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Heute auf Seite 3: Wissenschaft auf Abwegen

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U N A B H Ä N G I G E W O C H E N Z E I T U N G F Ü R D E U T S C H L A N D

Jahrgang 34 — Folge 20 Erscheint wöchentlich

Postvertriebsstück.Gebühr bezahlt

14. Mai 1983

Landsmannschaft Ostpreußen e.V.

Parkallee 84/86, 2000 Hamburg 13

C5524C

Regierungserklärung:

Die Grundlage eines dauerhaften Friedens

Kohl: Der gegenwärtige Zustand ist nicht unabänderlich

„Seit 1969 sind die nationalpolitischen Fra- gen in einer Regierungserklärung nicht so klar und unmißverständlich angesprochen wor- den, wie in der Rede von Bundeskanzler H e l - mut Kohl", urteilte ein Journalist, der seit 1949 alle Regierungserklärungen der deutschen Kanzler gehört hatte. U n d er hatte recht!

Der Bundeskanzler erklärte: „Die Deutsch- landpolitik bleibt bestimmt durch

• das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland,

• den Deutschlandvertrag,

• die Ostverträge, die Briefe zur „Deutschen Einheit" sowie die Entschließung des Deut- schen Bundestages v o m 17. M a i 1972, der alle Fraktionen — C D U / C S U , S P D und F D P zugestimmt haben,

• den Grundlagenvertrag und die Entschei- dungen des Bundesverfassungsgerichts v o m Juli 1973 und v o m Juli 1975.

Das Bewußtsein der Einheit Deutschlands und der gemeinsamen deutschen Kultur und Geschichte wachzuhalten, ist für uns Aufgabe und Verpflichtung. Sie sollen nicht allein denen überlassen bleiben, die durch die Tei- lung unseres Vaterlandes besonders betroffen sind."

Das ist in der Tat der ganze K o m p l e x deut- scher Außenpolitik, der in all' seinen Teilen gesehen werden muß. Die Regierung hat eine klare Staats- und völkerrechtliche Position be- zogen. Die Verpflichtung, die die Politik in Fragen der Wiedervereinigung v o m Grundge- setz auferlegt bekommen hat, haben wir in außenpolitischen Erklärungen der früheren Regierung lange vermißt.

Klar war das Bekenntnis des Kanzlers zur außenpolitischen Grundlinie, die Konrad Adenauer vorgezeichnet hätte.

„Wir sind keine Wanderer zwischen Ost und West", rief der Kanzler aus.

W e r von ganzem Herzen für den Frieden eintrete, wer Freiheit und Menschenwürde als höchstes Gut betrachte, wer unsere nationalen Interessen auf die Dauer gesichert sehen wolle, der müsse eine Politik betreiben, die das westliche Bündnis stark und gesund erhalte.

Die Atlantische A l l i a n z sichere den Frieden in Europa. Ihr Kernstück bleibe die festver- wurzelte Freundschaft mit den Vereinigten Staaten von A m e r i k a . Die Grundlagen dieser Freundschaft habe er seit Oktober 1982 für je- dermann sichtbar erneut gefestigt.

Diejenigen, die bisher eine schwankende Politik zwischen Ost und W e s t betrieben haben und sich bereits auf dem W e g e zur N e u - tralisierung Deutschlands befanden, erklärte der Kanzler für unrealistisch. Er werde die poli- tische und militärische Zusammenarbeit im Bündnis weiter stärken, aktiv mitgestalten und verantworten.

D e n Frieden in Freiheit zu sichern, sei die Aufgabe der Verteidigungspolitik. „Alle reden vom Frieden — unsere Soldaten sichern ihn.

Ihr Dienst ist Friedensdienst." Die realistische Darstellung der Notwendigkeit unserer Si- cherheitspolitik und unserer Verteidigungs- bereitschaft müsse auch in den Schulen her- ausgestellt werden.

W i r haben bewußt den nationalpolitischen und ostpolitischen Teil der Regierungserklä- rung herausgestellt, da dieser in den meisten Veröffentlichungen unerwähnt blieb.

Hans Edgar Jahn

Blick in die Geschichte: Im April 1945 trafen sich bei Torgau an der Elbe amerikanische und sowjetische Offiziere. Am 7. Mai 1945 kapitulierte die deutsche Wehrmacht. In der Folgezeit erwies sich, daß die Vernichtung des Hitler-Reiches keineswegs das einzige Kriegsziel war.

Die Sowjetunion, die sich bereits Ost- und Südosteuropa gesichert hatte, baute durch Errich- tung der „DDR" ihren Machtbereich bis an die Elbe aus*

Deutschland:

Ist das Vaterland nur eine Fiktion?

H . W . — „Es gibt Situationen, in denen ist der E i d nur eine Fiktion!" E i n W o r t , das einer der Ratgeber W i l h e l m II., dazu noch ein General, seinem damali- gen Obersten Kriegsherrn gegenüber ausgespro- chen hat. Das war zu der Zeit, als W i l h e l m II. noch glaubte, an der Spitze des Feldheeres in die H e i m a t marschieren z u können, u m der Revolution ein Ende zu bereiten. Fehldiagnose Seiner Majestät — die Geschichte ist anders v e r l a u f e n . . .

A n diese Begebenheit w u r d e n wir erinnert, als in einer Diskussion die Frage gestellt wurde: „Ist das Vaterland letztlich nicht nur eine Fiktion?" Eine A u c h der Deutschlandvertrag, der uns klar

bindet und festlegt, daß nur eine freivereinbar-

te friedensvertragliche Regelung für ganz

Bündnisse:

Deutschland die Grundlage für einen dauer-

Ä Ä Ä Ä Patriotismus oder Nationalismus?

gelung aufgeschoben werden muß . . . wurde

nicht erwähnt. Bei den Ostverträgen wurde die

Betonte nationale Komponente gefährlicher als Neutralität

gemeinsame Entschließung der drei Bundes- tagsfraktionen unterschlagen. In keiner Regie- rungserklärung wurde darauf hingewiesen, daß sich C D U / C S U , S P D und F D P bei der A n - nahme der Verträge darauf geeinigt hatten, daß diese keine friedensvertragliche Regelung für Deutschland vorwegnehmen und keine Rechtsgrundlagen für die bestehenden Gren- zen sein würden.

Noch war in Washington die Auffassung des Oppositionsführers Vogel, der er in der Bun- destagssitzung letzter Woche erkennbaren Ausdruck gab, nicht bekannt, da herrschte in poli- tischen Kreisen der US-Bundeshauptstadt Besorgnis über die Vorstellungen des Abrüstungs- beauftragten der Opposition, Egon Bahr, von dem angenommen wird, daß er auf lange Sicht gesehen, beide Supermächte aus Europa hinausexpediert wissen möchte.

Das unveräußerliche Recht auf Selbstbe- stimmung werde durch die Verträge nicht be- rührt. K o h l hob hervor, daß viele Bürger unse- res Vaterlandes durch Vertreibung, Flucht und Aussiedlung ihre H e i m a t verloren hätten.

Sie hätten einen wichtigen Beitrag z u m Auf- bau der Bundesrepublik Deutschland geleistet und setzten sich unermüdlich für das Selbst- bestimmungsrecht der Deutschen und für die Einigung Europas ein. Klare W o r t e richtete Kohl auch an die „DDR". In den Verträgen sehe er Grundlagen für praktische Regelungen, die in der Ausgewogenheit von Leistung und Ge- genleistung ihren A u s d r u c k finden müßten. Er forderte Erleichterungen für Reisende in beide Richtungen und mit Entschiedenheit die Sen- kung der Mindestumtauschsätze. Berlin, der

„alten Reichshauptstadt", versprach er jede wirtschaftliche und kulturelle Hilfe. Berlin sei nationale Aufgabe.

N a c h Bahrs Vorstellungen soll diese Politik im Rahmen des Bündnisses verfolgt werden, und zwar sollten sowohl die Deutschen in der N A T O wie die im Warschauer Pakt ein „über- wölbendes Geflecht" gesamteuropäischer Be- ziehungen knüpfen. Dabei solle ein souve- räneres Auftreten der europäischen N A T O - Mitglieder gegenüber den U S A notwendig sein, u m auch dem Ostblock eine entspre- chende Entwicklung zu ermöglichen. Die Mög- lichkeit einer solchen Rückwirkung im Ost- block wird allerdings von Kennern der politi- schen Szene sehr bezweifelt. Vielmehr wird angenommen, daß die Sowjetunion einen

„deutschen Nationalstaat", wie ihn Bahr an- geblich anstrebt, nur dann dulden würde, wenn es sich um ein sozialistisches Gesamt- deutschland handelt.

N a c h der M e i n u n g Bahrs verbinden die Westdeutschen ebensowenig gemeinsame In- teressen und Werte mit den U S A wie die M e n - schen in Mitteldeutschland mit der Sowjet- union. Dabei dürfte auch Egon Bahr wissen,

daß angesichts des sowjetischen Hegemoniai- strebens seine Zielsetzung an den Realitäten vorbeigeht.

Angesichts aber dieser Zielsetzung ist viel- mehr das NATO-Bündnis unverzichtbar und jede Lockerung muß zwangsläufig zu einer stärkeren Gefährdung unserer Sicherheit füh- ren. Unzweifelhaft könnten Bahrs Gedanken- gänge unterschwellige Sympathien finden und die betont nationale Komponente der Bahrschen Vision ist gefährlicher als gepredig- ter nackter Neutralismus.

Die Bundesregierung, deren Aufgabe es sein muß, wieder für einen gesunden Patriotismus einzutreten, wird ihr Augenmerk aber auch auf diese Entwicklung lenken müssen. Denn die auf diese Weise angestrebte Wiedervereini- gung würde, wie gesagt, von der Sowjetunion niemals in dem Sinne gestattet werden, daß unsere freiheitliche Gesellschaftsordnung die Lebensgrundlage eines wiedervereinigten Deutschlands werden würde. R. P.

Frage, die schwerlich v o n einem Briten oder einem Franzosen gestellt würde. Ist das Vaterland nur da, wo es sich eben gut und bequem leben läßt? Sollten die Heimatvertriebenen nicht zufrieden sein, auf d e m Territorium der Bundesrepublik Deutschland eben doch in neu errungener beruflicher Existenz (oft) ohne wirtschaftliche Sorgen zu leben? So und ähnlich lauten Einwände, die letztlich darauf abzie- len, ein unbequemes T h e m a v o m Tisch zu bringen.

In Göttingen sitzt irgendwer an der Korbweide und flicht seine G e d a n k e n in Leserbriefe, bei denen er über die „Begriffsstutzigkeit der offiziellen V e r - triebenenpolitik" geradezu „fassungslos" ist. D i e Heimatvertriebenen, obwohl es sich u m M i l l i o n e n handelt, werden v o n i h m als eine „verschwindend geringe Minderheit" gewertet, die „ihre Bedeu- tungslosigkeit bis z u m Jahre 2000 zu konservieren"

sucht, obwohl „doch schon heute bei realistischer Politik, die nicht mit Verzicht zu verwechseln ist, ein Deutschland in den Grenzen v o n 1937 undenkbar, ja auch nicht wünschenswert" sei.

Versuchen wir, den Satz zu analysieren: Immer- hin scheint man einem Verzicht nicht das W o r t zu reden — aber Deutschland in den Grenzen von 1937 soll auch „nicht wünschenswert" sein. Da, so scheint uns, liegt der Hase i m Pfeffer — oder sitzt auf der Korbweide! D e n Deutschen ist die W i e d e r v e r e i n i - gung ihres Vaterlandes in Frieden u n d Freiheit nicht nur wünschenswert, sie ist uns durch das Grundgesetz auch verpflichtend aufgetragen. Die W e i m a r e r Verfassung v o m 11. A u g u s t 1919 führte bereits in ihrer Präambel den Satz „Das deutsche V o l k , einig in seinen Stämmen, und v o n dem W i l l e n beseelt, sein Reich in Freiheit und Gerechtigkeit zu erneuern u n d zu festigen..." — weshalb sollte diese Einheit der Deutschen heute nicht mehr wün- schenswert sein?

Fragen wir die Deutschen hüben und drüben, u n d wir werden eine überwiegend dahingehend lauten- de A n t w o r t erhalten, daß eine Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit durchaus erwünscht wird.

Deutschland habe, so schreibt der M a n n an der Korbweide, den letzten Krieg angezettelt und verlo- ren, und es sei das entscheidende Ziel des Potsda- mer A b k o m m e n s gewesen — „und hier waren sich Sowjets, Briten und A m e r i k a n e r einig" — die politi- sche und wirtschaftliche Zerschlagung und N i m - merwiederkehr des Reiches herbeizuführen mit d e m Ziel, daß „Deutschland in Zukunft nicht mehr aktiv, sondern (nur noch) passiv am Weltgeschehen teilnehmen kann".

So begriffsstutzig sind wir keineswegs, u m nicht zu erkennen, was 1945 beabsichtigt war. D o c h das

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Politik £ 0 5 Ofipnurlmblaii

14. M a i 1983 — Folge 20 — Seite 2

kann uns nicht hindern, die deutschen Rechtsposi-

Deutschla

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(1 *

tionen zu vertreten. Diese sind weder „zweifelhaft"

noch „unhaltbar" und sie „konterkarieren" — auch nicht — „vereinzelte positive Ansätze zur Vergan- genheitsbewältigung".

Die den Unterlegenen verbleibende Waffe ist das Recht, und es gibt wohl keinen Grund, unsere Rechtspositionen aufzugeben. A l l e Völker haben eine Vergangenheit zu bewältigen, und je gründli- cher und objektiver sich dieser Vorgang vollzieht, um so größer sind die Voraussetzungen für eine echte Verständigung.

Deutsche Frage im Ost- und West-Konflikt

Wissenschaftliche Tagung des Göttinger Arbeitskreises — Zwischen Verantwortung und Schuldzuweisung

W e n n wir überhaupt von einer Rechtslage aus- gehen wollen, dann ist es die von Deutschland in seinen rechtmäßigen Grenzen. Die Überwindung der Grenzen wird unzweifelhaft leichter sein, wenn es gelingen sollte, den Menschenrechten überall Geltung zu verschaffen und Vertrauen und Zusam- menarbeit zwischen den Völkern herbeizuführen, die dann Grenzen ganz allgemein zumindest trans- parenter machen könnten.

Die Misere, in die wir Deutsche durch den verlo- renen Krieg geraten sind, kann nicht verschwiegen werden: Dafür sind die Folgen zu offensichtlich!

U n d bisher ist — auch da hat der M a n n an der K o r b - weide recht — von den Siegermächten tatsächlich wenig zur Wiederherstellung der deutschen Einheit getan worden. Das jedoch kann uns nicht der V e r - pflichtung entheben, i m Sinne unseres Grundgeset- zes und höchstrichterlicher Urteile uns für die Ein- heit unseres Volkes einzusetzen. W i r sind überdies davon überzeugt, daß dieser Gedanke nicht „kon- serviert", sondern auch i m Jahre 2000 noch mit Leben erfüllt sein wird.

Dabei verkennen wir keineswegs die derzeitigen Machtkonstellationen, undwir wissen auch, daßdie Mächte i m A u g e n b l i c k vordringlichere Probleme sehen, aber, wie gesagt, wenn das Ziel der Sieger des Zweiten Weltkrieges die Dreiteilung Deutschlands war, dann muß es unsere Aufgabe bleiben, alles zu tun, damit diese Dreiteilung überwunden wird.

A u c h unseren östlichen Nachbarn müßte i m H i n - blick auf die Zukunft ein in Frieden und Freiheit wiedervereinigtes Deutschland sympathischer sein, als jene mitten durch Deutschland gehende Grenzscheide zwischen Ost und West, die nur Spannungen zu erzeugen und Unheil zu bringen vermag.

Für uns ist Deutschland keineswegs 1945 unter- gegangen. Das Vaterland ist auch keineswegs eine Fiktion. Dieses Vaterland bleibt vielmehr unsere Aufgabe. W i r lassen uns dabei auch von dem W o r t Oswald Spenglers tragen, wonach die Tugend ge- schlagener Völker die Geduld ist und nicht die Resi- gnation.

Unterricht:

Die Deutschlandfrage, nach den W o r t e n des neuen Bundesministers für innerdeutsche Bezie- hungen, Heinrich W i n d e l e n , „ein historisch-mora- lisches Problem", ist und bleibt zwischen Verant- wortung und Schuldzuweisung abhängig von den widersprüchlichen Absichten und Strömungen in der Entwicklung der internationalen Lage. W e n i g - stens diese Erkenntnis ergab sich erneut aus den Darlegungen und Diskussionen während der dies- jährigen wissenschaftlichen Frühjahrstagung des Göttinger Arbeitskreises Ende A p r i l in der A k a d e - mie der Wissenschaften und der Literatur zu Mainz.

Das Thema „Die Deutschlandfrage und die A n - fänge des Ost-West-Konflikts 1945 bis 1949" sollte

Die Deutschlandpolitik der Vereinigten Staaten, der Sowjetunion, Groß-Britanniens und Frank- reichs in den unmittelbaren Nachkriegsjahren bis etwa z u m Beginn der Zweistaatlichkeit auf deut- schem Boden waren Gegenstand der Untersuchun- gen, die in M a i n z vorgetragen wurden. „Weder Schachfigur noch Partner" war danach Deutschland in der Auseinandersetzung zwischen Ost und West.

V o r diesem Hintergrund erläuterten Prof. Dr. W e r - ner Link, Trier, und Prof. Dr. Detlef Junker, H e i d e l - berg, das amerikanische Deutschland-Konzept bis zum Zerbrechen der Kooperation zwischen den U S A und der U d S S R und den Anfängen des Ost- West-Konflikts, und zwar, wie Junker, durchaus

„Bei uns geht alles ganz korrekt zu!"

unter der Mitarbeit namhafter Sachkenner der breit gefächerten Palette unterschiedlichster Vorstel- lungen zur deutschen Frage auch einer zunehmen- den Unkenntnis über zeitgenössische Themen ent- gegensteuern, wie der Präsident des Arbeitskreises, Prof. Dr. Boris Meissner, Köln, eingangs erläuterte.

Selbst i m wissenschaftlichen Bereich sind hier die Erkenntnisse gelegentlich noch undeutlich und mitunter sogar widersprüchlich, zumal noch nicht überall alle Quellen zuverlässig zugänglich sind.

„DDR"-Reisen von großer Bedeutung

Bundesminister Windelen würdigte deutschlandpolitische Bildungsarbeit

Bundesminister Heinrich W i n d e l e n traf anläß- lich der 214. Plenarsitzung der Kultusministerkon- ferenz am 21. A p r i l 1983 im Reichstagsgebäude in Berlin zu einem Gespräch mit den Kultusministern der Länder zusammen. Damit hat erstmals ein Bun- desminister für innerdeutsche Beziehungen Gele- genheit gehabt, mit den Kultusministern der Länder über die deutschlandpolitische Bildungsarbeit i m Schulunterricht zu sprechen.

Bundesminister W i n d e l e n würdigte den Be- schluß der K M K v o m 23. November 1978, in dem die Kultusminister Empfehlungen für die Behandlung der deutschen Frage i m Unterricht verabschiedet haben, als die bedeutendste politische Bekundung der Übereinstimmung in den Kernfragen der Deutschland- und Ostpolitik seit dem Beschluß des Deutschen Bundestages v o m 17. M a i 1972 zu den Verträgen von M o s k a u und Warschau. Der Be- schluß der K M K leite die „Aufgabe der Schule, das Bewußtsein von der Einheit der deutschen Nation und ihren A n s p r u c h auf Selbstbestimmung in Frie- den und Freiheit in der Jugend wachzuhalten", v o m Grundgesetz her. Es sei eines der Verdienste dieses Beschlusses, zu Begriffen wie Nation oder Vaterland mutig eine klare Position bezogen zu haben. Heute seien diese Begriffe, soweit sie als wesentliche, ver- bindliche Werte erkannt, empfunden oder erlebt

werden, positiv auf gute Nachbarschaft, auf Europa, auf die gesamte Völkerfamilie bezogen.

A u s dem Bedürfnis nach Legitimation aus der Geschichte sei eine deutliche Tendenz zur Besin- nung auf die geschichtliche Dimension der Deut- schen spürbar, auch in der „DDR", wo 1983 auch Martin Luther Gegenstand staatlicher Ehrungen sei. Eine intensivere Befassung mit der deutschen Geschichte dürfte heilsame Auswirkungen auf die deutsche Wirklichkeit von heute haben.

In Fragen der konkreten Zusammenarbeit zwi- schen dem Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen und den Kultusministern der Länder hob Bundesminister W i n d e l e n sein besonderes In- teresse an der deutschlandpolitischen Bildungsar- beit und der Behandlung der deutschen Frage i m Unterricht hervor. Zur Unterstützung dieser Arbeit seien u. a. die deutschlandpolitische Lehrerfortbil- dung sowie Klassenreisen in die „DDR" und nach Berlin von großer Bedeutung. Diese Reisen werden aufgrund der 1979 gemeinsam erarbeiteten G r u n d - sätze von Bund und Ländern gefördert. W i n d e l e n dankte den Kultusministern für ihre Bemühungen und die gute Zusammenarbeit. Er appellierte an die Länder, die für diese Informationsfahrten zur Verfü- gung gestellten Bundesmittel durch eigene Mittel zu ergänzen.

Zeichnung aus „Berliner Morgenpost"

auch im Blick auf die „revisionistische" Schule der amerikanischen Historiographie.

Während die Vereinigten Staaten die Friedens- sicherung und damit zugleich die eigene „abweh- rende Sicherheit" z u m Ziele hatten, wollte die So- wjetunion von Anfang an die Expansion ihrer politi- schen und territorialen Macht. Schon daraus allein wird deutlich, daß der „kalte Krieg" nicht in Deutschland ausgebrochen ist, auch wenn er dort

„voll durchschlug". Immerhin wird später die Bun- desrepublik Deutschland z u m „Partner in der A u s - einandersetzung unter gleichzeitiger alliierter K o n - trolle", wobei freilich sehr bald als ein besonderes amerikanisch-deutsches Interesse das Bestreben erkennbar wird, sowohl die sowjetische als auch die französische Hegemonie in Europa zu verhindern.

Prof. Junker ging ergänzend hierzu auch auf die

„Jalta-Legende v o n der Aufteilung Europas in In- teressensphären" ein, wie sie gerade auch in Frank- reich vertreten wird und ähnlich auch v o n dem frü- heren Bundeskanzler H e l m u t Schmidt behauptet worden ist. Eine solche Auffassung sei abwegig, denn wenn es wirklich „eine schiedlich-friedliche Aufteilung der W e l t " gegeben habe, dann müsse

Ostblock:

man doch wohl fragen dürfen, wie der „kalte Krieg"

überhaupt habe entstehen können.

V o r d e m H i n t e r g r u n d der Ratstagungen der Außenminister in den Jahren 1945 bis 1947 kenn- zeichnete Dr. Josef Foschepoth, London, die briti- schen Interessen in der damaligen Situation. Lon- don erkannte frühzeitig die Gefahr eines unter kom- munistischem Einfluß stehenden Gesamtdeutsch- lands und strebte deshalb die rasche Wiederbele- bung der deutschen Wirtschaft zur Deckung der eigenen Besatzungskosten und der Reparationen an, was freilich den W i d e r s t a n d der anderen drei hervorrief. So blieb die britische These „Teilung ja, aber die Sowjets müssen daran schuld sein" als A n - satz für die künftige Perspektive der Briten.

Für die Sowjets indes gab u n d gibt es keine „deut- sche Frage". Ihre Terminologie beschränkt sich ausweichend auf die Unverbindlichkeit „deutsche Angelegenheiten". Diese Auffassung vertrat Prof.

Dr. A l e x a n d e r Fischer, Frankfurt am M a i n , in seiner Darstellung der Pläne Stalins, einer offensiven A u s w e i t u n g des sowjetischen Einflusses auf den ge- samten Kontinent, u n d dies aus einer schon frühzei- tig aufgekommenen Furcht, daß Deutschland in eine antisowjetische K o a l i t i o n eingefügt werden könnte. D i e Oder-Neiße-Linie sieht Fischer hierbei nur als „ein Teilproblem der deutschen Frage", gleichwohl sei sie für die Sowjets seit der Potsdamer Konferenz „im K e r n der Sache endgültig".

Eine eigenständige Rolle in diesen Auseinander- setzungen spielten nach den Erkenntnissen von Prof. Dr. Renate Fritsch-Eournazel, Paris, die A b - sichten Frankreichs, die sich allerdings v o n der For- derung nach „Sicherheit vor Deutschland" zur Ein- sicht einer „Sicherheit mit Deutschland" gewandelt hätten. Zur Ausgangsüberlegung gehörten die Ver- nichtung des Bismarck-Reiches durch Auflösung Preußens, die beabsichtigte A b t r e n n u n g des Ruhr- und Saargebietes — ein Konzept, das alsbald unter d e m Z w a n g der E n t w i c k l u n g aufgegeben werden mußte. Die Annexionspolitik i m Sinne v o n Versail- les ließ sich nicht verwirklichen, ein Einschwenken Frankreichs auf die amerikanische Linie u n d eine Umorientierung der Sicherheitsfrage auf die So- wjetunion h i n war, wenn auch zögernd eingegan- gen, die notwendige Folge.

Die westdeutsche K o n z e p t i o n zur Lösung der deutschen Frage stößt nach der düsteren Prognose von Prof. Dr. Manfred Overesch, H i l d e s h e i m , „auf eine in gesamtdeutscher Realität und Identität u n - erfahrene Generation", nachdem Werte, die „einst auf dem A l t a r gelegen" hätten, nun „in den A b f a l l der Geschichte geworfen" würden. Der gesamt- deutsche Schwung-der 50er Jahre sei du hm, Juk^l >

Kaisers A p p e l l an die Pflicht der Deutschen zur Ein- sicht sei untergegangen an d e m M a n g e l an natürli- chem Nationalbewußtsein aus der Geschichte auf beiden Seiten.

Die weitere E n t w i c k l u n g der Deutschlandfrage etwa i m Zeitraum zwischen der Washingtoner Außenminister-Konferenz 1951 u n d den Pariser Verträgen 1954 will der Göttinger Arbeitskreis auf seiner Herbsttagung in Göttingen untersuchen.

H e i n z Rudolf Fritsche

Spionage auf Transitstrecken

Bulgarische Lkw-Fahrer brauchten für 300 Kilometer drei Tage Fahrzeit

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u Kf a"e;P?8,,ach 3232 55. 2000 H a m b u r g 13. Verlag: L a n d s m a n n s c h a f t O s t p r e u ß e n e. V . Parkallee 8 4 / 8 6

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m a,n7.« f °8' Preuß°n und e r » c h e i n t w ö c h e n t l i c h zur Information der Mitglieder des F ö r d e r k r e i s e s der L a n d s m a n n - s c h a f t O s t D r e u 8 e n . - B e z u g s p r e l s l n l a n d 6 . 8 0 D M m o n a t l i c h e i n s c h l i e 8 l i c h 6 . 5 P r o z e n t M e h r w e r t s t e u e r A u s l a n d e - D M

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Maßnahmen der Bundesregierung gegen die Spionage von Lastwagenfahrern aus demÜstblock hat der CDU-Bundestagsabgeordnete Jürgen To- denhöfer gefordert. In einem Gespräch mit der

„Welt" hat Todenhöfer auf die A n g a b e n des sowjeti- schen Überläufers und des E x - K G B - O f f i z i e r s Dschirkwelwow verwiesen, der berichtete, daß alle Fahrer und Beifahrer sowjetischer Lastzüge auf deutschen A u t o b a h n e n Panzerkommandanten und Offiziere der Roten A r m e e seien, die jede Strecke, jede Kreuzung und jede Brücke militärisch auswerten würden. Dies erkläre auch viele M e r k - würdigkeiten, daß z u m Beispiel die sowjetischen Lastzüge auffällig an Kreuzungen rangierten, u m den Wendekreis zu erkunden. Den deutschen Stel- len ist auch aufgefallen, wie Todenhöfer sagte, daß Schwerpunkte der Aktivitäten der Spionagelastzü- ge immer dort festzustellen seien, wo wegen militä- rischer Übungen bestimmte Gebiete für die Offizie- re der sowjetischen Militärmission gesperrt wür- den.

A u c h die Fahrer der staatlichen „DDR'-Trans- portfirma „VEB-Deutrans" stünden ihren sowjeti- schen Kollegen in keiner W e i s e nach, wenn es u m Spionage auf westdeutschem Gebiet gehe. N a c h vorliegenden Erkenntnissen sind ein großer Teil von ihnen ausgewählte Offiziere der sogenannten

„Diversionseinheiten" der Nationalen Volksarmee.

Westdeutsche Lastwagenfahrer bemerkten bei ihren „Kollegen" aus der „DDR" die detaillierten Kenntnisse über Tragfähigkeit, W e i t e und Höhe deutscher Brücken, oder daß sie Verkehrsanlagen zeichneten und fotografierten. Da die „DDR'-Fahrer für Fahrten in die Bundesrepublik kein V i s u m brauchten, könnten Zoll und Bundesgrenzschutz nicht einmal überprüfen, ob die ein- und ausreisen- den Fahrer dieselben seien.

Daß hinter den Transporten der Sowjets nach Westeuropa nicht nur geschäftliche A b s i c h t e n stecken, beweisen auch die Frachten, die die Last- wagen aus der UdSSR manchmal laden. So trans-

portieren die Russen aus einem Ort 250 Kilometer nördlich von M o s k a u Torf nach Titisee-Neustadt im Schwarzwald, w o sie ihn zu D u m p i n g p r e i s e n ver- kaufen.

Außer der Bundesrepublik machten bisher auch Schweden, die Schweiz, Belgien, Frankreich und die Niederlande schlechte Erfahrungen mit den Last- wagen aus d e m Osten. U n t e r n o m m e n hat jedoch nur Belgien etwas gegen diese F o r m der Spionage.

A m 12. Januar erklärte das Verteidigungsministe- rium in Brüssel, seit A n f a n g des Jahres treffe es

„Maßnahmen zur Überwachung osteuropäischer Lastwagenfahrer", die „besonders militärische und strategische Einrichtungen des Landes und der N A T O ausspionieren". Aufgefallen war das Treiben der Ost-Lkw-Fahrer, weil bulgarische Fahrer — so stellten belgische Zöllner fest — für die rund 300 Kilometer v o n A a c h e n nach A n t w e r p e n drei Tage Fahrzeit brauchten.

F r i e d l a n d :

Im April kamen 1638 Aussiedler

Im A p r i l dieses Jahres sind 1638 deutsche Aussiedler im niedersächsischen Grenz- durchgangslager Friedland registriert worden.

Das waren 542 Personen (23 Prozent) weniger als im März mit 2180 Aussiedlern. Dies gabein Sprecher des Niedersächsischen Ministeriums für Bundesangelegenheiten am Dienstag in Hannover bekannt.

Im einzelnen kamen im A p r i l 1384Aussied- ler aus dem polnischen Bereich (März: 1883).

A u s der Sowjetunion reisten 123 (127), aus Rumänien 58 (80), aus der C S S R 27 (24), aus Ungarn 26 (43), aus Jugoslawien 10(15) sowie aus dem westlichen A u s l a n d 10 (8) über Fried- land in die Bundesrepublik Deutschland ein.

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14. M a i 1983 - F o l g e 20 - Seite 3 2XB ß f t m u j c n b l a t t

Scheinwerfer

D

er H u n d Peer konnte sich nicht mehr be- wegen, er lag still auf einem Tisch, er gab keinen Laut von sich — übrigens schweigen alle H u n d e , solange der Vivisektor an ihnen arbeitet. Er ließ sich die Schädel- decke durchbohren, er ließ sich das Eiswasser durch das H i r n jagen; als die Spritze ihre A r - beit begann, war es einmal, wie wenn sein Kör- per sich in sich selbst zusammenzog, sich in sich k r ü m m t e . . . Das Eiswasser brauste, un- beweglich der schöne schwere Doggenkopf zwischen den Schrauben des blitzblanken Apparates; die A u g e n , die schönen, klugen, noblen Hundeaugen sahen vor sich hin, ja sie sahen m i c h an. A b e r sie haben m i c h nicht mehr gesehen, nein, sie sahen mich nicht. Ich aber sah, wie unter dem dünn fauchenden Strahl des Eiswassers alles aus diesen Augen, diesen Tierleib wich, was ihn zu einem fühlen- den, denkenden W e s e n gemacht hatte...

Unter dem mörderischen Strahl des Eiswas- sers entwich die Intelligenz, entfloh die Seele, starb der Funke des Göttlichen, der auch dem Tier gegeben worden ist. V o r meinen A u g e n starb das Tier — blieb doch am L e b e n . . . Die Spritze schwieg endlich, die Kanüle wurde ent- fernt, der H u n d wurde losgeschnallt und auf die Fliesen gestellt. Er stand breitbeinig und unsicher, er machte ein paar sehr unbeholfene Bewegungen, er lebte, aber er war hilflos, ein Student zog einen scherzhaften Vergleich mit einem vollgesoffenen Schnapsbruder, eine Studentin lachte dazu — ich bin davongelau- fen ..." — Dies ist keine Szene aus einem H o r - rorfilm oder einem Gruselroman, sondern dem gegen Tierversuche geschriebenen Buch von W i l l i a m Qindt „Gerechtigkeit" (Wien 1958) entnommen. Ergebnis des hier geschilderten Versuches: M a n kann hochstehenden Säuge- tieren Teile des Hirns, z u m Beispiel das ganze Großhirn entfernen und sie trotzdem noch Monate am Leben halten, obwohl dieser H i r n - teil mit allen sogenannten Denkleistungen auf das engste verknüpft und allen anderen Teilen des Zentralnervensystems übergeordnet ist.

Der Sündenbock: Unter dem Vorwand, „Aggressionen" oder „die W i r k u n g des Schmerzes auf Aggressionen" studieren zu wollen, wurden friedliche Menschenaffen so lange elektrischen Schocks unterworfen, bis sie von derselben mörderischen Zerstörungswut ergriffen wurden, die solche Experimente veranlaßt, und ein jeder versucht, den anderen zu töten. Im Yerkes Prima- ten-Institut von Atlanta in den U S A (Fotos aus: „Die moderne Barbarei", München 1980) einen gestreßten H u n d durch einen Stromstoß

zu töten als einen ruhig in seinem Käfig liegen- den; Foxterriern wurde das Rückenmark ent- fernt, u m festzustellen, wie die Tiere „ohne reagierten"!

Wissenschaftler unserer Zeit waren es, die Hunde erst durch Hunger schwächten, u m

Tierversuche:

Wissenschaft auf Abwegen

Fehlt abendländischer Menschheit der Sinn für die Schöpfungsordnung?

M a n muß das schon zweimal lesen: W i s s e n - schaftler machen vor Studenten einen solchen Versuch, u m festzustellen, daß ein Lebewesen ohne H i r n am Leben gehalten werden kann, nur, daß dieses dann nicht mehr ganz so le- bensfähig ist wie v o r h e r . . .

Inzwischen haben Wissenschaftler schon viel „interessantere" Versuche gemacht: D a wurde Affen die Syphillis infiziert, obwohl bei dieser Tierart niemals auch nur eine Infektion mit dieser Krankheit in der Natur festgestellt werden konnte; Schimpansen wurden sofort nach der Geburt den Muttertieren entrissen und in völlig isolierten Räumen gehalten, die keinen irgend wie gearteten Umweltkontakt zuließen — Ergebnis: die Tiere nagten und kratzten ihre eigenen Körper blutig; Hunderte von H u n d e n wurden geopfert, u m schließlich festzustellen, daß es weniger Strom erfordert,

Sandoz A G , Basel sucht für die Abtei- lung Agrotoxikologie einen jüngeren

Natur-

wissenschaftler

biologischer Richtung für die Planung, Überwachung und Auswertung von vor- wiegend längerfristigen Tierversuchen^

sowie für die Mitarbeit berSpezialunter suchungen im Rahmen der experimen- tellen Prüfung von Pestiziden und che- mischen Neben- und Zwischenproduk- ten.

Diese Aufgabe bedingt nebst einem- abgeschlossenen Studium Erfahrung in Planung und Statistik, Freude am Arbeiten mit Jieren und Interesse an toxikologischerTProblernen sowie Englischkenntnisse. EDV-Erfahrung ist erwünscht.

So werden Tierexperimentatoren angewor- ben: Dieses Inserat von einem der Basler Chemieriesen erschien 1978 mehrmals in der Zürcher „Weltwoche". M a n sucht „Naturwis- senschaftler", die an längerfristigen Tierversu- chen Freude h a b e n . . .

später mit einem H a m m e r ihre Pfoten zu zer- trümmern und die „Schockreaktionen" der ge- schwächten Tiere zu beobachten; einem H u n d wurde A l k o h o l in tödlicher Menge eingeflößt, u m i m Nachhinein den Schädigungsgrad der Leber „zu prüfen",- einem anderen der D a r m zugenäht — Forschungsziel: einfach mal sehen, was geschieht; wiederum einem ande- ren H u n d wurde 1971 die linke Vorderpfote in den Brustkasten eingenäht — Forschungsziel:

wie lange kann der H u n d so leben, Ergebnis:

fünf Jahre. D u r c h die Weltpresse ging vor Jah- ren ein Bild: es zeigt den amerikanischen N o - belpreisträger Corneille Heymanns mit einem bis auf die N e r v e n abgetrennten Kopf eines Hundes. Der Kopf wird durch das Blut, das aus den A d e r n eines zweiten Hundes gepumpt wird, am Leben erhalten. Der enthauptete Körper wird künstlich beatmet. Forschungs- ziel: „Studien über den Blutdruck."

Diesen Widerlichkeiten könnten in einer solchen Zahl ähnliche Beispiele hinzugefügt werden, daß tausend Zeitungsseiten nicht aus- reichten, u m auch nur die Hälfte der Tierexpe- rimente zu schildern, die mit ähnlichen Zielen durchgeführt wurden: einer K u h wurden die Rippen durchgesägt, u m die Magensäfte wäh- rend der Verdauung „zu überprüfen"; Tiere verschiedenster Gattungen wurden zusam- mengenäht, u m künstlich siamesische Z w i l - linge zu bilden — die Begleiterscheinungen eines solchen Versuches beschrieb Prof. H . Pfeiffer aus Graz in der „Zeitschrift für die ge- samte experimentelle Medizin" wie folgt: „Da namentlich in den ersten Stunden die Tiere gern übereinander herfallen und sich oft le- bensgefährlich verletzen, kann man dies da- durch verhindern, daß man jederseits einen starken Seidenfaden durch die Wangenge- gend und die Muskel des Unterarms der ent- sprechenden Vorderpfote legt und derart an- zieht, daß die beiden Schnauzen der Tiere ein- ander weder packen noch beißen können. Der Schmerz hindert dann die Tiere an jeder Be- w e g u n g . . . Ein bis zwei Tage vor dem Tode wird das früher sterbende Tier von dem ande- ren wie ein Anhängsel herumgeschleppt...

Erst im Verlauf von zwei Tagen, nachdem das andere grünfaul geworden ist, erliegt auch es."

Wohlbemerkt, diese Zeilen stammen aus einer seriösen wissenschaftlichen Zeitschrift!

A n der Universität von Oregon amputierten

„Forscher" Mäusen die Vorderpfoten, um zu untersuchen, wie eine solche Maus sich nun putzt! Ein bekannter sowjetischer Forscher

transplantierte einem H u n d einen zweiten Kopf! „Gelehrte" der Universität Connecticut versuchten über Jahre für die Geflügelindu- strie „ungefiederte Hühner" zu entwickeln. Die dafür notwendigen „Spezialkost"-Versuche machten sie auch mit Katzen, die bekanntlich Fleischfresser sind, während die Hühner in er- ster Linie von Korn leben. Ergebnis: Den Kat- zen fielen büschelweise die Haare aus, bis sie eingingen, während die Hühner — Gott sei es gedankt — bisher noch nicht völlig ohne Fe- derkleid über längere Zeit gehalten werden konnten.

Natürlich bewegen sich nicht alle Tierver- suche in dieser Dimension jenseits allen menschlichen Vorstellungsvermögens, z u was Wissenschaftler oder noch besser, „dem Leben verpflichtete Mediziner" alles fähig sind. A b e r auch die zahlreichen anderen Ex- perimente mit Arzneimitteln an Tieren sind größtenteils sehr fragwürdig! Die Daten, die durch Tierversuche gewonnen werden, sind nur mit großer Einschränkung auf den M e n - schen übertragbar. Die Stoffwechselabläufe der Tiere sind dem des Menschen ebenso ver- schieden, wie anatomische und biochemische Reaktionen nicht einfach miteinander vergli- chen werden können. D a gibt es viele Beispie-

le: Bei Menschen kann Methylalkohol zu schwersten Schäden und Tod führen, für viele Tiere ist der im Holzgeist vorhandene Stoff je- doch völlig unschädlich. Penicillin hilft dem Menschen bei schweren Infektionskrankhei- ten, während z.B. Meerschweinchen daran sterben. Versuchskaninchen vertragen das Gift des Fliegenpilzes hervorragend, während dem Menschen dieser „Genuß" keinesfalls empfohlen werden kann. „Wenn eine verglei- chende Untersuchung von Aspirin und C o n - tergan an Ratten vorgenommen würde, dann müßte Aspirin verboten und Contergan frei- gegeben werden. Tatsächlich ist Contergan, das an 10 000 mißgebildeten Kindern schuldig ist, aufgrund von Tierversuchen als unschäd- lich bezeichnet werden, schrieb deshalb schon

1978 die „Bunte Illustrierte" in einem gut recherchierten Artikel zu dieser Frage.

Eine ganze Reihe von Medikamenten, die durch Tierversuche getestet wurden, mußte in den letzten Jahren neben Contergan verboten werden: das Rheuma-Mittel Flamanil mußte zurückgezogen werden, weil es Bewußtlosig- keit auslösen konnte. Stilböstrol sollte Krebs heilen helfen, mußte jedoch verboten werden, weil es sich als krebsfördernd und -bildend er- wies. Das Antidiabetika Dipar erwies sich gar als lebensgefährlich.

Die Schätzungen, wie viele Tiere auf der W e l t i m Jahr durch Tierversuche zu Tode kommen, schwankt zwischen 250 und 300 M i l - lionen, in der Bundesrepublik waren es nach Auskunft des Experten Hans Ruesch 1978 rund 14 Millionen. Viele Mediziner sind heute der Überzeugung, daß rund 95 Prozent dieser Tiere nicht v o m Leben z u m Tode gebracht werden müßten, wenn andere Forschungswe- ge sich schneller durchsetzten! Das Experi- mentieren mit menschlichen Gewebekultu- ren sehen z.B. viele Wissenschaftler schon heute als wesentlich wertvoller an als Tierver- suche.

Das Menschliche muß endlich wieder in die seelenlos gewordene Medizin zurückkehren!

Denn was auf der einen Seite die grausamen Experimente an Tieren verursachte, das war der gleiche Geist, der uns die fast unmensch- lich zu nennenden Bettenburgen der mit A p - paraturen vollgepropften Großkliniken be- scherte. Es ist auch der gleiche Geist, der die Medizin jetzt im Bereich der Transplantations- techniken prägt, von denen Dr. David W a i n - wright Evans, Herzspezialist am P,ajDworth- Hospital in Cambridge, i m Septemberletzten Jahres meinte: „Es ist verabscheuungswürdig, ein noch schlagendes Herz aus eirielm M e n - schen zu entfernen, der nach herkömmlichen Gesichtspunkten noch nicht tot ist. Ich hatte nie den geringsten Zweifel, daß diese .Spender' noch nicht tot waren." Mediziner, die sich je- doch in erster Linie als „Organtechniker" oder

„Chemotherapeuten" betrachten, statt als Heiler, lassen sich von solcher Kritik wenig stören, zumal die medizinisch-technische Sensation allemal ihr Publikum findet.

Medizinisch-technische Sensationen finden immer ihr Publikum

Natürlich kann in manchen Bereichen der Tierversuch, man denke z.B. an künstliche Venen, gerechtfertigt sein, aber eine H o c h - schulmedizin, die sich so einseitig auf C h e m o - therapie und Technik konzentrierte, die den Tierversuch in die jetzige Dimension wachsen ließ, hat v o m Grundsatz her einen falschen W e g eingeschlagen. In bezug auf die Haupt- leiden unserer Zeit: Herz- und Kreislauf- krankheiten, Krebs, Diabetes, Leberschäden, psychische Leiden — alles typische Zivilisa- tionskrankheiten — ist die Situation trotz der Erfindung immer neuer Medikamente und ihrer Erprobung an Tieren immer schlechter geworden! Schuld daran ist die Einstellung der modernen Medizin, die sich lediglich als N a - turwissenschaft versteht und die Krankheiten durchschnittlich als technische Störungen eines oder mehrerer Organe betrachtet.

W e r aber die Volksgesundheit in unserem Land wirklich fördern will, der muß sich heute für eine neue M e d i z i n einsetzen oder besser für Rückkehr zu den Grundwerten ärztlicher Kunst. Die gegenwärtige Medizin sucht die Krankheitsursachen nicht dort, wo sie wirklich liegen, z. B. in falscher Ernährung, dem M e n - schen unangemessener Lebensweise, im see- lischen und i m sozialen, sondern kuriert am Symptom. Dabei soll keinesfalls in Frage ge- stellt werden, daß die moderne Medizin als Notmedizin und im Bereich von Unfällen Gro- ßes geleistet hat, in bezug auf die dominieren- den Zivilisationskrankheiten ist sie jedoch auf dem Holzweg!

Einer Neuorientierung der Medizin stehen freilich starke Interessen gegenüber! Eine viel- seitige und Hunderte von Millionen D M u m - setzende Industrie hat sich z. B. auf dem Gebiet des Zubehörs für Tierversuchslaboratorien gebildet, die alles an technischen Geräten und

Apparaturen verkauft, was zu den Experimen- ten am lebenden Tier benötigt wird. A u f der anderen Seite ist es die anmaßende Haltung vieler medizinischer Wissenschaftler, die zum Teil mit unglaublicher Arroganz ihren gegen- wärtigen W e g verteidigt und fortsetzen will.

Die neue Bundesregierung, die immerhin von einer Partei getragen wird, die den Begriff christlich i m N a m e n trägt, wird sich, was die notwendige „Wende" in unserem Lande an- geht, auch an den neuen W e g e n messen lassen müssen, die sie auf dem Gebiet der Medizin anstrebt: Eine neue ganzheitliche Medizin muß entwickelt werden, welche die Eigenver- antwortung des Patienten wieder verstärkt.

Die Vorsorge-Medizin, die Arbeits- und So- zialmedizin müssen wieder in den Vorder- grund gerückt werden. Durch Gesetze muß dafür Sorge getragen werden, daß der Tierver- such nur noch in v o m Gesundheitsministe- rium zuzulassenden Ausnahmefällen stattfin- den darf. U n d man muß dadurch kein Geset- zesfetischist sein, u m solche zusätzlichen Ge- setze gutzuheißen, denn fast alle unabhängi- gen Pharmakologen bestätigen, daß „der Tierversuch" keine wissenschaftlich begrün- dete Vorhersage von Wirksamkeit und Unbe- denklichkeit erlaubt" (Prof. H . Hensel im

„Deutschen Ärzteblatt" 28/1977). Der Bun- desgesundheitsminister sollte, wenn er in die- ser Entscheidung noch schwankend ist, unan- gemeldet einmal zwei oder drei Versuchsla- bors besuchen, und — wenn er dort überhaupt hereingelassen wird — sich das Elend der Ver- suchstiere anschauen, die u m der modernen Medizin willen gequält werden, dann wird er sich für neue Methoden der Prüfung von M e d i - kamenten und Techniken in diesem For- schungsbereich stark machen, wenn ihm noch Sinn für die Grundwerte abendländischer und christlicher Ethik zu eigen ist. Uwe Greve

(4)

Politik £o$ £fiprtuf?rnblati

14. M a i 1983 — Folge 20 — Seite 4

Urteil:

Augen zu! Nanu?

Freispruch für Jo Leinen

W e n n etwas gerichtlich verboten wird, so sollte man meinen, darf man das Verbotene nicht tun und wird andernfalls rechtlich belangt. Dies ist die Auffas- sung eines juristischen Laien wie dem Verfasser dieser Zeilen.

Tatsächlich aber sieht das offensicht- lich anders aus. Denn wie der Presse zu entnehmen war, ist der Vorsitzende des BundesverbandesBürgerinitiativen U m - weltschutz (BBU), Jo Leinen, v o m Land- gericht Itzehoe vom Vorwurf eines V e r - gehens nach Paragraph 26 des V e r - sammlungsgesetzes freigesprochen worden.

Erinnern wir uns: Atomkraftgegner, allen voran der BBU, hatten zu einer Pro- testkundgebung gegen Brokdorf zu Be- ginn des Jahres 1981 aufgerufen. Das Spektakel sollte am 28. Februar über die Bühne gehen. A m 23. Februar wurde die Demonstration wegen der Gefahr der Gewalttätigkeit und der Zusammenstö- ße zwischen den Protestlern und den Si- cherheitskräften untersagt.

Herr Leinen aber hatte sich halt in den Kopf gesetzt, an diesem 28. Februar zu protestieren, verkündete das lauthals und fand auch genügend Medien, die das propagierten. W a s sich aus der De- monstration entwickelte, dürfte noch bekannt sein. U n d nun kommt ein Ge- richt daher, spricht den Protestgierigen frei und drückt die A u g e n zu. Nanu?

W a s die Herren Richter zu diesem Ur- teil bewogen hat, entzieht sich unserer Kenntnis. Traurig wär's, wenn der U r - teilsspruch aus Angst vor dem Protest der „Gewaltfreien" zustande gekommen ist. U n d erfreulich ist, daß die Staatsan- waltschaft Revision z u m Bundesge- richtshof gegen den Freispruch einge- legt hat. O. H .

Ostpreußen in Bayern:

Historische Wahrheit verpflichtet

Dr. Alfred Schickel sprach über „die Vertreibung im Lichte neuer zeitgeschichtlicher Erkenntnisse"

Anläßlich des Delegiertentages der L O W - L a n - desgruppe Bayern in Nördlingen sprach in einer öf- fentlichen Vortragsveranstaltung der Leiter der Zeitgeschichtlichen Forschungsstelle Ingolstadt, Dr. Alfred Schickel, zum Thema „Die Vertreibung im Lichte neuer zeitgeschichtlicher Erkenntnisse".

Dr. Schickel wies darauf hin, daß nach wie vor in unverantwortlicher Weise von östlicher Seite, aber auch in westdeutschen Geschichtsbüchern und Medien die unmenschliche Vertreibung der deut- schen Bevölkerung aus der Osthälfte unseres Vater- landes als pure Reaktion und gerechte Vergeltung für vorangegangene deutsche Verbrechen darge- stellt wird. Jüngstes Beispiel hierfür ist die unlängst gezeigte Fernseh-Serie „Europa unterm H a k e n - kreuz".

A l l e i n schon eine nüchterne, geschichtliche Dar- stellung der Vertreibung und ihrer Verbrechen — wie sie zuletzt von Heinz Nawratil in seinem Buch

„Vertreibungs-Verbrechen an Deutschen" erfolgte

— belegt, daß der in Ost und West verbreitete Standpunkt, die Heimatvertriebenen seien gleich- sam „gerecht Bestrafte" unsachlich und v o m morali- schen Standpunkt nicht zu rechtfertigen ist. Denn, wie Dr. Schickel zu Recht ausführte, waren die rund drei Millionen Deutschen, die zwischen 1944 und 1947 im Gefolge von Flucht und Vertreibung ums Leben kamen, „keine schuldigen deutschen Kriegs- oder KZ-Verbrecher, sondern in Mehrzahl Frauen, Kinder u n d alte Menschen, die nur deswegen er- schlagen, abgeschlachtet oder erschossen wurden, weil sie Deutsch» waren".

Es ist das Verdienst Dr. Schickeis und der Zeitge- schichtlichen Forschungsstelle Ingolstadt, durch die Aufbereitung bisher unzugänglichen britischen und amerikanischen Quellenmaterials politisch- zeitgeschichtliche Hintergründe der Vertreibung aufzudecken, deren Erkenntnisse die These von der Vertreibung der Deutschen als pure Reaktion und

„Verständliche Vergeltung" auf vorangegangene Nazi-Verbrechen v o n vornherein gegenstandslos machen u n d als antideutschen Rassismus entlar-

Schon 1939 — bloß wenige W o c h e n nach Hitlers Besetzung der „Rest-Tschechei", und lange vor der Rekrutierung polnischer Zwangsarbeiter u n d der Vertreibung polnischer Bevölkerungsteile aus dem

„Korridor" — gingen polnische Regierungskreise

Kirche:

War Jesus ein Widerstandskämpfer?

Frau Solle in Vancouver: Das Lieblingsthema kommt auf den Tisch

„Leben in seiner ganzen Fülle" ist das Thema einer der vier Plenarsitzungen auf der W e l t k i r c h e n - konferenz im Juli und August in Vancouver, zu der der Ökumenische Rat der Kirchen die Theologin Dorothee Solle als einzige deutsche Referentin ein- geladen hat. O b man's will oder nicht, sie wird dabei als repräsentativ angesehen für die Christenheit in Deutschland. W e r die letzten Äußerungen der zur Zeit in den U S A dozierenden Theologin zur Kennt- nis nimmt, wird den Kopf schütteln über diese frag- würdige Einladung aus Genf. „Leben in seiner gan- zen Fülle": Dorothee Solle denkt dabei — wie sie jetzt in einer Rundfunksendung „Blick in die Zeit"

von N e w York aus sagte — an drei Themen: „Wie die Kirchen zur Aufrüstung und Krieg stehen, wie sie auf die Herausforderung durch die Dritte W e l t antworten, und wie sie die menschliche Sexualität verstehen." Dabei hat sie offensichtlich kein Inter- esse mehr an den früheren Konfessionsgrenzen. Ihr Maßstab ist: welche Bedeutung hat das Evangelium für die Gesellschaft? Die Spur wird immer enger — mit Schrecken denkt man an das, was die Theologin zum Thema „Leben in seiner ganzen Fülle" auf der ökumenischen Tagung in Kanada sagen wird: radi- kale Konsequenz des Glaubens ist „Gewaltfreiheit und die A b l e h n u n g militärischer Gewalt".

Die jetzigen Andeutungen von Frau Solle lassen für Vancouver einen Aufmarsch von Feindbildern befürchten: während sich die plötzlich gelobten ka- tholischen Bischöfe der U S A in einer „langsamen, vorsichtigen und konsequenten Annäherung an die Radikalität des Evangeliums" befinden, konsolidie- ren sich die Ultrarechten; es findet ein Generalan- griff der Konservativen auf die liberalen und radika- len Christen statt — und gleichzeitig wird der be- grenzte A t o m k r i e g für Europa geplant und vorbe- reitet. Die Zeitanalyse der Theologin Solle. Es muß schon ein schlimmes Land sein, in dem sie jetzt jun- gen Menschen v o m Universitätskatheder aus die Befreiung und die einzig richtige Sicht des christli- chen Glaubens predigt. Originalton Solle: „Viele Menschen in den U S A verwechseln das Christen- tum mit dem Antikommunismus."

Die kämpferische Note wird immer stärker. In den jetzt erschienenen Vorbereitungspapieren der Weltkirchenkonferenz konnte Frau Solle den 930 Delegierten ihre „Theologie" darlegen: Unsere Zeit unterscheide sich nicht von der des Kirchenkamp- fes in Deutschland, „in Nazi Germany", sagt sie den Amerikanern. Für sie gibt es nur eine Alternative:

„Gott oder die Bombe." Der Doppelbeschluß der N A T O 1979 war für sio eine historische Wendej die

theologische Folge eine notwendige Konsequenz.

Jetzt haben wir nach Frau Solle einen „Atommilita- rismus" (nuclear militarism), und das ganze Sicher- heitsstreben ist „neurotisch". Die Aufgabe der Kir- che könne nur darin bestehen, „Bürgerrechtsbewe- gung für Frieden u n d Gerechtigkeit" z u sein — schließlich war auch Christus schon ein „Wider- standskämpfer". Für Dorothee Solle schließt sich der Kreis: D i e Staatsreligion unserer Zeit und der Militarismus sind eins: „Der Gott, der über alles ge- fürchtet und geliebt wird, ist die Bombe." U n d dann darf auch ihr Lieblingsthema nicht fehlen: die Sexualität, die v o n konservativen Kreisen z u m

„wichtigsten christlichen Thema" erhoben worden sei: Abtreibung, Homosexualität und vorehelicher Geschlechtsverkehr.

Sie ist eine herausragende Frau, zweifellos. Sie versteht, zu artikulieren. Angesichts der jetzigen Äußerungen — sie sind ja nichts Neues — fragt man sich indes, was sie z u m Thema einer Christenver- sammlung „Leben in seiner ganzen Fülle" zu sagen hat. M a r l i n Birkenfeld

ihrerseits mit dem Gedanken der Vertreibung u m . Dies belegt ein britischer Diplomatenbericht v o m M a i / J u n i 1939. Geplant war ein „drittes Europa"

unter Führung Polens, das sich Litauen und Ost- preußen einverleiben, „dessen westliche Grenzen bis fast zur Oder ausgreifen" und seinen südlichen Herrschaftsbereich bis an ein „sinnvoll rekonstru- iertes Ungarn" ausdehnen sollte. D i e Träume v o n einem „Groß-Polen" wurden in der Folge nicht nur durch die Zerschlagung des polnischen Staates durch Hitler und seine A r m e e n vereitelt, sondern liefen auch der sowjetischen Politik u n d ihrer

„Theorie von den Kompensationen", d. h., der Ent- schädigung Polens für die an die Sowjetunion abzu- tretenden Gebiete durch Landgewinne i m Westen zuwider. D i e Sowjetunion bezweckte, die 1921 i m Frieden von Riga an Polen abgetretenen Provinzen wiederzugewinnen, Polen auf diese W e i s e in eine dauernde Feindstellung zu Deutschland zu bringen und sich selbst W a r s c h a u gegenüber unentbehrlich zu machen. Trotz geharnischter Einwände der pol- nischen Exilregierung in London, wurden die sowje- tischen Kompensationspläne auf der Konferenz von Teheran i m Spätherbst 1943 von den Regierungs- chefs der U S A , Großbritannien und der U d S S R als Grundlage späterer Beratungen akzeptiert.

Die zustimmende Haltung der Vereinigten Staa- ten z u den sowjetischen Vorstellungen ist u m so verwunderlicher, als schon a m 1. März 1943 eine amerikanische Studiengruppe einen „Inoffiziellen Entwurf eines vorläufigen Friedensvertrages mit Deutschland" vorlegte, der in Artikel III wörtlich bestimmte: „Die Grenzen Deutschlands sind dieje- nigen v o m 30. Januar 1933. Deutschland verzichtet auf alle Ansprüche auf Gebiete, die seit diesem Zeitpunkt erworben wurden,- ohne A u s n a h m e keh- ren diese in ihre früheren Staatsverbände zurück."

Der zeitgeschichtlichen Forschung stehen nun- mehr Dokumente zur Verfügung, die Aufschluß geben über die regierungsamtlichen Vorstellungen Washingtons von der künftigen Grenzziehung zwi- schen Deutschland und Polen bzw. über die deut- schen Gebietsabtretungen an die Sowjetunion.

Diese sogenannten „Briefing Books", die auf den 30.

Juni und 4. Juli 1945 datiert sind, wurden als „streng geheime Richtlinien" v o n eigens dazu gebildeten

„Ministeriellen Ausschüssen für Deutschland sowie für Rußland und Polen" ausgearbeitet und sollten der amerikanischen Verhandlungsdelegation auf der Potsdamer Konferenz den Rahmen ihrer politi- schen Marschroute abstecken. Sie ähneln in vielen Punkten einem Vorschlag für eine neue Grenzregu- lierung i m Osten, den der polnische Exilminister- präsident, General Sikorski, i m Dezember 1942 ge- macht hatte.

Die Verfasser der Richtlinien geben jedoch i m weiteren z u verstehen, daß es sich hierbei u m die

„wünschenswerteste Lösung" handele u n d „nicht

Polnische Verbände:

u m einen unbeugsamen Entschluß der amerikani- schen Regierung". Für d e n Fall, daß die polnische und sowjetische Regierung „nachdrücklich darauf dringen" und dabei auch v o n der britischen Regie- rung unterstützt werden sollten, würde m a n nicht u m h i n können, sich mit „der A b t r e t u n g des Gebie- tes ostwärts der O d e r einverstanden z u erklären".

Dagegen vertraten sie entschieden die Ansicht, daß

„die amerikanische Regierung sich weigern sollte, auf dieser Konferenz die A b t r e t u n g des Gebietes zwischen O d e r und Neiße an Polen z u sanktionie- ren". D i e „Briefing Books" enthalten keinen Hinweis auf den amerikanischen Standpunkt zur Frage der Vertreibung der deutschen Bevölkerung in den an Polen fallenden Gebieten, sondern stellen nur kommentarlos die Forderung der polnischen Regie- rung nach A u s w e i s u n g der deutschen Bevölkerung dieser Gebiete fest.

Das Ergebnis ist bekannt: das Potsdamer A b - k o m m e n v o m 2. A u g u s t 1945 legte die D e m a r k a - tionslinie zwischen Polen und Deutschland an Oder und Neiße fest und sanktionierte die Vertreibung M i l l i o n e n Deutscher aus ihrer Heimat, wenngleich auch vertraglich vereinbart wurde, „daß die endgül- tige Festlegung der Westgrenze Polens bis zur Frie- denskonferenz zurückgestellt werden soll".

W ä r e es nach d e n Vorstellungen u n d Empfeh- lungen der Ministeriellen Ausschüsse W a s h i n g - tons v o m J u n i 1945 gegangen, wären annähernd 30000 Quadratkilometer mit einer Bevölkerung von fast fünf M i l l i o n e n M e n s c h e n beim Deutschen Reich verblieben.

Es ist Dr. Schickel zu danken, daß er diese zeitge- schichtlichen Hintergründe, die zur Vertreibung und zur Oder-Neiße-Linie führten, erarbeitet u n d einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat.

W a s die polnische Seite betrifft, so ist die wichti- ge historische Erkenntnis festzuhalten, daß auch schon die nichtkommunistische Vorkriegsregie- rung sich ganz selbstverständlich mit d e m G e d a n - ken trug, sich große, deutsch besiedelte Gebiete an- zueignen und die dort ansässige Bevölkerung „aus- zuweisen". Es wäre z u wünschen, daß diese Er- kenntnis nicht einem nie endenwollenden gegen- seitigen A u f r e c h n e n v o n Verbrechen dient, sondern einen Beitrag dazu leistet, daß heutige G e - nerationen die leidvolle Geschichte des deutsch- polnischen Verhältnisses ungeschminkt, ohne ideologischen Ballast u n d unter allen wichtigen A s p e k t e n kennenlernen. D e n n nur w e n n Polen u n d Deutsche gleichermaßen bereit sind, sich der gan- zen historischen W a h r h e i t zu öffnen, werden beide Völker die C h a n c e haben, sich die H a n d der V e r - söhnung z u reichen u n d zu einer einvernehmlichen friedensvertraglichen Lösung z u k o m m e n .

Heidemarie Lindh

Aussiedler seelisch unterversorgt?

Auch die polnische Kirche bemüht sich um Einflußnahme

Daß polnische Verbände in der Bundesre- publik — allen voran sei hier die „Zgoda" ge- nannt — immer wieder bemüht sind, deutsche Aussiedler aus den gegenwärtig polnisch ver- walteten Provinzen als Mitglieder zu gewin- nen, u m sie dadurch nachträglich zu „poloni- sieren", ist längst bekannt. A b e r auch die pol- nische Kirche versucht offensichtlich Einfluß auf die — wie sie es nennt — „polnischen" A u s - siedler zu gewinnen.

Es wird kälter Zeichnung aus „Kölnische Rundschau"

So machte uns ein aufmerksamer Leser auf einen A r t i k e l in der Soester Zeitung aufmerk- sam, in d e m v o n einem Seminar der K o l p i n g - Bildungsstätte z u m T h e m a „Probleme der Spätaussiedler" berichtet wurde. Laut diesem A r t i k e l trat dabei als Referent ein polnischer Priester auf, der die deutsche K i r c h e kritisier- te, da sie die A u s s i e d l e r „geistig u n d kirchlich unterversorgt" lasse. D u r c h „Tombola u n d Pfarrfest" sei die Seele der G e m e i n d e m i t g l i e - der nicht zu erreichen.

In einem Leserbrief an die Soester Zeitung vom 9./10. A p r i l nahm dazu A n t o n W e i m a n n , Sozialreferent für Aussiedlerbetreuung aus H a m m , Stellung. Z u m einen stellte Herr W e i - m a n n klar, daß es sich bei den A u s s i e d l e r n eben nicht u m Polen handele, sondern immer um Deutsche, die „aus den jetzt v o n Polen be- setzten Gebieten nach Deutschland umgesie- delt haben".

Z u m anderen — u n d dies ist, ohne daß wir uns anmaßen wollen, die Berechtigung der K r i - tik des Polen an der deutschen K i r c h e beurtei- len zu können, sicher das Entscheidende — fragt A n t o n W e i m a n n mit v o l l e m Recht, „was denn die polnische K i r c h e in Polen zur geisti- gen Versorgung der Deutschen tut". Er führt an, daß den in der H e i m a t verbliebenen Ost- deutschen der G e b r a u c h der Muttersprache nach wie vor verboten ist, die Aussiedler aber dennoch nach W e s t d e u t s c h l a n d kommen, weil sie Deutsche sein wollen — obwohl einige yon ihnen zunächst nur polnisch sprechen können. N i c h t aber, so W e i m a n n , „die Spra- che, sondern das Herz entscheidet". O. H .

Referenzen

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