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Noch einige Bemerkungen zum Buch Henoch.
Von Prof. Dlllnianu.
Uerr Professor Dr. Volkmar in Zürich hat im I. Heft des
vorigen Jahrgangs unserer Zeitschrift ,, Beitrage zur Brklärung
des Buches Henoch" veröffentlicht. Dass er darin meine Ansicht
vom Ursprung dieses Buches hekämpft und eine völlig ahwei¬
chende aufstellt, könnte an sich mich nicht bewegen, darauf zu
antworten. Ich balte seine Auffa-^sung für so wenig begründet,
dass icb, wie icb früber zu der Hilgenfeldschen Hypothese
schwieg, so auch zu dieser schweigen und es der Zeit oder
Andern überlassen könnte, sie als unhaltbar zu erweisen. Er hat
aber in seiner Abhandlung von meiner Uehersetzung des Buches
iu einer Weise geredet, weicbe mich zwingt, in dieser selbeu
Zeitschrift mir das Wort zu erbitten, um seiue ungerechten An¬
griffe zurückzuweisen. Zugleicb benutze ich diese Gelegenbeit,
um die Schwäche der Gründe, auf welche er seiue Ansicht stützt,
in aller Kürze anzudeuten.
Herr V. eröffnet gleich zum Eingang einen Kampf gegen
meine Uebersetzung des Abschnitts vom Henochbuch, welchen er
zur Erörterung herausgegriffen hat, nennt sie eine fehlerhafte,
verfehlte, uud recht oft nennt er sie so, damit man es gewiss
glaube. Ganz besonders ist es ein Vers (C. 90, II), an welchem
er mich glaubt fassen zu können , und so stellt er denn diesen
voran , um Gericht über mich zu halten. Nicbt weniger als vier
Fehler soll icb in diesem einen Vers gemacbt haben. I) Den
Ausdruck ^^ilA*H ', Tlf'A* I habe ich während alle dem über¬
setzt, und in der Erklärung gesagt, diese Auffassung scheine
mir dem Zusammenbunge angemessener als die andere sprach¬
lich möglicbe Irolz alle dem ( ich fuge jetzt noch hinzu : uud als
die dritte mögliche : ansser allem dem). Hr. V. will lieber (ro(:
alle dem und beschuldigt mich einen Febler gemacbt zu hahen ;
sonst sagt man in solchem Fall: N. N. hat hier eine abweichende
Auffassung; Hr. V. aber nennt das einen Fehler, wenn man von
seiner Auffassung ahweicht. Oder glaubt Hr. V. wirklich, dnss
jene Auffassung sprachlich unmöglich seit nun so beweise er
das, und ich werde nicbt ermangeln, ibm darauf zu antworten.
2) Sodann hatte ich 2^^!^ J JB7\Ij> I immernoch ühersetzt.
Dillmann, noch einige Bemerkungen zum Buch Henoch. 127
hatte aber für Leser, di% das Aetb. nicbt versteben, in der Er¬
klärung beigesetzt: „bisjetzt". Das ist mein zweiter Febler.
Den Ausdruck bis jetzt wollle icb selbstverständlich nur darum
vermeiden, weil jetzl im Deutschen die Gegenwart bezeichnet,
und nicht gut zur Bezeichnung eines Punktes in der Vergangen¬
heit gehraucht werden kaun ; Lis dahin dafür zu setzen , hiess
schon unwörtlich übersetzen, also wählte ich lieber immer noch ,
worin das, was ich darunter verstand, am deutlichsten ausge¬
drückt war. 3) Ferner hahe ich JPZ.f^a^'. sie blieben ruhig
übersetzt; V will: sie schwiegen; er kennt nämlich das äth. Sprach¬
gut nur aus Ludolfs Lexieon. Nun wusste ich aher scbon vor
8 Jahren etwas mehr darüber, z. B. dass nicht hlos aiwnüy son¬
dern auch Tjav/uCnv dem AC^^^^I »" entsprechen pflegt, und
zog an dieser Stelle diesen weiteren Begriff vor, weil er den
engeren in sich schliesst. Uahe icb damit einen Febler gemacht?
4; ünd nun gar der vierte: ich habe mir zu Schulden kommen
lassen, ein äth. Imperfect als Imperfect zu übersetzen; Hr. V.
aber braucht ein Plusquamperfect, also habe ich den Fehler ge¬
macht. Ja ich werde getadelt, dass ich aurb sonst z. B. C. 90,
17 das Imperfect JB/tfh4^ .' nicht als Plusquamperfect über¬
setze. Hieran haben wohl semitische Philologen genug, ünd
zu diesem groben Fehler fügt er nocb den zweiten, dass er
nicbt merkt, dass in (DAT70fl.' ein Zustandssatz anfängt
und dass er meint, jenes am Anfang des Verses stehende trotz
alle dem gehöre nicht zum Hauptverbum ^<f*tl^f[)0^', —
(DjenAöjDö^: «ondem zu :pz.(^a^: u. po(d^(D.:
Und durch solche Sprachfehler bekommt er nun freilicb einen
Sinn , der von dem durcb micb ausgedrückten ganz abweicht,
den aber der Vers niemals haben kann. Stebt es nun sb mit
dem Mustervers, der meine ünzuverlässigkeit ins Licht stellen
soll, so wird man auch im Folgenden keine bessern Beweise er¬
warten. In der That weiss er sonst wenig mehr vorzubringen.
Dass icb eine von der seinigen verschiedene Sinn- und Vera-
abtbeilung befolgt habe, hat in diesem Fall wenig zu bedeuten,
weil nirgends der Inhnlt der Stelle dadurch afficirt wird, dass
Hr. V. lieber einen Punkt setzt, wo ich ein Comma batte u, s. w.
Wenn er S. 114 Q als fpJ^(R^'. verstehen will, ao ist diesi
zwar nicht geradezu unmöglich lu nennen, ist aber ganz gegea
die gewöhnliche Schreibweise, wornach der erste, der zuteile,
wenn es für sich steht, nicbt durcb die Ziffer gescbrieben wird;
auch hier ist meine und der Vorgänger Auffassung besser be¬
gründet. Seine Auslegung des Accusativs YY'A'I (C. 90, 14)
S. 120 durch xaru niivra per omnia durch Alles ist wiederum
positiv falscb und verstösst gegen den l^prachgebrauch. Wie
wenig aber Hr. V. die ätb. Sprachgesetze verstebt, daa seigt er
9 ♦
l28 DiUmann, noch einige Bemerliungen lum Buch Henoch.
noch weiter sehr deutlich damit, dass er in den Paar Versen
die er mit Hülfe der hisherig-en llehersetzuiigen lateinisch um-
prägt, das äth. Perfect heliehig mit lat. Perfect oder Imperfect
ühersetzt; er weiss nicht, dass gerade im Gehrauch der Tem¬
pora die Aethiopen ein sehr feines Gefühl hahen und äusserst
genau sind,
Herr V. weiss ferner zu rügen, dass ich den Ausdruck
.?n>A ! C. 90, 10 ff. so vage mit „das Junge" ühersetzt hnhe
und spricht viel darüher, ohne aber sachlich irgend etwas Krheb-
liches beizubringen, was ich nicht- selbst in meiner Erklärung
dazu gesagt habe. Die .Suche verhält sich nämlich so: Als ich
mein Buch hernusgub , halte noch Niemand über diesen bisher
unbekannten Ausdruck etwus richtiges beigebracht. Lawrence
hat dus Wort unübersetzt gelussen und sich mit Erruthen ge¬
holfen; Hoffmonn but es fulscb mit dü/itaXii zusumniengeslelit :
uoch Platt in der Didascalia wusste nichts damit anzufangen.
Durüber phantasiren (wie Hr. V. S. 90 noch immer tbut) mochte
ich nicbt, weil ich das für wenig philologisch hielt; ich habe
darum mühsam nach andern Stellen , wo das VVort vorkam , und
nach den Krklärungen der einheimischen Wörterverzeichnisse ge¬
sucht, und habe nach Vergleichung des Amharischen die Bedeu¬
tung des Worts nothdürftig festgestellt. Aber es war mit diesen
Hilfsmitteln noch nicht sicher auszumachen, ob das Wort nur
von einem männlichen Thier des Kleinviehs oder aucb von an¬
dern Tbieren gebraucht werde, und darum war ich so gewissen¬
haft, in der üebersetzung den „vagen" Ausdruck „das Junge"
zu setzen, merkte aber im Commeutar an, wie er in diesem Zu¬
sammenhang zu verstehen sei. Von solcher philologischer Mühe¬
waltung und Gewissenhaftigkeit hat Hr. V. keine Ahnung: er
spricht nur von ohen herunter. Seit 8 Juhren huhe ich an mei¬
nem Wissen etwas zugenommen, und kann, wie manchen undern
dunkeln .Ausdruck im Buche, so auch diesen genauer bestimmen,
und werde es am geeigneten Orte thun. Herrn V. aber will ich
hier bemerken: 1) es ist eine üuwuhrheit, wus er .S. 90 sugt,
dass Lawrence die Stellen, wo jPfl, A J dem gr. ipayof ent¬
spricbt, allein heachtet habe; L. hat das nicht gethan, sondern
ich habe das in meinem Commentar zuerst bemerkt. 2) Herrn
Volkmar's Einbildung, dass .^fLA ! ans öüf4a\t(, däfiaXog ent¬
standen sei, widerlegt sich dadurch, duss nirgends iu den aus dem
Griechischen übersetzten Büchern SüftuXti; dOrch J^fliA! über¬
setzt ist, dieaes vielmehr immer anderu gr. Thiernamen ent¬
spricht, und dass das Wort eine gut semitiscbe Etymologie hat.
S) Auch dass Hr. V. S. 92 mit Lawrence noch einmal das gar
nicht hergehörige amharische J^'OA '. hereinzieht, ist ein neues
Zeicben dafür, dass er in diesen Dingen gar nicbt mitzuspre¬
chen verdient.
Dillmann, noch einige Bemerkungen zum Buch Henoch. i'^y
Auch die Beinerliung-en Volkmar's gegen meine Ansicht von
den Zahlen 3 und 37 ( C. 89, 72 u 90, 1 ) sind sehr wenig zu¬
treffend. Für meine Ansieht von der Zeit der Abfassung des
Buches kann es mir ganz gleichgültig sein, oh die Zahl 3 ur¬
sprünglich oder aus 2 oder 4 verderbt ist, und ebenso ob 37
oder 36 oder 3f) zu lesen ist; nur zu grösserer Ehre des Schril'l¬
stellers selbst vermuthete ich Textverderhniss. Wenn dieser C. 89,
72 3 Rückkehrende uennt, statt 2 oder 4, so hat er wenig be¬
stimmt geredet ( weil man nicht weiss , ob Nehemia oder Esra
der dritte sein soll), und hat Personen, die durch einen längeren
Zeitraum getrennt sind , unberechtigter Weise zusammengenom¬
men. Ebenso wenn er die Gesammtzahl der 70 Hirten in 37
-f-23-t-12 zerlegt, so sieht jeder, dass hier eine Ungenauigkeit
vorliegt. Ich suchte mit meinen Vorgängern bei der Zabl 37
tn helfen, Hr. V. will lieher 70 = 72 nebmen. Hr. V. nennt
unsere Operation einen Versuch, den sichern Text zu brechen:
ist die seinige nicbt aucb ein solcber?
Doch alle diese Ausstellungen, die er gegen micb vorbringt,
gehören nur zum Aussen- und Beiwerk seines Gebäudes. Wie
durch dieselben, selbst wenn sie richtig wären, meine Gesammt¬
auffassung des Buches in keiner Weise angetastet würde, so ist
auch die seinige von diesen Paar Einzelnbeiten ziemlich unab¬
hängig und rubt vielmebr auf einer über die Massen willkür¬
lichen Exegese anderer Stellen. Er findet, dass das Bucb, erst
in der Bar-Cochba Zeit geschriehen, einen schroff jüdischen, ja
direkt widercbristlicken Ursprung an sich trage und dass es
einen Fanatismus predige, der aucb den Frömmsten das Höllen¬
feuer drohe, wenn er sich nicht dem Aufstand anscbliesse. Das
soll aus C. 90, 20 ff. 89, 72 f. hervorgehen. Leider stebt dort
keine Sylbe hievon. C. 90, 26 beisst es nur, dass die verblen¬
deten d. h. zum Heidenthum abgefallenen Israeliten dem Höllen¬
feuer übergeben werden, und wird üher die Frömmsten kein Wort
gesagt. C. 89, 72. 73 wird allerdings das Opfer des zweiten
Tempels als unrein verworfen, aber nicbt, weil der Tempel unter
heidnischer Botmässigkeit und mit Heidenbiife erricbtet war, wie
Hr. V. sicb einbildet (denn nirgends wird dort der Tempel selbst
verworfen, sondern nur das darin gebracbte Opfer), sondern aus
demselben Grunde, aus dem schon Hagg. 2, 14 und fast ein Jahr¬
hundert später Mal. 1 u. 2 dasselbe Urtheil fällen. Auch nicht
eine einzige andere Stelle im Buche giht cs, in welcber gegen
die zwar fromme aber Heidenhilfe nicht zurückweisende (hasmo-
näische) Partei polemisirt würde; alles, was Hr. V. darüher
vorbringt, ist Dichtung oder vielmehr Ausführung der Meinungen
A. Geiger's (in „Urschrift und Uebersetzuog der Bibel"). Maass- los willkürlich ist aber die Art, wie Hr. V. die Hirtenrechnung
des Bucbes auf die Bar-Cochba Zeit deutet. Siebenzig Hirten
(heidnische Könige) oder 70 Zeiten rechnet das Buch vom An-
Bd. XV. 9
130 DiUmann, nock einige Bemerkungen sum Buch Benoch.^
fang der Auflörang d«8 altea Staates bis zur messiaaiscben Wen¬
dung. Willkürlich nimmt nun V. an, dass eine solcbe Hirtenteit
gerade 10 Jabre betrage, folglidi 70X10 = 700 Jabre zu ver-
stehen seien; 706 Jahre aber nach Nebukadnezar (a. 588) und
etwas drüber führen auf die Bar-Cochba Zeit. Hätte der Verf. so
gerechnet, so bätte er sehr offen und wenig apokalyptisch verhüllt
geredet. Die Aufgabe, die 70 Hirten nua auch nachzurechnen,
weist Hr. V. mit der Bemerkung von sich ab, dass die 70 Hir¬
ten eben nur als 70 Zeiten vou je 10 Jahren in Betracht kom¬
men (was nicht ricbtig ist) und verschmäht dann S. 109, in direk¬
tem Widersprucb damit, doch nicht, es als etwas wunderbar
scbön Zutreffendes zu erklären , dass der eine Hirte Antiochus
Epiphanes gerade aucb 10 Jabre sein Unwesen getrieben habe.
Dagegen versucht er, die einzelnen Perioden, die in diesem Zeit¬
raum von 700 Jabren unterschieden werden, nachzurechnen, und
bier eben kommen unbegreifliche Dinge zum Vorschein. 1) Br
setzt den Anfang der 70 Zeiten mit der Zerstörung Jerusalems
a. 588, in klarem Widerspruch mit C. 89, 55—71, wornach die¬
selben vielmehr geraume Zeit vorher beginnen. 2) Er lässt die
ersten 87 Hirtenzeiten mit 218 v. Ch., da Antiochus M. zum
erstenmal Palästina unter sicb bekam , zu Ende gehen ; wirft
also Babylonier, Perser, Alexander M. , die griechischen Herr¬
scher eines ganzen Jahrhunderts unterschiedslos in einen Topf
zusammen, und glaubt, dass es unserem Verf. nicbt in den Sinn
kam, den Uebergang der Weltherrschaft von einem Volk an das
andere auch nur mit einem Wörteben anzudeuten. 3) Unter den
Adlern, welche die Raubvögel (die griechischen Dynastien) an¬
führten, verstebt er die Römer, und kommt zu den widersinnigen
Sätzen, dass die Unterdrückung der Juden durcb die Seleuciden
von 218 an wesentlich eine solche dnrch die Römer war, und
dass selbst solange, als die Seleuciden (Raben) direkt über Pa¬
lästina geboten, die Adlermacbt über ibnen stand, die Oberhoheit
über Palästina achon damals inne habend (S. 108). 4) In C.
90, 2 von (DÄ'JH'.'.E'flAÖpö^: «n b'» V. 8 a. E. soll
die Zeit geschildert sein, da die Raben (.Seleuciden) direkt über
Palästina regierten, von Rom nur überflügelt. Wiederum gänz¬
lich falscb. Der Text sagt: darnach sähe ich aUe Vögel des
Himmels kommen, Adler, Geier, Weihen, Raben; die Adler aber
führten die Vögel an ; und sie begannen , jene Schafe su fressen
u. s. w. Welcber Exeget in der Welt kann nun mit gutem Ge¬
wissen als Subject zu : sie begannen ausscbliesslicb die Raben
nebmen? Subject können vielmehr nur entweder die zuletzt ge¬
nannten Adler, oder aber die Vögel zusammen sein, niemals die
Raben allein oder auch nur vorherrschend. 5) C. 90, 4 sei die
Periode der hasmonäischen Hunde gescbildert, bis um die Zeit
der Geburt Cbristi. Von dem gaozen glorreichen Kampf und
Dillmann, noch einige Bemerkungen xum Buch Henoch. 131
Sieg und unabliängigen Staat unter den Hasmonäern weiss der
Verf. also nichts zu sagen, als: ich sah, bis dass jene Schafe
von den Hunden und Adlern und Weihen gefressen wurden, und sie
liessen an ihnen weder Fleisch . noch Haul , noch Sehnen übrig , bis
nur noch ihr Gerippe dasland und auch ihr Gerippe zur Erde fiel,
und die Schafe wurden wenig. Das soll eine treffende Scliildcrting
des hasmonäischen Zeitalters von Juda Maqqahi an sein. Dnd
woraus folgt denn, dass er hier die Hasmonäeraeit schildert?
aus dem Ausdruck Hunde, Nun werden aher in der Symbolik
dieser Vision C. 69, 10. 43. 46—49 ausdräcklich und immer die
Bunde zu den nichtisraelitiscfaen heidnischen Völkern gerechnet;
dennoch sollen bier C. 90, 4, wo dieser Ausdruck noch einmal
vorkommt, ohne dass etwas dazu bemerkt ist, plötzlich die ein¬
heimischen Pürsten Israels (Schäferhunde) darunter zu versteben
sein! Einen unglücklicheren Einfall hat wobl selten ein sonst
scharfsichtiger Gelehrter gebabt. 6) Vnn C. 90, 5 an beginnt
die Schilderung der Periode der wirklicben Adler- oder Römer¬
herrschaft, nacbdem von 218 an 23 X 10 Jabre verflossen waren
(näher nicht a. 12 n. Ch. , sondern a. 6 n. Cb. , vermöge einea
Kunststücks in d^r Rechoung, das ich eines ernsten Schrift¬
stellers, wie der Verf. dieses Henochbuches war, für böchst
unwürdig halte, und das man bei Hrn. V. selbst S. 112 nach¬
lesen wolle). In der nun C. 90, 5—14 folgenden Schilderung
der Römerberrscbaft bis auf Bar-Cochba wird nun zwar nach
Hrn. Volkmar's Deutung alles Mögliche vom Verf. dargestellt,
selbst Männer , wie Juda der Gaulonite , werden wobl be¬
rücksichtigt, dagegen solche Kleinigkeiten, wie die römische
Zerstörung Jerusalems mit keiner Sylbe erwähnt (vergl. da¬
gegen C. 89, 66. 67). Dennoch soll es eine sehr treffende
Schilderung der Römerberrscbaft sein. — Auf die Wochenrech¬
nung des Bucbes nimmt Hr. V. bier gar keine Rücksicbt. —
Hiermit habe icb genug gesagt, um mein oben ausgesprochenes
Urtheil über diese Arbeit soweit zn begründen , als es der Raum
dieaer Zeitschrift erlaubt.
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Notizen, Correspondenzen und Vermischtes.
Vedische Angaben fiber Zeittheilung und hohe Zahlen.
Vortrag für die Braunschweiger Philologen- und Orientalisten- Versammlung 26 — 29. Sept. 1860.
Von Dr. A. IVeber.
Die .Maasslosigkeit in jeder Beziehung ist ein beliannler Charaitlerzug der Inder. Ihre fabelhaften Zeilperioden mit Götterjahren elc. sind berüch¬
tigt genng. Ihre Zahlenangaben übersteigen alle Dimensionen der Möglich¬
keit. Man hat dem Buddhismus die Schuld gegeben, durch seine Entfesse¬
lung der aller Realität beraubten Phantasie diese Maasslosigkeit herbeigerührl za-haben. Genährt und aasgebildet bal er sie gewiss, aher nicht hervor¬
gerufen. Sie ist vielmebr wohl direkt ein Produkt der üppigen , selbst auch in ihren Schöpfungen wie Vernichtungen inaasslosen Nalur, welche den ein¬
wandernden Arier in Hindostan empfing. Wenn wir nämlich den ersten Anfängen jener Sucht nachspüren, werden wir zwar bereits ziemlich hoch hinauf gerührt mitten in die Brähmana-Periode , bis in die drei Samhitüs des Yajurveda (Tailliriya, VAjasaoeya, Käthaka) hinein. In den Hymnen des Rik dagegen, welehe wesentlich der Zeil vor der Einwanderung nach Hindostan angehörep ist mir noch keine Spur der Art aafgestassen : die Zahlen (z. B. geschenkter
Kühe) sind wohl hie und da auch schon etwas überschwenglich, halten
sich aber doch nocb innerbalb der Grenzen der praktischen .Möglichkeit, und von Infinitesimal-Zeitabschnitten isl noch nirgendwo die Rede.
Was, znnächst die letztereo, die Zeittbeilung betrifft, so ist zwar von
den grossen Weltaltern and Epochen auch in der Brähmana-Zeit noeh
nicht die Rede. Allerdings werden die INamen der vier später sogenannten mahayuga (krila, treta, dväpara , kali) einmal im Aitar. Brähmana Vll, 15 (=gfinkhiy. ^r.'s. XV, 8, 11) erwähnl. Nach der Ansicht Rothes (Tübinger Doktoren-Verzeicbniss für 1838—59 p.24ff. Tüb. 1860) indess ist diese Stelle, die sich auch bei Manu 9, .301 wiederfindet, wohl ein sekundärer Einschub.
Eine andere Stelle (Shadvinya Br. V, 6) gebört einem der spätesten, ex professo nnr aus Nachträgen bestehenden vedischen Werke an. Seihst das Tonfjährige yugam ist noch nicht einmal mit völliger Sicherheit im Veda nachzuweisen. VVie oft aucb das Jahr fiit seinen 360 Tagen behufs allego¬
rischer Zwecke In den Bräbmana genannl wird, nirgendwo darin erscheinl eine ober dasselbe hinausgehende Zeittheilung. Die in den san^hitä des Yajus zu- lammenstehenden IViimen : samvalsara parivatsara idävatsara anuvatsara idvalsara aher, welche (von .Mädhava im kälaoirnaya) als Namen der rünf Jahre des