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Irak-Krise und Ölverbrauch

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3/2003 I N T E R N A T I O N A L E P O L I T I K 2 3

S T A N D P U N K T E

von Bernhard May

D

ie Angst geht um: die Angst vor einem Irak-Krieg und vor einer neuen Ölkrise als Folge dieses Krieges. Die aus der Kuwait-Krise 1990/91 bekannte These „Kein Blut für Öl“ hat zwar erneut Hochkonjunktur, doch ist diese These so einfach wie sie falsch ist. Ein militärisches Vorgehen gegen Irak kann zu schwerwiegenden politi- schen, sicherheitspolitischen, humanitären, internationalen wie lokalen und regionalen Auswirkungen führen. Ein Irak-Krieg wird jedoch keine neuerliche Ölkrise auslösen.

Unabhängig davon wie sich die militärische Lage in Irak entwickeln wird, muss damit gerechnet werden, dass im späten Frühjahr 2003 der Ölpreis auf 20 Dollar pro Barrel (Fass) Öl oder sogar darunter sinken wird, falls die OPEC-Staaten keine Reduzierung ihrer Ölproduktion be- schließen sollten. Der derzeit hohe Ölpreis von 31 bis 34 Dollar pro Bar- rel beruht auf dem Ausfall der Ölproduktion in Venezuela auf Grund in- nenpolitischer Probleme (ein Ausfall von 1,5 Millionen Fass pro Tag) und den Unsicherheiten am Markt im Hinblick auf einen möglichen Krieg mit Irak. Der Ölpreis würde ohne diese beiden politischen Risiken wohl um fünf bis acht Dollar pro Fass niedriger liegen – und läge damit genau in der Preisspanne von 22 bis 28 Dollar pro Fass, die die OPEC als Grundlage für ihre Politik beschlossen hat.

Folgendes Szenario dürfte sich bei einem militärischen Vorgehen gegen Saddam Hussein abzeichnen: Solange die politischen Unsicher- heiten weiter bestehen, wird der Ölpreis bei über 30 Dollar bleiben.

Beim Beginn militärischer Maßnahmen wird er wohl kurzfristig weiter ansteigen, um dann auf unter 30 Dollar und vielleicht sogar auf 20 Dol- lar zu fallen, weil die politischen Unsicherheiten dann den Markt nicht mehr negativ beeinflussen und sich die vorhandene Überproduktion an Öl durchsetzen wird. Ein militärisches Vorgehen gegen Irak mit einer Dauer von wenigen Wochen oder zwei bis drei Monaten wird keine Öl- krise auslösen.

Wie sieht es bei einem militärischen „Worst-case“-Szenario aus? Dies wäre gekennzeichnet durch einen lang anhaltenden militärischen Kon- flikt, der sich auf die ganze Region auswirken und vor allem auch die Öl- exporte Saudi-Arabiens einschränken würde. In diesem Fall müsste wohl mit einem Rückgang des Ölangebots am Weltmarkt von fünf bis

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sieben Prozent gerechnet werden. Die Situation am Ölmarkt wäre dann die gleiche wie 1991 (Ölausfall von sieben Prozent).

Hierbei ist aber Folgendes zu beachten:

1. Die Wahrscheinlichkeit eines solchen Horrorszenarios ist äußerst gering, denn schließlich hatte Saddam Hussein schon 1991 keine Chan- ce die alliierten Truppen aufzuhalten – und Irak ist heute militärisch wesentlich schwächer als 1991. Die Gefahr, dass sich aus einem militäri- schen Vorgehen gegen Saddam Hussein ein regionaler Krieg entwickelt, ist heute wesentlich geringer als vor zwölf Jahren.

2. EinTotalausfall der irakischen Ölexporte von zwei Millionen Barrel pro Tag würde nur einen Verlust von 2,5 Prozent der Welt-Ölprodukti- on zur Folge haben. Beim zweiten Golf-Krieg 1991 wurde die Ölpro- duktion durch den Ausfall des irakischen und kuwaitischen Öls um sie- ben Prozent reduziert – und der Ölpreis fiel dennoch auf das Niveau vor der Krise. Zudem haben Saudi-Arabien und die OPEC beschlossen, den Ausfall irakischen Öles am Weltmarkt auszugleichen.

3. Ein Ausfall eines Teiles der Ölexporte Saudi-Arabiens oder anderer Golf-Staaten wäre im Umfange von zwei bis drei Millionen Barrel pro Tag kein gravierendes Problem für den Weltölmarkt, weil dieser Ölaus- fall von anderen Ölproduzenten ausgeglichen werden könnte.

4. Nach der ersten Ölkrise 1973/74 gründeten die OECD-Staaten die Internationale Energie-Agentur (IEA) und beschlossen, strategische Ölreserven anzulegen. Diese Reserven sollen den Ölimportbedarf der OECD-Staaten für drei Monate abdecken. Ein völliger Ausfall aller Öl- exporte kann ausgeschlossen werden, so dass mit den strategischen Öl- reserven der IEA-Staaten mögliche Ausfälle der Ölproduktion in der Golf-Region noch länger ausgeglichen werden könnten. Das Horror- szenario ist deshalb für den Weltölmarkt kein realistisches Szenario.

Die Entscheidung über einen Krieg gegen Irak betrifft die grundsätz- liche Frage: Was muss die Weltgemeinschaft, was müssen die Vereinten Nationen tun, um die Gefahr von Massenvernichtungswaffen in diesem Land einzugrenzen? Diese Entscheidung darf jedoch nicht von der – un- begründeten – Angst vor einer Ölkrise geleitet werden. Die Welt- gemeinschaft muss sich um die längerfristige Öl- und Gesamtenergie- versorgung kümmern, weil vor allem die Öl- und Gasreserven begrenzt sind. Im Jahre 2003 wird es jedenfalls keine Ölversorgungskrise geben, und zwar unabhängig von militärischen Maßnahmen gegen Irak.

Dr. Bernhard May, Stellv. Direktor des Forschungsinstituts und Leiter der Arbeitsstelle USA/Transatlantische Beziehungen der DGAP, Berlin.

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