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Studie „Generation Praktikum“ Statement zur Pressekonferenz 1. Februar 2007

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Ingrid Sehrbrock

Stellvertretende Vorsitzende Deutscher Gewerkschaftsbund

Studie „Generation Praktikum“

Statement zur Pressekonferenz 1. Februar 2007

Es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrte Damen und Herren,

wie Sie wissen, beobachten wir die Lebens- und Arbeitsbedin- gungen von Praktikantinnen und Praktikanten nicht erst seit gestern. Wir haben dazu beigetragen, dass die „Generation Praktikum“ zum Thema geworden ist. Bislang fehlten uns aber belastbare Zahlen und Fakten. Umso mehr freue ich mich, Ih- nen heute unsere Studie vorstellen zu können.

Sie liefert erstmals empirische Daten zu Praktika von Akademi- kerinnen und Akademikern. Befragt wurde der Absolventen- jahrgang des Wintersemesters 2002/03 der FU Berlin und der Universität Köln. Uns hat interessiert: Wer macht warum und wie lange nach dem Studium ein Praktikum? Wie geht es da- nach weiter und wie sieht die berufliche Situation im Herbst 2006 aus - also dreieinhalb Jahre nach dem Uni-Abschluss?

Die Ergebnisse haben unsere Vermutung bestätigt, dass Prak- tika nach dem Studium zum Normalfall geworden sind: 37 Pro- zent der Absolventinnen und Absolventen machen Praktika, 22 Prozent machen ein Praktikum, 11 Prozent zwei Praktika und 4 Prozent drei und mehr Praktika. Betrachtet man nur die FU Ber- lin - denn nur dort liegen uns Vergleichszahlen aus dem Jahr 2000 vor – wird dieser Trend noch deutlicher: Innerhalb von zwei Jahren stieg der Anteil von 25 auf 41 Prozent – das ist ei- ne Steigerung von 60 Prozent.

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2 Generell machen Frauen mehr Praktika als Männer. 44 Prozent

der Frauen, aber „nur“ 23 Prozent der Männer absolvieren nach dem Studium noch mindestens ein Praktikum. Im Durchschnitt dauern sie sechs Monate.

Die Hälfte der akademischen Praktikantinnen und Praktikanten sieht für ihre Arbeit keinen Lohn. Wer bezahlt wird, bekommt durchschnittlich 600 Euro. Mit 543 Euro liegen die Frauen je- doch weit hinter den Männern mit 741 Euro – brutto wohlge- merkt.

Weil davon niemand leben kann, werden zwei Drittel der Prakti- kanten und Praktikantinnen finanziell von ihren Eltern unter- stützt, 40 Prozent müssen nebenbei noch jobben.

Dass es bei den meisten Praktika nicht ums Lernen geht, son- dern um Arbeit, zeigt dieser Wert: Die Hälfte der Befragten sagt, dass die Ergebnisse ihrer Arbeit fest in den Unterneh- mensablauf eingeplant waren. Dies steht in einem klaren Wi- derspruch zur Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes. Sie besagt, dass bei einem Praktikum das Lernen im Vordergrund zu stehen hat.

Nach dem Praktikum sieht es nicht viel besser aus: Nur ein Drit- tel bekommt ein weiteres Beschäftigungsangebot. Die Studie gibt jedoch keine Auskunft darüber, ob es sich um eine Woche- nend-Aushilfe oder den Posten des Art Directors handelt.

In den darauffolgenden dreieinhalb Jahren machen 28 Prozent der Befragten in kurzer Folge verschiedene Lebens- und Ar- beitsphasen durch: Praktika, Erwerbslosigkeit, Erwerbstätigkeit.

Dreieinhalb Jahre nach Studienabschluss sind 34 Prozent der Absolventinnen und Absolventen befristet beschäftigt, 39 Pro- zent haben einen unbefristeten Arbeitsvertrag in der Tasche, 16 Prozent sind freiberuflich oder selbständig tätig, vier Prozent arbeitslos.

Auf den ersten Blick scheint das keine schlechte Bilanz zu sein.

Doch der Begriff „Generation Praktikum“ trifft nur einen Aspekt der Probleme von Akademikerinnen und Akademikern. Besser beschrieben ist diese Situation mit der in Frankreich gebräuch- lichen Bezeichnung „Generation prekär“.

Während den einen mit Hilfe von Praktika der Berufseinstieg gelingt, bleibt für andere prekäre Beschäftigung für lange Zeit Realität.

In einer Phase, in der Familiengründung und soziale Absiche- rung für das Alter ansteht – die politisch Verantwortlichen wer-

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3 den nicht müde, das einzufordern – sind sie mit unsicheren,

zeitlich befristeten und schlecht bezahlten Jobs konfrontiert.

Deshalb besteht dringender politischer Handlungsbedarf. Wir dürfen uns nicht damit abfinden, dass gut ausgebildete, enga- gierte junge Menschen als billige Arbeitsmarktreserve verheizt werden.

Praktika müssen gesetzlich eindeutig als Lernverhältnis defi- niert, ihre Dauer auf drei Monate begrenzt werden. Praktika nach dem Studium verleiten zum Missbrauch. Deshalb schla- gen wir als Alternative Berufseinstiegsprogramme für Absolven- tinnen und Absolventen vor, die Existenz sichernd vergütet wer- den.

Die DGB-Jugend hat diese Forderungen bereits in einer Petiti- on an den Deutschen Bundestag zusammen gefasst. Binnen Wochen haben 60.000 Menschen diese Petition mit ihrer Un- terschrift bekräftigt. Damit haben wir erreicht, dass es dem- nächst eine öffentliche Anhörung zum Thema Praktika geben wird. Wir fordern die Abgeordneten des Deutschen Bundesta- ges schon heute auf, daraus die richtigen Konsequenzen zu ziehen: Sorgen Sie dafür, dass Praktika wieder einen guten Ruf bekommen, als Zeit des Lernens und der Orientierung. Arbeit dagegen muss angemessen entlohnt werden und berufliche Perspektiven bieten.

Insbesondere der Arbeitsminister steht in der Verantwortung:

Bereits im Herbst vergangenen Jahres hat Franz Müntefering eine DGB-Forderung aufgegriffen und angekündigt, eine Erwei- terung des Berufsbildungsgesetzes im Hinblick auf Praktika zu prüfen. Der DGB erwartet, dass sich die Bundesregierung mit uns für eine gesetzliche Regelung zum Schutz von Praktikan- tinnen und Praktikanten einsetzt.

Gesetze sind aber nur eine Seite der Medaille. Die andere ist konkretes Handeln. Deshalb hat die DGB-Jugend Kriterien für ein faires Praktikum entwickelt und bietet Praktikantinnen und Praktikanten im Internet die Möglichkeit, ihre Erfahrungen zu veröffentlichen. Mehr als 1000 Unternehmen wurden mittlerwei- le danach bewertet, ob es bei ihnen fair zugeht.

Und in wenigen Wochen wird unsere Broschüre für Betriebsräte erscheinen. Sie bietet Informationen und Handlungsmöglichkei- ten rund ums Thema - von den Praktikumsinhalten bis hin zur Vergütung.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Referenzen

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