• Keine Ergebnisse gefunden

1 + 1 = 2? Mehrfachdiskriminierung(en) in Österreich. Masterthesis. zur Erlangung des akademischen Grades Master of Arts (M.A.)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "1 + 1 = 2? Mehrfachdiskriminierung(en) in Österreich. Masterthesis. zur Erlangung des akademischen Grades Master of Arts (M.A.)"

Copied!
92
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

1 + 1 = 2 ?

Mehrfachdiskriminierung(en) in Österreich

Darstellung der rechtlichen und gesellschaftspolitischen Situation

Masterthesis

zur Erlangung des akademischen Grades Master of Arts (M.A.)

Eingereicht für die Studienrichtung

„Interdisziplinäre Geschlechterstudien“

an der Karl-Franzens-Universität Graz

vorgelegt von Alina Samonig, M.A.

Begutachterin: Frau Ao.Univ.-Prof.in Mag.a Dr.inphil. Anita Prettenthaler-Ziegerhofer

Institut für Österreichische Rechtsgeschichte und Europäische Rechtsentwicklung

Graz, Juni 2014

(2)

Ehrenwörtliche Erklärung

Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den Quellen wört- lich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner anderen inländischen oder ausländi- schen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht. Die vorliegende Fas- sung entspricht der eingereichten elektronischen Version.

Datum: Unterschrift:

(3)

Abkürzungsverzeichnis

ABGB Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch ADST Antidiskriminierungsstelle Steiermark AuslBG Ausländerbeschäftigungsgesetz ÄrzteG Ärztegesetz

BEinstG Behinderteneinstellungsgesetz

BGStG Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz B-GBK Bundes-Gleichbehandlungskommission B-GlBG Bundes-Gleichbehandlungsgesetz B-VG Bundes-Verfassungsgesetz

CEDAW UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frauen CERD UN-Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung ECRI Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz

EGMR Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

EGVG Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen

EMRK Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten ETC Europäisches Trainings- und Forschungszentrum für Menschenrechte und

Demokratie

EuGH Europäischer Gerichtshof

FRA Agentur der Europäischen Union für Grundrechte GBK Gleichbehandlungskommission

GBK/GAW Bundesgesetz über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft

GewO Gewerbeordnung

GlBG Gleichbehandlungsgesetz

ICCPR Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte idgF in der gültigen Fassung

ILO International Labour Organization, Internationale Arbeitsorganisation o. J. ohne Jahreszahl

PVÖ Pensionistenverband Österreich StGB Strafgesetzbuch

StLSG Steiermärkisches Landes-Sicherheitsgesetz

(4)

Inhalt

1. Einleitung ... 2

1.1. Definitionen und Ansätze ... 5

1.2. Stand der Forschung ... 8

1.3. Methodischer Ansatz ... 14

2. Antidiskriminierung und der Gesetzgeber ... 16

2.1. Internationale Rechtslage ... 17

2.2. Europäische Rechtslage ... 20

2.3. Nationale Rechtslage in Österreich ... 22

2.4. Mehrfachdiskriminierung(en) in Österreich ... 31

2.5. Gleichbehandlungskommissionen ... 37

3. Intersektionalität ... 38

3.1. Historisches ... 39

3.2. Theoretisches ... 41

4. Fallbeispiele aus dem Alltag ... 45

4.1. Falldarstellung 1 ... 45

4.2. Falldarstellung 2 ... 49

5. Erweiterung des Antidiskriminierungsschutzes ... 52

5.1. Religion und Weltanschauung ... 54

5.2. Alter ... 57

5.3. Sexuelle Orientierung ... 60

5.4. Weitere Kategorien? ... 66

6. Zusammenfassung ... 68

7. Interpretation ... 71

8. Kritische Punkte zur eigenen Arbeit und Ausblick ... 76

9. Literaturverzeichnis ... 78

(5)

1. Einleitung

"1 + 1 = 2 ?" Hinter dieser einfachen Addition, die der vorliegenden Arbeit vorangestellt wurde, verbergen sich mehrere Überlegungen, die weit über die reine mathematische Auf- gabenstellung hinausgehen. Im Rahmen dieser Arbeit werden Diskriminierungen, im Speziel- len Mehrfachdiskriminierungen bzw. intersektionelle Diskriminierungen einer näheren Be- trachtung unterzogen. Diskriminierungen stellen für die betroffenen Personen in jeglicher Hinsicht eine belastende, herabwürdigende und verletzende Situation dar. In vielen Fällen werden Menschen jedoch nicht nur aufgrund eines Merkmales diskriminiert. Es kommt zu Diskriminierungen aufgrund unterschiedlicher Merkmale in verschiedenen Situationen. Den weiteren theoretischen Auslegungen der Arbeit vorausgreifend sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass Diskriminierungen durchaus auf Basis mehrfacher Merkmale stattfinden können und über das Zusammentreffen von zwei Aspekten hinausgehen können. Um diese Tatsache entsprechend darzustellen, müsste die angeführte Addition in diesem Falle durch unzählige Summanden erweitert werden. Die Tatsache, dass die Rechnung im Hinblick auf Mehrfachdiskriminierungen und intersektionelle Diskriminierungen in der Gesellschaft nicht so einfach zu lösen ist, wie dies bei rein mathematischen Aufgaben der Fall ist, wird durch das hinten angestellte ? angedeutet. Um dem Vorgang einer intersektionellen Diskriminie- rung gerecht zu werden, wäre (in Anlehnung an die Mathematik) eine Potenzrechnung mög- licherweise aussagekräftiger, da sich nicht nur die Anzahl der Faktoren ändert, sondern die Diskriminierungserfahrungen sich gewissermaßen potenzieren. Hier gilt, wie bereits für den Aspekt von Mehrfachdiskriminierungen erläutert, der Verweis auf das angefügte ?, wodurch die Komplexität der alltäglichen Erlebnisse angedeutet wird, die sich doch von den einfachen Regeln der Mathematik unterscheiden.

Eine aufgrund zunehmender Globalisierung geprägte Gesellschaft steht vor der Herausforde- rung, mit der steigenden Heterogenisierung ihrer Mitglieder zu Recht zu kommen und Wege zu finden, ein funktionierendes gemeinschaftliches Miteinander möglich zu machen. Nun geschieht dies zum einen durch normative Regelungen und zum anderen durch gesellschaft- liche Aushandlungsprozesse, welche nicht selten die Grundlage bzw. den Anstoß für Entwick-

(6)

lungen des Rechtssystems liefern. Insofern erscheint es bei einer Auseinandersetzung mit einem derart komplexen Thema wie es Mehrfachdiskriminierungen nun einmal sind, nur logisch diese beiden Aspekte näher in die Betrachtung einfließen zu lassen. Um näher auf Mehrfachdiskriminierung als Themenkomplex eingehen zu können, muss zunächst etwas weiter ausgeholt werden. Eine umfassende Betrachtung der völkerrechtlichen, europäischen sowie nationalen Rechtslage hinsichtlich grundlegender Antidiskriminierungsbestimmungen in Kapitel 2 bildet die Basis für eine weitere Analyse der spezifischen Rechtslage bei Mehr- fachdiskriminierungen (siehe Kapitel 2.4.) sowie für eine Darstellung etwaiger Lücken, die es im österreichischen Rechtssystem diesbezüglich noch zu schließen gilt.

Darüber hinaus stellt sich die Frage nach gesellschaftlichen Einstellungen und Haltungen be- züglich unterschiedlichster Thematiken innerhalb des Gesamtkomplexes der Diskriminierun- gen. So verweisen Ulrike Hormel und Albert Scherr (2010) beispielsweise auf eine deutsch- landweite Studie des Sinus-Instituts aus dem Jahr 2008, die gezeigt hat, dass Diskriminierun- gen auf Grund einer Behinderung bzw. des Geschlechts gesellschaftlich weitaus mehr verur- teilt werden bzw. weniger akzeptiert werden, als dies bei Diskriminierungen auf Grund der sexuellen Orientierung bzw. der ethnischen Herkunft der Fall ist (Hormel/Scherr 2010: 7f).

Hieraus lässt sich bereits erkennen, dass eine Diskussion über Diskriminierung im Allgemei- nen nicht ohne nähere Betrachtung von gesellschaftspolitischen Einstellungen, Vorurteilen und Hierarchisierungen zwischen unterschiedlichen sozialen Gruppen sowie Aushandlungs- prozessen hinsichtlich Migration, Integration oder Heterogenität der Gesellschaft auskom- men kann.

Im Zusammenhang mit Diskriminierungen ist jedoch besonders der Aspekt der Mehrfachdis- kriminierungen zu erwähnen, da Diskriminierungen nicht immer – man könnte sogar sagen in den seltensten Fällen – lediglich auf ein Merkmal zurückzuführen sind. Eine gewisse Stei- gerung der Sensibilität, das Vorkommen von Mehrfachdiskriminierungen gezielter zu be- trachten und in den Fokus der Forschung und Weiterentwicklung der Rechtslage zu stellen, lässt sich zwar mit Blick auf dementsprechende Literatur erkennen, steckt jedoch noch in den Kinderschuhen. Hervorzuheben ist jedoch, dass 2001 im Rahmen der UN-Weltkonferenz gegen Rassismus, Rassendiskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und damit zusammenhän- gender Intoleranz „die internationale Gemeinschaft die Existenz von Mehrfachdiskriminie-

(7)

rung offiziell anerkannte“ (Europäische Kommission 2007: 15). Im Zuge dessen wurde fol- gendes festgehalten:

„Wir erkennen an, dass Rassismus, Rassendiskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und damit zusammenhängende Intoleranz auf Grund der Rasse, der Hautfarbe, der Abstammung oder der nationalen oder ethnischen Herkunft auftreten und dass die Opfer mehrfache oder verschärfte Formen der Diskriminierung aus an- deren damit zusammenhängenden Gründen erleiden können, wie etwa auf Grund des Geschlechts, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der sozialen Herkunft, des Vermögens, der Geburt oder eines sons- tigen Status“ (Bericht der UN-Vollversammlung 2001, Allgemeine Fragen NR. 2:

6)

Da Mehrfachdiskriminierungen sowohl im Hinblick auf ein diesbezügliches gesellschaftliches Verständnis als auch rechtlich gesehen ein relativ junger Bereich sind, bedarf es auch auf wissenschaftlicher Ebene vermehrter Auseinandersetzung mit dieser Thematik. Die vorlie- gende Masterarbeit soll einen entsprechenden Beitrag leisten, um – ausgehend von der rechtlichen Lage bezüglich vorhandener Antidiskriminierungsbestimmungen und konkreter Fallbeispiele von Mehrfachdiskriminierungen – aufzuzeigen, welche Formen von Mehrfach- diskriminierungen im alltäglichen Leben vorkommen können, welche Auswirkungen diese auf das subjektive Empfinden der Betroffenen haben und welche rechtlichen Lücken es zu schließen gilt, um Mehrfachdiskriminierungen entgegenzutreten. Darüber hinaus werden Überlegungen zu einer möglichen Erweiterung der Gleichbehandlungsgesetze angestellt und in Beziehung zu etwaigen Theorien über gesellschaftliche Normen und Werteordnungen (z.

B.: Heteronormativität) gesetzt, um so eine mögliche Antwort auf die Frage zu geben, wes- halb eine Erweiterung des gesetzlichen Antidiskriminierungsschutzes bis dato auf einem steinigen Weg verläuft.

Die Masterarbeit wird in Zusammenarbeit mit der Antidiskriminierungsstelle Steiermark (im Folgenden ADST) verfasst und enthält unter anderem Erläuterungen zu Fallbeispielen von Seiten der ADST, wobei diesbezüglich keine schriftlichen Protokolle vorliegen und somit le- diglich darauf verwiesen werden kann, dass es sich bei entsprechenden Passagen um Zitate

(8)

aus geführten Gesprächen handelt. Darüber hinaus greift die Arbeit auf statistische Erhe- bungen der oben genannten zurück. Laut Aufzeichnungen der ADST erlitten 11,29% jener Menschen, die im Jahr 2012 in der ADST beraten wurden, eine Mehrfachdiskriminierung.

Besonders die Kategorien Geschlecht, Ethnie, Religion und sozialer Status haben sich dabei als relevant herauskristallisiert. Die Agentur für Grundrechte der Europäischen Union (FRA) stellte in einem Bericht zu Mehrfachdiskriminierung im Jahr 2010 fest, dass Angehörige eth- nischer Minderheiten fünfmal häufiger mehrfach diskriminiert werden als Angehörige der Mehrheitsbevölkerung.

Die Masterarbeit konzentriert sich zum einen auf eine umfassende Darstellung der rechtli- chen Lage hinsichtlich der Antidiskriminierungsbestimmungen auf internationaler, europäi- scher und nationaler Ebene und zum anderen auf eine empirisch untermauerte Analyse und Darstellung expliziter (Erscheinungs-)Formen von Mehrfachdiskriminierungen im Alltag. Dar- aus ergibt sich die Fragestellung, die dieser Arbeit zu Grunde liegt: Wie gehen Gesellschaft und Gesetzgeber mit Mehrfachdiskriminierung(en) um?

1.1. Definitionen und Ansätze

Bevor eine ausführliche Darstellung der Antidiskriminierungsgesetze sowie der Rechtslage bezüglich Mehrfachdiskriminierungen möglich ist, gilt es einige relevante Begriffe näher zu definieren. Der Begriff Diskriminierung(en) ist mittlerweile durchaus etabliert und somit auch ein Begriff, so scheint es zumindest auf den ersten Blick, der keiner ausführlichen Erklä- rung bedarf, da sich jede Person etwas darunter vorstellen kann. Dieses allgemeine Ver- ständnis von Diskriminierung(en) lässt sich mit der Definition, die Ulrike Hormel und Albert Scherr formulieren, verdeutlichen: „Als Diskriminierungen gelten gewöhnlich Äußerungen und Handlungen, die sich in herabsetzender oder benachteiligender Absicht gegen Angehö- rige bestimmter sozialer Gruppen richten“ (Hormel/Scherr 2010: 7). Im rechtlichen Kontext findet sich darüber hinaus jedoch eine etwas differenziertere Definition, bei der zwischen einer mittelbaren sowie einer unmittelbaren Diskriminierung unterschieden wird, wobei die

(9)

„unmittelbare Diskriminierung [wurde] auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts erstmals durch die Antidiskriminierungs-RL aus 2000 definiert“ (Rebhahn 2005: 234, RN 3) wurde. Mit entsprechender Umsetzung der Richtlinie wurde die Definition der unmittelbaren Diskrimi- nierung auch in das österreichische Recht übernommen. Was unter den Begriffen mittelbare bzw. unmittelbare Diskriminierung zu verstehen ist, wird unter anderem im Gleichbehand- lungsgesetz festgehalten. Von einer unmittelbaren Diskriminierung ist diesem zu Folge dann die Rede, wenn eine Person auf Grund eines bestimmten Merkmales „in einer vergleichba- ren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, er- fahren hat oder erfahren würde“ [§5 (1) GlBG]. Während es sich um eine mittelbare Diskri- minierung handelt,

„wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Per- sonen, die einem Geschlecht angehören, in besonderer Weise gegenüber Perso- nen des anderen Geschlechtes benachteiligen können, es sei denn, die betref- fenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Zieles angemes- sen und erforderlich“ [§ 5 (2) GlBG].

Wie bereits angesprochen liegt der Fokus dieser Arbeit speziell auf Mehrfachdiskriminierun- gen, also jenen Fällen von Diskriminierung(en), bei denen nicht ein einzelnes Merkmal Aus- löser für eine Ungleichbehandlung etc. ist, sondern mehrere Merkmale zum Tragen kom- men. Nachdem jeder Mensch unterschiedlichste Merkmale in sich vereint, kann auch jede Person Opfer einer solchen Diskriminierung werden, denn jeder Mensch hat ein bestimmtes Geschlecht, eine bestimmte sexuelle Orientierung, eine ethnische Herkunft und auch ein bestimmtes Alter. Der Bereich der Mehrfachdiskriminierungen ist in der Gesetzgebung noch relativ jung, was unter anderem dazu führt, dass die Definitionen und das Verständnis da- von, was unter diesem Begriff zu fassen ist, sehr heterogen sind. In Anlehnung an das anglo- amerikanische Recht, ebenso wie an die Entwicklungen im feministischen Diskurs, hat sich die Unterscheidung zwischen Mehrfachdiskriminierung und intersektioneller Diskriminierung etabliert. Veronika Bauer (2008) bezieht sich auf Timo Makkonen (2002), der in seinen Arbei- ten zu diesem Thema eine Unterteilung in Mehrfachdiskriminierung im engeren Sinne, com-

(10)

pound discrimination und intersektionelle Diskriminierung vornimmt und somit eine noch genauere Differenzierung trifft:

 „Mehrfachdiskriminierung ieS: eine Person erleidet Diskriminierung auf- grund mehrerer Gründe, jedoch erfolgt die Diskriminierung jeweils aufgrund nur eines einzigen Grundes zu einer bestimmten Zeit. Es handelt sich um ei- ne Kumulierung mehrerer Diskriminierungserfahrungen.

 Compound discrimination: in diesem Fall handelt es sich um Diskriminierung aufgrund mehrerer Gründe zur gleichen Zeit.

 Intersektionelle Diskriminierung: auch hier handelt es sich um Diskriminie- rung aufgrund mehrerer Gründe zur gleichen Zeit, jedoch führen diese 'ad- dierten' Gründe zu einem ganz spezifischen neuartigen 'Typ' von Diskriminie- rung“ (Bauer 2008: 50, Hervorhebungen im Original)

Die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) trifft eine andere Unterschei- dung. Hier versteht man unter Mehrfachdiskriminierung im Allgemeinen „eine Situation, in der eine Person aus mehr als einem Grund diskriminiert wird“ (FRA, Ungleichbehandlung und Mehrfachdiskriminierung im Gesundheitswesen, o. J.). Wobei innerhalb der Mehrfach- diskriminierungen im Allgemeinen noch einmal zwischen additiven Mehrfachdiskriminierun- gen und die intersektionellen Diskriminierungen unterschieden wird:

„Im Falle der additiven Mehrfachdiskriminierung kann zwischen den spezifischen Auswirkungen der verschiedenen Gründe differenziert werden, beispielsweise wenn eine ältere Frau an ihrem Arbeitsplatz aufgrund ihres Geschlechts und beim Zugang zur Gesundheitsversorgung aufgrund ihres Alters diskriminiert wird;

Die intersektionelle Diskriminierung hingegen basiert auf der Kombination von zwei oder mehr Eigenschaften. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn eine Roma- Frau bei einer Entbindung im Krankenhaus diskriminiert wird – wobei dies nicht nur geschieht, weil sie eine Frau ist (da nicht alle Frauen eine solche Diskriminie- rung erleben), und auch nicht nur, weil sie eine Roma ist (da nicht alle Roma – Männer und ältere Frauen beispielsweise nicht – mit dieser Problematik konfron-

(11)

tiert sind). Sie wird also aufgrund der Kombination zweier Faktoren diskriminiert:

weil sie eine Roma und eine Frau ist, die ein Kind gebährt“ (ebd., Einschub und Hervorhebungen im Original).

Dass es möglich sei, in den jeweiligen Diskriminierungssituationen zu differenzieren um wel- ches konkrete Merkmal es sich handle bzw. dass tatsächlich nur ein Merkmal relevant sei, wie es bei der additiven Mehrfachdiskriminierung der Fall ist, wurde häufig kritisiert (vgl.

Holzleithner 2010: 97f). Hierin liegt möglicherweise auch einer der Gründe für die Schwierig- keiten und noch fehlenden Regelungen bezüglich eines umfassenden Mehrfachdiskriminie- rungsschutzes.

1.2. Stand der Forschung

Aufgrund der Komplexität des Themas der vorliegenden Arbeit ergibt sich bei Betrachtung des Forschungsstandes ein ebenfalls breitgefächertes und komplexes Feld an vorhandener Literatur. Auf der einen Seite stellt der rechtliche Rahmen bezüglich des Antidiskriminie- rungsrechtes sowohl auf internationaler als auch auf europäischer Ebene einen durchaus umfassenden Korpus an Rechtsgrundlagen und Dokumenten dar, selbst wenn deren Be- kanntheitsgrad und Bedeutung bzw. Verbindlichkeit durchwegs unterschiedlich ausgeprägt sind. So haben völkerrechtliche Verträge, wie beispielsweise die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (1948) zwar einen hohen Bekanntheitsgrad und einen nicht zu unterschät- zenden moralisch bindenden Charakter, sie gehen jedoch nicht mit zwingender Rechtsver- bindlichkeit einher. Auf europäischer Ebene werden Richtlinien erlassen, die zwar für alle Mitgliedsstaaten zwingend umzusetzen sind, bei der Anpassung an und der Inkorporierung in das nationale Recht eröffnen sich jedoch durchaus große Spielräume.

Für die Auseinandersetzung mit Themenbereichen, deren Implementierung im Rechtssystem noch in den Kinderschuhen steckt, eignen sich besonders Berichte aus jenem Bereich für die nähere Analyse, die in ihrer täglichen Arbeit mit Mehrfachdiskriminierungen zu tun haben, gesellschaftliche Vorgänge und Problematiken aufzeichnen, analysieren und kritisieren. Es ist

(12)

oftmals gerade die Arbeit all jener Nichtregierungsorganisationen (NGOs) bzw. Kontrollorga- ne, die zur Erweiterung, Überarbeitung und Spezifizierung von gesetzlichen Grundlagen führt, wenn durch ihre Arbeit „von außen auf den Politikprozess und die Entscheidungsträ- ger mittels Beeinflussung der öffentlichen Meinung Druck ausgeübt“ (Frantz/Martens 2006:

58) wird oder sie aufgrund ihrer Expertise in beratender Funktion an politischen Entschei- dungsprozessen teilnehmen (vgl. ebd.: 59).

Aus diesem Grund sind besonders die Berichte der Europäischen Kommission gegen Rassis- mus und Intoleranz (European Commission against Racism and Intolerance, kurz ECRI) zu erwähnen, die im Zuge der turnusmäßig durchgeführten Überprüfungen der einzelnen Län- der veröffentlicht werden. So wurde der Bericht über Österreich beispielsweise im Jahr 2010 veröffentlicht, in dem einige Mängel hinsichtlich eines umfassenden Antidiskriminierungs- rechtes festgestellt wurden (siehe dazu Kapitel 2.4.).

Die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (European Union Agency for Funda- mental Rights, kurz FRA) veröffentlicht ebenfalls in regelmäßigen Abständen Berichte bezüg- lich der Grundrechtesituation innerhalb der Europäischen Union und liefert umfangreiche Informationen zu unterschiedlichen Themenbereichen die Grundrechte betreffend (siehe u.a. FRA: Ungleichbehandlung und Mehrfachdiskriminierung im Gesundheitswesen. o. J.).

Ebenfalls bedeutend sind in diesem Zusammenhang Berichte von NGOs, wie beispielsweise der jährliche Rassismus Report von ZARA – Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit (siehe u.a.

Rassismus Report 2013), oder der Jahresbericht der Antidiskriminierungsstelle Steiermark (Antidiskriminierungsbericht Steiermark 2013).

Eine von der Europäischen Kommission in Auftrag gegebene Studie aus dem Jahr 2007 be- schäftigte sich explizit mit dem Aspekt der Mehrfachdiskriminierung (siehe Europäische Kommission. Generaldirektion Beschäftigung, Soziales und Chancengleichheit: Bekämpfung von Mehrfachdiskriminierung 2007). An der Studie, die mittels der partizipatorischen Akti- onsforschung (PAR) durchgeführt wurde, nahmen zehn Mitgliedsstaaten (Dänemark, Frank- reich, Griechenland, Ungarn, Irland, Litauen, Rumänien, Schweden, die Niederlande und das Vereinigte Königreich) der Europäischen Union teil (vgl. ebd.: 13). Für die Erhebung der em- pirischen Daten wurde auf folgende Methoden zurückgegriffen: „Literaturanalyse, elektroni-

(13)

sche Fragebögen, Rundtischgespräche und persönliche Einzelinterviews mit fünf Personen, die einer Mehrfachdiskriminierung tatsächlich ausgesetzt waren oder dies so empfunden haben“ (ebd.). Ergebnis der Studie ist nicht nur ein umfassender Bericht, der einen breitge- fächerten Überblick zum Thema Mehrfachdiskriminierungen und ihren Erscheinungsformen bietet, sondern auch eine Sammlung von insgesamt sieben Forderungen bzw. Vorschlägen, die im Rahmen der Studie erarbeitet wurden. Die zentralen Punkte dieser Forderungen wer- den im Folgenden zusammengefasst dargestellt: An die Europäische Kommission ergeht der Vorschlag „Forschung über die Entwicklung wirksamer Schutzmechanismen und Rechtsrah- men zur Handhabung von Fällen von Mehrfachdiskriminierung“ (ebd.: 53) zu betätigen. Dar- über hinaus sollte die gesetzliche Lage verbessert werden:

„Die Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsgesetzgebung(en) der EU und der einzelnen Mitgliedstaaten sollten die Gründe Alter, Behinderung, Religi- on/Weltanschauung und sexuelle Ausrichtung auch außerhalb von Beschäftigung und Beruf abdecken, d. h. in folgenden Bereichen: a) Sozialschutz, einschließlich Sozialversicherung und Gesundheitsversorgung; b) Sozialvorteile; c) Bildung; d) Zugang zu und Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlich- keit verfügbar sind, einschließlich Wohnen. Die neue Gesetzgebung muss auch Rechtsvorschriften zur Inangriffnahme von sich überschneidender Diskriminie- rung vorsehen“ (ebd.).

Weiters wird eine bewusste Sensibilisierung, Schulung und Bildung sowie intensive Datener- hebung zum diesbezüglichen Thema gefordert (vgl. ebd.: 55). Abgesehen davon wird vorge- schlagen, Vorzeigeprojekte, innovative Ideen und sogenannte good practice Beispiele zu fördern und Nichtregierungsorganisationen (finanziell) zu unterstützen, die sich in ihrer Ar- beit dem Problem der Mehrfachdiskriminierungen annehmen (ebd.: 56).

Bezüglich der rechtlichen Antidiskriminierungslage gibt es im Bereich der Rechtswissenschaf- ten einige Publikationen, die in den meisten Fällen einzelne Teilaspekte des Antidiskriminie- rungsrechtes betrachten. Von einem zunehmend aufkommenden Interesse an der Ausei- nandersetzung mit Mehrfachdiskriminierung bzw. intersektionellen Diskriminierungen in ihrer gesamten Komplexität zeugen beispielsweise Publikationen, wie der Sammelband In-

(14)

tersektionelle Benachteiligung und Diskriminierung Soziale Realitäten und Rechtspraxis, in dem sich verschiedenste Expert_innEN1 dem Thema aus rechtlicher Sicht nähern (Phi- lipp/Meier/Apostolovski/Starl/Schmidlechner, 2014). Publiziert wurde dieser vom Europäi- schen Trainings- und Forschungszentrum für Menschenrechte und Demokratie (ETC).

Die Frauen- und Geschlechterforschung bietet ein breites Spektrum an theoretischen Ausei- nandersetzungen mit der Frage nach dem Zusammenwirken unterschiedlichster Merkmale.

Vor allem die sogenannte Zweite Frauenbewegung in den 1960ern wurde stark für den prak- tizierten „weißen Mittelschichtfeminismus“ (Thiessen 2010: 40) kritisiert, der nicht berück- sichtigte, dass Frauen, je nachdem welcher gesellschaftlichen Schicht, welcher ethnischen Herkunft oder welchem sozialen Status sie angehörten, unterschiedliche Erfahrungen mach- ten und entsprechend auch unterschiedliche Forderungen hatten. Vor allem in den USA be- gannen immer mehr Theoretiker_innen, von denen einige im Folgenden näher erwähnt werden, sich mit den unterschiedlichen Lebenserfahrungen von weißen2 und schwarzen Frauen zu beschäftigen.

1982 erschien der Text White Woman Listen! Black Feminism and the Boundaries of Sister- hood von Hazel Carby, in dem sie die These vertrat, dass „zentrale Konzepte feministischer Theoriebildung – und zwar >Familie<, >Patriarchat< sowie >Reproduktion< - für schwarze Frauen oft eine ganz andere Bedeutung haben als für weiße Frauen“ (Kerner 2010: 252, Her- vorhebungen im Original). Am Ende ihres Textes brachte Carby die Kritik am sogenannten weißen Mittelschichtfeminismus auf den Punkt: „In other words, of white feminists we must ask, what exactly do you mean when you say 'WE'?“ (Carby 1997: 52).

1 „Die vorliegende Masterarbeit wird mit Gender_gap verfasst, um deutlich zu machen, dass Personen jeden Geschlechts und jeglicher sexueller Orientierung gemeint sind. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Gender_gap nicht als Form des Anhängsels verstanden werden soll, sondern allen Personen gleichwertige Berechtigung zuteilwerden lässt. Bezüglich der Schreibweise gilt für die vorliegende Arbeit folgendes: Wenn die männliche Form aufgrund des Falles eine Veränderung der Endung verlangt, wird diese Endung durch Groß- buchstaben gekennzeichnet und gilt somit für beide Wörter. z.B.: den Jurist_innEN“ (Samonig 2013: 7)

2 Im Rahmen dieser Arbeit werden Begriffe wie Fremdes, Eigenes bzw. Anderes, westlich, westliche Gesell- schaft, der Islam, muslimische Verschleierungsformen sowie westlich-abendländisch als diskursive Konstruktio- nen verstanden. Um dies zu verdeutlichen und eine kritische Lesart der Begrifflichkeiten und ihrer Konnotatio- nen zu ermöglichen, werden diese Begriffe in der gesamten Arbeit kursiv geschrieben. Um einen kritischen Umgang mit den Begriffen weiß und schwarz deutlich zu machen, werden diese Begriffe ebenfalls kursiv ge- schrieben. Von jeglicher Form rassistischer Verwendung aller angeführten Begriffe wird explizit Abstand ge- nommen.

(15)

Zwei Jahre später kritisierte bell hooks in ihrem 1984 erschienen Artikel Black Women:

Shaping Feminist Theory, dass zwar sowohl weiße Frauen als auch schwarze Männer einer untergeordneten gesellschaftlichen Gruppe angehörten, beide jedoch immer noch eine do- minante Position gegenüber der Gruppe schwarzer Frauen einnehmen, der diese Möglich- keit verwehrt bleibt:

„White women and black men have it both ways. They can act as oppressor or be oppressed. Black men may be victimized by racism, but sexism allows them to act as exploiters and oppressors of women. White women may be victimized by sexism, but racism enables them to act as exploiters and oppressors of black people” (bell hooks 2001: 38f).

Bereits einige Jahre vor Carby und bell hooks hielt Gerda Lerner in Black Women in White America (1972) diese zweifache Unterdrückung schwarzer Frauen fest: „Belonging as they do to two groups which have traditionally been treated as inferiors by American society – Blacks and women – they have been doubly invisible” (Lerner 2001: 45). An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass sich eine große Anzahl an Feminist_inneN und Theoretiker_innen mit der besonderen Stellung schwarzer Frauen, aber beispielsweise auch jener von Hispanics, be- schäftigt haben, im Rahmen dieser Arbeit jedoch nur einzelne Theoretiker_innen hervorge- hoben werden können, unter ihnen bell hooks (2001), Carby (1982), Crenshaw (2013), Davis (2013), Mead (1974), Mohanty (1991) oder Thornton Dill (1994).

Der Anfang des Black Feminist Movement ist in den frühen 70ern zu verorten, nicht zuletzt aufgrund der Gründung der National Black Feminist Organization in New York im Jahr 1973 (vgl. Leitner/Valavanoglou 2007: 129):

„Growing out of the Black Liberation Movement and the Women´s Movement, it was established to meet the needs of black women who felt they were being ra- cially oppressed in the Women´s Movement and sexually oppressed in the Black Liberation Movement” (ebd.).

(16)

Neben dem Black Feminism Movement entwickelten sich auch weitere Strömungen, die eine nicht minder große Zahl an Vertreter_inneN aufweisen und eine kritische Position gegen- über dem weißen Mittelschichtfeminismus einnehmen. So beispielsweise die Critical Whi- teness Studies, deren Ursprung in den 1990ern in den USA zu verorten ist. Unter den aktuel- len Forscher_inneN im deutschsprachigen Forschungsraum wäre hier vor allem Gabriele Dietze (2006) zu nennen, die sich in vielen Publikationen und Arbeiten sowohl mit der Criti- cal Whiteness Theory als auch mit dem kritischen Okzidentalismus beschäftigt. Im Rahmen der Critical Whiteness Studies geht es darum, „die Mechanismen und Prozesse ebenso wie die Effekte nachzuvollziehen, die im Zusammenhang der Herausbildung von Weißsein als gesellschaftlicher Norm eine Rolle gespielt haben und die im Zusammenhang der Aufrecht- erhaltung dieser Norm zentral sind“ (Kerner 2010: 262), wobei davon ausgegangen wird, dass „Weißsein als unsichtbare Norm all denjenigen, die ihr entsprechen, das Privileg ge- währt, vermeintlich frei von ethnischer und »rassischer« Markierung zu sein“ (ebd. 261, Her- vorhebung im Original). Auch im Zuge der Postkolonialen Kritik entstanden einige Werke, in denen das globale Sisterhood Konzept kritisiert und hinterfragt wurde. So erschien 1984 bei- spielsweise der Aufsatz Under Western Eyes. Feminist Scholarship and Colonial Discourses von Chandra Talpade Mohanty, den sie später unter dem Titel >Under Western Eyes< Revisi- ted: Feminist Solidarity through Anticapitalist Struggles (2002) in überarbeiteter, erweiterter Form ein weiteres Mal veröffentlichte. Mohanty kritisierte „die diskursive Kolonialisierung von Frauen im Süden im Kontext des globalen Feminismus“ (Kerner 2010: 255), denn dadurch „werde ein duales Modell konstruiert von sexuell unterdrückten, armen, ungebilde- ten, traditionellen, familienorientierten etc. >Dritte-Welt-Frauen< einerseits und deren soli- darischen Schwestern aus dem Westen andererseits“ (ebd., Hervorhebung im Original). Bei Mohanty wird darüber hinaus ein Aspekt angesprochen, der auch im Laufe dieser Arbeit auf- gegriffen wird: die eigene Selbstdefinition und Selbstaufwertung in Abgrenzung zu dem An- deren, dem Fremden. Mohanty legt dar, dass die Selbstdefinition von „Western women as secular, liberated, and having control over their own lives“ (Mohanty 74) nur durch die (dis- kursive) Konstruktion eines bestimmten Bildes „[of] the third world woman“ (ebd.) gelingt.

Mohanty geht noch einen Schritt weiter, wenn sie schreibt:

„Similarly, only from the vantage point of the West is it possible to define the 'third world as underdeveloped and economically dependent. Without the over-

(17)

determined discourse that creates the third world, there would be no (singular and privileged) first world” (ebd., Hervorhebungen und Einschub im Original).

Diese Kritik an der eigenen Selbstaufwertung über die gleichzeitige Abwertung des Anderen findet sich nicht nur bei Mohanty aus einer feministischen Perspektive heraus, sondern auch bei vielen Vertreter_inneN der postcolonial studies (u. a. Said 2003, Coronil 2002) oder des kritischen Okzidentalismus (u.a. Dietze 2010).

Wie bereits erwähnt, ist für eine Auseinandersetzung mit Mehrfachdiskriminierungen die Betrachtung der Wechselwirkung einzelner Merkmale einer Person von entscheidender Be- deutung. Kimberlé W. Crenshaw (2013), auf deren Ansatz im Laufe der Arbeit noch näher eingegangen wird, prägte den Begriff der Intersektionalität, mit dem sie eben diese Verwo- benheit unterschiedlichster Merkmale beschrieb (siehe Kapitel 3.2.).

1.3. Methodischer Ansatz

Für die vorliegende Arbeit wurden relevante Gesetzestexte aus dem internationalen, euro- päischen und nationalen Kontext herangezogen, die Antidiskriminierungsregelungen im All- gemeinen und Regelungen bezüglich Mehrfachdiskriminierungen im Speziellen enthalten.

Weiters wurde auf wissenschaftliche Publikationen zurückgegriffen, die sich mit (Mehr- fach)Diskriminierungen aufgrund unterschiedlichster Merkmale befassen sowie Publikatio- nen zu Intersektionalität, um so eine umfassende theoretische Grundlage zu schaffen, auf deren Basis ein Zusammendenken von gesellschaftspolitischen Ansichten und Umgängen mit Mehrfachdiskriminierungen mit dem diesbezüglichen rechtlichen Rahmen möglich wird.

Die vorliegende Arbeit kann in ihrer methodischen Herangehensweise der Critical Discourse Analysis, der kritischen Diskursanalyse (CDA) zugeordnet werden, der die Annahme zugrun- de liegt, dass Sprache und Handeln sich gegenseitig beeinflussen:

(18)

„Sprachgebrauch ist zugleich praktisches Tun und Prozessierung (auch Zuschrei- bung) von Sinn bzw. Bedeutung; beide Dimensionen können als sozialer und zu- gleich sozial strukturierter Prozess verstanden werden. Dabei besteht eine dia- lektische Beziehung zwischen Diskursen und der ihren Kontext bildenden Sozial- struktur: beide wirken wechselweise als Bedingungen und Effekte. Diskurse kon- stituieren Welt, und sie werden umgekehrt durch sie konstituiert; sie (re- )produzieren und transformieren Gesellschaft; sie leisten die Konstruktion sozia- ler Identitäten, die Herstellung sozialer Beziehungen zwischen Personen und die Konstruktion von Wissens- und Glaubenssystemen“ (Keller 2007: 28).

In diesem Sinne wird die wissenschaftlich geführte Debatte über Intersektionalität bzw. über das Zusammenwirken verschiedener Merkmale einer Person als sprachlicher Diskurs ver- standen, der gesellschaftliche Wertvorstellungen und Normen aufgreift, debattiert, analy- siert und kritisiert, der jedoch gleichzeitig dazu beiträgt, eben diese Wertvorstellungen zu verändern, zu öffnen und zu prägen. Auch wenn die Wissenschaft oftmals mit dem Vorwurf konfrontiert ist, auf einer zu "abgehobenen", rein theoretischen, dem realen gesellschaftli- chen Diskurs zu weit entfernten Ebene stattzufinden, wird hier der Ansatz vertreten, dass sowohl wissenschaftliche Diskurse als auch außeruniversitäre Diskurse einander befruchten und vertiefen. Daher werden in der vorliegenden Arbeit unter dem gesellschaftlichen Diskurs bzw. dem Umgang der Gesellschaft mit Mehrfachdiskriminierungen sowohl die wissen- schaftliche Debatte als auch außeruniversitäre Positionen und Wertvorstellungen verstan- den. Dieser gesellschaftliche Diskurs prägt das Weltbild einer Gesellschaft und hat in weite- rer Folge Auswirkungen auf die Entstehung bzw. Veränderung und die Legitimierung von Gesetzestexten. Insofern kann eine Betrachtung des Antidiskriminierungsrechtes nur unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen Wertvorstellungen und Diskurse vorgenommen wer- den.

Diesen Zusammenhang verdeutlicht auch die Auflistung der Grundannahmen der CDA, wie sie bei Titscher/Wodak/Meyer/Vetter (1998) in Anlehnung an Wodak (1996) zu finden ist:

„1. Die Kritische Diskursanalyse beschäftigt sich mit sozialen Problemen. Es geht ihr nicht um Sprache oder Sprachgebrauch per se, sondern um den

(19)

linguistischen Charakter sozialer und kultureller Prozesse und Strukturen.

[…]

2. Machtbeziehungen sind diskursiv […], und die Kritische Diskursanalyse studiert sowohl Macht im Diskurs als auch Macht über den Diskurs.

3. Gesellschaft und Kultur stehen in einer dialektischen Beziehung zum Dis- kurs: Gesellschaft und Kultur werden diskursiv geschaffen, konstituieren aber auch gleichzeitig den Diskurs. Jedes einzelne Moment des Sprach- gebrauchs reproduziert oder transformiert Gesellschaft und Kultur inklu- sive der Machtbeziehungen. […]

8. Diskurs ist eine Form sozialer Handlung.“

(Titscher/Wodak/Meyer/Vetter 1998: 180f).

Ausgehend von der Annahme, dass Diskurse Gesellschaft konstituieren und transformieren und so zu Handlungen führen (können), wird diese Arbeit als Beitrag zu einem Diskurs über das Vorhandensein von diskriminierenden hierarchischen Verhältnissen innerhalb der Ge- sellschaft gesehen, dessen Ziel soziale Handlungen im Sinne von verbesserten gesetzlichen Bestimmungen einerseits und offeneren, diskriminierungsfreien Werthaltungen der Gesell- schaftsmitglieder andererseits sein sollte.

2. Antidiskriminierung und der Gesetzgeber

Zwar besteht durchwegs ein einheitlicher Tenor, wonach Diskriminierungen jeglicher Form durch gesetzliche Regelungen eingeschränkt bzw. bekämpft werden sollten, die diesbezügli- che Rechtslage entpuppt sich jedoch als ein sehr komplexes und vor allem für Nicht- Jurist_innEN schwer handhabbares Gebilde. Insofern erscheint eine Übersicht über die rele- vantesten rechtlichen Grundsätze bezüglich des Themas der Antidiskriminierung durchaus sinnvoll, bevor konkret auf den Aspekt der Mehrfachdiskriminierung eingegangen werden kann.

(20)

2.1. Internationale Rechtslage

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (1948) der Vereinten Nationen (United Na- tions Organization, UNO) ist auf internationaler Ebene das erste und bekannteste Dokument, in dem menschenrechtliche Grundrechte für alle Menschen verankert sind. Hier macht be- reits Artikel 1 deutlich, dass jede Person „frei und gleich an Würde und Rechten geboren“

[Art. 1 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, Resolution 217 A (III), 1948] ist. Weiters werden in Artikel 2 all jene Merkmale festgehalten, auf Grund derer es nicht erlaubt ist, ei- nem Menschen die ihm zustehenden Grundrechte der Allgemeinen Erklärung der Men- schenrechte zu verweigern:

„Jeder3 hat Anspruch auf alle in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Frei- heiten, ohne irgendeinen Unterschied, etwa nach Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Anschauung, nationaler oder sozia- ler Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand.

Des weiteren [sic!] darf kein Unterschied gemacht werden auf Grund der politi- schen, rechtlichen oder internationalen Stellung des Landes oder Gebietes, dem eine Person angehört, gleichgültig ob dieses unabhängig ist, unter Treuhand- schaft steht, keine Selbstregierung besitzt oder sonst in seiner Souveränität ein- geschränkt ist“ (ebd. Art. 2).

In Bezug auf den Schutz vor Diskriminierung ist besonders Artikel 7 der Allgemeinen Erklä- rung der Menschenrechte von besonderer Bedeutung:

„Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich und haben ohne Unterschied An- spruch auf gleichen Schutz durch das Gesetz. Alle haben Anspruch auf gleichen Schutz gegen jede Diskriminierung, die gegen diese Erklärung verstößt, und ge- gen jede Aufhetzung zu einer derartigen Diskriminierung“ (ebd. Art. 7).

3 Alle wörtlichen Literaturzitate sowie Gesetzestexte dieser Arbeit wurden wortgetreu übernommen und somit nicht in geschlechtergerechte Sprache gebracht. Sie unterscheiden sich daher von der Schreibweise des restli- chen Textes, insofern sie nicht bereits im Original in einer geschlechtergerechten Schreibweise verfasst wur- den.

(21)

Im Grunde kann das Diskriminierungsverbot als entscheidende Grundlage für alle verbrieften Menschenrechte gesehen werden, sozusagen als eine ihnen gemeinsame Quintessenz. Dies wird auch in der folgenden Erläuterung von Heiner Bielefeldt (2010) sichtbar:

„Alle konkreten menschenrechtlichen Verbürgungen – zum Beispiel die Religions- freiheit, das Recht auf Bildung, Fairnessregeln im Strafprozess oder das Recht auf Ehe und Familie – müssen nach dem Grundsatz der Nicht-Diskriminierung ge- währleistet werden. Andernfalls wären diese Rechte keine Menschenrechte, sondern lediglich Privilegien“ (Bielefeldt 2010: 23).

Neben der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte finden sich auf internationaler Ebene noch weitere relevante Dokumente, die explizit einzelne geschützte Merkmale in den Mit- telpunkt stellen. So beispielsweise das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Ras- sendiskriminierung (International Convention on the Elimination of All Forms of Racial Discrimination, kurz CERD) aus dem Jahr 1969, die 1981 in Kraft getretene UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women, kurz CEDAW) oder auch die Konvention zum Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderungen (Convention on the Rights of Persons with Disabilities, kurz CRPD) aus dem Jahr 2008. Des Weiteren muss auf den 1966 abge- schlossenen Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (UN-Pakt II bzw.

ICCPR International Covenant on Civil and Political Rights) verwiesen werden, der im Jahre 1976 in Kraft getreten ist. Artikel 26 verbrieft auch hier, wie es bereits in Artikel 2 der Allge- meinen Erklärung der Menschenrechte zu lesen ist, explizit einen Diskriminierungsschutz für alle Menschen:

„Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich und haben ohne Diskriminierung An- spruch auf gleichen Schutz durch das Gesetz. In dieser Hinsicht hat das Gesetz jede Diskriminierung zu verbieten und allen Menschen gegen jede Diskriminie- rung, wie insbesondere wegen der Rasse, der Hautfarbe, des Geschlechts, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, des Vermögens, der Geburt oder des sonstigen Status, gleichen und wirksamen Schutz zu gewährleisten“ (ICCPR Art. 26).

(22)

Die Staaten sind demnach verpflichtet, Menschen vor Diskriminierungen auf Grund der an- geführten Merkmale zu schützen. In Österreich wurde der ICCPR 1978 ratifiziert, bezüglich Artikel 26 wurde jedoch ein Vorbehalt eingebracht, dem zu Folge wird Artikel 26 so verstan- den, dass „er eine unterschiedliche Behandlung von Inländern und Ausländern, wie sie auch nach Art. 1 Abs. 2 des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung zulässig ist, nicht ausschließt“ (ICCPR, Vorbehalte der Staaten).

Inwieweit dies in der tatsächlichen Praxis des Gesetzgebers relevant ist, sei an dieser Stelle dahingestellt, dass jedoch ein derartiger Vorbehalt eingebracht wurde, sollte zu einem Hin- terfragen der grundsätzlichen Einstellung Österreichs in Bezug auf Gleichbehandlung aller Menschen anregen.

Diskriminierungen im Arbeitsbereich sind keine Seltenheit, weshalb an dieser Stelle auch auf einzelne Abkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (International Labour Organiza- tion, kurz ILO) verwiesen werden muss. Das 1960 in Kraft getretene Übereinkommen über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf (Convention concerning Discrimination in Respect of Employment and Occupation, Nr. 111) hält in Artikel 1 Abs. 1(a) folgendes fest:

„Im Sinne dieses Übereinkommens gilt als „Diskriminierung"

a) jede Unterscheidung, Ausschließung oder Bevorzugung, die auf Grund der Rasse, der Hautfarbe, des Geschlechts, des Glaubensbekenntnisses, der politi- schen Meinung, der nationalen Abstammung oder der sozialen Herkunft vorge- nommen wird und die dazu führt, die Gleichheit der Gelegenheiten oder der Be- handlung in Beschäftigung oder Beruf aufzuheben oder zu beeinträchtigen“ [ILO Übereinkommen Nr. 111, Art. 1 Abs. 1(a)].

Bereits 1953 trat das Übereinkommen über die Gleichheit des Entgelts männlicher und weib- licher Arbeitskräfte für gleichwertige Arbeit (Equal Remuneration Convention, Übereinkom- men Nr. 100) der ILO in Kraft. Dass die Forderung nach gleichem Entgelt unabhängig vom Geschlecht der jeweiligen Person noch nicht in allen Bereichen tatsächlich erreicht ist, ist jedoch weitgehend bekannt (siehe dazu u.a. Winter 2010; Krell/Winter 2011).

(23)

2.2. Europäische Rechtslage

Auf europäischer Ebene gilt die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grund- freiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention, kurz EMRK) von 1950, die vom Europa- rat erlassen wurde, als wichtigstes Menschenrechtsdokument. In der EMRK finden sich grundlegende Freiheiten und Menschenrechte, wie beispielsweise das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit (Art. 9 Abs. 1), oder auch das Recht auf ein faires Verfahren (Art. 6) und damit verbunden das Recht auf eine „unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher […] wenn sie [Anm.: die angeklagte Person] die Verhandlungssprache des Ge- richts nicht versteht oder spricht“ [EMRK Art. 6 Abs.3 (e)], wodurch implizit einer Diskrimi- nierung auf Grund der Sprache, der nationalen Herkunft oder auch auf Grund von Behinde- rung vorgebeugt wird. Darüber hinaus kennt die EMRK ein explizites Diskriminierungsverbot:

„Der Genuss der in dieser Konvention anerkannten Rechte und Freiheiten ist oh- ne Diskriminierung insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Haut- farbe, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Min- derheit, des Vermögens, der Geburt oder eines sonstigen Status zu gewährleis- ten“ (EMRK Art. 14).

Der Wortlaut von Art. 14 der EMRK unterscheidet sich nicht wesentlich von jenem des Art. 2 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, jedoch wird hier die Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit als geschütztes Merkmal hinzugefügt und der Rahmen der geschütz- ten Merkmale somit etwas weitergefasst. Wichtig ist jedoch, dass das Diskriminierungsver- bot aus Artikel 14 der EMRK, „welches Diskriminierungen nur in Bezug auf den Genuss der durch die Konvention und Zusatzprotokolle anerkannten Rechte und Freiheiten verbietet“

(humansrights.ch, 12. Zusatzprotokoll zur EMRK) nicht als allgemeines Diskriminierungsver- bot zu verstehen ist. Dafür wurde das 12. Zusatzprotokoll zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (SEV-Nr.: 177) verabschiedet, das eben diesen allge- meinen und umfassenden Schutz gewährleisten soll. Bis dato wurde das Zusatzprotokoll al- lerdings erst von achtzehn Mitgliedsstaaten ratifiziert. Österreich zählt nicht dazu. Dieser Umstand wurde von der European Commission against Racism and Intolerance (ECRI) in ei-

(24)

nem Länderbericht über Österreich bereits im Jahr 2010 scharf kritisiert, diese „empfiehlt den österreichischen Behörden dringend, Protokoll Nr. 12 zur EMRK zu ratifizieren“ (ECRI Bericht 2010: 11). Die EMRK genießt in Österreich, anders als beispielsweise in Deutschland, gemäß dem Bundesverfassungsgesetz 59 vom 4. März 1964 Verfassungsrang (vgl. BGBL Nr.

59/1964) und wurde somit innerstaatlich auf oberster Gesetzesebene verankert.

Neben der EMRK muss auch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union Erwähnung finden. Seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon im Jahr 2009 (vgl. ABl. C 306/01 vom 17.12.2007) finden sich die Grundlagen für Antidiskriminierungsmaßnahmen seitens der EU im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, kurz AEUV, in Art. 19 (ex- Art. 13 EGV) (vgl. ABl. EG Nr. C 115 vom 9.5.2008). Mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon wurde auch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union in der Fassung von 2007 (ABl. 2007/C 303/01 vom 14.12.2007) für die Unterzeichnerstaaten verbindlich, da „die Grundrechte-Charta Bestandteil des Vertragswerkes von Lissabon“ (Streinz/Ohler/Herrmann 2008: 96) ist.

In ihr beruft sich die Europäische Union in Artikel 22 darauf „die Vielfalt der Kulturen, Religi- onen und Sprachen“ (Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 22) der Union zu achten. In Artikel 21 wird auch hier explizit ein Diskriminierungsverbot festgehalten:

„(1) Diskriminierungen, insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder sonsti- gen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermö- gens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung, sind verboten.

(2) Im Anwendungsbereich des Vertrags zur Gründung der Europäischen Ge- meinschaft und des Vertrags über die Europäische Union ist unbeschadet der be- sonderen Bestimmungen dieser Verträge jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten“ (ebd. Art. 21 Abs. 1 und 2).

Erwähnenswert erscheint die Erweiterung der zu schützenden Merkmale. Im Unterschied beispielsweise zu Artikel 2 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte finden sich hier

(25)

auch die Merkmale Behinderung, Alter oder sexuelle Ausrichtung unter jenen Aspekten, auf Grund derer eine Diskriminierung der jeweiligen Person zu verbieten ist. Dass die „Gleichheit von Männern und Frauen [ist] in allen Bereichen, einschließlich der Beschäftigung, der Arbeit und des Arbeitsentgelts, sicherzustellen“ (ebd. Art. 23) ist, wird in Artikel 23 der Charta der Grundrechte noch einmal gesondert festgehalten.

2.3. Nationale Rechtslage in Österreich

Im Hinblick auf Antidiskriminierungsregelungen gestaltet sich die Rechtslage in Österreich durchwegs kompliziert und unübersichtlich. Dies wurde unter anderem im Länderbericht über Österreich 2010 von der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) kritisiert:

„Für ECRI ist in diesem Zusammenhang besonders auffällig, dass in Sachen Anti- diskriminierungsgesetzgebung eine große Fragmentierung herrscht (mehr als 20 Bundes- und Landesgesetze) und dass es so viele verschiedene Institutionen und Verfahren gibt. Diese Tatsache führt zu einer Komplexität des von Österreich ge- schaffenen Systems, die mit der föderalistischen Struktur allein nicht gerechtfer- tigt werden kann und nicht nur möglicherweise die Öffentlichkeit auf Distanz hält, sondern auch seine Effizienz beeinträchtigen kann. Es handelt sich dabei um eine Schwachstelle, auf die nicht bloß Vertreter der Zivilgesellschaft, sondern auch mehrere internationale Einrichtungen bereits hingewiesen haben“ (ECRI Bericht 2010: 25).

Somit gilt es im Folgenden einen groben Überblick über die unterschiedlichen Gesetze zu geben, auf die man sich, je nach Diskriminierungsgrund und Kontext, beziehen kann. Inner- staatlich verpflichtet die Österreichische Bundesverfassung (B-VG) Behörden und Verwal- tung gemäß Artikel 7 Absatz 1 B-VG zu einer Gleichbehandlung aller Bürger_innen Öster- reichs vor dem Gesetz:

(26)

„Artikel 7. (1) Alle Staatsbürger sind vor dem Gesetz gleich. Vorrechte der Ge- burt, des Geschlechtes, des Standes, der Klasse und des Bekenntnisses sind aus- geschlossen. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Die Republik (Bund, Länder und Gemeinden) bekennt sich dazu, die Gleichbehand- lung von behinderten und nichtbehinderten Menschen in allen Bereichen des täglichen Lebens zu gewährleisten.

(2) Bund, Länder und Gemeinden bekennen sich zur tatsächlichen Gleichstellung von Mann und Frau. Maßnahmen zur Förderung der faktischen Gleichstellung von Frauen und Männern insbesondere durch Beseitigung tatsächlich bestehen- der Ungleichheiten sind zulässig“ (B-VG Art. 7 Abs. 1 und 2).

Zu erwähnen sind auch die Artikel 66 und 67 des Staatsvertrages von St. Germain, der seit 1920 in Kraft ist und dessen Abschnitt V des III. Teils, welchem die genannten Artikel zuzu- ordnen sind, gemäß Artikel 149 Absatz 1 B-VG Verfassungsrang genießt. Bürgerliche und politische Rechte müssen demnach allen österreichischen Staatsbürger_inneN unabhängig ihrer „Rasse, der Sprache oder Religion“ (Staatsvertrag von St. Germain, Art. 66) sowie deren

„Glauben oder Bekenntnis“ (ebd.) gewährt werden. Artikel 67 hält fest: „Österreichische Staatsangehörige, die einer Minderheit nach Rasse, Religion oder Sprache angehören, genie- ßen dieselbe Behandlung und dieselben Garantien, rechtlich und faktisch, wie die anderen österreichischen Staatsangehörigen […]“ (ebd. Art. 67).

Die wohl bekanntesten Gesetze im Rahmen der Antidiskriminierungsregelungen auf Bundes- ebene sind das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz (1993), kurz B-GlBG, für den öffentlichen Dienst sowie das Gleichbehandlungsgesetz (2004), kurz GlBG, für Arbeitsverhältnisse der Privatwirtschaft. Das Gleichbehandlungsgesetz sieht im ersten Teil einen Schutz vor Diskri- minierung auf Grund des Geschlechts sowohl im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhält- nis (GlBG §3), als auch in der sonstigen Arbeitswelt (GlBG §4), beispielsweise bei Berufsbera- tung und Berufsausbildung, vor. Der zweite Teil bezieht sich auf die „Gleichbehandlung in der Arbeitswelt ohne Unterschied der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder Weltan- schauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung“ (GlBG II. Teil). Somit garantiert §17 (1), im gleichen Wortlaut wie §3 bezogen auf das Geschlecht, im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis folgenden Diskriminierungsschutz:

(27)

„§ 17. (1) Auf Grund der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder Weltan- schauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung darf im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert wer- den, insbesondere nicht

1. bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses, 2. bei der Festsetzung des Entgelts,

3. bei der Gewährung freiwilliger Sozialleistungen, die kein Entgelt darstellen, 4. bei Maßnahmen der Aus- und Weiterbildung und Umschulung,

5. beim beruflichen Aufstieg, insbesondere bei Beförderungen, 6. bei den sonstigen Arbeitsbedingungen,

7. bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ (GlBG §17 Abs. 1).

Darüber hinaus wird in §18 ein Diskriminierungsschutz in der sonstigen Arbeitswelt verbrieft, wie oben bereits für Diskriminierungen auf Grund des Geschlechts in Zusammenhang mit §4 angeführt wurde. Teil drei des GlBGs sieht weiters einen Diskriminierungsschutz für sonstige Bereiche vor, jedoch explizit nur für die Merkmale Geschlecht und ethnische Zugehörigkeit.

Zu den sogenannten sonstigen Bereichen zählt die „Versorgung mit Gütern und Dienstleis- tungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich Wohnraum, sofern dies in die unmittelbare Regelungskompetenz des Bundes fällt“ (GlBG §30 Abs. 1). Für das Merkmal der ethnischen Zugehörigkeit wird dies noch erweitert um die Bereiche „Sozialschutz, ein- schließlich der sozialen Sicherheit und der Gesundheitsdienste“ (GlBG §30 Abs. 2), „sozia- le[n] Vergünstigungen“ (ebd.) und „Bildung“ (ebd.). Seit der Novellierung des GlBGs 2011 ist nun laut § 36 GlBG auch die diskriminierende Ausschreibung von Wohnraum verboten (vgl.

III Teil, §36 GlBG) sowie gemäß § 37 GlBG eine Verwaltungsstrafbestimmung bei diskriminie- rendem Inserieren von Wohnraum vorgesehen. Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass sich diese Regelungen lediglich auf diskriminierende Ausschreibungen im Hinblick auf Geschlecht oder ethnische Zugehörigkeit beziehen. Werden beispielsweise Menschen auf Grund ihrer sexuellen Orientierung oder aber ihres sozialen Status bei Wohnungsinseraten diskriminiert, so besteht kein gesetzlicher Schutz vor dieser Diskriminierung.

Mit der angesprochenen Dreiteilung des GlBGs geht das Entstehen unterschiedlicher Schutz- niveaus einher, da in gewissen Lebensbereichen, wie beispielsweise den sonstigen Bereichen

(28)

(Wohnraum etc.) lediglich zwei Merkmale geschützt sind, während andere hier keine Erwäh- nung finden. Somit wird es nicht nur unmöglich sich bei diskriminierenden Situation, bei- spielsweise aufgrund des Alters oder der sexuellen Orientierung in sonstigen Bereichen, auf entsprechende Gesetzestexte zu berufen, es erschwert auch die Geltendmachung einer Mehrfachdiskriminierung, wenn beispielsweise ein weiteres Merkmal relevant wurde, je- doch von dem entsprechenden Teil des GlBGs nicht geschützt wird. Immerhin wird in allen Teilen des GlBGs festgehalten, dass im Falle einer Mehrfachdiskriminierung dies bei der Be- messung der Entschädigung zu berücksichtigen sei: „Liegt eine Mehrfachdiskriminierung vor, so ist darauf bei der Bemessung der Höhe der Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung Bedacht zu nehmen“ [§ 26 (13), § 51 (10) sowie § 12 (13) GlBG].

Nicht zu verwechseln ist das Gleichbehandlungsgesetz mit dem Bundes- Gleichbehandlungsgesetz (B-GlBG). Dieses gilt für „Bedienstete des Bundes, KundIn- nen/KlientInnen von Bundesbehörden [und] Studierende an Universitäten“ (ADST, Rechts- schutz gegen Diskriminierung: 9). Hier garantiert §4 „im Zusammenhang mit einem Dienst- oder Ausbildungsverhältnis“ (B-GlBG) einen Schutz vor Diskriminierung auf Grund des Ge- schlechts in folgenden Bereichen:

„1. bei der Begründung des Dienst- oder Ausbildungsverhältnisses, 2. bei der Festsetzung des Entgelts,

3. bei der Gewährung freiwilliger Sozialleistungen, die kein Entgelt darstellen,

4. bei Maßnahmen der ressortinternen Aus- und Weiterbildung, 5. beim beruflichen Aufstieg, insbesondere bei Beförderungen und der

Zuweisung höher entlohnter Verwendungen (Funktionen), 6. bei den sonstigen Arbeitsbedingungen und

7. bei der Beendigung des Dienst- oder Ausbildungsverhältnisses“

(B-GlBG §4).

In Bezug auf die ethnische Zugehörigkeit, Religion oder Weltanschauung, das Alter oder die sexuelle Orientierung wird dieser Schutz vor Diskriminierung – mit dem gleichen Wortlaut

(29)

wie in §4 – in §13 B-GlBG verbrieft. Für Bedienstete des Landes bzw. der Gemeinden ist dar- über hinaus das jeweilige Landes-Gleichbehandlungsgesetz (L-GlBG) relevant.

Erwähnenswert sind auch die Regelungen von § 5 (3) bzw. § 5 (4) des GlBGs. Demnach liegt eine Diskriminierung „auch bei Anweisung einer Person zur Diskriminierung vor“ [§ 5 (3) GlBG] bzw. dann „wenn eine Person auf Grund ihres Naheverhältnisses zu einer Person we- gen deren Geschlechts diskriminiert wird“ [§ 5 (4) GlBG]. Der Schutz vor Diskriminierung auf- grund eines Naheverhältnisses wird darüber hinaus auch in § 19 (4) GlBG für die Merkmale ethnische Zugehörigkeit, Religion oder Weltanschauung, Alter und sexuelle Orientierung in der Arbeitswelt garantiert. Während das GlBG sowohl für die Arbeitswelt als auch für die sonstigen Bereiche, zu denen beispielsweise der Zugang zu Gütern und Dienstleistungen zu zählen ist, die Anweisung zu einer Diskriminierung verbietet, variiert der Schutzrahmen bei der Diskriminierung aufgrund eines Naheverhältnisses zu einer Person je nach geschützten Merkmalen des entsprechenden Teiles des GlBGs. Für die sonstigen Bereiche gilt der Diskri- minierungsschutz bei einem Naheverhältnis somit dann, wenn die Person die diskriminiert wird aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer ethnischen Herkunft diskriminiert wird.

Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) hält in ihrem Prüfungs- bericht über Österreich aus dem Jahr 2010 fest, dass durch die Einführung der Gleichbe- handlungsgesetze in Österreich die Vorgaben der EU-Richtlinien 2000/43/EG und 2000/78/EG erfüllt wurden (vgl. ECRI Bericht 2010: 9). Weiters wird positiv vermerkt, dass

„laut neuer Gesetzgebung die Verbreitung einer diskriminierenden Stellenanzeige als Ver- waltungsübertretung zu behandeln“ (ebd.) ist.

Für Menschen mit Behinderung ist der Diskriminierungsschutz im Arbeitsbereich durch das Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) geregelt. „Verwaltungshandeln des Bundes, Privat- geschäfte [und] Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen“ (ADST, Rechtsschutz gegen Diskriminierung: 11) fallen in das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz (BGStG).

Neben den genannten Gesetzen, die als die "klassischen" Antidiskriminierungsgrundlagen bekannt sind, gibt es durchaus noch weitere bedeutende Artikel unterschiedlichster Doku-

(30)

mente, denen in einzelnen Diskriminierungsfällen ebenso entscheidende Relevanz zukommt.

Im Folgenden werden diese in einem zusammenfassenden Überblick dargestellt.

Nicht unbekannt sind Diskriminierungsfälle, bei denen Personen auf Grund verschiedenster Merkmale, sei es die Hautfarbe, die (vermutete) ethnische Herkunft oder auch die Sprache, der Eintritt in Diskotheken verwehrt wird. Diesbezüglich sind die Formulierungen von Artikel III Absatz 1, Z. 3 und 4 des Einführungsgesetzes zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen (EGVG), welches seit 2008 in Kraft ist, von besonderer Bedeutung. Das EGVG schützt Privat- personen und verpflichtet unter anderem Dienstleistungsunternehmen, Lokalbesitzer_innen oder Sicherheitsdienste, aber auch Privatpersonen (vgl. ADST, Rechtsschutz gegen Diskrimi- nierung: 13):

„Artikel III (1) Wer […]

3. einen anderen aus dem Grund der Rasse, der Hautfarbe, der nationalen oder ethnischen Herkunft, des religiösen Bekenntnisses oder einer Behinderung dis- kriminiert oder ihn hindert, Orte zu betreten oder Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, die für den allgemeinen öffentlichen Gebrauch bestimmt sind, oder

4. nationalsozialistisches Gedankengut im Sinne des Verbotsgesetzes, StGBl. Nr.

13/1945, in der Fassung des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. Nr. 25/1947, ver- breitet,

begeht, in den Fällen der Z 3 oder 4 dann, wenn die Tat nicht nach anderen Ver- waltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist, eine Verwal- tungsübertretung […]“ [EGVG, Art. (1) Z. 3 und 4].

Für die Inanspruchnahme von Gütern und Dienstleistungen eines Gewerbebetriebes findet sich in der Gewerbeordnung (GewO) von 1994 eine Regelung, die Kund_inEN eines Gewer- bebetriebs vor diskriminierendem Verhalten ihnen gegenüber schützt, da sie den bzw. die Gewerbeinhaber_in in die Pflicht nimmt, sich entsprechend den vorgegebenen Schutzinte- ressen zu verhalten:

(31)

„§ 87. (1) Die Gewerbeberechtigung ist von der Behörde (§ 361) zu entziehen, wenn […]

3. der Gewerbeinhaber infolge schwerwiegender Verstöße gegen die im Zusam- menhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen, insbesondere auch zur Wahrung des Ansehens des Be- rufsstandes, die für die Ausübung dieses Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt […]“ [GewO §87 (1) Z. 3, Hervorhebung nicht im Original].

Dass Diskriminierungen ebenfalls unter den Begriff der sogenannten Schutzinteressen fallen, wird, unter Bezugnahme auf den zuvor bereits angesprochenen Artikel aus dem EGVG, in

§87 (1) GewO festgehalten:

„Schutzinteressen gemäß Z 3 sind insbesondere die Hintanhaltung […] der Dis- kriminierung von Personen allein auf Grund ihrer Rasse, ihrer Hautfarbe, ihrer nationalen oder ethnischen Herkunft, ihres religiösen Bekenntnisses oder einer Behinderung (Art. III Abs. 1 Z 3 des Einführungsgesetzes zu den Verwaltungsver- fahrensgesetzen 2008 - EGVG, BGBl. I Nr. 87/2008)“ [GewO §87 (1)].

Nicht zuletzt finden sich im Bundesgesetz vom 23. Jänner 1974 über die mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlungen (kurz Strafgesetzbuch bzw. StGB) einige nennenswerte Rege- lungen. Beispielsweise jene bezüglich der Beleidigung von anderen Personen:

„§ 115. (1) Wer öffentlich oder vor mehreren Leuten einen anderen beschimpft, verspottet, am Körper mißhandelt [sic!] oder mit einer körperlichen Mißhand- lung [sic!] bedroht, ist, wenn er deswegen nicht nach einer anderen Bestimmung mit strengerer Strafe bedroht ist, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen zu bestrafen.

(2) Eine Handlung wird vor mehreren Leuten begangen, wenn sie in Gegenwart von mehr als zwei vom Täter und vom Angegriffenen verschiedenen Personen begangen wird und diese sie wahrnehmen können“ [StGB §115 (1) und (2)].

(32)

Problematisch ist diese Regelung insofern, als dass es immer der Anwesenheit von mehreren Personen bedarf, damit sie geltend gemacht werden kann, was in alltäglichen Situationen auf der Straße, in einem Geschäft oder öffentlichen Verkehrsmitteln nicht immer zwingend der Fall sein muss. Darüber hinaus müssen die anwesenden Personen eine derartige Tat auch in weiterer Folge bezeugen. Beleidigungen werden somit in vielen Fällen gar nicht erst zur Anzeige gebracht bzw. können nicht nach den genannten Regelungen des StGB judiziert werden, da oftmals niemand, abgesehen vom Opfer, diese Handlungen bezeugen kann.

Im Falle von Verhetzung bzw. Verletzung der Menschenwürde können sich Privatpersonen auch auf §283 StGB berufen, der folgendes festhält:

„§ 283. (1) Wer öffentlich auf eine Weise, die geeignet ist, die öffentliche Ord- nung zu gefährden, oder wer für eine breite Öffentlichkeit wahrnehmbar zu Ge- walt gegen eine Kirche oder Religionsgesellschaft oder eine andere nach den Kri- terien der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion oder Weltanschauung, der Staatsangehörigkeit, der Abstammung oder nationalen oder ethnischen Her- kunft, des Geschlechts, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrich- tung definierte Gruppe von Personen oder gegen ein Mitglied einer solchen Gruppe ausdrücklich wegen dessen Zugehörigkeit zu dieser Gruppe auffordert oder aufreizt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen.

(2) Ebenso ist zu bestrafen, wer für eine breite Öffentlichkeit wahrnehmbar ge- gen eine in Abs. 1 bezeichnete Gruppe hetzt oder sie in einer die Menschenwür- de verletzenden Weise beschimpft und dadurch verächtlich zu machen sucht“

[StGB §283 (1) und (2)].

Für die Herabwürdigung religiöser Lehren und den damit verbundenen Schutz vor Diskrimi- nierung auf Grund der Religion findet sich zusätzlich zu dem bereits angeführten §283 StGB noch ein weiterer:

„§ 188. Wer öffentlich eine Person oder eine Sache, die den Gegenstand der Ver- ehrung einer im Inland bestehenden Kirche oder Religionsgesellschaft bildet, o- der eine Glaubenslehre, einen gesetzlich zulässigen Brauch oder eine gesetzlich

(33)

zulässige Einrichtung einer solchen Kirche oder Religionsgesellschaft unter Um- ständen herabwürdigt oder verspottet, unter denen sein Verhalten geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen“ (ebd. §188).

Das Strafgesetzbuch nennt Diskriminierungen zwar nicht explizit als Erschwerungsgrund, wenn jemand jedoch „aus rassistischen, fremdenfeindlichen oder anderen besonders ver- werflichen Beweggründen gehandelt hat“ [StGB §33 (1) Z. 5], so gilt dies als klarer Erschwe- rungsgrund, wodurch zumindest die Möglichkeit besteht, Diskriminierungen in diesem Be- reich zu verorten und als solche judizierbar zu machen.

Da Diskriminierungen in allen Lebensbereichen vorkommen (können), findet sich auch im Bundesgesetz über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte von 1998 (kurz Ärztegesetz bzw. ÄrzteG) eine Regelung bezüglich Diskriminierungen von Privatpersonen durch das Ärztepersonal:

„§ 49. (1) Ein Arzt ist verpflichtet, jeden von ihm in ärztliche Beratung oder Be- handlung übernommenen Gesunden und Kranken ohne Unterschied der Person gewissenhaft zu betreuen“ (ÄrzteG §49 Abs. 1).

Im Unterschied zu den bisher zitierten Gesetzestexten zeigt sich hier eine durchaus offenere Formulierung, wodurch alle Diskriminierungsmerkmale geschützt sind, da grundsätzlich je- der Person eine gleichwertige Behandlung und Beratung zugesichert wird.

Für Menschen die nicht österreichische Staatsbürger_innen sind, ist in Bezug auf die Gewäh- rung von Rechten seitens des Gesetzgebers bzw. der Verwaltungsorgane § 33 des Allgemei- nen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) relevant:

„§ 33. Den Fremden kommen überhaupt gleiche bürgerliche Rechte und Verbind- lichkeiten mit den Eingebornen zu, wenn nicht zu dem Genusse dieser Rechte ausdrücklich die Eigenschaft eines Staatsbürgers erfordert wird […]“ (ABGB §33).

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

In dieser Hinsicht gelang der World Health Organisation (WHO) mit der International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF) eine umfassende Darstellung

Obwohl eine Studie mit neuropathologischen Testpersonen nicht das Ziel dieser Arbeit ist, sollte das Thema kurz angesprochen werden, um die Wichtigkeit eines validen und reliablen

Üblicherweise werden die Fälle an die Sozialarbeit zugewiesen, mit Ausnahme der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Hier ist die Soziale Arbeit fixer Bestandteil des

Weiters müssen sie von den Betroffenen (Klient/innen, Bewohner/innen, etc.) mitgetragen werden, also wichtig und bedeutsam für diese sein. Weitere Parameter für sinnvolle Ziele

In der Grundversorgung werden zunächst die Defizitbedürfnisse der untersten Stufe der Bedürfnispyramide bedient. So wird Essen, Trinken und Schlafen sichergestellt. Zugleich aber

78 Vgl. Ziebertz, Religiöse Signaturen heute, 384... wir später sehen werden, meistens mit eigenen Vorstellungen vermischt. 79 Konstruktion ist in Bezug auf Glauben, Religiosität

Es kann sein, dass irgendwo ein Pfeil vielleicht nicht richtig ist, aber das ist dann aus dem Zusammenhang zu entnehmen und wird man vermutlich auch erst draufkommen,

Da Salz nicht nur in vielen Gerichten als eine Hauptzutat gesehen werden kann, sondern Nebenwürze auch das Aroma, sowie die Saftigkeit des Ausgangsprodukts schützt,