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Die Endungen der 1

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Ein Beitrag zur Rekonstruktion des Ursemitischen und

zur Geschichte der Semitistik*

Von Werner Diem, Köln

InhaU

1. Einleitung 11

2. Die Endungen der 1. und 2. Pers 14

2.1. NÖLDEKES Rekonstruktion *-kü, *-tä, *-ti; *-nä,

*-tumü, *-tinnä 14

2.2. Zimmerns Rekonstruktion 16

2.3. Brockelmanns Modifizierung von Nöldekes Ansatz. . 17

2.4. Urwestsemitisches Paradigma und akkadisches Para¬

digma 17

2.5. Bergsträssers Rekonstruktion 19

2.5.1. Einleitendes 19

2.5.2. Die l.Sing. *-äkü und der Ausgleich des Para¬

digmas 20

2.5.3. Exkurs: Das Subjektspronomen der l.Sing 23

2.5.4. Die l.Plur. *-nü 26

2.6. Die Quantität der auslautenden Vokale 28

2.7. Die Forschungsgeschichte seit Bergsträsser 29

2.8. Analyse der Ausgleichsprozesse 37

2.8.1. Die Rolle der Redundanz 37

2.8.2. Die Reihenfolge der Ausgleichsprozesse 39

2.8.3. Morphologische Uminterpretierung der 1. Sing . 40

3. Die Endungen der 3. Pers 42

3.1. NÖLDEKES Rekonstruktion *-a, *-at; *-ü, *-ä 42

* Eingereicht im Juni 1995.

(2)

3.2. Die 3. Mask. Sing 42

3.2.1. Urwestsemitisches Paradigma und akkadisches

Paradigma 42

3.2.2. Zimmerns Rekonstruktion und die nominale

Theorie 43

3.2.3. Bergsträssers Rekonstruktion *-0. 44

3.2.4. Die Hintergründe der nominalen Theorie 45

3.2.5. Interne Widersprüche der nominalen Theorie .. 47

3.2.6. Die Forschungsgeschichte seit Bergsträsser ... 48

3.2.7. Ursemitischer Charakter der Endung *-a 51

3.3. Die 3. Fem. Sing. *-at und die 3. Mask. Plur. *-m 52

3.4. Die 3. Fem. Plur. *-ä 53

3.4.1. Die Forschungsgeschichte seit Nöldeke 53

3.4.2. Der einzelsprachliche Befund 55

3.4.3. Goldenbergs Ansatz 56

3.4.4. Rekonstruktion 58

3.5. Die Frage des Ursprungs 61

3.5.1. Keine nominale Herkunft der Endungen 61

3.5.2. Pronominale Herkunft der Endungen? 61

3.6. Die Subjektspronomina der 3. Pers 62

3.6.1. Der konventionelle Ansatz *hü'a, *sfa, *humü,

*sinnä 62

3.6.2. Die Alternanz h- vs. s- 62

3.6.3. Die Quantität des ersten Vokals der 3. Sing,

und die Frage des Hamza 64

3.6.4. Die Quantität des n der 3. Fem. Plur 65

3.6.5. Die Alternanz -t vs. -0 66

3.7. Synthese: *-a, *-at, *-ü, *-ä vs. *h/su'-a, *h/sP-at,

*h/sum-ü, *h/sinn-ä 69

4. Zusammenfassung und Ausblick 71

Literaturverzeichnis 74

1. Einleitung

Nachdem die Semitistik des 19. Jahrhunderts in dem Sinne

durch Arabozentrik geprägt war, daß man „Ursemitisch" mehr

oder weniger mit „Arabisch", genauer gesagt „klassischem Ara¬

bisch", gleichsetzte, scheint seitdem diese unreflektierte Haltung

auf das Akkadische übergegangen zu sein, wobei das unbewußte

Motiv wohl die gefühlsmäßige Annahme ist, daß die am frühe-

(3)

sten belegte Sprache einer Sprachfamilie auch den ältesten Zu¬

stand repräsentiere. So apostrophiert I. M. Diakonoff in seinem

1965 erschienenen Band Semito-Hamitic Languages das Akkadi¬

sche als „the most archaie of the Semito-Hamitic languages"

(S.87).

Aus diesem Grund möchte ich hier einleitend noch einmal auf

den Grundsatz verweisen, daß alle Glieder einer Sprachfamilie

bei der sprachlichen Rekonstruktion älterer Stadien gleichbe¬

rechtigt sind und die Frage der absoluten Chronologie von se¬

kundärer Bedeutung ist. Insofern ist es nicht erlaubt, eine be¬

stimmte semitische Sprache, sei es nun klassisches Arabisch, Ak¬

kadisch oder eine andere Sprache, a priori für altertümlicher als

ihre Schwestersprachen zu erklären, sondern es ist in jedem Fall

unvoreingenommen die älteste gemeinsame Vorform nach der

vergleichend-historischen Methode zu rekonstruieren.

Im folgenden möchte ich versuchen, in diesem Sinne die En¬

dungen der Suffixkonjugation im Ursemitischen zu betrachten.

Den Ausgangspunkt bildet Th. Nöldekes bekannte Arbeit über

die Endungen des Perfekts, die, nachdem sie zuerst 1884 in Band

38 dieser Zeitschrift vorgelegt worden war, 1904 in leicht modifi¬

zierter Form als ein Kapitel seiner Beiträge zur semitischen

Sprachwissenschaft erneut erschien. Dieser zweiten Fassung

kommt die wichtigere Rolle zu, weil sie für die spätere For¬

schung maßgeblich geworden ist, aber in einzelnen Punkten

lohnt es sich, auf die erste Fassung zurückzugehen und die Un¬

terschiede zwischen den beiden Fassungen zu betrachten.'

Zuerst werde ich in Abschnitt 2 die Endungen der 1. und

2. Pers. besprechen; dies wird im wesentlichen auf eine Diskussi¬

on des Gangs und Stands der Forschung, ergänzt um eigene

Überlegungen und Vertiefungen, hinauslaufen. Neuland möchte

ich anschließend in Abschnitt 3 bei der Behandlung der Endun¬

gen der 3. Pers. betreten. Eine Behandlung der Formen des Duals

beabsichtige ich nicht.

Diese Zweiteilung der Arbeit ergibt sich aus der unterschiedli¬

chen historischen Erklärung der Endungen der Suffixkonjugati¬

on: Während die Endungen der 1. und 2. Pers. mit den zweiten

Elementen der Subjektspronomina identifiziert werden, gelten

' Wenn gemeinsame Formulierungen beider Fassungen zitiert werden, sind

die Seitenzahlen durch / voneinander getrennt; bei verschiedener Schreibweise von Zitaten gilt die von 1904.

(4)

die Endungen der 3. Pers. als nominale Genus- und Numerusen¬

dungen.

Keine Rolle spielt in dieser Arbeit die Frage des Stammvokals

der verbalen Basis. Ich setze die verbale Basis in ursemitischen

und einzelsprachlichen Formen meistens als *qatil- an, ohne daß

damit eine historische Aussage über die Priorität des Stammvo¬

kals / gemeint ist; '\lqtl ist als hypothetische Wurzel im Sinne von

R1R2R3 zu verstehen. Auch die Frage der Funktion der Suffix¬

konjugation im Akkadischen bzw. in den westsemitischen Spra¬

chen spielt keine Rolle. Ich gehe von der seit Ende der Zwanzi¬

gerjahre akzeptierten Prämisse aus, daß akkadischer „Stativ"

und westsemitisches „Perfekt" auf ein gemeinsames ursemiti¬

sches Paradigma zurückgehen; daß dem so ist, läßt sich gerade

dadurch plausibel machen, daß die sinnvolle und zugleich unge¬

zwungene Rekonstruktion eines gemeinsamen ursemitischen Pa¬

radigmas möglich ist.

Über weite Strecken wird der Leser dieser Arbeit weniger den

Eindruck einer vergleichend-historischen Studie als den eines

Beitrags zur Geschichte der Semitistik haben. Ich bedauere die

starke wissenschaftsgeschichtliche Komponente meiner Arbeit

selbst ein wenig, da mein Interesse an sich weniger der Ge¬

schichte der Auseinandersetzung mit der Suffixkonjugation des

Semitischen als der Rekonstruktion dieser morphologischen Ka¬

tegorie gilt. Die Auseinandersetzung mit der wissenschaftlichen

Diskussion der letzten hundert Jahre erwies sich aber als gebo¬

ten, da die Semitistik für die formale Rekonstruktion der Suffix¬

konjugation bis zum heutigen Tage zu keinem allgemein akzep¬

tierten Ansatz gefunden hat, sondern die Situation vielmehr seit

den Dreißigerjahren von der Vernachlässigung der jeweils chro¬

nologisch vorausgehenden Forschungsansätze und von dem Feh¬

len wissenschaftlichen Dialogs gekennzeichnet ist. Unter diesen

Umständen hielt ich es für geboten, nach Möglichkeit einen Ge¬

samtüberblick über die Forschungsgeschichte zu geben, dies im

Bestreben, wichtige Ergebnisse herauszufiltern.

Folgende Abkürzungen seien erwähnt: ws. = westsemitisch,

OS. = ostsemitisch, us. = ursemitisch, uws. = urwestsemitisch,

uos. = urostsemitisch. Die übrigen Abkürzungen sind ohne wei¬

teres verständlich.

(5)

2. Die Endungen der 1. und 2. Pers.

2.1. NÖLDEKES Rekonstruktion *-kü, *-tä, *-ti; *-nä, *-tumü,

*-tinnä

Th. Nöldeke rekonstruiert in beiden Fassungen von Endungen

die folgenden ursemitischen Endungen der Suffixkonjugation:

l.Sing. *-kü, 2. Mask. Sing. *-tä, 2. Fem.Sing. *-ti; l.Plur. *-nä,

2. Mask. Plur. *-tumü, 2. Fem. Plur. *-tinnä. Bis auf die Endung

der l.Sing. und die der l.Plur. ist diese Rekonstruktion bis heute

maßgeblich geblieben.^

Nöldeke intendierte seine Arbeit als Rekonstruktion des Urse¬

mitischen, während sie nachträglich gesehen als Rekonstruktion

des Urwestsemitischen zu betrachten ist, da er den akkadischen

Stativ, der damals noch „Permansiv" genannt wurde, ausschloß.

Während er dies in der ersten Fassung mehr beiläufig tat {Endun¬

gen [1884], S.419), begründet er in der zweiten Fassung diese

Entscheidung mit den folgenden Worten {Endungen [1904], S.28

Fn.3): „Obwohl manches für die Ansicht ... spricht, daß das

s.g. assyrische Permansiv lautlich dasselbe sei wie das Perfektum

der andern semit. Sprachen, so wagte ich doch nicht, es oben im

einzelnen anzuziehen, da einerseits wenigstens noch die Möglich¬

keit besteht, daß dies Permansiv ein bloßes Verbalnomen, resp.

eine Zusammenschiebung eines solchen mit den etwas verstüm¬

melten selbständigen Personalpronomina sei, (wie >^<}v.!^ yiNyn

aus vn<}ij>< yA\^ >AVi) und ich andrerseits über die Laute und

Formen des Assyrischen durchaus kein selbständiges Urteil habe."

Bekanntlich weisen von den von Nöldeke betrachteten westse¬

mitischen Sprachen das Kanaanäische, Aramäische und Arabi¬

sche bei den Suffixen der l.Sing. und der 2. Pers. t, hingegen das

Neusüdarabische und Äthiopische k^ auf, also etwa klass.-arab.

qataltu, qatalta vs. altäth. qätälku, qätälkä. Wie aus Nöldekes

oben zitierten Ausführungen hervorgeht, löst er diesen Gegensatz

so auf, daß er für die l.Sing. ursprüngliches *k und für die

2. Pers. ursprüngliches *t ansetzt, ein Ansatz, der durch das von

ihm nicht herangezogene Akkadische bestätigt wird.

^ Vgl. zur l.Sing. 2.5.2. und zur l.Plur. 2.5.4.

' Für das Altsüdarabische sind gemäß einer mündlichen Mitteilung von

N. Nebes, Jena, jetzt ebenfalls eindeutige A:-Formen belegt.

(6)

Im einzelnen ist Nöldekes Überlegung die folgende:

1. In der 2. Pers. sei / das Ursprüngliche, weil andere „hamiti¬

sche" Sprachen in den entsprechenden Formen der Suffixkonju¬

gation / aufwiesen; k ist für ihn „eine Übertragung der Form des

Possessiv- und Objektsuffixes auf das Subjektsuffix" {Endungen

[1884], S.414/[1904], S.22).

2. In der l.Sing. sei k das Ursprüngliche, weil es „doch wohl

wahrscheinlicher (sei), daß das t der einen Sprachgruppe durch

Formenübertragung von der 2. Person hervorgerufen ist, als daß

das k der anderen Gruppe von der 2. Person übernommen wäre,

in welcher es ja selbst erst sekundär ist" {Endungen [1884],

S.419/[1904], S.26).

3. Zusätzlich verweist Nöldeke in der zweiten Fassung auf die

Verteilung l.Sing. k vs. 2. Pers. t im Altägyptischen {Endungen

[1904], S.26 f.).

Resümierend stellt Nöldeke fest: „Von diesen Formen" - er

meint damit die von ihm rekonstruieren Formen - „zeigen nur

die der 2. Person deutliche Beziehungen zu dem selbständigen

Personalpronomen. Das Verhältnis von kü zu nä zu lanax ist

schon ganz unklar**. Die Formen der 3. Person enthalten kaum

ein Personalpronomen" {Endungen [1884], S.421/[1904], S.28),

was er dann noch näher ausführt.

Heutigen methodischen Ansprüchen genügt Nöldekes Rekon¬

struktion der Verteilung von k und t im ursprünglichen Paradig¬

ma, auch wenn sie im Ergebnis richtig ist, nicht mehr. Man wür¬

de heute unter den gleichen Voraussetzungen, d.h. ohne Hinzu¬

ziehung des Akkadischen, vielmehr etwa folgendermaßen formu¬

lieren: Da weder k aus t noch umgekehrt t aus k abgeleitet wer¬

den kann^, müssen das /-Paradigma und das A:-Paradigma auf

ein gemischtes Paradigma, welches sowohl k wie / enthielt, zu¬

rückgehen, wobei wegen der Parallelität mit den selbständigen

Personalpronomina, von denen die 2. Pers. in allen westsemiti¬

schen Sprachen t, hingegen die l.Sing. im Kanaanäischen k

(hebr. 'änöki) aufweist, t für die 2. Pers. und k für die l.Sing. an-

* Entsprechend schreibt er S.26: "Direkten Zusammenhang der äthiop. Ver¬

balendung kü mit anzunehmen, hat sein Mißliches".

' Die Entwicklung -k > -t über palatalisiertes -t nimmt E. Ullendorff in TTie Semilie Languages of Elhiopia S. 68 an.

(7)

zusetzen ist, also uws. *qatal-kü, *qatal-tä etc. Dieses unregelmä¬

ßige Paradigma hat ein Teil der Sprachen nach /, der andere Teil

nach k ausgeglichen.

2.2. Zimmerns Rekonstruktion

Daß NÖLDEKE noch 1904 den Gedanken gemeinsamen Ur¬

sprungs des akkadischen Stativs und des westsemitischen Per¬

fekts zurückgewiesen hat, ist um so überraschender, als 1898, al¬

so sechs Jahre vor der zweiten Fassung von Endungen, H.Zim¬

mern in seiner Vergleichenden Grammatik den Gedanken der Zu¬

sammengehörigkeit der beiden Paradigmata vertreten hatte

(S.81 ff., 98 f.).

Zimmern stellt in einer Übersicht über die „Afformative des

Perfekts" das „Assyrische" neben das Aramäische, Hebräische,

Arabische und Äthiopische (S. 95) und deutet damit an, daß die

Paradigmata dieser Sprachen nach seiner Auffassung auf ein ge¬

meinsames ursemitisches Paradigma zurückgehen. Als ursemiti¬

sche Endungen der 1. und 2. Pers. nennt er *-kü, *-tä, *-tT, *-nü,

*-tunü, *-tinä (S.98), wovon *-tunü und *-tinä falsch sind; es

sind deutlich akkadozentrische Formen.

Die von ihm angesetzte Verteilung von k und t im Ursemiti¬

schen begründet Zimmern mit dem ägyptischen Pseudopartizip

(S.97), das dann auch Nöldeke in der zweiten Fassung seiner

Arbeit herangezogen hat.

Bei der Formulierung der Ausgleichsprozesse des rekonstruier¬

ten unregelmäßigen Paradigmas nach k bzw. / bedeutet Zim¬

merns Ansatz gegenüber dem Nöldekes einen Fortschritt: Zim¬

mern erklärt nicht nur wie Nöldeke die Paradigmata mit k durch

Ausgleich nach der l.Sing. (S.98), sondern entsprechend die Pa¬

radigmata mit / als Ausgleich nach den Formen der 2. Pers.,

wenn er auch nicht ausschließt, daß es sich um eine „Vertau¬

schung" mit dem Possessiv- und Objektspronomen handle

(S.97). Auf NÖLDEKES Arbeit von 1884 verweist er an keiner Stel¬

le, wie denn auch Nöldeke von Zimmerns Ansatz keine Notiz ge¬

nommen hat

Ein gravierendes Problem kann Zimmern allerdings nicht lö¬

sen: das Problem, daß im akkadischen Paradigma zwischen dem

Stamm und den Endungen -ä- steht. Wenig überzeugend nimmt

er die ursemitischen Formen qatalata und qatalata an; auf die

erstere Form soll qatläta, auf die letztere qatalta zurückgehen

(S.l 09 f.).

(8)

Zimmerns Hypothese des gemeinsamen Ursprungs von akkadi¬

schem Stativ und westsemitischem Perfekt war für seine Zeit re¬

volutionär, ist aber offenbar unbeachtet geblieben, wahrschein¬

lich deshalb, weil diese Hypothese mit einer schlüssigen Erklä¬

rung des -ä- des akkadischen Stativ steht und fällt, diese aber

von Zimmern nicht geboten worden ist.

2.3. Brockelmanns Modifizierung von Nöldekes Ansatz

C. Brockelmann folgt in Grundriß I (1908) Nöldekes Arbeit,

auf die er S. 570 verweist, nicht nur in der Form der einzelnen re¬

konstruierten Endungen (S. 570 ff), sondern auch darin, daß er

wie NÖLDEKE den akkadischen Stativ vom westsemitischen Per¬

fekt trennt und als sekundäre Partizipialkonstruktion betrachtet

(S.583). Zimmerns Ansatz des gemeinsamen ursemitischen Ur¬

sprungs des akkadischen Stativs und des westsemitischen Per¬

fekts erwähnt er nichL

Bei der Art und Weise der Rekonstruktion des ursprünglichen

Paradigmas der Suffixkonjugation mit k in der l.Sing. und t in

der 2. Pers. hat sich Brockelmann indes von Nöldeke gelöst Die

Endung der 1. Sing, identifiziert er ganz entgegen Nöldekes Auf¬

fassung mit dem Element -kü, „das im Ass. {anäkü) und urspr.

auch im Hebr. (jetzt 'änöchi) zur Verstärkung des Pron. l.Pers.

dient" (S. 572f), und die 2. Pers. setzt er entsprechend mit t an,

ohne dies näher zu begründen. Die konkreten westsemitischen t-

bzw. Ä:-Paradigmata erklärt er durch die Annahme von Ausgleich

nach / bzw. nach k (S. 572, 573). Weder rekurriert Brockelmann

wie NÖLDEKE auf andere semito-hamitische Sprachen, noch leitet

er das k der 2. Pers. vom gebundenen Pronomen ab, sondern er

führt eine schlüssige interne Rekonstruktion durch.

Denselben Ansatz hat Brockelmann noch 1916 in der 2. Aufla¬

ge seines Büchleins Semitische Sprachwissenschaft vertreten

(S.23, 121, 129).

2.4. Urwestsemifisches Paradigma und akkadisches Paradigma

Während Nöldeke und Brockelmann den akkadischen Stativ

noch als sekundäre, innerakkadische Bildung betrachtet hatten,

trat in den Zwanzigerjahren ein wissenschafdicher Paradigma¬

wechsel ein, der darin bestand, daß man nunmehr westsemiti¬

sches Perfekt und akkadischen Stativ als Reflexe derselben urse-

(9)

mitisehen Kategorie „Suffixflexion" betraehtete, ein Ansatz, den

Zimmern 1898 vorweggenommen hatte (2.2.). Ein prägnantes Bei¬

spiel für die neue, allmählich die Oberhand gewinnende Auffas¬

sung sind die Ausführungen B. Landsbergers 1928 in Prinzipien¬

fragen Sp.969ff

Zugleich bestand nach wie vor das Problem des formalen Ge¬

gensatzes von Stativ und Perfekt. Denn vergleicht man das von

NÖLDEKE und Brockelmann rekonstruierte Paradigma, welches

als ursemitisch gedacht war, sich aber später als urwestsemitisch

herausstellen sollte, mit dem des Akkadischen, so stellt man fest,

daß das Akkadische im Unterschied zum Urwestsemitischen zwi¬

schen dem Stamm und den konsonantisch anlautenden Endun¬

gen den Vokal -ä- aufweist (Schema 1)^:

Akkadisch Urwestsemitisch

l.Sing. qatl-ä-ku * qatil-ku od&x *qatil-0-ku

2. Mask. Sing.' qatl-ä-ta *qatil-ta oder *qatil-0-ta

Schema 1: Akkadisches und urwestsemitisches Paradigma bei der I. Sing, und der 2. Mask. Sing, der Suffixkonjugation

Die Unterschiedlichkeit der beiden Paradigmata in Hinblick

auf das Vorhandensein bzw. das Fehlen von -ä- hatte für Nölde¬

ke und Brockelmann keine Bedeutung gehabt, da sie die beiden

Paradigmata nicht auf ein gemeinsames älteres Paradigma zu¬

rückgeführt hatten. Vermutlich läßt sich dieser Sachverhalt auch

umgekehrt formulieren, nämlieh in der Weise, daß neben der

verschiedenen Funktion von Stativ und Perfekt vor allem diese

nicht erklärbare formale Unterschiedlichkeit Nöldeke, Brockel¬

mann und andere Semitisten daran hinderte, sie als Reflexe des¬

selben ursemitischen Paradigmas zu betrachten. Um es überspitzt

auszudrücken: Hätte der Stativ des neuentdeckten Akkadisch

nicht qatläku, qatläta, qatläti, sondern qatilku, qatilta, qatilti ge¬

lautet, dann hätte wohl niemand gezögert, ihn trotz anderer

Funktion genetisch mit dem westsemitischen Perfekt zu identifi¬

zieren.

Zimmern hatte das Problem von akk. -ä- gesehen und als stö¬

rend empfunden, aber nicht überzeugend zu lösen vermocht, ein

* Die Frage der Quantität der auslautenden Vokale der Personalendungen bleibt hier unberücksichtigt.

^ Diese Form steht für alle Flexionsendungen, die mit Konsonant anlauten.

(10)

Umstand, der sehr wahrscheinlich verhinderte, daß seine Theo¬

rie des gemeinsamen Ursprungs von Stativ und Perfekt zu seiner

Zeit Beachtung fand.

Im selben Jahr 1928, in welchem Landsbergers Prinzipienfra¬

gen erscheinen, bringt P. Leander, ein glühender Verfechter der

damals bedrohten Theorie von dem verschiedenen Ursprung von

Stativ und Perfekt, seine Auffassung unter ausdrücklichem Bezug

auf Nöldekes Rekonstruktion von 1904 auf den folgenden Nen¬

ner: „Der akkadische Permansiv und das westsemitische Perfekt

sind nachweislich zwei verschiedene Systeme ... In diesem Sy¬

stem lautete die I.Person des Singularis ... ursemitisch also * qa¬

talkü ... Aus * qatalkü wird aber nie und nimmer *qatläkü. Aus

*qatläkü wird ebensowenig *qatalkü. Und es läßt sich keine Ur¬

form fmden, aus der beide stammen könnten" {Das Wesen der

semitischen Tempora S. 142). Noch vier Jahre später, also im Jah¬

re 1932, lehnt es J. Cantineau in Accadien et sudarabique mit fol¬

genden Worten ab, die akkadische Suffixkonjugation mit der des

Westsemitischen zu vergleichen: „Je me suis ... abstenu de com¬

parer les suffixes de gueze qatalkü et d'accadien kasdäk{ü): les

deux formes ne sont pas pareilles ..." (S.202).

Damit stand und fiel die neue Theorie mit der Erklärung des

akkadischen -ä-. Diese Erklärung lieferte G. Bergsträsser, wie

B. Landsberger ein Protagonist der neuen Richtung.

2.5. Bergsträssers Rekonstruktion

2.5.1. Einleitendes

Das akkadische -ä- erklärt Bergsträsser im 1929 erschienenen

2. Teil seiner Hebräischen Grammatik so: „Als Afformative dien¬

ten in der 3. Pers. nur Genus- und Numerusbezeichnungen, in

der 1. und 2. Pers. dagegen die Personalpronomina ohne das an¬

lautende 'an-, also *-'aku > äkü, -tä, -ti, -nä, -tumü, -tinnä. Dabei

wurde im Akkadischen das -ä- der l.Pers.Sing, auf die übrigen

Formen übertragen, während es im Westsemitischen nach deren

Analogie auch in der l.Pers. Sing, wegfiel ..." (S.ll).

In seiner ein Jahr zuvor erschienenen Einführung in die semiti¬

schen Sprachen hatte Bergsträsser im Kapitel „Ursemitisch"

eine etwas andere Erklärung geboten. Die Erklärung lautet dort:

„Die Afformative der 1. und 2. Pers. sind die zweiten Teile der

Personalpronomina: „wir" *-nü; „du" Mask. *-tä, Fem. *-?r;

(11)

„ihr" Mask. *-tumü, Fem. *-tmnä. Nur für „ich" dient ein abwei¬

chendes Element *-äkü'' (S.12), woran er die folgende Fußnote

anschließt: „Dessen - gemeint des Suffixes *-äkü ä scheint

im^ Akkadischen auf die anderen Afformative übertragen, in den

übrigen Sprachen vielmehr unter deren Einfluß aufgegeben zu

sein."

Vergleicht man Bergsträssers Erklärung von 1929 {Hebräische

Grammatik II) mit der von 1928 {Einßihrung), so fällt ins Auge,

daß die von 1929, obwohl ein Jahr später als die von 1928 veröf¬

fentlicht, in zwei Punkten einen Rückschritt gegenüber der von

1928 bedeutet.

Diese Diskrepanz beruht darauf, daß der 2. Teil der Hebräi¬

schen Grammatik zwar 1929 erschienen ist, doch das Manuskript

gemäß dem Vorwort S.VI im August 1926 abgeschlossen war,

während die Einföhrung gemäß dem Vorwort S.XI im Februar

1928 abgeschlossen war, doch noch im selben Jahr erschienen ist.

Daraus geht hervor, daß Bergsträsser seine Einföhrung einein¬

halb Jahre später als den 2. Teil seiner Hebräischen Grammatik

verfaßt hat und sie somit seinen maßgeblichen Forschungsstand

repräsentiert.

Die beiden Unterschiede der Einföhrung gegenüber der He¬

bräischen Grammatik sind die folgenden:

1. Bergsträsser verzichtet aufdie Annahme einer Entwicklung

*-''akü > *äkü mit sekundärer Dehnung von a, einer Entwick¬

lung, die in der Tat sehr unwahrscheinlich ist, sondern geht un¬

mittelbar von *-äkü aus (2.5.2).

2. Bergsträsser setzt die Endung der l.Plur. als *-nü statt

*-nä an (2.5.4).

2.5.2. Die l.Sing. *-äkü und der Ausgleich des Paradigmas

Was Bergsträssers Erklärung, daß das akkadische Paradigma

als Ergebnis von Ausgleich nach der l.Sing. zu betrachten sei,

betrifft, so hatte dies in gewisser Weise Brockelmann in Grund¬

riß I (1908) vorweggenommen (S.583), auf den Bergsträsser

übrigens in der Hebräischen Grammatik II S.ll Fn.5 verweist

Brockelmann führt an jener Stelle aus, daß die konsonantisch

* Die Parenthese ist meine Hinzufügung.

' Im Text steht irrtümlich „ist scheint Akkadischen".

(12)

anlautenden Endungen des akkadischen Permansivs „mittels eines

ä angehängt" würden. Dieses ä soll nach seinen Worten „aus

dem Pronomen I.P., das man nach dem Muster *anta > atta :

ta in an-äku zerlegte, herstammen, und ist dann weiter übertra¬

gen".

Sehr klar sind diese Ausführungen nicht. Weder wird deutlich,

was mit dieser Übertragung gemeint ist - von der l.Sing des Per¬

sonalpronomens auf die l.Sing. des Stativs und von dort auf die

anderen Personen?, noch äußert sich Brockelmann zu den

Formen der von ihm aufgezählten Endungen, also etwa -t{a), -ti,

-tunu etc. Jedenfalls bezeichnet er die Endungen anders, als es

Nöldeke getan hatte, nicht als verkürzte Subjektspronomina (et¬

wa anta {atta) > -ta). Eine gewisse Emanzipation von Nöldekes

Auffassung ist spürbar, aber den entscheidenden Schritt, westse¬

mitisches Perfekt und akkadischen Stativ auf ein gemeinsames

Paradigma zurückzuführen, hat Brockelmann nicht getan. Brok-

KELMANNs Ansatz hat noch 1924 M.Cohen in Le Systeme verbal

semitique vertreten (S.44).

In der I.Auflage von Semitische Sprachwissenschaft, die 1906,

also zwei Jahre vor Grundriß I erschienen war, hatte Brockel¬

mann noch geschrieben: „In der 2. und I.Person werden die Pro¬

nominalzeichen mit dem Stamme durch ein noch nicht erklärtes

ä verbunden" (S.131). Man könnte annehmen, daß diese Fest¬

stellung durch die Ausführungen in Grundriß I als überholt zu

betrachten sei, aber Brockelmann hat sie in der 1916 erschiene¬

nen 2. Auflage beibehalten (S. 133). Es läßt sich nicht sicher ent¬

scheiden, ob er inzwischen von seiner in Grundriß I geäußerten

Erklärung des akkadischen -ä- nicht mehr überzeugt war oder ob

er den Wortlaut der I.Auflage von Semitische Sprachwissenschaft

in der 2. Auflage mechanisch beibehalten hat

Unter diesen Umständen kommt Bergsträsser das Verdienst

zu, den gemeinsamen Ursprung der westsemitischen und der ost¬

semitischen Suffixkonjugation nicht nur postuliert, sondern nach¬

gewiesen zu haben. Dieser Schritt kann in seiner Bedeutung als

gar nicht wichtig genug eingeschätzt werden: Indem die Unter¬

schiedlichkeit des akkadischen und des westsemitischen Paradig¬

mas hinsichtlich der Opposition -ä- vs. -0- durch den Ansatz ei¬

nes gemeinsamen älteren unregelmäßigen Paradigmas erklärt

wird, das in den Formen der entsprechenden Subjektspronomina

seine Bestätigung findet, wird die genetische Verwandtschaft der

beiden Paradigmata erwiesen. Anders ausgedrückt: Nur unter

(13)

der Voraussetzung, daß der Gegensatz von akk. -ä- vs. uws. -0-

erklärbar ist, dürfen die beiden Kategorien als genetisch ver¬

wandt betrachtet werden.

Einzuschränken ist Bergsträssers Erklärung von 1928 nur in

Hinblick auf seine Formulierung, daß *-tä etc. die „zweiten

Teile der Personalpronomina", hingegen *-äkü „ein abweichen¬

des Element" sei, da ja *-äkü ebenfalls das zweite Element des

betreffenden Personalpronomens ist und im selben Verhältnis

zum Pronomen *'an-äkü wie die Verbalendung *-tä zum Prono¬

men * 'an-tä steht. Bergsträssers Formulierung wird verständ¬

lich, wenn man seine Rekonstruktion des ursemitischen Subjekts¬

pronomens der l.Sing. betrachtet: Sie lautet *'an'ä (S.7), so daß

das zweite Element *-'ä wäre, und insofern könnte man das bei

der Suffixkonjugation rekonstruierbare *-äkü durchaus als „ab¬

weichend" betrachten. Dieses Problem ist aber gegenstandslos,

da im Ursemitischen neben der Kurzform * 'anä, wie sie anzuset¬

zen ist, auch eine Langform *'anäkü existierte, wie aus der Exi¬

stenz eines solchen Pronomens im Akkadischen (anäku) und im

Kanaanäischen (hebr. *anökT mit sekundärem t) hervorgeht.

In heutiger Ausdrucksweise würde man Bergsträssers Rekon¬

struktion bei gleichem Sinn etwas ausführlicher so formulieren:

Unter der Voraussetzung, daß die westsemitische und die akka¬

dische Suffixkonjugation gemeinsamen Ursprungs sind, müssen

sie auf ein älteres heterogenes Paradigma zurückgehen, welches

mindestens eine Flexionsendung des Typs -äCV und mindestens

eine Flexionsendung des Typs -CI^ aufwies. Aus der Suffixkonju¬

gation selbst läßt sich die Verteilung der beiden Morphemtypen

nicht rekonstruieren, wohl aber mit Hilfe der formal parallelen

Subjektspronomina, indem * 'anäkü gemäß * 'an-tä, *'an-ti etc.

in *'an-äkü zerlegt wird. Der Vergleich der Verbalendungen mit

den Subjektspronomina zeigt, daß die Struktur -äCV für die

l.Sing., hingegegen die Struktur -CV für die l.Pl. und für die

2. Pers. der Suffixkonjugation anzunehmen ist. Dieses in Hinblick

auf die Alternanz -ä- vs. -0- unregelmäßige Paradigma ist später

im Ostsemitischen nach -ä- und im Westsemitischen nach -0-

ausgeglichen worden.

In Schema 2 ist der Ansatz des ursemitischen Paradigmas der

Suffixkonjugation, wie er sich aus Bergsträssers Rekonstruktion

ergibt, verdeutlicht.

(14)

l.Sing.

2. Mask. Sing.

11

Subjektspronomina

*'an-äkü^°

* 'an-tä

Suffixkonjugation

*qatil-äkü

*qatil-tä

Schema 2: Subjektspronomina und Suffixkonjugadon im Ursemitischen

2.5.3. Exkurs: Das Subjektspronomen der l.Sing.

Im Gegensatz zu den anderen Subjektspronomina ist das Pro¬

nomen der l.Sing. in den semitischen Sprachen mit zwei ver¬

schiedenen Formen vertreten, die sich für das Ursemitische als

*'anä und * 'anäkü rekonstruieren lassen. Der Einfachheit halber

werde ich im folgenden das Pronomen *'anä „Kurzform" und

das Pronomen *anäkü „Langform" nennen. Sekundäre Weiter¬

entwicklungen dieser Formen bleiben außer Betracht. Die l.Sing.

der Suffixkonjugation entspricht der Langform des Subjektspro¬

nomens : *qatil-äkü - * 'an-äkü.

Brockelmann setzt die Kurzform des Pronomens in Grundriß I

S. 297 als ^'anä mit Anzepscharakter des auslautenden Vokals an

und fügt hinzu: „Diese Grundform ist vielleicht in 'an + 'a (vgl.

§ 89 aa) zu zerlegen". In § 89 aa (S.239) erläutert er den Schwund

des zweiten Hamza durch Dissimilation. Die Langform führt er

auf 'anä -\- -kü, ein Element, „das auch beim Perf zur Bezeich¬

nung der l.Pers. dient", zurück (S. 298), während er sich bei der

Besprechung der l.Sing.Perf so ausdrückt: „Es (sc. -kü) ist das¬

selbe Element, das im Ass. {anäkü) und urspr. auch im Hebr.

(jetzt 'änöcht) zur Verstärkung des Pron. l.Pers. dient" (S.573f).

Bergsträsser rekonstruiert in Einfiihrung S.7 das Pronomen

der l.Sing., wie erwähnt, als Kurzform *'an'ä und erwähnt die

um -kü vermehrte Langform hier nicht, woraus zu schließen ist,

daß er diese wohl nicht für ursemitisch gehalten hat Im Zusam¬

menhang des Akkadischen bzw. des Hebräischen erklärt er anä¬

ku bzw. 'änöki so, daß sie durch -k- erweiterte Formen seien

Ob das zweite Element des Pronomens mit Hamza anlautete

oder nicht, läßt sich nur schwer entscheiden. An sich wäre im

Akkadischen und klassischen Arabisch bei Schwund des zweiten

Von Bergsträssers Rekonstruktion abweichende Form.

Die Form steht stellvertretend für alle Formen der 2. Personen.

(S.22, 39).

(15)

Hamza epenthetische Längung des vorhergehenden Vokals zu er¬

warten oder zumindest möglich. Mag solche Länge in der Keil¬

schrift auch nicht sicher zu erkennen sein, so müßte die arabi¬

sche Form doch *'änä sein. Solche Formen sind im Arabischen

wie auch im Aramäischen bekannt (Grundriß \ S. 297 ff.), aber es

stellt sich die Frage, ob sie ursprünglich oder das Ergebnis von

sekundärer Dehnung sind. Ich wage ohne genaue Einzelanalyse,

die außerhalb des Ziels dieser Arbeit liegt, keine Entscheidung.

Fragwürdig ist jedenfalls Brockelmanns Vorform *'an-'a mit

kurzem auslautendem a, da der Schwund des Hamza keineswegs

zur Längung des darauf folgenden Vokals führen konnte.

Was das Verhältnis von Kurzform und Langform betrifft, so

zeigt ein Teil der Sprachen nur die Kurzform (Eblaitisch, Aramä¬

isch, Arabisch, Südwestsemitisch), ein anderer Teil nur die

Langform (Phönizisch, Moabitisch) und ein dritter Teil sowohl

die Kurzform wie die Langform (Ugaritisch, Hebräisch, Akka¬

disch'^), woraus hervorgeht, daß beide Formen für das Ursemiti¬

sche anzusetzen sind und Bergsträssers Ansatz allein der Kurz¬

form zu korrigieren ist.

Betrachtet man die Übersicht über die Personalpronomina in

den afroasiatischen Sprachen, die H.-J. Sasse in Afroasiatisch

S.144 gibt, so bestätigt sich der semitische Befund für die ande¬

ren Gruppen des Afroasiatischen: Sowohl die Kurzform wie die

Langform des Pronomens ist belegt, wenn auch nicht in einer

Sprache bzw. Sprachgruppe nebeneinander wie im Semitischen.

Angesichts der ursemitischen Asymmetrie *'anä, * 'anäkü vs.

*qatiläkü stellen sich die beiden folgenden miteinander ver¬

knüpften Fragen:

1. Warum ist für die l.Sing. der Suffixkonjugation im Gegen¬

satz zum Subjektspronomen der l.Sing. nur eine einzige Form,

und zwar die der Langform des Pronomens entsprechende rekon¬

struierbar, während eine der Kurzform des Pronomens entspre¬

chende Form fehlt?

2. Warum existieren im Semitischen bzw. im Afroasiatischen

bei der l.Sing. des Subjektspronomens eine Kurzform und eine

Die Kurzform ana ist gemäß Moscati: Introduction S.103 im Altbabyloni¬

schen belegt. Aber von Soden erwähnt eine solche Form in Grundriß der akkadi¬

schen Grammatik nicht.

(16)

Langform nebeneinander, während es ansonsten jeweils nur eine

einzige Form des Subjektspronomens gibt?

Die erste Frage ist recht einfach zu beantworten; offenbar

hängt der Umstand, daß * 'anä neben * 'anäkü, nicht aber *qati-

lä neben *qatiläkü steht, damit zusammen, daß *-kü beim Pro¬

nomen, nicht aber bei der Verbalform redundant ist: Während

*'an-ä wie * 'an-äkü von den anderen Personalpronomina ge¬

trennt ist, wäre eine l.Sing. der Form *qatil-ä statt *qatil-äkü

formgleich mit der Form der 3. Fem. Plur. *qatil-ä. Daraus folgt,

daß die l.Sing. *qatiläkü der Suffixkonjugation keineswegs se¬

kundär durch Antritt von *-kü an eine Vorform l.Sing. *qatil-ä

entstanden sein kann, sondern als *qatil-äkü anzusetzen ist.

Damit ergeben sich zwei historische Modelle für das Neben¬

einander von Kurzform und Langform beim Personalpronomen:

1. Subjektspronomen der I.Sing ist ursprünglich „Kurz¬

form": Das Subjektspronomen der l.Sing. hatte ursprünglich,

wie Bergsträsser annimmt, die Form *'an-'ä oder gegebenen¬

falls *'an-ä, wobei das Morph *-'ä bzw. *-ä mit dem Präfix der

l.Sing. der Präfixkonjugation ('a-qtul) idenfisch war, während

die entsprechende Form der Suffixkonjugation *qatil-äkü lautete.

Zusätzlich zu *'an'ä bzw. *'anä wurde in Analogie zur Suffix¬

konjugation * 'anäkü gebildet, also *qatil-ta : *qatil-äkü = * 'an-

tä : x; X = * 'an-äkü. Von diesen beiden Formen (Langform und

Kurzform) wurde einzelsprachlich meistens wieder eine Form

aufgegeben, wobei der Trend zur Aufgabe der Langform ging. -

Bei diesem Modell erhebt sich die schwierige Frage, warum das

zweite Element des Subjektspronomens der l.Sing. mit dem Prä¬

fix der Präfixkonjugation, hingegen das zweite Element der Sub¬

jektspronomina der 2. Pers. mit den Endungen der Suffixkonjuga¬

tion übereinstimmen.'^

2. Subjektspronomen der I.Sing. ist ursprünglich „Lang¬

form": Das Subjektspronomen der l.Sing. hatte ursprünglich die

Form *'anäkü. Neben diese Form trat sekundär *'anä, indem

das Morph *-kü wegen Redundanz aufgegeben wurde. - Solche

lautgesetzwidrige Verkürzung aufgrund von Redundanz ist ein

Das zweite Element der 1. Plur kann sowohl mit dem Präfix der Präfixkon¬

jugation wie mit dem Suffix der Suffixkonjugation identifiziert werden und bleibt deshalb außer Betracht.

(17)

im semitischen Bereich häufig zu beobachtender Prozeß, doch

finden derlei Entwicklungen, soweit ich sehe, erst einzelsprach¬

lich und nicht bereits im Ursemitischen statt. Bei diesem Ansatz

stellt sich die Frage, warum solche Verkürzung nur beim

Subjektspronomen der 1. Sing, und nicht auch bei * 'antumü und

*'antmnä eingetreten ist, bei denen die Morphe *-mü und *-nä

strenggenommen ebenfalls redundant sind. Der Grund hierfür

liegt sehr wahrscheinlich in der verschieden hohen funktionalen

Belastung der Endungen: *-äkü bezeichnet Person und Nume¬

rus, während *-tumü und *-tinnä Person, Numerus und Genus

bezeichnen.

Insgesamt gesehen scheint mir das zweite historische Modell

eher akzeptabel zu sein als das erste.

2.5.4. Die l.Plur. *-nü

Die in 2.5.1. erwähnte zweite Differenz zwischen Bergsträs¬

sers Rekonstruktion der Endungen der Suffixkonjugation und

der NÖLDEKES bzw. Brockelmanns betrifft die Endung der

l.Plur. Während Bergsträsser in Hebräische Grammatik diese

Endung wie Nöldeke und Brockelmann als *-nä angesetzt

hatte, nennt er in Einföhrung S.12 *-nü als Urform. Die Form

des gebundenen Pronomens der l.Plur. setzt er als *-nä (S.8),

die des Subjektspronomens der l.Plur. als *nih-nü an (S.7).

Eine Begründung für seine Meinungsänderung gibt Bergsträs¬

ser nicht Im folgenden sollen die Formen deshalb näher be¬

trachtet werden.

Wie die parallelen einzelsprachlichen Entwicklungen bei den

Formen der 2. Pers. der Subjektspronomina, der gebundenen

Pronomina und der Endungen der Suffixkonjugation zeigen,

wurden diese drei Reihen einzelsprachlich miteinander in Ver¬

bindung gebracht, so daß in jede Richtung Ausgleichsprozesse

zwischen den drei Reihen möglich waren. Diese Möglichkeit ist

somit auch für die l.Plur. anzunehmen.

In Schema 3 sind die Formen derjenigen semitischen Spra¬

chen, die eine sichere Aussage zulassen, für die drei Reihen zu¬

sammengestellt. Der auslautende Vokal ist durchweg als lang an¬

gesetzt, auch wenn er in den einzelnen Sprachen zum Teil als

Kurzvokal erscheint

(18)

Typl Typ II Typ III Typ IV

selbständiges Pronomen

Suffixkonjugation

gebundenes Pronomen

-na -na

na -nu

-nu -nü

-na -na

-nü -nü

-nu - ni Schema 3: Die Verteilung von -nä, -nu, -ni der 1. Plur. in den Einzelsprachen

Typ I wird vom Altäthiopischen (nahnä, -nä, -nä), von den

heutigen arabischen Dialekten (nihnä etc., -nä, -nä) und vom äl¬

teren Aramäisch (bibl.-aram. '"nahnä, -nä, -nä), Typ II vom He¬

bräischen ('"nahnü, -nü, -nü), Typ III vom klassischen Arabisch

(nahnu, -nä, -nä), und Typ IV vom Akkadischen (ninu [< *nih-

nü], -nu, -ni) repräsentiert.

Die sehr unterschiedliche Verteilung der Typen I-IV korre¬

spondiert nicht mit der Einteilung in Ostsemitisch-Westsemitisch

oder mit Subgruppen des Westsemitischen, vielmehr zeigt sogar

eine einzelne Sprache, das Arabische, zwei Typen (Typ I und

Typ III). Daraus folgt, daß ein unregelmäßiges ursemitisches Pa¬

radigma erst einzelsprachlich ausgeglichen worden ist.

Aus dem Vergleich der Typen I-IV lassen sich die folgenden

Schlüsse ziehen:

1. Aus Typ I und Typ II ergibt sich, daß das ursemitische Para¬

digma sowohl *-nä wie *-nü enthalten haben muß, was durch

Typ III bestätigt wird.

2. Aus Typ III ergibt sich, daß das selbständige Pronomen *-nü

aufgewiesen haben muß, weil diese Endung in Typ III isoliert ist

und deshalb im Gegensatz zu Typ II und Typ IV nicht als Analo¬

gie erklärt werden kann.

3. Aus 2 ergibt sich indirekt, daß *-nä bei der Suffixkonjugati¬

on oder beim gebundenen Pronomen oder bei beiden Kategorien

anzusetzen ist.

Die weiteren Überlegungen hängen davon ab, ob -ni beim ge¬

bundenen Pronomen in Typ IV, also im Akkadischen, ursprüng¬

lich oder sekundär ist. Um zu einer sicheren Entscheidung zu ge¬

langen, müßte das gesamte akkadische System der Formen von

Genifiv, Akkusativ und Dativ beim gebundenen Pronomen wie

auch beim selbständigen Pronomen historisch analysiert werden,

und es müßte entschieden werden, ob die in den westsemitischen

Pronomen des Genidvs.

(19)

Sprachen fehlenden selbständigen Formen des Genitivs, Akkusa¬

tivs und Dativs ererbt oder sekundär sind. Diese Analyse kann

hier nicht geleistet werden, doch scheint mir angesichts offen¬

sichtlicher Analogiebildungen innerhalb dieser Paradigmata der

Gedanke nahezuliegen, daß -ni sekundär ist, wobei der Aus¬

gleich nach dem Pronomen der l.Sing. erfolgt sein dürfte.

Die Frage, wie die Verteilung von *-nü und von *-nä in der

Suffixkonjugation und im gebundenen Personalpronomen war

{*-nü, *-nä oder *-nä, *-nü oder *-nä, *-nä), läßt sich durch in¬

terne Rekonstruktion nicht lösen. Aber so, wie Brockelmann das

Subjektspronomen der l.Sing. für die Feststellung der Distributi¬

on von k und t zu Hilfe genommen hat, können diese Subjekts¬

pronomina auch hier herangezogen werden: Wenn alle anderen

Endungen der 1. und der 2. Pers. der Suffixkonjugation mit den

zweiten Elementen der Subjektspronomina identisch sind, dage¬

gen mit den Possessiv- und Objektspronomina entweder über¬

haupt nicht oder nur zum Teil übereinstimmen, dann ist für die

Endung l.Plur. der Suffixkonjugation im Zweifelsfalle ebenfalls

anzunehmen, daß sie mit dem zweiten Teil des Subjektsprono¬

mens formgleich ist, hingegen von der Form der Possessiv- und

Objektspronomina mehr oder weniger differiert

Damit ergibt sich für die l.Plur. folgende Verteilung: Subjekts¬

pronomen *nih-nü, Suffixkonjugation *qatil-nü, Possessiv- und

Objektspronomen *-nä, d.h. man ist zu Bergsträssers Ansatz

gelangt.

2.6. Die Quantität der auslautenden Vokale

Sofern die orthographischen Systeme der Einzelsprachen aus¬

lautende Kurz- und Langvokale unterscheiden, bietet sich in

Hinblick auf die Quantität der auslautenden Vokale der Endun¬

gen der Suffixkonjugation ein verwirrendes und widersprüchli¬

ches Bild.

So hat bei der l.Sing. das klassische Arabisch den Auslautvo¬

kal -u (qultu), und die meisten heutigen Dialekte weisen mit ih¬

rer vokallosen Form auf solchen Kurzvokal {*qult < * qultu),

aber daneben gibt es auch Dialekte (z.B. die qiltu-Dialekte in

Anatolien-Nordsyrien-Nordirak und jemenitische Dialekte) mit

dem Auslaut -w; solche Länge zeigt auch das Altäthiopische {qä¬

tälku < *qatalkü).

Im Grunde ist die Situation so, daß praktisch jedes auf Vokal

(20)

auslautende Suffix einzelsprachlich sowohl mit Langvokal wie

mit Kurzvokal und bisweilen gegen die normale lautliche Ent¬

wicklung ohne Vokal (z. B. arab. -tum < *-tumü) bezeugt ist. Wie

noch in der Geschichte historisch bezeugter Sprachen zu verfol¬

gen, verhalten sich die auslautenden Vokale solch grammatikali-

sierter Elemente nicht lautgesetzlich, sondern ihr Erhalt oder

Verlust folgt eher dem Prinzip der Distinktivität oder Redundanz

des betreffenden Vokals. Manchmal ist ursprüngliche Länge

noch in Binnenposition vor Objektsuffixen erhalten, so etwa bei

altäth. qätälnä, das vor den Objektspronomina die Form qätälna-

< *qatalnä- zeigt, z. B. qätälnahu < *qatalnähü.

Da nun, wie Nöldeke in Endungen ausführt, die Kürzung von

ursprünglichem auslautenden Langvokal plausibler ist als die

Längung von ursprünglichem auslautenden Kurzvokal, setzt er

die auslautenden Vokale als lang an, worin ihm Brockelmann

und Bergsträsser folgen. Diese Länge ist natürlich auch für den

Auslaut der entsprechenden Subjektspronomina anzunehmen.

Brockelmann verhält sich hierbei insofern inkonsequent, als er

den auslautenden Vokal der Subjektspronomina anders als den

entsprechenden Vokal der Endungen der Suffixkonjugation

durchweg als anzeps ansetzt (Grundrißl S. 297 ff.); ein derartiger

Ansatz ist abzulehnen, da er keine Vorform, sondern eine Sum¬

me des Befundes der Einzelsprachen darstellt. Hingegen geht

Bergsträsser konsequent von auslautender Länge sowohl in den

Endungen der Suffixkonjugation wie in denen der Subjektspro¬

nomina aus.

2.7. Die Forschungsgeschichte seit Bergsträsser

Obwohl sich die Theorie vom gemeinsamen Ursprung von Sta¬

tiv und Perfekt durchgesetzt hat, hat Bergsträssers Erklärung

des Gegensatzes akk. -ä- vs. uws. -0- m.W. nicht nur nicht die

ihr gebührende Würdigung gefunden, sondern scheint im Gegen¬

teil überhaupt nicht beachtet worden zu sein.

Im folgenden führe ich Theorien und Erklärungsversuche an,

wie sie seit Bergsträsser geäußert worden sind, wobei ich mich

auf diejenigen beschränke, die von dem gemeinsamen Ursprung

von Stafiv und Perfekt ausgehen. Auf eine Behandlung derjeni¬

gen Theorien, die nach 1928 noch an der genetischen Verschie¬

denheit von Stafiv und Perfekt festhalten, gehe ich nur aus-

(21)

nahmsweise ein, da sie nur noch wissenschaftsgeschichtHches In¬

teresse beanspruchen können.

Auch bei dieser Beschränkung bin ich mir bewußt, daß meine

Aufsteilung bei der Fülle der Literatur zu den „semitischen Tem¬

pora" keine Vollständigkeit zu beanspruchen vermag, aber ich

hoffe dennoch, das Wichtigste zu bieten.

Auf eine ins einzelne gehende „Widerlegung" derjenigen Er¬

klärungsversuche, deren Unmöglichkeit oder Unwahrscheinlich¬

keit offensichtlich ist, verzichte ich bewußt.

1934 setzt L.H.Gray in Introduction für das „Proto-Semitic"

die Formen katab{a)ku und katab{a)ta an (S.98), was abgese¬

hen davon, daß Gray aus nicht weiter einsichtigen Gründen kur¬

zen, nicht langen a-Vokal annimmt, schon deshalb problema¬

tisch ist, weil das Ursemitische nicht gleichzeitig Formen mit a

und ohne a aufgewiesen haben kann.

1939 nennt Z.S.Harris in Development of the Canaanite Dia¬

leets im Zusammenhang mit der gemeinsamen westsemitischen

Vorgeschichte des Kanaanäischen für die l.Sing. der Suffixkon¬

jugation den angeblichen Gegensatz ws. vs. akk. -k- (S.8),

eine Feststellung, die so nicht stimmt, weil die südwestsemiti¬

schen Sprachen mit ihrem anderen Befund außer Betracht gelas¬

sen sind.'^ In Fußnote 10 weist Harris ergänzend auf den Ge¬

gensatz von WS. -0- vs. akk. -ä- hin, ohne sich hierzu näher zu

äußern. Die Form der Endungen der Suffixkonjugation behan¬

delt er bis auf die l.Sing. (Innovation -ti des Kanaanäischen)

nicht.

1950 äußert sich O. Rössler in seiner bekannten Arbeit Verbal¬

bau und Verbalßexion in den Semitohamitischen Sprachen in dem

Sinne, daß das akkadische Paradigma in Hinblick auf das von

ihm als „Bindevokal" betrachtete ä „eine Altertümlichkeit be¬

wahrt zu haben (scheine)". Er setzt für das Akkadische die Vor¬

form *läbisäta und für das Arabische *labisata an, was Zim¬

merns Hypothese (2.2.) entspricht Nach seiner Auffassung soll

der „Bindevokal" im Akkadischen „nach Analogie der l.Sing.,

wo er im Hinblick auf anäku „ich" von Haus aus lang gewesen

sein muß" gedehnt worden sein (S.473). Diese an die Ausführun-

" Bei der Aufzählung des westsemidschen Einzelbefundes nennt Harris je¬

weils nur Vertreter des Nordwestsemitischen. Daß er aber mit „West Semidc" in der Tat Westsemitisch und nicht etwa Nordwestsemitisch meinL geht deutlich aus S.5L (Nr.2) und S.8 ff (Nr 4-5) hervor.

(22)

gen Grays (1934) erinnernden, nicht sehr klar formulierten Aus¬

führungen Rösslers lassen sich so verstehen, daß er für die akka¬

dische l.Sing. eine Form mit ursprünglichem langen ä (also qat¬

läku), hingegen für die 2. Pers. (und wohl auch die l.Plur.) For¬

men mit kurzem betonten a (Typ *läbisäta) ansetzte, deren

Kurzvokal a in Analogie zum Langvokal ä der l.Sing. gedehnt

worden sei. Zur ursprünglichen l.Sing. des Westsemitischen - er

spricht nur vom „Arabischen" - und zum Schicksal des von ihm

angesetzten Bindevokals a der arabischen 2. Sing. {*labisata) äu¬

ßert sich RÖSSLER nicht; offenbar nimmt er Elision von a in unbe¬

tonter Silbe an. Zur Form der Endungen gibt er keine Stellung¬

nahme ; dieses Problem war für seine Zwecke von sekundärer Natur.

1956 erklärt A. Klingenheben in Präfix- und Sufiixkonjugation

die Form der 1. und 2. Pers. des akkadischen Stativs als Zusam¬

mensetzung einer nominalen Basis mit den Subjektspronomina;

hierbei sei anäku um an- verkürzt worden, während bei den

2. Personen das / degeminiert und das davor stehende a zum Er¬

satz gedehnt worden sei (S.247). Die von Klingenheben gemeinte

Entwicklung wäre also etwa *qatil-atta > *qatiläta ; er geht hier¬

bei von den spezifisch akkadischen Personalpronomina mit assi¬

miliertem n (z.B. atta < *'anta) aus.

1959 geht F. Rundgren im Abschnitt „Die morphologische

Entwicklung des ursemit. Stativs" seines Buches Intensiv und

Aspektkorrelation von den westsemitischen Formen aus und er¬

klärt akk. pars-äku als innerakkadische Neuerung, der die ande¬

ren Formen mit konsonantisch anlautenden Suffixen gefolgt sei¬

en. Sein Gedankengang ist der folgende: Von den beiden Allo¬

morphen haliq- (vor konsonantischen Suffixen, z. B. *haliq-ta)

und *halq- (vor vokalischen Suffixen, z. B. *halq-at), sei *halq-

auf Kosten von *haliq- verallgemeinert worden, was Neubildun¬

gen wie *halq-ta/*halq-ku ergeben habe. Solche Silbenstruktur

sei unmöglich gewesen, und so sei nach dem Muster von 'anäku

analogisch halqäku gebildet und dessen ä auf die anderen For¬

men mit konsonantischen Suffixen übertragen worden (S. 282f).

1961 spricht J. Kurylowicz in L'apophonie en semitique von

„I'element -ä- intercale entre la racine et les desinences conso-

nantiques en akkadien" und nimmt zur Erklärung dieses -ä- an,

es sei innerakkadisch in Formen von Wurzeln tertiae und h, in

denen der 3. Radikal silbenschließend gewesen sei, entstanden

und dann verallgemeinert worden, also etwa *RiaR2aH-t(a) >

RiaR2ä-t(a) (S.50).

(23)

1962 behandelt G. R. Castellino in The Akkadian Personal Pro¬

nouns auch den akkadischen Stativ im Rahmen des Semitischen

bzw. Afroasiatischen. Auf die Frage des -ä- geht er m.W. nicht

ein.

1964 wird in S. Moscatis An Introduction to the Comparative

Grammar of the Semitic Languages, einem Werk, für das neben

dem Herausgeber Moscati auch A. Spitaler, E. Ullendorff und

W.VON Soden verantwortlich zeichnen, die ursemitische l.Sing.

der Suffixkonjugation als * qatalkü rekonstruiert: „For the first

person we may postulate a Proto-Semitic qabarku" (S. 139). Das

-ä- des akkadischen Paradigmas wird - ganz offensichtlich vor

der Folie des Westsemitischen - als „connective vowel" bezeich¬

net (S. 137) und wohl aus diesem Grund nicht weiter erklärt. Was

die anderen Endungen betrifft, so werden sie als *-ta-, *-ti, -*-tu-

mu, *-tin{n)a, *-na angegeben (S. 139f). Die Kürze der auslau¬

tenden Vokale ist unberechtigt, und *-tin(n)a ist keine ursemiti¬

sche Form, sondern die Addition einzelsprachlicher Formen;

daß die ursemitische Form *-tinnä ist, hat ja schon Nöldeke

nachgewiesen. 1969 ist das Buch in zweiter unveränderter Aufla¬

ge erschienen.

1965 setzt I. M. Diakonoff in Semito-Hamitic Languages das

Subjektspronomen der l.Sing. als ^'an-äku/T an (S.71). Obwohl

Diakonoff bei der morphologischen Analyse des „stative" - da¬

mit meint er in diesem Kontext offenbar eine ursemitische Form

- die Personalendungen der 1. und 2. Pers. als Personalpronomi¬

na minus „the prefixed emphatic particle 'an-" erklärt, was für

die l.Sing. die Segmentierung * 'an-äku ergäbe, setzt er das zu¬

grundeliegende „pronoun" als *-ku und die entsprechende „sta¬

tive "endung als -ku, daneben auch -tu an (S. 88), wobei er in den

Fnn. 74 und 76 erklärt, daß -ku im Akkadischen und Äthiopi¬

schen, -tu „in the other Semitic languages" gebraucht würde.

Eine historische Erklärung für die Verteilung von k- und /-Per¬

fekt im Westsemitischen gibt Diakonoff nicht, und das ä des

akkadischen Paradigmas tut er mit den Worten „-ä- is here a

, Bindevokal' " ab (S.89 Fn. 84). Der Ansatz der auslautenden Vo¬

kale ist widersprüchlich: Der Auslautvokal der Subjektspronomi¬

na ist durchweg als kurz (S.71, 88), das auslautende u der

l.Sing. der Suffixkonjugation als anzeps und das auslautende a

bzw. i der 2. Mask. Sing, und 2. Fem. Sing, wie bei den Pronomina

wiederum als kurz (S.88) angesetzt; zu den pluralischen Endun¬

gen der Suffixkonjugation äußert sich Diakonoff nicht. Als

(24)

l.Plur. des Subjektspronomens nennt er * nahna/u statt *nihnü,

als 2. Fem. Plur. *anti{n)na statt *'antinnä, und als l.Plur. des

gebundenen Pronomens *-na /*-nu /*-ni. Diese Ansätze sind

Additionen einzelsprachlicher Befunde, keine Rekonstruktionen

von Vorformen.

1969 rekonstruiert I.Gelb in Sequential Reconstruction of Proto-

Akkadian S.215 ein gemischtes ursemitisches Paradigma der

Struktur *qatil-äku, *qatil-ta, also ein Paradigma im Sinne Berg¬

strässers, ohne sich aber auf ihn zu beziehen. Ein Wort der Ein¬

schränkung ist freilich zu nicht wenigen von Gelbs Rekonstruk¬

tionen angebrachL Gelbs vorgefaßte Theorie, daß die zweiten

Elemente des Subjektspronomens wie auch die Suffixe der Suf¬

fixkonjugation mit den Präfixen der Präfixkonjugation identisch

seien, verleitet ihn zu Fehlschlüssen, unter anderem zu der An¬

nahme, daß das verbale Präfix 'a- der l.Sing. auch im Subjekts¬

pronomen und in der l.Sing. der Suffixkonjugation enthalten sei,

so daß er *'anäkü auf *'an-'-a-ku und *mahräku auf *mahir-'a-

ku zurückführt, was Bergsträssers in der Hebräischen Gramma¬

tik geäußerten Annahme entspricht, die er dann in Einführung

revidiert hat Die Differenz bei der Länge des mittleren Vokals

der bezeugten Formen erklärt Gelb mit den Worten „M becom¬

ing ä is regular ..." (S. 177), eine Behauptung, die weder für das

Ursemitische, noch für das Akkadische zutrifft. Die Endung der

1. Plur. der Suffixkonjugation rekonstruiert Gelb als *-na, die

2. Mask. Sing, als *-tu (später > *-ta), die 2. Fem. Sing, als *-ti,

die 2. Mask. Plur. als *-tunu, die 2. Fem. Plur. als *-tini (später >

*-tina). Die angeblichen ursemitischen Formen *-tu, *-tunu, *-tini

sind indiskutabel und sollen hier deshalb nicht näher erörtert

werden. Was *-tina betrifft, so ist es die akkadische und keine

ursemitische Form. Das von Gelb vermutete ursemitische System

der Endungen der Suffixkonjugation zeigt unverkennbar akkado¬

zentrische Züge.

1971 erschien der Sammelband Afroasiatic. A Survey. Sowohl

im Abschnitt „Afroasiatic" von T. Hodge wie im Abschnitt

„Comparative Semitics" von E. Ullendorff vermißt man eine

Rekonstruktion der Suffixkonjugation.

1972 deutet Kurylowicz in Studies in Semitic Grammar and

Metrics das -ä- des akkadischen Stativs anders, als er es 1961 in

L'apophonie getan hatte. War er damals von einer Entstehung

des -ä- bei den Verba tertiae laryngalis ausgegangen, so erklärt

er es nun im Sinne Bergsträssers, ohne freilich auf ihn zu ver-

(25)

weisen, durch Ansatz der l.Sing. *sapir-äku gemäß *'an-äku

und Verallgemeinerung von -ä- bei den Formen der 1. und

2. Pers. mit konsonantischen Affixen (S. 56f). Störend ist hierbei

allerdings, daß Kurylowicz die Verallgemeinerung von -ä- so

erklärt, daß sapr-äku als *saprä-äku interpretiert worden sei,

wofür nicht die mindeste Veranlassung besteht Seine frühere Er¬

klärung erwähnt er nicht. Mit dem Ansatz von *sapir-äku und

nachfolgendem Ausgleich nach dieser Form erklärt Kurylowicz

zwar das akkadische Paradigma im Prinzip so wie fast ein halbes

Jahrhundert vor ihm Bergsträsser, aber es fehlt in seinen Aus¬

führungen, soweit ich sehe, die andere Hälfte von Bergsträssers

Erklärung, nämlich der Ansatz des Ausgleichs des Paradigmas

nach -0- im Westsemitischen. Aus Kurylowicz' Ausführungen

geht auch nicht deutlich hervor, ob er *sapir-äku als speziell ak¬

kadische oder zugleich auch als ursemitische Vorform betrachtet.

1974 geht R. Hetzron im Abschnitt „Les desinences verbales"

seiner Arbeit La division des langues semitiques mit keinem Wort

auf die Opposition -ä- vs. -0- ein, sondern betrachtet die von

NÖLDEKE, auf den er sich beruft, rekonstruierten Perfektendun¬

gen als ursemitisch, darunter also auch *-kü und *-nä (S. 191).

Abgesehen davon, daß er die Frage stelU, „si les voyelles finales

ont toutes ete longues"'^, äußert er sich zu Nöldekes Rekon¬

struktion der Endungen der 1. und 2. Pers. nicht weiter.

1976 zitiert Hetzron in Two Principles of Genetic Reconstruc¬

tion bei einem Vergleich der 1. und 2. Pers. der Suffixkonjugation

des Akkadischen, klassischen Arabisch und Altäthiopischen die

akkadischen Formen als -(ä)ku und -{ä)ta (S.93), ohne zu be¬

gründen, warum er den Vokal ä in Klammern setzt und ohne auf

die Opposition von akk. -ä- vs. uws. -0- einzugehen, obwohl der

Abschnitt dem Problem der „verbal suffixes of Semitic" gewid¬

met ist Ursemitische Formen erwähnt Hetzron nicht

1981 führt H.-J. Sasse in Afroasiatisch S.140 in der Übersicht

über die Reflexe der Suffixkonjugation in den einzelnen afroasia¬

tischen Zweigen für das Semitische nebeneinander die Endungen

des Akkadischen {-äku, -äta, -äti etc.) und des „Westsemiti¬

schen" {*-ku, *-ta, *-ti etc.) an. Zu der Frage des ursemitischen

Paradigmas äußert er sich nicht.

In dieser Formulierung ist die Frage nicht ganz richtig gestellt, da die En¬

dung -a der 3. Mask. Sing, gemäß Nöldekes Rekonstruktion kurz ist und somit nicht alle auslautenden Vokale lang sind.

(26)

1982 begnügt sich K. Hecker in Das Arabische im Rahmen der

semitischen Sprachen zur semitischen Suffixkonjugation mit rein

deskriptiven Angaben, indem er von „zwei verschiedenen

Grundtypen von denen die eine t, die andere k installiert",

spricht und angibt, das Arabische hebe sich in dieser Hinsicht

„deutlich vom Äthiopischen ... und z.T. auch Akkadischen ...

ab" (S. 15). Weder gibt Hecker eine historische Erklärung für

den Unterschied zwischen dem akkadischen und dem westsemi¬

tischen Paradigma in Hinblick auf die Opposition -ä- vs. -0-,

noch für die unterschiedliche Verwendung der t- und der A:-Rei-

he im Westsemitischen. Zur Form der Endungen macht Hecker

keine Angaben.

1984, also 56 Jahre nach dem Erscheinen von Bergsträssers

Einfiihrung, führt D.Cohen im Kapitel „Les conjugaisons suffi¬

xales" seines Buches La phrase nominale et l'evolution du Systeme

verbal en semitique die Rekonstruktion des unregelmäßigen Para¬

digmas der Suffixkonjugation im Sinne Bergsträssers durch,

ohne aber auf ihn zu verweisen. Cohen beginnt die Rekonstruk¬

tion mit dem Akkadischen, wobei er die Formen der Suffixkonju¬

gation mit denen der Subjektspronomina vergleicht. Dies ermög¬

licht es ihm, die Endungen der 1. und 2. Pers. der Suffixkonjuga¬

tion als -äku, -ta etc. mit anschließend erfolgter Generalisierung

des ä der l.Sing. zu erklären (S.108). Das ist im Prinzip zwar

richtig, aber dennoch nicht ganz einleuchtend, weil Cohen nur

das Endergebnis „kabt-ä-ku, kabt-ä-ta" etc. anführt, während die

Verallgemeinerung die Vorformen *qatil-äku, *qatil-ta etc. vor¬

aussetzt. Für das Westsemitische führt Cohen das Paradigma des

Altäthiopischen'' und des klassischen Arabisch an und ver¬

gleicht sie mit dem akkadischen Paradigma, was ihm ermöglicht,

die westsemitische Spaltung in t- und A:-Sprachen zu erklären.

Zur „voyelle pre-desinentielle -ä-" des Akkadischen führt er aus,

sie fehle im Westsemitischen vollständig und „il n'existe aucune

preuve qu'elle ait existe ä quelque moment que ce soit, meme

pour la premiere personne" (S.llO). Der erste Teil dieser Fest¬

stellung ist wenig sinnvoll: Natürlich kann das westsemitische

Paradigma nicht in einem früheren Stadium durchgehendes ä

wie das akkadische Paradigma aufgewiesen haben, denn wäre

Cohen spricht von „ethiopien", aber es handelt sich ganz offensichtlich ura die Formen des altäthiopischen (Ge'ez) Paradigmas, wobei historische Länge be¬

stimmter auslautender Vokale {*-kü, *ki, *-k3mü, *-ü) nicht berücksichtigt ist.

(27)

dies der Fall gewesen, dann wären diese Sprachen eben nicht

Westsemitisch, sondern eine Art Akkadisch, da sich aus solchem

Paradigma unmöglich das westsemitische Paradigma hätte ent¬

wickeln können. Was Cohens Bemerkung zum Fehlen von ä in

der l.Sing. betrifft, so ist seine Feststellung zu korrigieren:

Die prä-westsemitische Suffixkonjugation muß in der l.Sing. auf

-äkü ausgelautet haben; indem das ä in Analogie zu den anderen

Formen aufgegeben wurde, etablierte sich das Urwestsemitische

als Vorläufersprache der historisch bezeugten westsemitischen

Sprachen. Daß auch Cohens Erklärung keine Beachtung gefun¬

den hat, kann eigentlich kaum mehr überraschen.

1987 rekonstruiert Hetzron in dem Kapitel „Semitic Langua¬

ges" des Sammelbandes 77?^ World's Major Languages die En¬

dungen der Suffixkonjugation als -ku, -ta, -ti, -nu / -nä, -tumü,

-tinna /-tinnä. Abgesehen von der fehlerhaften Rekonstruktion

der l.Sing. und dem additiven Ansatz der l.Plur. fällt der inkon¬

sequente Ansatz der Quantität der auslautenden Vokale auf

1988 erschien in der Reihe Les langues dans le monde ancien et

moderne der Band Les langues chamito-semitiques. In dem von

D.Cohen verfaßten Abschnitt „Le chamito-semitique" vermißt

man bei der als Nr. 45 der gemeinsamen Isoglossen des Afroasia¬

tischen behandelten „Conjugaison ä suffixe" eine klare Aussage

im Sinne seiner Ausführungen von 1984. Denn Cohen geht vor

allem auf das Akkadische ein, wobei er sich aber auf die

3. Mask. Sing, {paris) und die l.Sing. {pars-äku) beschränkt, wäh¬

rend er auf eine Erörterung der sprachgeschichtlich problemati¬

schen Formen des Typs pars-äta verzichtet (S.24). Für das West¬

semitische äußert er sich mit den überraschenden Worten „En se¬

mitique occidental, le paradigme a subi des transformations qui

en rendent la morphogenese moins evidente". In dem Abschnitt

über das Akkadische (S.51) wird das Problem dann übrigens

nicht vertieft und in den Abschnitten über das Semitische

(S.31 ff) und das Westsemitische (S.56ff) entgegen dem auf

S.24 gemachten Verweis nicht angesprochen, während in dem

kurzen Abschnitt „Semitique oriental et semitique occidental"

die Formen kasd-a:-ta^^ und katab-ta ohne weiteren Kommentar

einander gegenübergestellt werden (S.38).

Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß Nöldekes Rekon¬

struktion der ur(west)semitischen Endungen der Suffixkonjugati-

In üblicher Transkription: kasd-ä-ta

(28)

on und des einzelsprachlichen Ausgleichs nach / bzw. nach k im

großen und ganzen, von einzelnen akkadozentrischen Ansätzen

abgesehen, rezipiert worden ist, während Bergsträssers Ansatz

der Endung der ursemitischen l.Sing. als *-äkü und des daraus

resultierenden Ausgleichsprozesses nach -ä- bzw. nach -0- sowie

sein Ansatz der l.Plur. als *-nü ganz offensichtlich nicht zum se¬

mitistischen Allgemeinwissen geworden sind.

Fragt man nach den Ursachen für diese Diskrepanz, so wird

man sie darin suchen dürfen, daß Nöldekes Ansatz in z.T. ver¬

besserter Form von Brockelmann in Grundriß I kodifiziert wor¬

den ist, während Bergsträsser seine Theorie an unauffälliger

Stelle in seiner Einföhrung geäußert hat, so daß sie, als er 1933,

erst siebenundvierzigjährig, starb, in Vergessenheit geraten isL

Rückblickend kann man es nur bedauern, daß Bergsträsser

seine Theorie nicht in einer Weise geäußert hat, die ihr mehr

Verbreitung zu sichern geeignet war.

Bei einer Rezeption von Bergsträssers Erklärung wäre die

Forschungsgeschichte sehr wahrscheinlich anders verlaufen: Ge¬

nerationen von Semitisten hätten sich nicht abmühen müssen,

verzweifelt den so lästigen akkadischen „Bindevokal" ä zu erklären.

Zugleich ist es bemerkenswert, daß im Verlauf der Zeit mehre¬

re Autoren dieselbe oder eine ähnliche Erklärung wie Bergsträs¬

ser vertreten haben: 1969 Gelb, 1972 Kurylowicz, 1984 Cohen,

wobei sich die Erklärung von Kurylowicz nur auf das Akkadi¬

sche beziehL Keiner dieser drei Autoren beruft sich auf Berg¬

strässer oder einen anderen Vorgänger.

2.8. Analyse der Ausgleichsprozesse

2.8.1. Die Rolle der Redundanz

Die beiden Prozesse, welche das unregelmäßige ursemitische

Paradigma der Suffixkonjugation ausgeglichen haben, waren

deshalb möglich, weil einerseits die Form der l.Sing. (*qatiläkü)

und die Formen der 2. Pers. {*qatdtä, *qatiltT, *qatiltumü, *qatil-

tinnä) eine ähnliche Struktur hatten und weil andererseits die

Form der l.Sing. von den anderen Formen durch jeweils minde¬

stens drei distinktive Merkmale und damit mindestens zweifache

Redundanz geschieden war. Dies erlaubte die Aufgabe von zwei

Merkmalen, ohne die Oppositionen zu beeinträchtigen.

(29)

In Schema 4 sind die einzelnen Oppositionen nebst den di¬

stinktiven Merkmalen aufgelistet.

ä MS. 0 k vs. / M vs. ä ü \s. T ü vs. umü

-äkü vs. -/ä + + +

-äkü vs. -IT -\- + -(-

-äkü vs. -lumü + + +

-äkü vs. -linnä + +

Schema 4: Oppositionen zwischen der 1. Sing, und den 2. Pars, in der ursemitischen Sufiixkonjugation

Insgesamt handelt es sich um folgende Oppositionen:

1. Opposition der l.Sing. zu den anderen Formen in der Struk¬

tur: -ä- vs. -0-

2. Opposition der l.Sing. zu den anderen Formen beim ersten

Konsonanten der Flexionsendung: -k- vs. -t-.

3a. Opposition der l.Sing. zur 2. Mask. Sing, und zur 2. Fem.

Sing, beim auslautenden Vokal: -ü vs. -ä / -T.

3b. Opposition der l.Sing. zur 2. Mask. Plur. und zur 2. Fem.

Plur. bei dem auf -k- bzw. -t- folgenden Morph: -ü vs. -umü/-in¬

nä.

Die Beseitigung der ersten Opposition (Verallgemeinerung von

-ä- bzw. von -0-) führte zur Spaltung in Urakkadisch und Ur¬

westsemitisch, und anschließend führte die Beseitigung der zwei¬

ten Opposition (Verallgemeinerung von -t- bzw. von -k-) im

Westsemitischen zur Spaltung in /-Sprachen und Ä:-Sprachen.

Es wäre interessant, der Frage nachzugehen, inwieweit die ver¬

bleibenden Oppositionen im Westsemitischen beibehalten oder

umgestaltet wurden, doch liegt dies, da es in die historisch be¬

zeugte Geschichte der westsemitischen Sprachen führt, außer¬

halb des Themas dieser Arbeit. Vieles hat hierzu schon Nöldeke

gesagt.

Zu beantworten ist allerdings die Frage, warum der Ausgleich

im Westsemitischen nur die Form der l.Sing. (Ausgleich nach /)

bzw. die Formen der 2. Sing, und 2. Plur. (Ausgleich nach k) er¬

faßt hat, während die l.Plur. jeweils unbehelligt geblieben ist,

obwohl sie mit den Formen der 2. Pers. dieselbe Struktur

-CV(...) teilte. Diese Frage stellt sich auch für das Akkadische,

Jeweils mehr als ein distinktives Merkmal.

(30)

insofern als dort für die 2. Pers. neben den Formen mit t auch

solche mit k bezeugt sind, etwa parsäka statt parsäta^^, während

die l.Plur. bei gleicher Struktur von solchem Ausgleich nach k

nicht betroffen ist.

Der Grund hierfür liegt sehr wahrscheinlich darin, daß die

l.Sing. und die l.Plur. im Urwestsemitischen und im Akkadi¬

schen den auslautenden Vokal gemeinsam haben und sich nur

durch die Opposition beim Konsonanten unterscheiden; das Op¬

positionspaar lautete im Urwestsemitischen *-kü vs. *-nü und im

Akkadischen -äkü vs. -änü. Da die Opposition k-n im Gegensatz

zur Opposifion k-t nicht redundant war, mußte sie beibehalten

werden; andernfalls wären die l.Sing. und die l.Plur. zusam¬

mengefallen.

2.8.2. Die Reihenfolge der Ausgleichsprozesse

Es stellt sich die Frage, warum zuerst die Asymmetrie ä vs. 0

und dann erst die Asymmetrie k vs. t ausgeglichen worden ist.

Diese Frage gilt wie die erste Frage nicht nur für das Westsemiti¬

sche, sondern wegen der in 2.8.1. erwähnten akkadischen Neben¬

formen des Typs parsäka auch für das Akkadische.

Diese Frage läßt sich sehr wahrscheinlich so beantworten, daß

sich die Möglichkeit eines Ausgleichs nach t oder k erst dann

stellte, als durch den Ausgleich nach ä bzw. 0 ein Paradigma

entstanden war, in dem k und t einander in ihrer Position in den

Gliedern des Paradigmas genau entsprachen, eine Entsprechung,

durch welche die Opposition k vs. t für den Sprecher sozusagen

erst in den Vordergrund trat.

Ein Vergleich der Opposifionspaare *qatiläkü - *qatiltä einer¬

seits und *qatilkü - *qatiltä bzw. *qatiläkü - *qatilätä macht

dies deutlich: Die Typen *qatiläkü - *qatiltä haben zu verschie¬

dene Struktur, als daß k und t als Glieder einer Opposifion er¬

faßbar wären, während bei den Paaren *qatilkü - *qatiltä bzw.

*qatiläkü - *qatilätä die Opposition bei den Konsonanten k-t

aufgrund derselben Position, die sie in den Gliedern des Paradig¬

mas innehaben, sehr bemerkbar ist. Eine Reihe *qatilkü, *qatiltä,

*qatiltT etc. wird ein Sprecher intuitiv ohne weiteres in den

Stamm qatil- und die Suffixe -kü, -tä, -//etc. zerlegen; damit ent-

Vgl. VON Soden : Grundriß der akkadischen Grammatik, Verbalparadigmen

*8.

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