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EXPERTENINTERVIEW MIT DR. JAN WINDERLICH
Moderne Desinfektionstechnologien lassen wieder mehr Normalität und Nähe im Pflegealltag zu. Ein Experten-Interview beleuchtet die Versprechen und Chancen der UV-C-Licht-Desinfektion.
Foto: gubh83/Adobe Stock
Je weiter die wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Infektionsgeschehen bei Corona vorankamen, desto stärker trat eine innovative Desinfektionsmethode ins Rampenlicht der globalen Pandemie-Bekämp- fung. UV-Licht zerstört SARS-CoV-2-Viren schnell und zuverlässig. Das verbreitet sich mittlerweile nicht nur in Medien, sondern zeigt sich auch in einer Flut an Produkten und Versprechen im Markt der UV-C-Luftreiniger.
Was sagen wissenschaftliche Studien zur Wirksam- keit? Wo wird UV-Licht im Kampf gegen Corona erfolgreich eingesetzt? Welche Faktoren spielen bei der Wahl von Systemen eine Rolle? ... Wir möchten Licht ins Dunkel der vielversprechenden Techno- logie und Angebote bringen und richten unsere Fragen an Dr. Jan Winderlich, Physiker und Leiter Entwicklung UV-Umwelttechnologien bei Heraeus Noblelight. Wo vor über 100 Jahren die UV-Lampe erfunden wurde, forscht und entwickelt er heute UV-Systeme zur Desinfektion von Luft, Wasser und Oberflächen, die auf der ganzen Welt eingesetzt werden.
IST ES IN PFLEGEEINRICHTUNGEN NICHT ZU SPÄT FÜR UV-C-LÖSUNGEN? DORT SIND DIE MEISTEN JA MITTLERWEILE GEIMPFT.
Ich bin davon überzeugt, dass die Raumluftreini- gung in Zukunft nicht mehr wegzudenken ist und fester Bestandteil von Hygienekonzepten wird. Zum einen erleben wir, wie Mutationen immer wieder für neue Unsicherheit sorgen. Das SARS-CoV-2-Virus wird uns noch über Jahre begleiten. Zum anderen lernen wir derzeit die Vorzüge dieses Rundumschut- zes kennen. UV-C-Desinfektion schützt ja auch vor anderen Infektionskrankheiten wie der saisonalen Grippe. Das Personal in der Altenpflege zählte schon vor der Pandemie zur Berufsgruppe mit höchstem Infektionsrisiko und den meisten Krankentagen.
Das ist bei den ohnehin dünnen Personaldecken ein Dauerproblem. Ein Grund, weshalb auch der Arbeit- geberverband Pflege e.V. in diesem Frühjahr für seine Mitglieder ein Webinar zum Infektionsschutz mit UV-C in Pflegeheimen veranstaltete. Das durften wir mit unseren UV-Experten unterstützen.
KÖNNEN SIE UNS KURZ ERKLÄREN, WAS ES MIT DIESER NEUEN DESINFEKTIONSTECHNOLOGIE AUF SICH HAT?
UV-Licht als Mittel zur Desinfektion ist eigentlich gar nicht neu, sondern eine etablierte Technologie, die bereits seit Jahrzehnten zum Einsatz kommt, wo hohe Hygieneanforderungen bestehen. OP-Säle von Kliniken, Aufbereitung von Trinkwasser oder die
Desinfektion von Lebensmittelverpackungen sind nur einige Anwendungsbeispiele.
Konkret geht es dabei um ein spezielles Spektrum des natürlichen Lichtes aus dem Ultraviolettbe - reich. Es nennt sich UV-C. Richtig dosiert kann es Keime blitzschnell zerstören. Besonders einfach funktioniert das bei Viren wie dem SARS-CoV-2 und seinen Mutationen. Sie besitzen nur eine dünne Fettschicht, die das UV-Licht problemlos durch- dringt. Im Inneren wird dann das genetische Mate- rial zerstört und das Virus ist dauerhaft inaktiv. Aber auch andere Keime wie Bakterien und Pilze lassen sich so abtöten. Neu ist also nur, dass die UV-C-Tech- nologie aufgrund der Pandemie aus solchen profes- sionellen Anwendungsbereichen nun auch wahr- nehmbar Zugang in unseren Alltag findet.
DIE PANDEMIE BEGLEITET UNS SCHON ÜBER EIN JAHR. WENN DIE TECHNOLOGIE BEREITS VORHANDEN WAR, WIESO KOMMT SIE ERST JETZT INS RAMPENLICHT?
Zu Beginn der Corona-Krise gab es kaum Wissen zum Infektionsgeschehen. Es brauchte Zeit, zu erkennen, dass und warum herkömmliche Hygiene- maßnahmen nicht richtig ziehen.
Zunächst richtete sich der Fokus in der Pandemie- Bekämpfung stark auf Schmier- und Tröpfcheninfek- tionen. Wir wurden aufgefordert, Hände zu waschen und Oberflächen zu desinfizieren. Zu diesem Zeit- punkt entwickelten wir in unserem Team akkube- triebene UV-C-Handgeräte, mit denen man Oberflä- chen einfach und effektiv desinfiziert. Damit kann man auch dort entkeimen, wo konventionelle Me- thoden mit Nass-Desinfektion nicht funktionieren, weil das Material darunter leidet oder empfindliche Elektronik und Displays es nicht erlauben. Außer- dem geht es wesentlich schneller. Viren reagieren sehr empfindlich auf UV-C-Licht. Diese Handgeräte kommen unter anderem in Rettungswagen zum Ein- satz, um den gesamten Innenraum zu desinfizieren und rasch wieder einsatzfähig zu sein. Wir schulen auch Reinigungspersonal von Facility-Dienstleistern an den Geräten, damit sie ihren Kunden eine erwei- terte Reinigung von Büro-, Geschäfts- und Praxis- räumen anbieten können.
MEISTENS WIRD DOCH ABER VON UV-C-LUFTFILTERN GESPROCHEN?
Richtig. Die kamen ins Spiel, als immer deutlicher wurde, dass Aerosole in der Atemluft die Hauptan- steckungsgefahr darstellen und verantwortlich ▷
für die meisten Clusterinfektionen sind. Das führte zur Empfehlung des Lüftens, um die Virenlast in Räumen zu senken. Schnell zeigte sich, dass Lüften im 20-Minuten-Takt an Schulen und Kitas wenig praktikabel ist. Und wie soll das in Arztpraxen oder Altenheimen funktionieren? Dort sitzen immun- geschwächte Menschen, die wir nicht ständig einem kühlen Luftzug aussetzen können.
Folglich richtete sich das Augenmerk auf technische Lösungen, mit denen man die Luft in geschlossenen Räumen dauerhaft desinfizieren kann. Auch hierfür konnten wir bereits im letzten Jahr rasch professio- nelle Systeme verfügbar machen, die mit UV-C-Licht arbeiten und in Bussen, Kitas und Praxen zum Ein- satz kamen.
Die Raumluft wird dabei in das Gerät geleitet und im Innenraum mit UV-C-Licht bestrahlt. Viren und andere Keime werden sofort und dauerhaft zer - stört. Die saubere Luft tritt dann wieder aus. Genau- genommen sind das also keine Luftfilter, denn die Schadstoffe werden nicht gesammelt. Das ist ein wesentlicher Unterschied! Filtertechnologien wie HEPA bedeuten, dass die aktiven Viren nach wie vor existieren. Die kontaminierten Filter müssen regel- mäßig unter Schutzmaßnahmen gewechselt werden.
Das entfällt bei UV-C.
DAFÜR IST UV-LICHT ABER RISKANT FÜR HAUT UND AUGEN, ODER?
Sicherheit ist ein wichtiger Aspekt bei der Entwick- lung von UV-C-Geräten. Die Gehäuse der Luftrei- niger müssen so konstruiert sein, dass keinesfalls ungewollt Licht austreten kann. Solche Sicherheits- merkmale werden in Deutschland geprüft und zerti- fiziert. Der Hype um die Luftreiniger hat aber auch Produkte auf unseren Markt gespült, die nicht unter diesen Bedingungen gefertigt werden und dann durchaus eine Gefahr darstellen. Ganz zu schweigen davon, dass sie oft nicht die Leistung mit sich brin- gen, die eine wirksame Desinfektion benötigt. Wenn das Gerät nur die Luft in der Ecke oder am Boden einsaugt, wo es steht, bringt das für die Virenlast im restlichen Raum leider nichts.
WIRKSAMKEIT IST EIN GUTES STICHWORT. WIR KÖNNEN LEIDER NICHT SEHEN, OB UV-C-LICHT VIREN WIRKLICH ABTÖTET. GIBT ES WISSENSCHAFTLICHE STUDIEN, DIE ES BELEGEN?
Seit Jahren existieren unzählige Studien, die be- stätigen, dass UV-C -Licht Viren und andere Keime zerstört. Kein Wissenschaftler weltweit stellt das in
Frage. Dennoch gab es zunächst große Zurückhal- tung hinsichtlich der Empfehlung und Förderung von UV-C-Luftreinigern bei der Regierung und ande- ren offiziellen Stellen. Das Argument: Vorhandene Studien sind unter Laborbedingungen entstanden und man könne die Wirksamkeit unter Realbedin- gungen nicht hinreichend beurteilen. Als Techno- logieführer im Industriesektor sind wir es gewohnt, mit anderen Instituten zusammenzuarbeiten. Also übergaben wir unsere UV-C-Geräte an unabhängige Forschungseinrichtungen, die sie unter Realbedin- gungen testen sollten.
ZU WELCHEM ERGEBNIS KAMEN DIE STUDIEN?
An der Universitätsklinik Tübingen wurden unser Handgerät Soluva Air H zur Oberflächen-Desinfek- tion mit echten SARS-CoV-2-Viren getestet. Und das Fraunhofer-Institut für Bauphysik in Bayern prüfte unsere Soluva-Systeme für Luftreinigung. Damit initiierten wir die erste Studie von Luftreinigungs- geräten unter Realbedingungen weltweit. Für diesen Test bauten die Experten des Fraunhofer-Instituts einen Klassenraum auf und besetzten ihn mit be- heizbaren Puppen. Es wurde eine Situation nachge- stellt, in der eine infizierte Person ohne Maske Viren in den Raum atmet. Und dann wurden unter ver- schiedensten Anwendungsszenarien penibel Viren gezählt – vor, während und nach dem Geräteeinsatz.
Am Ende belegten beide wissenschaftlichen Studien eine Reduktion der Virenlast um über 99 Prozent durch den Einsatz unserer UV-C-Geräte.
BEI SOLCHEN EINDRUCKSVOLLEN TESTERGEBNISSEN MÜSSTEN DIE GERÄTE DOCH MITTLERWEILE ÜBERALL IM EINSATZ SEIN, WO MENSCHEN IN RÄUMEN ZUSAMMENKOMMEN?
Wir mussten lernen, dass die Aufklärung der Be- völkerung und die Überführung neuer Erkenntnisse in den zähen Prozess der Bürokratie länger dauert als die Entwicklung der Geräte selbst. So lassen sich beispielsweise bestehende Förderprogramme trotz neu erlangtem Wissen nicht oder nur schwer nachbessern. Dass erprobte Technologien ungenutzt bleiben, die nachweislich zur Eindämmung der Pandemie beitragen, macht auch die Wissenschaft ungeduldig. Im April veröffentlichte die Gesellschaft für Aerosolforschung einen offenen Brief an die Regierung, in der sie kritisiert, dass trotz aktueller Forschungserkenntnisse nach wie vor auf falsche Maßnahmen gesetzt wird. Sie empfehlen dringend, technische Raumluftreinigung in Schulen, Pflege- heimen oder Großraumbüros einzusetzen.
Langsam kommt aber Bewegung in die Politik.
Unser UV-C-System für Lüftungsanlagen wurde mittlerweile in das bundesweite Förderprogramm des BAFA aufgenommen. Damit können bestehende Anlagen ganz einfach nachgerüstet werden. Ein solches System arbeitet auch im Impfzentrum von Offenbach. Andere Unternehmen und Organisa- tionen haben zwischenzeitlich selbst Initiative er - griffen und sich mit der Technologie ausgestattet oder fragen uns direkt nach konkreten Produkt- Weiter entwicklungen für ihre Belange an.
WELCHE WEITEREN ANWENDUNGEN WERDEN DA GEWÜNSCHT?
Wir bekamen häufiger die Anfrage zu mobilen Klein- geräten, die sich flexibel verwenden lassen. Deshalb haben wir ein handliches Tischgerät entwickelt, das auf gleichem Hochleistungsniveau arbeitet wie der Rest unserer Produktfamilie. Das lässt sich zum Beispiel unkompliziert in Bewohnerzimmer stellen, wenn Angehörige zu Besuch kommen oder spontan mit ins Personalmeeting nehmen. Unsere Techno- logien ermöglichen im Kampf gegen Corona wieder mehr Nähe und Menschlichkeit im Alltag. Das ist ein neuer Wert, der mich und mein Team in besonderem Maße motiviert. ◆
Experte: Dr. Jan Winderlich Heraeus Noblelight
Erste Studie von UV-C-Luftreinigern unter Realbedingungen im Fraunhofer- Institut für Bauphysik (IBP)
Entkeimung von Raumluft und Ober- flächen mittels UV-C-Desinfektion redu- ziert die Virenlast um mehr als 99%.
Im Labor der Heraeus Noblelight werden UV-C-Geräte anhand von Simu- lationsprogrammen optimiert.
Leistungsstärke und Sicherheit von UV-C-Luftreinigern zählen zu den Her- ausforderungen der Entwicklung.
Online-Informationsveranstaltung:
INFEKTIONSSCHUTZ IN PFLEGEHEIMEN MIT UV-C-TECHNOLOGIE
UV-C-Licht wird seit Jahrzehnten weltweit in Kranken- häusern und anderen Bereichen mit hohen Hygiene- anforderungen zur Desinfektion eingesetzt. Wie kann UV-C-Technologie Hygienekonzepte von Pflegeheimen wirksam erweitern und den Infektionsschutz von Pfle- gebedürftigen und Personal erhöhen?
Für wen ist die Informationsveranstaltung besonders interessant? Verantwortliche aus den Bereichen:
> Geschäfts- & Personalleitung
> Hygiene- & Qualitätsmanagement
> Facility Management & Gebäudetechnik Termin: 13. Juli 2021 | 10 Uhr
Informationen und Anmeldung:
www.soluva.com/pflege
Fotos: Heraeus