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Die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) hat 1970 erstmals medizinisch- ethische Richtlinien für Forschungsuntersuchungen am Menschen verabschiedet; diese wurden im Verlauf der Jahre mehrmals revidiert. In der Fassung von 1997 hielten die SAMW-Richtlinien fest, dass «die heutige Gesetzgebung für den Bereich der Forschungsuntersuchungen am Menschen (…) lückenhaft, unsystema- tisch und oft schwer aufzufinden» sei. Aus Sicht der SAMW sind deshalb die Bestrebungen des Bundes, einen Verfassungsartikel sowie ein entsprechendes Gesetz zur Humanforschung zu erarbeiten, zu begrüssen.

Die SAMW hat sich im Zusammenhang mit diesem Gesetzesvorhaben erneut intensiv mit den rechtlichen und ethischen Rahmenbedingungen der Forschung mit Menschen auseinandergesetzt. Sie ist dabei zum Schluss gekommen, dass die Richtlinien von der Rechtsentwicklung überholt worden sind, und sie hat diese des- halb im November 2008 zurückgezogen. Der Rückzug der Richtlinien erfolgt jedoch nicht ersatzlos. An ihre Stelle tritt ein Leitfaden «Forschung mit Menschen», welcher vor kurzem fertig gestellt wurde. Der Leitfa- den hält in der Einleitung fest, dass eine «kontinuierliche kritische Reflexion [...], in der sich die einmal etablierten Standards der Forschungsethik stets wieder bewähren müssen, unverzichtbar» ist. Vor diesem Hintergrund beleuchtet Prof. Christoph Rehmann-Sutter, Professor für Theorie und Ethik der Biowissen- schaften an der Universität zu Lübeck und bis März 2009 Präsident der Nationalen Ethikkommission im Be reich Humanmedizin, im folgenden Beitrag einige aktuelle Entwicklungen in der Forschungsethik. In einem weiteren Beitrag geht Prof. Christian Kind aus St. Gallen, Präsident der Zentralen Ethikkommission der SAMW, der Frage nach, ob es eine «Forschung mit direktem Nutzen» tatsächlich gibt.

bulletin SAMW

«Hot Spots» in der Forschungsethik

3 | 09

«Hot Spots» in der Forschungsethik 1 Gibt es eine Forschung

mit direktem Nutzen? 4 Agenda 5

Wechsel in der ZEK 6 Ökonomisierung der Medizin?

Veranstaltung zur DRG-Einführung 6 Expertendialog zur Umsetzung der Richtlinien «Biobanken» 6 Zum Wandel der Berufe im Gesundheitswesen: Tagung 7

Informations- und Erfahrungs austausch

«Wissenschaftliche Integrität» 7 SAMW mit neuem Webauftritt 8 Personelle Wechsel

im Generalsekretariat 8 Forschungsförderung 8

«Informed consent» zu den Implikationen einer Studie

Die Forderung nach freier Einwilligung der aufgeklär- ten Studienteilnehmer ist seit dem Nürnberger Codex (1947) und später in der Deklaration von Helsinki (1964) zu einer zentralen ethischen Bedingung der Forschung am Menschen erhoben worden. Aus historischen und

sachlichen Gründen geschah dies zu Recht. Denn es wäre ungerecht, Personen zu Forschungszwecken Bela- stungen oder Risiken auszusetzen, wenn sie diese nicht freiwillig und im Bewusstsein der Implikationen ak- zeptieren. Auch ein noch so guter Zweck, ein noch so hochrangiges Forschungsziel rechtfertigt es nicht, Men- schen zu instrumentalisieren. Im negativen Sinn para-

Bild zVg Bayerisches Rotes Kreuz

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Prof. Peter M. Suter, Präsident

Forschungsprojekten gut regeln – dies mit dem Ziel, das Vertrauen der Gesellschaft und das Ansehen des Wissenschaftsplatzes Schweiz im In- und Ausland zu festigen.

Der bundesrätliche Vorschlag erfuhr im Laufe der bisherigen parlamentarischen Beratungen einige Abänderungen; die wichtigste betraf die Beschränkung der Grundsätze (zu denen beispielsweise die unabhängige Überprüfung eines Forschungsvorhabens im Hinblick auf den Schutz der teilnehmenden Personen ge- hört) auf Biologie und Medizin. Dies erfolgte unter anderem mit der Begründung, dass die Forschungsfreiheit in anderen Forschungsbe- reichen nicht eingeschränkt werden soll.

Forschungsfreiheit ist gut und richtig, aber die Qualität der Wissenschaft sowie klare ethische und gesetzliche Rahmenbedingungen sind wichtiger. Nur so lässt sich mittel- und langfri- stig die Akzeptanz der Bevölkerung für die For- schung erhalten. Die öffentlichen Reaktionen auf die kürzlich erfolgten, inakzeptablen Ex- zesse von Tierversuchsgegnern haben gezeigt,

Forschung mit Menschen bedarf einheitlicher Standards!

Forschung mit Menschen braucht einen klaren und modernen gesetzlichen Rahmen. In diesem Sinne hat der Bundesrat vor ein paar Monaten den eidgenössischen Räten einen Vorschlag für einen entsprechenden Verfassungsartikel vorgelegt. Dieser Text soll nicht nur die Autono- mie der teilnehmenden Personen stärken und deren Schutz gewährleisten, sondern auch die Rahmenbedingungen zur Durchführung von

wie gut es ist, auf die strenge Reglementierung dieser Forschung in unserem Land hinweisen zu können.

Forschung mit Menschen ist ein sensibles The- ma, und klare, transparente Regeln sind not- wendig. Heute bleiben zwei Problemkreise, die spezielle Beachtung verdienen: Erstens muss der administrative und zeitliche Aufwand für ein straffes Regelwerk möglichst gering gehal- ten werden, und zweitens muss dem Schutz von Würde und Integrität des Menschen in al- len Forschungsgebieten der gleiche hohe Stel- lenwert zukommen – nicht nur in Biologie und Medizin, sondern auch in Sozial-, Geistes- oder Rechtswissenschaften. Früher oder später wür- de es sich rächen, wenn hier andere moralische Grundsätze zur Anwendung kämen.

behörden, die eine Studie vorgängig prüfen. Die Ethik- kommissionen schützen die Interessen der Studienteil- nehmer, ihre Rechte, ihre Gesundheit und ihr Wohl. Die Frage ist für sie, ob und in welchem Rahmen es zumut- bar ist, eine Studie überhaupt einem Patienten zur Teil- nahme vorzuschlagen.

Ein derartig revidiertes Konzept von informierter Zu- stimmung hat eine veränderte Rolle bekommen: Zwar ist sie nach wie vor Ausdruck des Respekts gegenüber den potentiellen Studienteilnehmern. Zustimmung ist aber eher im Sinn einer freien und aufgeklärten Duldung der Implikationen der Studie zu verstehen. Die ethische Rechtfertigung der Forschung benötigt zusätzlich wei- tere Säulen: die Ethikkommission, die Verantwortlich- keit der Forschenden selbst und die Einbettung in eine öffentlich diskutierte und transparente Regulierung.

Sharing: Gerechtigkeitsaspekte

Die Diskussion über Gerechtigkeit hat sich weiterent- wickelt zum Thema des fairen Zugangs zu den Vortei- len, die aus medizinischer Forschung erwachsen. In- vestitionen von Geld, Zeit, Personal, Infrastruktur etc.

in die Forschung stellen ein knappes Gut dar, dessen Verteilung ethische Fragen aufwirft. Wenn die Vertei- lung nur dem Markt überlassen wird, entsteht die Ge- fahr, dass die Investoren sich primär von der Erwartung auf grosse Gewinne leiten lassen. Seltenen Krankheiten sowie den Krankheiten von sozial unterprivilegierten Bevölkerungsgruppen, die sich teure Therapien nicht leisten können, würde dann zu wenig Aufmerksam- keit geschenkt. Entsprechend ergibt sich eine Verant- wortung der öffentlichen Hand, der gemeinwohlorien- tierten Organisationen und der öffentlich finanzierten Forschungsförderer, ausgleichend zu wirken.

digmatisch waren die Experimente von Nazi-Ärzten in deutschen Konzentrationslagern, aber auch die Tuske- gee-Studie in Alabama, bei der Afro-Amerikaner durch systematische Täuschung und ohne Behandlung als Ob- jekte zur Erforschung des natürlichen Verlaufs von Sy- philis benützt wurden. Diese Studie lief seit 1932, hat viele Menschenleben gekostet und wurde erst 1972 (!) abgebrochen.

Die Frage ist nicht, ob eine freie und informierte Zu- stimmung nötig ist. Zu fragen ist vielmehr, ob diese Zu- stimmung hinreichend ist, um eine Studie ethisch zu rechtfertigen. In der Realität ist es selten so, dass Teil- nehmende die Details einer Studie so verstehen, dass sie in der Lage sind, diese rational zu beurteilen. Pati- enten sind in einer Ausnahmesituation, haben mögli- cherweise Angst und Schmerzen, verstehen vom Sinn und Zweck der Studie kaum etwas, sind abhängig von der medizinischen Betreuung und entscheiden sich aus Vertrauen zu ihren Ärztinnen und Ärzten zu einer Stu- dienteilnahme. Und Probanden in Phase-1-Studien fäl- len die Entscheidung zur Teilnahme häufig vor dem Studium der Informationsdokumente, weil sie das Geld brauchen.

Mit dem informed consent sollte die Selbstbestimmung der Patienten respektiert werden. Dies bedeutet aber nicht, dass man ihnen auch die ethische Verantwortung für die Studie auf die Schultern laden kann. Das alte Rechts- prinzip volenti non fit iniuria (dem Freiwilligen geschieht kein Unrecht) kann im Kontext von Humanforschung nicht dazu benützt werden, um Forscher von ihrer Ver- antwortung zu entlasten. Dazu müssten sich Studien- teilnehmer so weit mit der Studie identifizieren, dass sie wie Forscher einen Selbstversuch vornehmen kön- nen. Das ist in den wenigsten Fällen realistisch. Des- halb sind weitere Instanzen eingeschaltet, insbesondere die Forschungsethikkommissionen und die Aufsichts- EDITORIAL

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Alle Patientinnen und Patienten haben Anspruch auf eine möglichst gute Medizin. Zu stark hat man es – viel- fach mit ethischen Argumenten – vermieden, beson- ders vulnerable Bevölkerungsgruppen in gute medizi- nische Forschung einzubeziehen. Dies gilt beispielsweise für Kinder, die heute weit weniger von lege artis geprüf- ten Medikamenten und Heilverfahren profitieren kön- nen als Erwachsene; entsprechend ergeben sich höhere Risiken für die Behandlung.

Gerechtigkeitsfragen ergeben sich auch angesichts der zunehmend internationalen Dimension von Human- forschung. Es gibt eine starke, teilweise ökonomisch er- klärbare Tendenz, immer teurer und grösser werdende Medikamentenstudien aus den Industrieländern in Län- der mit niedrigen Löhnen und günstigen Wechselkursen auszulagern, z.B. nach Indien, China oder in Länder Afrikas. Wenn dies geschieht (und teilweise von den Zielländern als eine Form von Technologietransfer auch kräftig gefördert wird), ist aus ethischer Sicht zu fordern, dass die Forscher mit den communities eine Partnerschaft bilden: Die Verantwortung muss verteilt werden und die lokale Relevanz des betreffenden Gesundheitspro- blems muss sichergestellt sein; es wäre stossend, wenn die einbezogenen Bevölkerungsgruppen nach Abschluss der Studie keinen Zugang zu den medizinischen Vortei- len hätten.

Heilversuch vs. Forschung

Ein Dauerproblem der ethischen Regulierung von kli- nischer Forschung ist die schwierige Abgrenzung zur innovativen Therapie bzw. zum Heilversuch. Die Kom- petenz der Ärztin, für ihren Patienten eine Therapie zu entwickeln und dabei wenn erforderlich in eigener Ver- antwortung und nach Besprechung mit dem Patienten auch die Grenzen der bisher etablierten Standards zu überschreiten, steht dem Interesse an einer unabhän- gigen Kontrolle der Forschungsaktivitäten in Form von geplanten und im Voraus prüfbaren Studien entgegen.

Die Lösung dieses Problems kann meines Erachtens je- doch nicht darin bestehen, alle Heilversuche wie Stu- dien zu behandeln und durch eine Ethikkommission zu schleusen. Dies würde der ärztlichen Kunst, welche im- mer ein innovatives Element aufweisen muss, nicht ge- recht werden.

Aber die Spur zu einer Lösung könnte darin liegen, un- geprüfte Forschung «durch die Hintertür» zu vermeiden, die sich ergibt, wenn Heilversuche absichtlich in Reihen wiederholt werden, die hinterher als «20 Fälle von...»

publiziert werden. In solchen Fällen müsste der inno- vative Arzt so weit wie möglich seine Forschung planen und eine entsprechende Studie formulieren. Es sollte zu- dem sichergestellt sein, dass die verzweifelte Situation von Patienten nicht ausgenützt wird. Eine «therapeu- tische Misskonzeption», also die überzogene Erwartung eines therapeutischen Nutzens bei einem Experiment, kann auch beim individuellen Heilversuch stattfinden, gerade wenn wirksame Alternativen fehlen.

Genomics

Eine neue Art der Forschungsorganisation mit teilweise neuartigen ethischen Fragen entwickelt sich gegenwär- tig im Bereich der medizinischen Genetik mit den so- genannten Biobanken und den genome wide association studies. Eine Biobank mag im Zusammenhang einer be- stimmten krankheitsbezogenen Forschungsinitiative er- stellt worden sein, oder sie wird von vorneherein als

grosse Plattform oder Forschungsinfrastruktur errich- tet. Das weltweit führende Beispiel für den zweiten An- satz ist die UK Biobank, welche Proben und umfassende Krankheitsdaten von 500 000 Personen einschliesst und diese 25 Jahre lang begleiten wird. Auf dieser Grundlage ist es möglich, die genetische Mitverursachung von vie- len Krankheiten, über die Daten verfügbar sind, zu er- forschen. Die Biobank-Teilnehmer leisten einen Beitrag zum allgemeinen Fortschritt der Medizin, nehmen aber nicht explizit an einer konkreten Studie teil.

Dennoch ist die Frage zu diskutieren, wie die Beziehung zu den Teilnehmenden gut und gerecht zu regeln ist.

Eckpunkte sind wohl die Vertraulichkeit im Bezug auf genetische und andere Daten, die Vertrauenswürdigkeit der Institution, eine langfristig stabile governance der Bio- bank und ihrer Nutzungen sowie Frage der Anonymisie- rung der Proben und Daten, die ja zumindest während der Datenerfassungszeit nicht vollständig sein kann.

Ein ungelöstes Problem ist die Frage des Feedbacks von individuellen Befunden an die Teilnehmenden. Vieles spricht dafür, eine Nachfrage gar nicht erst vorzusehen, und ein Feedback in der Teilnahmevereinbarung von vorneherein auszuschliessen. Ob das aber wirklich allen Interessen gerecht werden kann (und eine solche Rege- lung im Konfliktfall vor Gericht auch standhalten wird), scheint im Moment unklar.

Prof. Christoph Rehmann-Sutter, Basel

Christoph Rehmann-Sutter war bis März 2009 Präsident der Nationalen Ethikkommission im Bereich Humanmedizin. Jetzt ist er Professor für Theorie und Ethik der Biowissenschaften an der Universität zu Lübeck und Visiting Professor am BIOS research centre an der London School of Economics.

Anfang September erscheint «Forschung mit Menschen. Ein Leitfaden für die Praxis».

Die Broschure kann ab sofort gratis bei der SAMW bestellt werden (mail@samw.ch).

Forschung mit Menschen Ein Leitfaden für die Praxis

SAMW Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften ASSM Académie Suisse des Sciences Médicales ASSM Accademia Svizzera delle Scienze Mediche SAMS Swiss Academy of Medical Sciences

Forschung mit Menschen

Ein Leitfaden für die Praxis

Herausgegeben von der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften.

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Ein direkter Nutzen für die in die Untersuchung einbe- zogenen Patienten ist nie das primäre Ziel medizinischer Forschung. Er kann dies aus konzeptuellen Gründen auch nicht sein. Forschung dient grundsätzlich nicht der direkten Generierung von Nutzen, sondern der Su- che nach Erkenntnis. Deren allenfalls nützliche Anwen- dung geschieht in einem zweiten Schritt, also indirekt.

Trotz der logischen Trivialität dieser Aussage nimmt die Unterscheidung zwischen «Forschung mit direktem Nutzen» oder «therapeutischer Forschung» einerseits und «Forschung ohne direkten Nutzen» oder «fremd- nütziger Forschung» andererseits in der Diskussion und in den Regelungstexten über Forschung mit Menschen eine zentrale Stelle ein. Dabei wird unterstellt, dass sich Forschungsuntersuchungen in zwei Kategorien eintei- len lassen. Bei den einen, jenen mit «direktem Nutzen», können grössere Risiken akzeptiert werden, während die anderen, die «fremdnützigen» Untersuchungen, nur sehr restriktiv zugelassen werden dürfen, insbesondere bei urteilsunfähigen Personen wie zum Beispiel Kin- dern. Dass diese Dichotomie an der Realität vorbei zielt, ist offenbar für Ärzte leichter nachvollziehbar als für aus- senstehende Personen. Jedenfalls wurde die Unterschei- dung zwischen Forschung mit und ohne «direkten Nut- zen» in der Deklaration von Helsinki seit ihrer Fassung aus dem Jahr 2000 verlassen, während sie in der Biome- dizinkonvention des Europarats und im Vorentwurf für das Schweizerische Humanforschungsgesetz eine unver- ständlich prominente Rolle einnimmt. Es wäre höchst bedauerlich, wenn sie als Folge eines politischen Kom- promisses nun auch noch in der Bundesverfassung ver- ankert würde.

Obwohl diese Unterscheidung in der guten Absicht ge- schaffen wurde, die Sicherheit der Patienten im Rahmen von Forschungsuntersuchungen zu erhöhen und der Wiederholung von schweren Missbräuchen aus der Ge- schichte einen Riegel zu schieben, besteht heute eher die Gefahr, dass sie das Gegenteil bewirken könnte. Dies des- halb, weil die Anwendung einer Kategorie «Forschung mit direktem Nutzen» eine sehr weit verbreitete Fehl- einschätzung fördert, das sogenannte «therapeutische Missverständnis». Diese von Appelbaum in der Psychi- atrie untersuchte Täuschung bewirkt, dass Patienten, und nicht selten auch ihre Ärzte, dazu neigen, die Ziele einer Forschungsuntersuchung und das Patientenwohl miteinander zu vermengen. Dies ist auch gut verständ-

lich, da sehr oft nicht nur Patient und Forschungsteil- nehmer identisch sind, sondern auch der behandelnde Arzt und der Forscher als ein und dieselbe Person Hand- lungen vornimmt, die gleichzeitig der Therapie und der Forschung dienen. Diese Verquickung zwischen Thera- pie und Forschung, die durch die Bezeichnung «the- rapeutische Forschung» oder «Forschung mit direktem Nutzen» gefördert wird, erschwert die Gewährleistung einer gültigen informierten Zustimmung und erhöht die Gefahr, dass forschungsinhärente Risiken in der Hoff- nung auf einen vermuteten Nutzen zu wenig gewichtet werden. Im Gegenzug zur potentiellen Verharmlosung

«therapeutischer Forschung» kann es zur Dämonisie- rung der «fremdnützigen Forschung» kommen, bis zum Ruf nach ihrem vollständigen Verbot bei nicht zustim- mungsfähigen Personen. Diese generelle Ablehnung geht vom Bild gefährlicher «Humanexperimente» aus, die höchstens mit urteilsfähigen Erwachsenen durchge- führt werden können, und verkennt, dass der Grossteil der in den letzten Jahrzehnten z.B. bei Kindern durch- geführten «fremdnützigen Forschung» physiologische, pharmakologische, epidemiologische und diagnostische Studien betrifft, deren Resultate unerlässliche Voraus- setzung waren für die mannigfaltigen therapeutischen Fortschritte der Pädiatrie, und deren Risiken und Bela- stungen für die teilnehmenden Kinder sehr sorgfältig evaluiert und minimiert wurden.

Natürlich schliesst die Tatsache, dass das primäre Ziel medizinischer Forschung nicht der direkte Nutzen der teilnehmenden Patienten sein kann, nicht aus, dass diese von der Studienteilnahme trotzdem profitieren. Dieser Nutzen kann ein sehr breites Spektrum einnehmen, vom möglichen Gesundheitsnutzen durch ein in der Studie erprobtes, neues Medikament, das sich aufgrund der Stu- dienresultate als der herkömmlichen Therapie überle- gen erweist (was bei weitem nicht immer der Fall ist), über eine Verbesserung des Gesundheitszustands durch unspezifische Effekte der Studienteilnahme, wie Wahr- nehmung einer verbesserten Betreuung und gesteigerte Hoffnung, bis zur altruistischen Befriedigung, etwas Nützliches für andere Patienten mit der gleichen Krank- heit beizutragen. Dieser letztere Nutzen kann dabei auch Teilnehmern an «fremdnützigen» Studien zugute kom- men. In einem ausdifferenzierten Spektrum möglicher Nutzensformen erscheint damit das Ziehen einer Grenz- linie zwischen Formen, die als «direkter Nutzen» qualifi- zieren können, und solchen, die das nicht verdienen, als weitgehend künstlich und arbiträr. Zusätzlich erschwert wird die Trennung dadurch, dass klinische Studien häu- fig verschiedene Elemente enthalten, die sich bezüglich des potentiellen Nutzens, den sie den Teilnehmenden bringen können, stark unterscheiden.

Gibt es eine Forschung mit direktem Nutzen?

Christian Kind, Chefarzt Pädiatrie, Ostschweizer Kinder- spital St. Gallen Präsident der Zentra- len Ethikkommission der SAMW

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Aufgrund dieser Überlegungen ist es deshalb sinnvoller, auf die Unterscheidung zwischen Forschungsuntersu- chungen mit und ohne «direkten Nutzen» zu verzich- ten, und bei allen Studien mit Menschen die Abwägung zwischen Nutzen und Risiken mit derselben grossen Sorgfalt vorzunehmen. Bei Forschung im Rahmen der Patien tenbetreuung muss dabei die oben angesproche ne, physisch untrennbare Verquickung von Therapie und Forschung konzeptuell gut auseinandergehalten wer- den. Dafür ist es hilfreich, davon auszugehen, dass die Therapie den Primat hat. Der Patient muss auf je- den Fall behandelt werden, ob er an einer Forschungs- untersuchung teilnehmen will oder nicht, und mög- licher Nutzen und Risiken und Belastungen durch diese Therapie müssen unabhängig von jeder Forschungs- teilnahme gegeneinander abgewogen werden. Risiken und Belastungen sowie ein allfälliger Nutzen durch die Forschungsteilnahme können dann auf diesem Hinter- grund der Situation der Nichtteilnahme gegenüberge- stellt werden. Auch für Forschung ausserhalb eines Be- handlungskontexts kann so vorgegangen werden und Nutzen, Risiken und Belastungen der Studie mit der Situ- ation verglichen werden, die jede Person ausserhalb der Studienteilnahme erleben würde. Bei Kindern und an- deren nicht zustimmungsfähigen Personen gelten dabei natürlich besonders strenge Massstäbe. Es ist aber nicht einzusehen, warum für kranke Kinder andere Kriterien gelten sollten als für gesunde. Das Nettorisiko, das aus der Studienteilnahme resultiert, d.h. die Gefahr, dass es den teilnehmenden Kindern in der Gesamtbeurteilung schlechter geht, als den nicht teilnehmenden, darf für schwerkranke Kinder, die einer experimentellen Thera- pie unterzogen werden, nicht höher sein als für gesunde Kinder, mit denen physiologische oder pathophysiolo- gische Untersuchungen durchgeführt werden. Natürlich sind die absoluten Risiken und potentiellen Nutzeffekte für die beiden Gruppen von Kindern enorm verschieden, es gibt aber für beide Gruppen keine Rechtfertigung da- für, sie einem bedeutsamen Risiko auszusetzen, das allein aus der Studienteilnahme resultiert.

Zusammenfassend muss festgehalten werden, dass das Konzept eines «direkten Nutzens» in der Forschung mit Menschen grundsätzlich falsch und irreführend ist; es sollte deshalb keinesfalls in gesetzlichen oder anderen offiziellen Texten benutzt werden.

Prof. Christian Kind, St. Gallen

Wie sieht die medizinische Grundversorgung von morgen aus?

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Bereits heute wird die ambulante Grundversor- gung zu einem grossen Teil von FachärztInnen für innere Medizin, für Kinder- und Jugend- medizin, aber auch für Gynäkologie und für Psychiatrie sowie von den Notfallstationen der Spitäler erbracht. Mit der zunehmenden Zahl älterer Menschen wächst zusätzlich auch der Bedarf an ärztlicher Versorgung.

Wie sollen wir die in der Grundversorgung tä- ti gen Ärzt/innen ausbilden, und wie kann die Attraktivität der Grundversorgung gesteigert werden? Braucht es neue Gesundheitsberufe, die einen Teil der ärztlichen Leistungen über- nehmen können? Wie kann gleichzeitig die Qualität der hochspezialisierten Leistungen, vor allem in den Spitälern, bewahrt bleiben? Diese Fragen müssen wir heute beantworten, wenn wir in 10 bis 20 Jahren eine Versorgungslücke vermeiden wollen; die Tagung vom 7. Oktober bietet eine Gelegenheit dazu.

0ROGRAMMUND!NMELDUNG www.samw.ch

Wie es Euch gefällt? Placebointerventionen im ärztlichen Alltag

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Während der Einsatz von Placebointerventio- nen in der medizinischen Forschung seit lan- gem etabliert und reglementiert ist, gibt es nur begrenzte Kenntnisse über den Einsatz von Placebointerventionen in der ärztlichen Praxis.

Wie häufig setzen Ärzte Placebos ein? In wel- cher Weise? Wie schätzen sie die Erwartungs- haltung ihrer Patienten ein? Und wie verhält sich diese Einschätzung zu den tatsächlichen Erwartungen von Patienten? Diesen und wei- teren Fragen möchte sich die Tagung vom 18.

November annähern.

Einführend werden verschiedene Placebode- finitionen und -modelle vorgestellt und die klinische Relevanz des Placeboeffekts themati- siert. Nachfolgend werden aktuelle Ergebnisse von Studien zu Placebointerventionen in der hausärztlichen Praxis vorgestellt, bei denen Ärzte und Patienten aus dem Kanton Zürich befragt wurden. Kommentatoren aus verschie- denen Fachdisziplinen werden sodann das Für und Wider von Placebointerventionen aus ihrer Sicht darstellen. Abschliessend wird in Work- shops beraten, für welche Gebiete Diskussions- und Regulationsbedarf gesehen wird.

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AGENDA

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Wechsel in der ZEK

Nach achtjähriger Amtszeit ist Prof. Annemarie Kesselring, Bern, aus der ZEK zurückgetreten.

Als Vertreterin der Pflege (sie ist emer. Profes- sorin für Pflegewissenschaft der Universität Basel) hat sie diesen Blickwinkel kompetent und hartnäckig in die Diskussionen eingebracht;

zudem hat sie in zahlreichen Subkommissi- onen mitgewirkt. Prof. Christian Kind, Präsident der ZEK, hat ihr anlässlich der Juni-Sitzung für ihr langjähriges und engagiertes Mitwirken in der ZEK den Dank und die Anerkennung der SAMW ausgesprochen.

Als ihren Nachfolger hat der Schweizerische Berufsverband der Pflegefachfrauen und -män- ner (SBK) lic. theol. Settimio Monteverde aus Basel in die ZEK delegiert. Settimio Montever- de hat nach Abschluss des Theo logiestudiums an der Universität Basel eine Ausbildung als Krankenpfleger absolviert. Heute leitet er die Fachstelle Ethik des «Seminars am Bethesda»

in Basel und ist als Seelsorger im Hospiz im Park, Arlesheim tätig.

Neu in der ZEK ist ausserdem Prof. Dominique Sprumont aus Fribourg, der die Nachfolge von Prof. Christoph Müller übernimmt. Dominique Sprumont ist a.o. Professor an der Universi- tät Neuenburg im Bereich Gesundheitsrecht.

Er ist zudem stellvertretender Direktor des Institut de droit de la santé der Universität Neuenburg. Prof. Sprumont hat bereits in diversen Arbeitsgruppen und Projekten der SAMW mitgearbeitet.

Ökonomisierung der Medizin?

Veranstaltung zur Einführung der DRGs an Schweizer Spitälern

Über 150 TeilnehmerInnen besuchten das von der Nationalen Ethikkommission (NEK) und der SAMW organisierte Symposium zum The- ma «Ökonomisierung der Medizin?» – Zeichen dafür, dass die per 2012 geplante Einführung der DRGs an Schweizer Spitälern mit Interes- se, aber auch mit Skepsis verfolgt wird. Im Zentrum des Anlasses standen die ethischen Fragestellungen im Zusammenhang mit der Einführung der DRGs: Welche Auswirkungen haben die DRGs auf die verschiedenen Pati- entengruppen, auf die betroffenen Berufsgrup- pen und auf den medizinischen Alltag? Welche Problemkreise müssen begleitend zur Einfüh- rung der DRGs wissenschaftlich untersucht und beobachtet werden?

Der Anlass vermittelte einen differenzierten Einblick in die Grundfragen rund um die DRGs.

Berichte über Erfahrungen mit diagnosebezo- genen Fallpauschalen, wie sie bereits in vielen Spitälern im In- und Ausland vorhanden sind, machten deutlich, dass sich negative Aspekte vor allem dann zeigen, wenn die für das Sy- stem zur Verfügung stehenden finanzielle Res- sourcen knapp sind. Wenig Klarheit besteht da- rüber, welche Erfolgsparameter massgebend sind. Die Annahme, dass mittels des neuen Finanzierungssystems die Gesundheitsaus- gaben gebremst würden, kann aufgrund der bisher gemachten Erfahrungen nicht bestätigt werden.

Die ReferentInnen aus verschiedenen Fach- bereichen äusserten sich zu den Rahmenbe- dingungen, welche erfüllt sein müssen, damit eine qualitativ hochstehende und patienten- gerechte medizinische und pflegerische Praxis auch in Zukunft gewährleistet bleibt. Als ein grundlegendes Problem der DRGs wurde die Tatsache bezeichnet, dass die für die Beziehung zwischen Arzt (bzw. Pflegende) und Patient wichtigen Werte – im Sinne der Beziehungsme- dizin – nicht alle messbar oder materialisierbar sind und darum auch nicht in das DRG-Raster passen.

Die Tagung hat deutlich gemacht, dass die ethischen Debatten um die DRGs auf ein grund- legenderes Problem hinweisen: Die Ökonomi- sierung und Kommerzialisierung der Gesund- heitsversorgung allgemein. Am Ende des Tages war man sich einig, dass die Risiken, aber auch die Chancen der DRG’s im Auge behalten wer- den müssen, und eine (ethische) Begleitfor- schung unerlässlich ist.

ZENTRALE ETHIKKOMMISSION

Prof. Dr. iur.

Dominique Sprumont lic. theol.

Settimio Monteverde

Expertendialog zur Umsetzung der Richtlinien «Biobanken»

2005 hat die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) medi- zinisch-ethische Richtlinien und Empfehlungen zur Gewinnung, Aufbewahrung und Nutzung von menschlichem biologischem Material in Biobanken verabschiedet. Die Richtlinien «Bio- banken» halten unter anderem fest, dass die im Rahmen diagnostischer oder therapeutischer Verfahren anfallenden humanen Proben nur mit Einwilligung der SpenderInnen für For- schung weiterverwendet werden dürfen. Um die Forschung nicht zu behindern, kann diese Einwilligung nach vorgängiger Aufklärung aber auch generell erteilt werden (sog. Generalkon- sent).

Eine Arbeitsgruppe, initiiert von der Stiftung biobank-suisse, den Datenschutzbeauftragten der Kantone Zürich und Basel-Stadt sowie der SAMW hat Vorlagen für den Generalkonsent, die Informationsschrift für PatientInnen und ein Reglement für Biobanken ausgearbeitet. Diese Vorlagen sind am 26. Mai 2009 in Bern mit aus- gewählten ExpertInnen diskutiert worden.

Das Echo auf die Vorlagen war grundsätzlich positiv. Die Diskussionen in Bern haben je- doch auch gezeigt, dass das Problem in der praktischen Umsetzung liegt: Wer soll diesen Generalkonsent einholen? Wann sollen die Pa- tientInnen angesprochen werden? Genügt eine einmalige Einwilligung oder muss bei jedem Spitaleintritt erneut gefragt werden? Wo wird die Einwilligung aufbewahrt und wie wird si- chergestellt, dass ein Widerruf der Einwilligung wirksam wird? Braucht es das Recht auf Wissen resp. Nichtwissen?

Diese Fragen sind nicht einfach zu beantwor- ten, und die Lösungsvorschläge fallen je nach Blickwinkel unterschiedlich aus. Die Tagung hat gezeigt, dass bei der Überarbeitung der Vor- lagen die Suche nach sinnvollen und umsetz- baren Lösungen im Vordergrund stehen muss.

Die definitiven Vorlagen werden voraussichtlich im September 2009 vorliegen.

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AKADEMIEN DER WISSENSCHAFTEN SCHWEIZ

Podiumsdiskussion anlässlich der Tagung «Zum Wandel der Berufe im Gesundheitswesen» am 17. Juni 2009 in Bern.

nandersetzung zu erwarten ist, «die durchaus ernste Züge annehmen kann».

An der Tagung waren sich ReferentInnen und TeilnehmerInnen hingegen einig, dass eine op- timale Gesundheitsversorgung nur durch eine enge Kooperation der zahlreichen Gesund- heitsberufe in interprofessionellen Teams mög- lich ist, und dass gegenseitige Akzeptanz und Respektierung der spezifischen Kompetenzen eine wichtige Voraussetzung dafür sind.

Nationaler Informations- und Erfahrungs- austausch «Wissenschaftliche Integrität»

Das diesjährige Treffen der europäischen Aka- demien der Wissenschaften (ALLEA) in der Schweiz war dem Thema «Wissenschaftliche Integrität» gewidmet. Dies nahmen die Aka- demien der Wissenschaften Schweiz zum An- lass, im Anschluss an das ALLEA-Treffen einen nationalen Informations- und Erfahrungsaus- tausch durchzuführen. Im Zentrum der beiden Anlässe stand die Diskussion der aktuellen Entwicklungen im Bereich wissenschaftliche Integrität.

Die Richtlinien zur Integrität in der Wissen- schaft, welche die SAMW 2002 veröffentli- chte, haben massgeblich dazu beigetragen, dass sich das Bewusstsein bei den Schweizer Forschungsinstitutionen für Fragen der wis- senschaftlichen Integrität verändert hat. Dies bestätigte eine am Anlass vorgestellte Umfra- ge. In den letzten Jahren haben – von wenigen Ausnahmen abgesehen – alle Universitäten und Eidg. Technischen Hochschulen sowie der SNF Verfahrensregeln festgelegt, welche bei Verdacht auf wissenschaftliches Fehlverhalten zur Anwendung kommen. Bei den Fachhoch- schulen sind die Regelungen noch nicht so um- fangreich. Ein wesentliches Ziel der Broschüre

«Wissen schaftliche Integrität: Grundsätze und Verfahrensregeln», welche die Akademien der Wissenschaften Schweiz im April 2008 veröf- fentlicht haben, ist somit erreicht.

An der abschliessenden Podiumsdiskussion bestand aber auch Übereinstimmung, dass wissenschaftliche Integrität mit Verfahrensre- geln allein nicht gefördert werden kann, son- dern prophylaktische Massnahmen notwendig

sind. Die Erfahrung zeigt, dass unlauteres Ver- halten oft im Zusammenhang mit Anreizen des Wissenschaftsbetriebs steht, insbesondere im Zusammenhang mit Fragen betreffend Autor- schaft. Ein Referat war deshalb auch diesem Thema gewidmet. Prof. Ana Marusic stellte die aktuelle Diskussion vor und hielt fest, dass es keine allgemein akzeptierte Definition von Au- torschaft gibt, da die Gepflogenheiten je nach Fachbereich/Journal unterschiedlich sind. Sie wies auf eine neuere Entwicklung hin, wonach mit einer Differenzierung zwischen Autor und denjenigen Personen, die zur Publikation bei- getragen haben («contributors»), eine grössere Klarheit geschaffen werden kann. Der Anlass hat gezeigt, dass wissenschaftliche Integrität zu Recht ein Schwerpunktthema der Akade- mien ist und insbesondere auch im Bereich der Prophylaxe weitere Anstrengungen notwendig sind.

Bei dieser Gelegenheit ist es zu einem ersten Treffen der Institutionen gekommen, die sich in der Schweiz speziell mit wissenschaftlicher Integrität beschäftigen. Dadurch wird der In- formationsaustausch unter ihnen erleichtert werden. Die Akademien der Wissenschaften werden in diesem Rahmen ihre Koordinations- und Ver tretungsaufgaben wahrnehmen.

Zum Wandel der Berufe im

Gesundheitswesen: eine Tagung mit wenig tröstlichen Erkenntnissen

Die SAMW setzt sich seit 1999 unter dem Titel

«Zukunft Medizin Schweiz» intensiv mit den Zielen und Aufgaben der Medizin auseinander.

Eines der Schwerpunktthemen war «Berufs- bilder und Berufsidentitäten»; der im Herbst 2007 veröffentlichte Bericht «Zukünftige Be- rufsbilder von ÄrztInnen und Pflegenden in der ambulanten und klinischen Praxis» stiess auf einige Resonanz. Im Sinne einer gewis- sen Nachhaltigkeit (und weil der Bericht nichts von seiner Relevanz verloren hat) veranstaltete die SAMW in Zusammenarbeit mit der Schwei- zerischen Akademie der Geistes- und Sozial- wissenschaften (SAGW) am 17. Juni 2009 in Bern die Tagung «Zum Wandel der Berufe im Gesundheitswesen: Aussensichten und Innen- sichten».

Über 100 TeilnehmerInnen, darunter zahl rei- che Pflegende, hörten zu, wie ÄrztInnen und Pflegende die Änderungen und Herausforde- rungen schilderten, mit denen sie konfrontiert sind. Die Referate der Geistes- und Sozialwis- senschaftlerInnen sollten dazu gleichzeitig eine Aussensicht liefern; allerdings enthielten diese wenig Tröstliches: «Die Ärzte sind nicht mehr vorrangig für die Entscheidung zuständig, wann und an wem sie ihr Wissen anwenden dürfen; dafür sind Deckelungspolitiker, Kran- kenkassenstatistiker und kaufmännische Di- rektoren von Krankenhäusern zuständig, und gerne auch der von der Werbung informierte Patient» (Prof. Paul Unschuld, Historiker und Sinologe aus Berlin). «Ärzteschaft und Pflege müssen sich darauf einstellen, dass sie zu ganz normalen Berufen werden wie andere Berufe auch» (Dr. Willy Oggier, Ökonom, Küsnacht).

Und Prof. Ursula Streckeisen, Soziologin an der Universität Bern, ging davon aus, dass zwischen Ärzteschaft und Pflege eine Ausei-

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Das SAMWbulletin erscheint 4-mal jährlich.

Auflage: 3200 (2300 deutsch, 900 französisch).

Herausgeberin:

Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften SAMW Petersplatz 13 CH-4051 Basel Tel. 061 269 90 30 Fax 061 269 90 39 mail@samw.ch www.samw.ch Redaktion:

Dr. Hermann Amstad, Generalsekretär Mitarbeit:

lic. iur. Michelle Salathé, stv. Generalsekretärin Dr. Katrin Kuehnle, wiss. Mitarbeiterin Gestaltung:

vista point, Basel Druck:

Schwabe, Muttenz ISSN 1662-6028

Mitglied der Akademien der Wissenschaften Schweiz

Vergabungen aus dem Käthe-Zingg-Schwichtenberg-Fonds Die SAMW verwaltet mehrere Fonds, die ihr testamentarisch ver- macht wurden. In der Regel haben diese Vermächtnisse relativ enge Zweckbestimmungen. Aus dem Käthe-Zingg-Schwichtenberg-Fonds stellt die SAMW Mittel zur Verfügung für die Förderung von For- schungsprojekten oder Stipendien auf dem Gebiet der medizinischen Ethik sowie für Startbeihilfen bei der Inangriffnahme von neuartigen wissenschaftlichen Projekten, für welche noch keine etablierten an- derweitigen Förderungsinstitutionen bestehen.

$R2OUVEN0ORZ%THIKSTELLE)NSELSPITAL"ERN

Zur Erweiterung der Methodikkompetenzen im Bereich der

Klinischen Ethikberatung in der Schweiz 20 000.–

$R&ELIX&LURI5NIVERSIT»TSSPITAL"ASEL

Nanotechnology in acute stroke: The role of C60 alpha-D-mannosyl-

fullerenol in neuroprotection after acute brain ischemia 30 000.–

0ROF'ABRIELA3TOPPE0SYCHIATRISCHE5NIVERSIT»TSKLINIK"ASEL Ethik und Demenz: Empirische Untersuchung zur hausärztlichen Entscheidungsfindung bei schwerwiegenden somatischen Erkrankungen

und komorbider Demenz 30 000.–

0ROF-ARTINO-ONA5NIVERSIT»T"ERN

Autonomie und Einwilligung im Medizinstrafrecht 20 000.–

$R6ERINA7ILD5NIVERSIT»T:ÓRICH

Ethische Aspekte der Rekonstruktion des Hymens (Studienphase II) 20 000.–

$R-ARKUS7EBER+ANTONSSPITAL3T'ALLEN

Einstellungen und Wünsche von Patienten mit Amyotropher Lateralsklerose und ihrer Angehörigen zu lebensverlängernden Massnahmen, zur Problematik des ärztlich unterstützten

Suizids und zu Spiritualität und Religiosität 60 000.–

0ROF-AJA3TEINLIN)NSELSPITAL"ERN

Schädel-Hirn-Trauma im Kindes- und Jugendalter 30 000.–

$R&RAUKE&ÍRGER)NSELSPITAL"ERN

Natürliche Krankheitsremission rheumatischer Erkrankungen in

der Schwangerschaft: Einfluss der gammadelta T Zellen 20 000.–

Bing-Preis 2010

Der Preis wird aus dem Vermächtnis des Neurologen Robert Bing (1878 – 1956) gemäss den Testamentsbestimmungen des Stifters

«Autoren hervorragender Arbeiten, welche Erkennung, Behandlung und Heilung der Nervenkrankheiten gefördert haben», zugesprochen, um sie zu weiterer Forschung zu ermutigen. Dem Wunsch des Stifters entsprechend werden als Preisträger jüngere (bis 45jährige) Schwei- zer Forscher bevorzugt. Der Robert-Bing-Preis wird in der Regel alle zwei Jahre mit einer Preissumme von Fr. 50 000.– ausgeschrieben.

Nominationen können in deutscher, franzö si scher oder englischer Sprache bis zum 30. September 2009 bei der Schweizerischen Aka- demie der Medizinischen Wissenschaften, Petersplatz 13, 4051 Basel, eingereicht werden. Detaillierte Informationen finden sich auf www.

samw.ch > Forschung.

A&D-Fonds: Forschungsförderung im Bereich Alzheimer- und Depressionsforschung

Durch ein Legat sind der SAMW Mittel zur Förderung von For- schungsprojekten auf dem Gebiet der Alzheimer'schen Erkrankung und der Depression zur Verfügung gestellt worden.

Bewerbungen für diese Forschungsbeiträge sind in deutscher, fran- zösischer oder englischer Sprache einzureichen. Weitere Informati- onen zum A&D-Fonds und Gesuchsformulare finden sich auf der Homepage der SAMW (www.samw.ch > Forschung). Einsendeter- min für Gesuche ist der 30. September 2009.

FORSCHUNGSFÖRDERUNG GENERALSEKRETARIAT

SAMW mit neuem Webauftritt

Die SAMW hat erst relativ spät, nämlich im Jahr 2000, einen eigenen Internetauftritt erhalten.

Inzwischen ist die SAMW-Website zu einem un- verzichtbaren Hilfsmittel für zahlreiche Benut- zerInnen geworden: Richtlinien, Stellungnah- men, Medienmitteilungen, Antrags formulare für Projektunterstützung sind rund um die Uhr online abrufbar. Vor kurzem ist die Website um- fassend überarbeitet worden: Neues Erschei- nungsbild, verbesserte Benutzerfreundlichkeit und erhöhter Informationsgehalt sind die Stich- worte. Machen Sie sich selbst ein Bild unter www.samw.ch.

Personelle Wechsel im Generalsekretariat Am 3. August 2009 hat Manuela Hug ihre Tä- tigkeit als administrative Mitarbeiterin aufge- nommen. Sie verfügt über langjährige Erfah- rung als Assistentin und Projektbearbeiterin bei grossen Pharmaunternehmen. Frau Hug übernimmt die Stelle von Helen Thomann, die das Generalsekretariat auf Ende Juni verlassen hat. Frau Thomann war seit 1996 als admini- strative Mitarbeiterin bei der SAMW tätig und tritt in den Ruhestand. Die SAMW dankt ihr für die geleisteten Dienste und wünscht ihr alles Gute für den wohlverdienten Ruhestand und gute Gesundheit.

Helen Thomann

Manuela Hug

Referenzen

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