher, die Mährchcn arabischer Autoren gutiuüthig anzuneh¬

men. Nicht von unten auf, sondern von oben herab muss bier

das Licht kommen, ein Licht, vor welchem freilich viele von

den Gestalten schwinden werden, die man in dem Halbdunkel für

etwas Festes und Greifbares ansehen konnte.

Besser ist es aber sicherlich, eine Lücke so lange zuzugeben

und stehen zu lassen , bis man sie mit geschichtlichen Gestalten

allmälig ausfüllen kann, als durch den täuschenden Schimmer

nebelhafter Sagengehilde sich blenden zu lassen; besser — ein¬

zugestehen, wir haben noch keine Geschichte Persiens, die über

Kyrus hinaufreichte, als dass mau Firdusi's Könige für Geschiebte ausgibt.

(14)

in Indien und Iran. 229

A 11 ill e r k II Ii g r 11.

1. Nach der in der Abhandlung nachgewiesenen Ideuliläl der

Schlange mit dem Dämon der wedischen Göttersage wird es kaum

mehr zu bezweifeln seyn, dass auch die zendische Bezeichnung

derselben dakdha aus jenem Kreise herzuleiten isl. Ddsa, der

Verderber, ist eine häutige Bezeichnung des Dämon (Rik 1. 1,>.

H ; 2. Hl, 2. 5, I. MI, 2, 2, 2. u. s. w.), zurückzuführen uuf

die Stämme das und dds und genau verwandt mit dasju (vcrgl. X,

3, 9, 3); eine adjectivischc Bildung jenes Stammes wäre dalulka,

und die lautliche Abweichung derselben, welche übrigens im Zend

selbst keineswegs allein steht, isl nicht stark genug, um bei der

sonstigen l'ebereinstiminung die Zusammenstellung zu hindern. —

Burnouf hat das Wort von der Wurzel dar, beissen , abgeleitet.

J. as. IV, 498.

2. Ich übersetze dasW rort ThrikanieredhZm mit „dreigeschwänzt".

Anquctil mit d Irois eeinlures , Burnouf behält die von Neriosengh

angenommene Bedeutung bei, „dreiköpfig* 1 T^-|fcl-i, '* as Wort

k'amifrUdh oder Kameridha findet sich nicht seilen in deu Zend-

hüchern . ohne dass ich jedoch aus den mir bekannten Stellen

(Vendidäd S. lith. p. 142, 14. 516, 7. 521, 9 und 18) eine

sichere Bedeutung gewinnen könnte. Zu der obigen Uebersetzung

veranlasst mich nicht nur der Umstand, dass bei der Beschrei¬

bung des furchtbaren Drachen der Schwanz nicht fehlen sollte,

sondern auch die Aehnlichkeit des Wortes mit dem wedischen

Ausdrucke 'Tl'-f^T h'apr/lli. In einer der Stellen des Rigweda,

welche von einer nackten geschlechtlichen Sinnlichkeit Zeugniss

geben (X > 7, 2, 16), heisst es:

=T BST TO ^cl ^rT^T KWmi ^qfT l

e<fitr to frqtr t^tt fäsprini

Ks kann kein Zweifel seyn, dass das Wort bier penis be¬

deutet. Ebenso liesse es sieb, freilich ganz gegen die Ansicht

Säjaua's, in der zweiten Stelle (X, 9,'2, 12) fassen:

W^J' ^^TrFT ^Tt^TcT i^cT ^TWITTO •

Der Uebergang der Bedeutung — wenn man sie nicht ge¬

radezu lassen will — für unsere Stelle wäre wie bei IdmjiUa,

cauda u. s. w. Lautlich liesse sich das zendische und für bid.

sagen , vergleichen. —

Kine ganz andere Auffassung der Schlange als die von mir

vorgeschlagene, siehe jetzt bei Benfev, Gotting. G.A. 1847. S. 1484.

(15)

'230 /loth , l>ie Sage von Feridun in Indien und Iran.

3. Die Form Trailana findet sich in der folgenden Stelle

eines dem Dirghatamas zugeschriebenen Liedes I, '22, 2, 5:

*r m qwi mo^j $tctt q^t' e^gsw^T^ : i

fsjft IrTTT T%cTWPT ?T ^TH 3ft ä^PTfa TO n

„Es mögen mich nicht verschlingen die mütterlichsten Wellen,

wohin mich die Bösen wohlgcbundcn gebracht haben: wenn Trai-

tana seinen Kopf abgerissen hat, so verschlingt der Böse (der

ddsa) in sich selbst Brust und Schultern.'' Die zweite Hälfte

des Verses bat wohl den Sinn: Wenn nur der Anfang zu meiner

Rettung gemacht ist, dadurch dass ich vor dem Ertrinken im

Flusse bewahrt bin, so wird das l'ebrige von selbst folgen, ge-

rode wie die böse Schlange, wenn ihr Trailana (Trita) einmal

den Kopf abgehauen hat . zu (.runde geht , sich gleichsam selbst

aufzehrt.

Man sieht hier die Spuren der später weiter ausgeführten

Sage von Dirghatamas (Mahd Bh. I. S. 153 fgg. vgl. Lassen,

Alt. 1. 556), welchen seine, Söhne sollen auf ein Floss gebun¬

den und in die Uanga geworfen haben. Der Rigweda gibt zu¬

gleich die Verbesserung des Patronymicum's von Dirghatamas in

Aucathja (nicht Autthatja , wie Lassen vermutliche). Er heisst ab¬

wechselnd so, oder Mämatcja. Auch zu anderen Zügen der Sage

linden sich die Anfänge in den ihm zugeschriebenen LiWcrn ;

z. B. I, 21, 8, 3. „die Hülfreicbcu, welche den blinden Mämnteja

gewahrten und vor Unglück beschützten''; sogar zu der Bege¬

benheit zwischen Brihaspati und dem in Muttcrleibe wohnenden

Dirghatamas findet sich die Stelle I, 21. 13, 3:

ipff *XJ\ iFpfTTT f^FET Ret fcrqc%?j PT rTT^TcT

Diese Sage könnte vielleicht ein Beispiel dafür seyn, wie manche

spätere Erzählungen sich nur an einzelne Stellen der Lieder

aiischliessen , ohne noch weitere selbständig überlieferte Elemente

(16)

Zur Topographie von Jerusalem.

Aus einem Briefe des Missionar Herrn G. B. Whiting

an Dr. L. Robinson.

HVi4getlielIt von E. Uödlger.

Mit dem Erscheinen von Robinson's Werke über Palästina hat

die Erforschung der Topographie von Jerusalem einen neuen Auf¬

schwung genommen, und durch die von Williams und Schultz ge¬

machten Einwendungen, welchen auch Krafft und Tischendorf bei¬

pflichten, sowie durch Robinson's „ Neue Untersuchungen " (Halle 1847) ist dus Interesse daran im Publikum nur noch mehr gesteigert worden, so dass jedes weitere Zeugniss über die streitigen Punkte, namentlich wenn es , wie dus in den folgenden Zeilen mitgctheilte,

uuf gewissenhafter Beobachtung beruht, höchst willkommen seyn

muss. Einige Fragen sind überdies zu dem Punkte vorgeschritten,

duss ihre endliche definitive Lösung nur durch die specicllstcn

Eiuzcluntersucbungen und — ein Ziel , dessen Ermögiichuug wir

für die raschere Förderung dieser Studien schon langst herbei¬

wünschen mussten — durch Aufgrabungen an Ort und Stelle

erlangt werden kann. Auf den Befund solcher Aufgrabungen,

freilich nur erst gelegentlicher, nicbt eigends zu wissenschaftlichen

Zwecken vorgenommener Aufgrabungen , stützen sich zum Theil

wenigstens die Bemerkungen des Herrn Whiting, der mehrere

Jahre in Jerusalem lebte. Er schreibt in einem Briefe an Dr. Ro¬

binson , dat. Abcilt im Libanon, den 22. August 1847:

„Vor einigen Monaten las ich mit grossem Interesse und, ich

„kann hinzusetzen, zu meiner vollkommenen Befriedigung Ihre

„beiden Artikel in der Bibliotheca Sacra über die Topographie

„Jerusalems '). Da ich eben die heilige Stadt wieder besuchen

„wollte, so beschluss ich, einige der streitig gewordenen Punkte

„namentlich in Betreff des Thaies Tyiopoi'OU und des Laufes der

„zweiten Blauer des Josephus von neuem zu untersuchen. Einer

„dieser Punkte, vielleicht derjenige, der in Herrn Williams Bc-

1) Bibliotheca Sana and Theological Review, No. XI. XII. Aug. u. Nov.

1840. Diese beiden Artikel enthalten das englische Original der unter des Yf.'s Aufsieht übersetzten und auf den Wunsch desselben von mir herausge genenen ..Neuen l'ntersiirhnngen über die Topographie von Jerusalem.*' Halle

1847 P F. R.

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