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Das Thema der Auseinandersetzung mit dem Fremden erscheint seit geraumer Zeit immer mehr auch in den orientalistischen Erkenntnishorizont gerückt

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Engels, O./Schreiner, P. (Hgg.): Die Begegnung des Westens mit dem Osten.

Kongreßakten des 4. Symposions des Mediävistenverbandes in Köln 1991 aus An¬

laß des 1000. Todesjahres der Kaiserin Theophanu. Sigmaringen: Jan Thorbecke 1993. 466 p.

Das Thema der Auseinandersetzung mit dem Fremden erscheint seit geraumer Zeit immer mehr auch in den orientalistischen Erkenntnishorizont gerückt. Der Kölner Tagungsband, nach den 1985 veröffentlichten Studien der gleichfalls Köl¬

ner Tagung Orientalische Kultur und europäisches Mittelalter (ed. A. Zimmermann/

I. Craemer-Ruegenberg. Berlin/New York 1985) ein weiterer gewichtiger Beitrag der Mediävistik zu orientalistischen Fragestellungen, umfaßt einen weiten Rah¬

men, der sich hauptsächlich mit der Wahrnehmung des „Fremden" durch die ei¬

gene Kultur beschäftigt; dies sowohl, was Fremde innerhalb der westlichen Kul¬

turen angeht, als auch wie Reisende aus der westlichen Welt fremde Kulturen er¬

lebt haben oder auch wie die Sicht der Fremden von der westlichen Kultur ge¬

prägt ist. Der geographische Bogen ist gespannt vom islamischen Spanien über Si¬

zilien und den Balkan bis nach Indien und China, wobei allerdings deutlich die islamische Welt im Zentrum der Auseinandersetzung steht: Hier wurde über Jahr¬

hunderte hinweg das eigentlich „Fremde" erfahren, das zwar auch noch pittoresk und faszinierend genug war, um allerlei Phantasien an sich zu binden, das aber gleichzeitig in der direkten Auseinandersetzung - sei es kriegerisch über die Re¬

conquista oder die Kreuzzüge, sei es friedlich über die wissenschaftlichen Kon¬

takte - konkret genug war, um es zumindest teilweise auch als Gegenüber aner¬

kennen und von ihm lernen zu können.

Die Beiträge: 13-36: Engels, O.: Theophanu - die westliche Kaiserin aus dem Osten; 39-50: Hannick, C: Slavische Geschichte und Geschichte der Völker des Nahen Ostens aus der Sicht der arabischen und armenischen Historiographie;

51-74: Herbers, K.: Papst Nikolaus 1. und Patriarch Photios. Das Bild des byzan¬

tinischen Gegners in lateinischen Quellen; 75-87: Houben, H.: Die Tolerierung

Andersgläubiger im normannisch-staufischen Süditalien; 89-98: Jandesek, R.:

Der Umgang mit dem „Fremden" in den Berichten mittelalterlicher Chinareisen¬

der; 99-112: Knefelkamp, U.: Das Indienbild in Reiseberichten des Spätmittelal¬

ters; 113-129: KoDER, J.: Die Sicht des „Anderen" in Gesandtenberichten; 131-

155: Möhring, H.: Der andere Islam. Zum Bild vom toleranten Saladin und

neuen Propheten Schah Ismail; 157-166: Naumann-Unverhau, C: Die Auf¬

nahme türkischer Kaufleute bei Senat und Bevölkerung Venedigs; 167-184: Rei¬

chert, F. E.: Fremde Frauen. Die Wahrnehmung von Geschlechterrollen in den

spätmittelalterlichen Orientreiseberichten; 185-202: Schnell, R.: Die Christen und die „Anderen". Mittelalterliche Positionen und germanistische Perspektiven;

203-220: Strzelczyk, J.: Die Wahrnehmung des Fremden im mittelalterlichen Polen; 221-242: Vones, L.: Reconquista und Convivencia. Die Könige von Kasti¬

lien-Leon und die mozarabischen Organisationsstrukturen in den südlichen

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Grenzzonen im Umkreis der Eroberungen von CoTmbra (1064) und Toledo (1085); 243-272: Tomasek, T./Walther, H.G.: Gens consilio et sciencia caret ita, ut non eos racionabiles extimem: Überiegenheitsgefühl als Grundlage politischer Konzepte und literarischer Strategien der Abendländer bei der Auseinanderset¬

zung mit der Welt des Orients; 273-295: Wolfzettel, F.: Die Entdeckung des

„Anderen" aus dem Geist der Kreuzzüge; 299-317: Dilg, F.: Arabische Pharma¬

zie im lateinischen Mittelalter; 319-331: Folkerts, M.: Arabische Mathematik im Abendland unter besonderer Berücksichtigung der Euklid-Tradition; 333-340:

Kunitzsch, P.: Gerhard von Cremona und seine Übersetzung des „Almagest";

341-354: Leven, K.-H.: Zur Kenntnis der Pocken in der arabischen Medizin, im lateinischen Mittelalterund in Byzanz; 357-364: Aerts, W.J.: Einige Überlegun¬

gen zur Sprache und Zeit der Abfassung des griechischen Romans „Barlaam und Joasaph"; 365-385: Ott, N.H.: Anmerkungen zur Barlaam-lkonographie. Ru¬

dolfs von Ems „Barlaam und Josaphat" in Malibu und die Bildtradition des Bar-

laam-Stoffs; 389-416: Holländer, H.: Ein Spiel aus dem Osten; 417-432:

Schmidt, H.: Gregorianik und byzantinische Musik. Zum Gegenüber der beiden Gesangskulturen; 433-451: Stotz, P.: Esse velim Graecus ... Griechischer Glanz und griechische Irrlichter im mittelalteriichen Latein.

Ulrich Marzolph, Göttingen

Ulrich Luft: Die chronologische Fixierung des ägyptischen Mittleren Reiches nach dem Tempelarchiv von Illahun Österreichische Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse, Sitzungsberichte, 598. Band, Veröffentli¬

chungen der ägyptischen Kommission Nr.2 von M. Bietak, Wien: Verlag der

österreichischen Akademie der Wissenschaften, 1992. 244 Seiten -I- 32 Tafeln.

Seit 1899 befindet sich in der Sammlung des Berliner Museums ein umfangrei¬

ches Archiv von Tempelakten und Korrespondenz der Beamten des Totentempels Sesostris' 11. Trotz der schon immer als immens eingeschätzten Wichtigkeit des Archives für das Verständnis der Bürokratie des Mittleren Reiches ist es bis vor kurzem allerdings bei Vorpublikationen geblieben, bei denen zudem das Fehlen

von Photos die Überprüfung von Lesungen unmöglich machte. Nachdem die

letzte größere Veröffentlichung von Teilen des Korpus 1924 durch A. Scharff' er¬

folgte und 1971 U. Kaplony-Heckel^ einen Katalog des Archives erstellte, begann der Verfasser des vorliegenden Buches, mit einer Artikelserie unter dem Titel Illa- hunstudien^ weitere Ausschnitte der Fachwelt zugänglich zu machen. 1992 erfolg¬

te dann die Veröffendichung der ersten Lieferung der Briefe aus dem Archiv von

' ZÄS 59 (1924), 20-51.

^ Ägyptische Handschriften 1, Verzeichnis der orientalischen Handschriften in Deutschland XIX.

^ l Zu der Chronologie und den Beamten in den Briefen aus Illahun Oikumene 3 (1982), 101-156; II Ein Verteidigungsbrief aus Illahun Oikumene 4 (1983), 121- 179; III Zur sozialen Stellung des Totenpriesters im Mittleren Reich. Oikumene 5 (1986), 117-153; IV Zur chronologischen Verwertbarkeit des Sothisdatums aus Illa¬

hun SAK 16 (1989), 217-233. S.a. auch Verf: Das Archiv von Illahun und Seso¬

stris HI. BiOr 40 (1983), 288-294.

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Illahun in der Reihe Hieratische Papyri aus den Staadichen Museen zu Berlin, zu der Fortsetzungen in Vorbereitung sind.

In vorliegendem Buch verbindet der Autor seine langjährige philologische Ar¬

beit am Archiv von Illahun mit seinem speziellen Interessengebiet, der Analyse chronologisch verwertbarer Daten aus altägyptischen Quellen. Nach einer Einfüh¬

rung in Forschungsstand und -probleme dieses Spezialgebietes der Ägyptologie werden vom Verf kurz die Geschichte des Korpus und die von ihm verwendeten

Analysemethoden vorgestellt (Kap. 1). Im Anschluß daran werden in Kapitel 2

diejenigen Quellen transliteriert, übersetzt und besprochen, aus denen für die Un¬

tersuchung relevante Informationen gewonnen werden können. Daraus werden in Kapitel 3 die verwertbaren Daten für die zeitliche Fixierung ägyptischer Feste zu¬

sammengestellt. In Kapitel 4 wird vom Verf. der Versuch unternommen, für die Feste, die offenbar nach dem Mondkalender gefeiert werden, den Tag innerhalb dieses Kalendersystems zu bestimmen. Im nächsten Abschnitt wird ein Katalog der auf den Neumond reduzierten Daten zusammengestellt. Mit der Aufstellung eines Festkalenders des Totentempels beschäftigt sich Kapitel 6, während Kapitel 7 den Versuch der Vernetzung der Daten über die absolute Chronologie beinhal¬

tet. Das abschließende Kapitel 8 stellt die Erkenntnisse des Verf noch einmal zu¬

sammen.

Insgesamt gesehen muß die äußerst verdienstvolle Arbeit des Autors als ein Forschungsbeitrag gewürdigt werden, der das Fach ohne Zweifel voranbringen und Ausgangspunkt vieler Diskussionen sein wird. Besonders hervorzuheben ist die Tatsache, daß Verf es dem Mitforscher durch die Publikadon von Photos er¬

möglicht zu überprüfen, ob seine Interpretation durch die graphemsprachliche Oberfläche zugelassen wird.

Zur Bearbeitung der Quellen ist anzumerken, daß Teile der vom Verf. gemach¬

ten Lesungsvorschläge diskutierbar sind, da sie auf seiner Interpretation der Quellen aufbauen. Verändert man diese Prämissen, lassen sich zum Teil andere Lesungen gewinnen, die dann partiell zu differenten Schlußfolgerungen führen.

Da diese aber die eigendiche Zielstellung des Buches nur peripher tangieren, wurden sie aus ökonomischen Gründen ausgespart und sollen andernorts veröf¬

fentlicht werden. Unsere Anmerkungen zur Bearbeitung von Verf lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Zu den Festen, deren Name mit dem Wort p.t gebildet wird (a.a.O., 149, 3.1.4.

%w p.t, 149/50, 3.1.5. 'q r p.t \xnA 155/156, "i.X.U. pr.t r p.l), möchten wir eine andere Interpretationsmöglichkeit als die bisherige „Standardtheorie" vorschla¬

gen. Verf interpredert diesen Bestandteil des Festnamens als Himmel: %w p.t

„Hochheben des Himmels"^ 'q r p.t „Eintreten in den Himmel"' und pr.t r p.t

" Das vom Verf. festgestellte Morphem (w) scheint uns kommentarbedürftig, da es sich entweder um ein Passivmorphem (somit „der Himmel wurde hochgeho¬

ben" bzw. „hochgehoben wird der Himmel") oder um ein Nominalbildungsele- ment (vgl. Osing: Die Nominalbildung des Ägyptischen. SDAIK 3,74, dann aber

„Höhe des Himmels o.ä.") handelt.

' Zu den in diesem Zusammenhang genannten parallelen Formulierungen im

Sinuhe ist anzumerken, daß sie erst auf den NR-Textzeugen belegt sind, während der erhaltene MR-Text s:hri „entfernen" benutzt. Ob ein derartiger Euphemismus im MR bereits kognitiv wahrgenommen wurde, bleibt noch zu beweisen.

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„Prozession zum Himmel".* Für die beiden letzten Feste wird eine enge Verbin¬

dung zum Totenkult angenommen, was allerdings nur unter zwei Prämissen über¬

haupt möglich ist: der Todestag des Königs wurde 1.) als offizielles Fest gefeiert, und 2.) mit einem Prozessionsfest begangen. Eine andere Möglichkeit wäre es, p.t als Bezeichnung eines Tempelteils aufzufassen, und zwar parallel zur Bezeich¬

nung des Tempeldachs als nw.t „Himmel" in den Spätzeittexten' bzw. als Tem¬

pelteil (Kapelle o.ä.).* Dadurch ergäbe sich die Möglichkeit, den Ausdruck 'q r hw.l-ntr {a.a.O., 150, 3.1.6.) in Beziehung zu 'q rp.t zu setzen.'

Kleinere Probleme ergeben sich für den Betrachter auch bei einigen anderen Festen, und es wäre wünschenswert gewesen, wenn Verf sich etwas ausführlicher geäußert hätte, so z.B. bei 3.1.14/15 (a.a.O., 158-160). Die Zuweisung zu einzel¬

nen Festen wird im Buch aufgrund der hieratischen Form der Ziffer „neun" voll¬

zogen. Dabei erfolgt die Lesung psdw bei einer Dreiergruppe von drei liegenden Strichen und psdntjw^° bei der hieratischen Schreibung für neun (Möller, Paläo¬

graphie 1, Nr. 622). Die Information, warum Verf bei letzterem pBerlin 10001 B vs II, 5 eingeordnet hat, bleibt dem Leser leider vorenthalten.

Gleiches gilt auch für den zeitlichen Ansatz des hn.t Skr unter 3.1.31. (a.a.O., 178) von pBerlin 10416a rt Kl. (a.a.O., 132-134), der im Text noch mit III !h.t transliteriert und kommentiert wird, dann jedoch (ob aufgrund eines Druckfeh¬

lers?) mit IIII Ih.t wiedergegeben wird. Abgesehen davon bleibt die Interpretati¬

on der hieratischen Spuren, wie schon vom VerL eingeräumt, fraglich."

Was die Unterscheidung zweier verschiedener Sokarfeste anbelangt (die dann bei der Berechnung unter 3.1.34. [a.a.O., 179-181] auch aufgegeben wurde), las¬

sen sich die unterschiedlichen Schreibungen auch als graphische Varianten inter¬

pretieren.''^

In der Berechnung der Festdaten des ssp.t-jtrw-Festes (a.a.O., 183-188) scheint Verf aus leider nicht erläuterten Gründen bei einem Datum zu einer anderen

* Eine andere Auffassung zu pr.t r p.t vertritt O'Mara: Some Indirect Sothie

and Lunar Dates from the Late Middle Kingdom Studies in the Structural Ar¬

chaeology of Ancient EgypL Vol. III/2, 55/6.

' Zu p.t als Bezeichnung des Sargdeckels vgl. Willems: Chests of Life. MVE- OL 25,45.

' Vgl. die Diskussion von 'q r p.t bei Franke: Das Heiligtum des Heqaib auf Elephantine. SAGA 9, 83 b.

' Zu klären bliebe jedoch noch, was anläßlich dieser Feste geschieht, s. beson¬

ders 'h.w p.t. Möglicherweise handelt es sich dabei jedoch nicht um Feste, son¬

dern um Rituale, s. Morei, Le Rituel du Culte divin journalier en Egypte, Nach¬

druck Genf 1988, 79 (r'm 'q r hw.t-ntr) bzw. 96 (k^ r'; 'q = j r p.t r mjj jtn .. .).

Dazu würde auch pBerlin 10206 b passen, in dem w'b- Priester offenbar ihre

Diensttage abrechneten, dort folgt nach w'b m pr=f (^t A Tage pro Person) 'q r hw.t-ntr (9 Tage).

'" So Verf, s. aber Edel: Neue Deutungen keilsehrifd. Umschreibungen ägypti¬

scher Wörter und Personennamen. SÖAW 375,48-50.

" Unseres Erachtens sind die wenigen Spuren nicht als Skr identifizierbar '^ So zeigt beispielsweise die Graphie bei pBerlin 10206a rt (a.a.O., 105/6, ohne Abb., überprüft am Original) keinen Füllstrich unter dem (r). Es handelt sich dabei um den „Ausläufer" des Graphems (r).

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Auffassung gekommen zu sein. Vergleicht man nämlich die Angaben für pBerlin 10344b rt auf den Seiten 120/121 und 188 (unter D) miteinander, so fällt auf, daß zuerst der vierte Monat der {h.t-Zeit ergänzt wird, später allerdings mit der Anga¬

be III Ih.l gerechnet wird. Sollten dabei arithmetische Gründe ausschlaggebend gewesen sein? In den entsprechenden Rechnungen erhält man in zweien der drei Fälle ein, nach der Defmition von Verf (a.a.O., 23), besseres Ergebnis mit der Er¬

gänzung III statt IV: Bei pBerlin 10282: pBerlin 10344 297,014 (IV) gegenüber 295,998 (III); bei pBerlin 10079: pBerlin 10344 13,004 (IV) gegen 11,988 (III);

und bei pBerlin 10130 : pBerlin 10344 272,023 (IV) gegen 271,007 (III).

Abschließend zum ersten Teil soll noch eine Anmerkung zur inneren Chrono¬

logie des Archives folgen. Diese beruht auf zwei Prämissen. Zum einen muß da¬

von ausgegangen werden, daß die von Luft getroffenen Duktuszuordnungen rich¬

tig sind, was aufgrund des geringen Umfangs der Textausschnitte für den Leser nicht überprüfbar ist, und zum anderen, daß seine Berechnungen der Neumond¬

daten exakt sind. (Vgl. den Katalog auf den Seiten 204-212 seines Buches, s. aber die Rezension von Krauss, OLZ 89 (1994), 5-18 und die kritische Auseinander¬

setzung bei Rose, JNES 53 (1994), 237-261, spez. 258-261. Dabei eingearbeitet sind weitere Jahresangaben auf den Papyri.)'^ Somit ergibt sich folgendes Bild (berücksichtigt wurden nur Duktusgruppen mit mehr als zwei Zuordnungen):

- schlanker Duktus

Sesostris III, Jahr 14 - Amenemhet 111,4 (6 Daten bei 8 Zuordnungen) - großer Duktus

Amenemhet III, 8-38 (16/23)"

- mittelgroßer Duktus

Sesostris III, 11 - Amenemhet III, 28 (6/8)'' - kleiner Duktus

Sesostris III, 5 - Amenemhet III, 9 (10/12)'

a. Den Photos nach muß man wohl pBeriin 10077 (Nr. 28)'" und 10103 (Nr. 33) (jeweils?) einem eigenen Duktus zuordnen. Dieser unterscheidet sich durch einen ausgeprägteren Abstrich nach links bei einigen Zeichen, auffallend bei der Schrei¬

bung für Sj-nj-Wsr.t in pBeriin 10077,9 und 10103 111,5, wobei auch die Ausfüh¬

rung des Zeichens Gardiner Fll {wsr) abweichend zu den bei Möller, Paläo¬

graphie I, Nr. 148 gegebenen Beispielen ist. Hier könnte auch pBeriin 10218b

(Nr. 45) zugeordnet werden. Dadurch hätte man dann nur noch 13 Daten bei 20

Zuordnungen, und der Beginn der „Laufzeit" verschiebt sich in das Jahr 10.

b. Die Daten für diesen Duktus streuen extrem. Zugeordnet sind folgende Pa¬

pyri: pBeriin 10007 (Luft Nr.7; Jahr 1-2); 10039 (Nr.l7; A.IH,28); 10093

(Nr.32; Jahr 5); 10210c (Nr. 44; -); 10412c (Nr.60; -); 10412d (Nr 61;

S.III, 11); pCairo 58065 (Nr. 64; A.III, 9); 71583 (Nr 66; A.III, 24). Wie man siehL steht und fällt die Frühdatierung in die Zeit Sesostris' III. mit pBeriin 10412d. Zeitlich am nächsten lägen pBeriin 10007 bzw. 10093, mit ca. 10 bzw. 13 Jahren.'^ Eine weitere Beleglücke von 15 Jahren klafft zwischen pCairo 58065

'^ Weitere Rezensionen erfolgten durch Ward, JAOS 114 (1994), 663/4 und

durch Bares, ArOr 62 (1994), 205 f

'■* Die Nummern in Klammern beziehen sich auf den Abschnitt in Kapitel 2,

in dem der behandelte Ausschnitt bearbeitet wird.

" Bei einer Regierungslänge von 19 Jahren für Sesostris III.; zur Chronologie

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und 71583. Aufschluß würden hier möglicherweise prosopographische Untersu¬

chungen bringen (vgl. z. B. Gutoesell: Die Datierung der Ostraka und Papyri aus Deir el-Medineh und ihre ökonomische Interpretation. Teil 1: Die 20. Dynastie.

Band 1, HÄB 18, 2-5), bis dahin kann man jedoch nur die Laufzeit von 33 Jahren feststellen.

c. Luft datiert pBeriin 10166 (Nr. 42) in das neunte Jahr Amenemhets III. auf¬

grund der Tatsache, daß der Text sich auf dem Verso des Papyrus befindet. Die anderen fünf Datierungen bewegen sich allerdings im Zeitraum Jahr 5-12 von Se¬

sostris' III., weshalb man eine Datierung in das Jahr 9 dieses Königs vorschlagen könnte, da sonst eine „Beleglücke" von 16 Jahren entstünde.

Darüber hinaus scheinen uns noch einige Anmerkungen formaler Natur rele¬

vant:

Wie bereits von Krauss, GM 138 (1994), 82 angesprochen, ist bedauerlich, daß Verf es versäumt hat, dem Nichtspezialisten seine arithmetischen Analysen durch¬

sichtiger zu machen, etwa anhand von Beispielen, s. dabei besonders Kap. 4.

Die mitunter sehr ausführlichen Literaturangaben sind stellenweise redundant, da auch Zitate erfaßt wurden, die mit der behandelten Stelle nichts zu tun haben, so z. B. bei pBeriin 10016 rt {a.a.O., 58/9), wo die Zitate der Arbeiten von Gunn, Gardiner, Satzinger und Silverman nicht auf die behandelte Zeile, sondern auf Zeile 4 bzw. 5 des Antwortschreibens des Briefes referieren. Weiterhin wäre es be¬

nutzerfreundlicher gewesen, die Literaturzitate mit Kürzeln zu versehen, die den Leser a) über die Art der Bearbeitung informieren (vgl. das von Bellion: Egypte Ancienne, Catalogue des Manuscrits hieroglyphiques et hieratiques et des dessins, sur papyrus, cuir ou tissu, publies ou signaies. V benutzte System) und b) gleichzei¬

tig erkennen lassen, welcher Teil des Textes dort behandelt wird. (Vgl. das zum

Teil von Borger: Handbuch der Kedschrifditeratur 3 Bde., bzw. auch von

Bellion, op. cit benutzte System.)

Der dritte Punkt berührt die Aufarbeitung der Quellen, wobei diese Kritik sich eigentlich nicht an den Verf richtet, sondern unserer Meinung nach ein allgemei¬

nes Problem der textuell ausgerichteten Altertumswissenschaften thematisiert. An einigen Stellen des Buches wendet sich Verf an einen nicht näher determinierten

„Mitforscher", der sich auf der Grundlage der vorliegenden Arbeit über die Quel¬

len informieren kann. Da unseres Erachtens immer davon ausgegangen werden

sollte, daß eine ägyptologische Arbeit nicht nur Interesse im Fach selbst, sondern auch bei Wissenschaftlern anderer Bereiche finden könnte,'* scheint es uns ange-

des MR vgl. Franke, Or 57 (1988), 113-138, spez. 117-119; s. aber Ders.: Das Heihgtum des Heqaib auf Elephantine. SAGA 9, XI-XIII. Nach den Berechnun¬

gen Lufts, a.a.O., 147 ist jedoch der Ansatz mit 19 Jahren wahrscheinlicher

Vgl. dazu die Aussage von Marc Bloch: Apologie der Geschichte oder Der Beruf des Historikers, hrsg. von Lucien Febvre, dt. 3. Aufi., Stuttgart 1992, 58:

„Die gegenwärtige Welt wird immer Spezialisten wie Steinzeitforscher oder Ägyp¬

tologen haben. Man wird von ihnen nur das eine verlangen: Sie mögen sich be¬

wußt bleiben, daß historische Forschungen nicht in Autarkie verfallen dürfen.

Wenn sie sich isolieren, wird jede von ihnen immer nur, und sei es in ihrem eige¬

nen Arbeitsbereich, zu einem halben Verständnis gelangen. Die einzig wahre Ge¬

schichte ist die Universalgeschichte, und die kann nur durch gegenseidges Zu¬

sammenwirken zustande kommen."

(7)

raten, die Quellen nicht nur soweit als nötig, sondern immer soweit als möglich aufzuarbeiten. Darunter zählt auch die Übersetzung eines Textes der Ausgangs¬

sprache „Ägyptisch" (unabhängig welcher Sprachstufe) in die jeweils verwendete Zielsprache.''' Fiir die Aufgabenstellung der vorliegenden Arbeit bzw. für einen Leser mit Kenntnissen der ägyptischen Sprache mag dieses Problem von geringe¬

rer Bedeutung sein, da andere Fragestellungen existieren, für Mitforscher anderer

Wissenschaftsbereiche und möglicherweise auch für Nichtmuttersprachler der

verwendeten Zielsprache könnten sich dadurch jedoch schon Probleme ergeben.'*

Es sollte deshalb unserer Meinung nach von eins-zu-eins-Übersetzungen Abstand genommen werden, da diese oft genug den „engen" Bezug zum Originaltext nur vortäuschen und meist unleserlich und mißverständlich wirken," und stattdessen eine zielsprachenadäquate Umsetzung des Textes der Ausgangssprache mit ent-

" Die eigentlich zu stellende Forderung nach einer Übertragung ist beim heu¬

tigen Informationsstand über die Semantik und die anderen Bereiche der ägypti¬

schen Sprache unseres Erachtens nicht erfüllbar, da dafür z. B. auch antike meta¬

kommunikative Texte vorhanden sein müßten (wie z. B. für die letzte Phase der ägyptischen Kultur vorliegen, vgl. die von Prof Osing bearbeiteten Papyri aus Tebtunis), sowie Denotations- und vor allem Konnotationswechsel von Lexemen genauer spezifizierbar sein bzw. spezifiziert werden müßten. Dabei müßten aller¬

dings auch erst einmal vorhandene metasprachliche Äußerungen als solche wahr¬

genommen und analysiert werden. Als ein Beispiel für die Probleme der Wahr¬

nehmung mag eine Aussage bei ''nh-tj=Jj von Mo'alla stehen (V, y, 2/3 =

Vandier: Mo'alla. BdE 18,242 Inscr. 13 mit Anm.b) auf p.245/6): „Wahrheitsge¬

mäß, und nicht als ,Amt der Nekropole', habe ich all das berichtet!" Liest man andere Biographien referentiell auf diese Aussage, speziell den Terminus jSw.t n.t hr.t-ntr, könnten sich weitreichende Folgen für die Analyse „historischer Fakten"

aus solchen Biographien ergeben. Inwieweit die Aussage als solche interpretiert werden muß, bliebe noch zu klären (vgl. aber bereits Seidlmayer in: Assmann/

Burkhard/Davies: Problems and Priorities in Egyptian Archeology, 175-217 für die Probleme der Verbindung des textuellen und archäologischen Befundes), auf¬

fallig ist aber, daß gerade in Fällen, in denen eine Diskrepanz zwischen Text und wiederhergestellter „Realität" festgestellt werden kann, ebenfalls auf derartige

Aussagen zurückgegriffen wird: z.B. Hatschepsut, Chapelle rouge (Lacau/

Chevrier: Une Chapelle d'Hatshepsout ä Karnak 137, Secdon 1X11.21-26) „Hütet Euch davor zu sagen: ,Das stimmt nicht!' [Re] ... ist mein Zeuge! ... Dies alles entspricht der WahrheiL daran ist nichts erlogen!"

Zum Problem der zielsprachenadäquaten Übersetzung vgl. auch Junge: Elephan¬

tine XI: Funde und Bauteile AV 49,10 mit Anm.4, sowie Buchberger: Transfor¬

mation und Transformat, Sargtextstudien I. ÄA 52,10-13, dessen Argumentation allerdings diskussionsbedürftig ist.

'* Wobei man wohl davon ausgehen muß, daß auch Zielspracheiiempfänger mit Kenntnissen der ägyptischen Sprache ohne Zusatzinformation über die vom Bearbeiter erzeugte (im Idealfall: wiederhergestellte) Wirklichkeit der Texte vor Verständnisproblemen stehen dürften.

" Hierher gehört unseres Erachtens auch die Nachahmung der Zeilensprünge in der Übersetzung, da diese, gerade bei Papyri, wohl doch eher willkürlich und oft genug zufällig sind und deshalb in die Textbeschreibung gehören. (NB: Es soll

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sprechender Kommentierung angestrebt werden.™ Dabei ist uns bewußt, daß un¬

ser Fach vor dem Dilemma steht, zur Erzeugung (bzw. als Idealfall: Wiederher¬

stellung) von außersprachlicher Wirklichkeit, in der die Texte der Ausgangsspra¬

che , funktionieren', auf Texte angewiesen zu sein und somit die Gefahr besteht, daß es in den Zirkel der Übersetzung von Texten zur Übersetzung und Interpreta¬

tion anderer Texte gerät.^' Solange man sich jedoch diese , Schwachstelle' des Sy¬

stems immer vor Augen hält, muß sie sich nicht unbedingt per Defmition als

Nachteil erweisen. Darüberhinaus gilt auch hier, „jeder übersetzte Text enthält bereits die Aufforderung zur Neuübersetzung in sich."^^ So ist unseres Erachtens auch die Forderung von D. Kurth^^, „die Clowns am Boden der Manege wieder mal zum Einsatz kommen zu lassen", zu modifizieren: Es kann (und darf) nicht Programm sein, nur einzelne Artisten auftreten zu lassen, sondern der ganze „Zir¬

kus" muß zur Erbauung des Publikums arbeiten.

Heike El Hotabi-Sternberg, Göttingen - Matthias Müller, Berlin

hier nicht abgestritten werden, daß auch diese Mittel der Textgliederung benutzt wurden, vgl. H. Grapow, Sprachliche und schriftliche Formung ägyptischer Texte.

LAS 7. Für literarische Texte scheint dieses Stilmittel aber nur von untergeordne¬

ter Bedeutung gewesen zu sein, wie eine kursorische Durchsicht synoptischer Textausgaben zeigt, in denen Zeilenwechsel in unterschiedlichen Textträgern nie einem festgelegten Formschema folgen, an das sich alle Abschriften halten.)

™ Dabei muß jedoch auch immer das Problem der Empfängerüber- bzw. -un-

terschätzung beachtet werden. Letztere kann dann zu einer Flut von Informatio¬

nen führen, die vom Empfänger als redundant eingeschätzt werden. Beim derzei¬

tigen Forschungsstand unseres Faches würden wir uns jedoch der Aussage von

Koller: Einführung in die Übersetzungswissenschaft 4. Auflage, Heidelberg/Wies¬

baden 1992, 117 anschließen: „Jedoch scheint mir im allgemeinen die Gefahr der Z(iel)S(prachen)-Empfänger-Überschätzung größer zu sein: der Übersetzer ver¬

kennt, daß er keinen Leser vor sich hat, der wie er selbst im A(usgangs) S(pra- chen)-Zusammenhang und im Z(iel)S(prachen)-Kontext verankert ist" (Hervorhe¬

bung dort).

^' Zu den für den Historiker entstehenden Problemen z. B. auf dem Gebiet der Nomenklatur vgl. Bloch: Apologie der Geschichte, 147-169. Eine MöglichkeiL dieses Problem zu umgehen, wäre die Hinzuziehung von Modellen und Theorien der Soziologie; allerdings sind diese für die Ägyptologie bisher nur peripher nutz¬

bar gemacht bzw. benutzt worden.

Koller, Übersetzungswissenschaft*, 69.

" GM 108 (1989), 41.

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Gebhard J.Selz: Altsumerische Venvaltungstexte aus Lagas, Teil 2: Altsumerische Wirtschaftsurkunden aus amerikanischen Sammlungen. 1. und 2. Abschnitt.

Stuttgart: Steiner 1993. 748/S., XXIX Taf., 8° (Freiburger Altorientalische Stu¬

dien, 15/2) ISBN 3-515-05453-7.

Das umfangreiche, in zwei Bände geteilte Buch ist nach der Behandlung der Texte aus der Eremitage zu SL Petersburg der zweite Teil einer auf fünf Teile ge¬

planten Bearbeitung aller vorsargonischen Verwaltungsurkunden aus Girsu (Tel¬

lo). Es umfaßt die im Harvard Semitic Museum, Cambridge, in der Free Library, Philadelphia und der Yale Babylonian Collection, New Haven aufbewahrten Zeugnisse und enthält neben den bereits publizierten 113 Tafeln, die alle kollatio¬

niert wurden (STH 1, 2-52; MVN 3,2; 4-11; 16-18; 26; 112; Iraq 39, 21; BIN 8,23; 344-51; 353-83; 385-91), 14 bisher unbekannte Dokumente aus Philadel¬

phia und New Haven mit ihren Kopien und einigen Seiten zusätzlich in Fotogra¬

fien.

Im Aufbau des Buches schließt sich Verf eng dem ersten Teil seiner Bearbei¬

tungen an, s. dazu den Besprechungsaufsatz des Rez., AfO 36/37 (1989/90), 76- 91. Lobend hervorgehoben zu werden verdient, daß Verf viel Mühe darauf ver¬

wandt hat, neue und neueste Erkenntnisse in dieses Buch einzuarbeiten. Der

Dank aller Benutzer ist ihm dafür gewiß.

In der Diskussion formuliert Selz oft so vorsichtig, daß man ihn leicht mißver¬

stehen kann. Dazu ein Beispiel: Während R. Englund einer Lesung /sukdj/ für den „Fischer" zuneigL aber meint, Schreibungen des Plurals wie su-HA-e-ne und su-HA-ne{\) oder des Agentivs als su-HA-e könnten einer Lesung mit konsonanti¬

schem Auslaut widersprechen, meldet Selz (S. 69-70) unter Hinweis auf die

Gleichzeitigkeit von su-HA-ne und su-HA-DU-ne, wie es scheim, daran Zweifel an. Es kann deutlicher gesagt werden: Zwei verschiedene Formen desselben Wor¬

tes innerhalb eines homogenen Textmaterials sind eher unwahrscheinlich. Die gleichzeitigen Schreibungen des Plurals als su-HA-ne (Nik 269 III 7)(1), su-HA-e- ne (Fö 156 IV 4)(2) und su-HA-DU-ne (VS 25, 62 III 2) beweisen den Ausgang des Wortes auf /ds/- Aus den Wiedergaben (1) und (2) kann ebensowenig auf ei¬

nen vokalischen Ausgang geschlossen werden wie aus den Graphien (a) und (b) der Reihe lugal-ni (a), lugal-a-ni (b) und lugal-la-ni (c) auf ein */luga/. Rez.

scheint ein /sukudr/ nicht völlig gesichert, doch sind alte Schreibungen mit oder ohne Vokal bei vokalisch anlautenden Suffixen als Argument gegen diese Lesung unbrauchbar.

Josef Bauer, Würzburg

Peter Högemann: Das alte Vorderasien und die Achämeniden. Ein Beitrag zur He¬

rodot-Analyse. Wiesbaden: Dr. Ludwig Reichert 1992. 430 S. (TAVO B. 98)

DM 154,-.

Anliegen des Buches ist es, die Ursachen für das schnelle Wachsen und die trotz seiner Größe ungewöhnliche Stabilität des Achämenidenreiches zu ergrün¬

den. Der Verf hat sich vorgenommen, hierfür erstmals alle zur Verfügung stehen-

(10)

den Quellen heranzuziehen, neben den griechischen also auch die orientalischen, und somit einen umfassenden Überblick über die Situation im Vorderen Orient

vor dem Auftauchen der Achämeniden und während der Anfänge ihrer Herr¬

schaft zu geben. Als Vorgängerreiche in dem ausgedehnten Gebiet des späteren Achämenidenreiches sind vor allen Dingen die der Meder, der Elamer, der Baby¬

lonier und der Ägypter zu nennen. Nach einem einleitenden Vorspann, der sich mit dem Forschungsstand und vor allem den Quellen befaßt, werden sie in dem ersten großen Teil des Buches, dem „Länderteil" (S.71 -241), jeweils unter densel¬

ben vier Fragestellungen abgehandelt, nämlich Territorialordnung, Wirtschaft, Heerwesen und Verfassung. Die dabei festgestellten Ergebnisse bilden die Grund¬

lage für den 2. Teil, den „Rezeptionsteil" (S. 245-355), in dem herausgearbeitet wird, was die Achämeniden nun konkret von welchem ihrer Vorgänger übernom¬

men haben. Diese Vorgehensweise hat zur Folge, daß bestimmte Zusammenhänge mehrfach unter verschiedenem Blickwinkel beleuchtet werden.

Die Quellenlage zu den verschiedenen Fragestellungen ist in den betrachteten Ländern sehr unterschiedlich, und auch die Aufarbeitung der vorhandenen Quel¬

len, auf die man sich stützen könnte, ist verschieden weit fortgeschritten. Als roter

Faden dient dem Verf dann immer wieder der Bericht von Herodot. Diesem ist

besonders in den Fällen leicht zu folgen, wo es sonst gar keine anderen Quellen gibt. Schwieriger wird es, wenn vorhandene Quellen und Herodots Nachrichten divergieren. Über weite Strecken ist der Historiker überhaupt nur auf Vermutun¬

gen angewiesen.

Der Verf unternimmt erstmals den Versuch, den gesamten Bereich des Vorde¬

ren Orients mitsamt den durch die Geschichte vorgezeichneten Entwicklungen zu betrachten, wobei er häufig sogar bis an den Beginn des l.Jts. v.Chr. zurückgeht.

Das ist ein großes Vorhaben, und wegen der Komplexität der Fragestellungen er¬

geben sich naturgemäß auch viele Punkte, bei denen man im Detail einhaken kann.

In dem ersten Teil werden Medien (S.71-106), Babylonien (S. 107-193) und Ägypten (S. 194-241) ausführlich behandelt. Elam dagegen wird von vornherein wegen angeblich mangelnder Quellen ausgeschieden. Hier fragt man sich gleich, wieweit diese Entscheidung gerechtfertigt ist. Denn im Unterschied zu Medien, das gar keine eigenen Quellen aufzuweisen hat, gibt es zu Elam eine ganze Reihe von Anhaltspunkten (etliche elamische Königsinschriften, unter denen z. B. die

Sutur-Nahhuntes bzw. Sutruk-Nahhuntes IL und seines Vasallen Hanne beson¬

ders interessant sind, oder die Wirtschaftstäfelchen aus Susa). Ergänzt werden diese Quellen zur Geschichte des neu-elamischen Reiches durch babylonische

und insbesondere assyrische wie auch durch Bibeltexte. Im Zusammenhang der

Untersuchungen wären ein Blick auf die elamischen Vasallenstaaten, vor allem im Osten, und die Frage nach ihrem Verhältnis zum elami.schen Reich zu erwar¬

ten gewesen, zumal wir ja gerade in diesem Kontext auf die ersten achämenidi¬

schen Könige treffen.

Die Rolle Elams klingt zwar immer wieder an und wird teilweise auch durch¬

aus in ihrer Wichtigkeit erkannt, wie z. B. S. 19 (oder S.67), wo von einer „elami¬

schen .Grundschulung'" die Rede ist, die erst den Lernprozeß bei den Persern in Gang gesetzt habe. Auf der anderen Seite werden gerade hier sehr wichtige Quel¬

len ignoriert, z. B. sind bei der Aufschlüsselung der verwerteten Quellen in Pro¬

zenten (S.22) elamische überhaupt nicht genannt. Selbst die vom Verf vorgenom¬

mene Beschränkung auf literarische und epigraphische Quellen (S.23) kann das

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völlige Mißachten der elamischen Quellen nicht rechtfertigen. Zudem vermögen gerade die schlichten Verwaltungstäfelchen wesentliche Auskunft auch zu politi¬

schen Fragen zu geben. Deutlich zeigt sich dieses z. B. in der Frage der Satrapien- ordnung:

Neben der Aufzählung der zum Achämenidenreich gehörigen Völkerschaften, die uns vor allem von Dareios in mehrfacher Abfassung vorliegt, ist immer wieder die sog. Satrapienliste Herodots (III 89-95) herangezogen und in verschiedenster Weise gedeutet worden. Auch fiir den Verf bildet sie einen der Kernpunkte seiner Arbeit (z.B. S.61 ff). Allein schon in ihrer Eintönigkeit sieht er einen Hinweis auf ihre Echtheit (S.62). Doch stellt er dabei deutlich heraus, daß es sich hierbei kei¬

nesfalls um Satrapien handelt, sondern um Provinzen (nomoi). Und dieses ist fiir ihn eines der wichtigsten Ergebnisse seiner Arbeit, wie er mehrfach betont.

Die Provinzordnung, die nach Meinung des Verf von Dareios eingeführt wor¬

den sei, sieht er als entscheidende Maßnahme für die Stabilität des Reiches an.

Sie habe auf der einen Seite dazu gedient, die Macht der Satrapen zu beschnei¬

den, auf der anderen Seite dazu, die Finanzverwaltung fester in den Griff zu be¬

kommen und damit das Steueraufkommen zu sichern. Da dieser Punkt von so

zentraler Bedeutung ist, muß gefragt werden, inwieweit sich diese Überlegungen durch Belege absichern lassen.

Herodot selbst spricht einleitend (III 89) zu dem ganzen Kapitel von einer Ein¬

teilung in 20 Herrschaftsgebiete (gr. dgxai), die die Perser „Satrapien" nannten.

Und genau diese 20 „Satrapien" werden dann von ihm aufgezählt, doch als vo)x6i bezeichnet. Es besteht keinerlei Anlaß, Satrapien und nomoi als verschiedene Einheiten zu betrachten!

Eine grundsätzliche Wertung der Aufzählung fehlt. Es werden auch keine Fra¬

gen gestellt wie z. B., inwieweit die Zusammenordnung einzelner Gebiete und Völ¬

ker überhaupt sinnvoll ist oder wie es sich mit Wiederholungen einzelner Völker verhält, wie die der Kaspier, die im 11. und \ 5. nomos auftreten, oder der Parika- nier im 10. und 17. nomos. Der Verf zieht immer nur die Ausschnitte heran, die er im jeweiligen Zusammenhang verwerten kann.

Kann man davon ausgehen, daß sich Herodot in seiner nächsten Umwelt und

in den von ihm bereisten Gegenden, also in Kleinasien und Syrien, noch einiger¬

maßen auskannte, so werden seine Angaben für den Osten immer ungenauer Ge¬

rade für diesen Bereich bringen die elamischen Verwaltungstäfelchen aus Perse¬

polis eine Fülle an Hinweisen. Die Rez. hat diese im Hinblick auf ihre Aussagen zu Satrapien und Satrapen eingehend untersucht (Achämeniden-Studien. Wiesba¬

den 1993, S. 5-48; dort fmden sich auch die Belege für das im folgenden Ausge¬

führte). Das sich daraus ergebende Bild ist zwar nicht vollständig, zeigt aber doch, daß die Angaben bei Herodot nicht zu ernst genommen werden sollten.

Beispielsweise ist bei ihm weder die Satrapie Areia noch die Satrapie Aracho¬

sien zu finden. Zu letzterer gehörten außerdem Sattagydien (bei Herodot 7. no¬

mos) und die Drangiana (14. nomos). Sowohl der Satrap von Arachosien wie auch der von Baktrien sind bereits in der Bisotun-lnschrift namentlich aufgeführt.

Der Satrapie Baktrien (\2.nomos) sind noch Margiana, Sogdien und Choras¬

mien zuzurechnen.

Zu Medien (\Q. nomos) gehörten die Sagartier CiA. nomos). Der Verf hält die Nachricht des Ktesias, Kyros habe Oibares als Satrapen in Medien eingesetzt, für unwahrscheinlich und meint, erst unter Dareios sei Medien zur Satrapie gewor¬

den (S.77.86f). Die Täfelchen aus Persepolis sprechen eher dafür, daß Medien

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bereits unter Kyros/Kambyses eine Satrapie war, und zwar war dort anscheinend der Vater des Dareios, Vistaspa, als Satrap eingesetzt. Er tritt noch im 19. Jahr des Dareios (503 v.Chr) dort auf. In demselben Jahr ist dann erstmals Vidrna belegt.

Hinweise liefern die Täfelchen auch zur Satrapie Syrien (5. nomos) und ermög¬

lichen es, Dätäna als Satrapen zu erschließen. Hierbei handelt es sich offenbar um denselben Mann, der als Tatannu oder Thatthenai (bei Esra) überliefert ist.

Der Verf will hier nur einen „Provinzgouverneur" annehmen (S. 128.145).

Doch hält er andererseits (S. 144) auch Babirus, das in den altpersischen Völ¬

kerlisten erscheint, nicht für die Satrapie Babylonien, sondern meint, dieses be¬

zeichne den „Städtekomplex von Groß-Babylon". Der von Kyros festgelegte äuße¬

re Grenzverlauf der Satrapie sei belassen worden, doch sei das Gebiet von Darei¬

os in zwei nomoi aufgeteilt worden: Babylon und Ebir nari „Babylonien und

Transpotamien". Es ist schwierig, hier den Überlegungen des Verf zu folgen.

Denn Syrien und die Levante sollen schon von ca. 545 bis 535 als eigenständige Satrapie bestanden haben, seien dann aber von Kyros wieder mit Babylon zusam¬

mengelegt worden, da „die mittelmeerischen Landschaften ohne eine Verbindung mit Babylonien nicht gedeihen konnten" (S.127; mit gleicher Tendenz 142f.).

Dareios dagegen habe die riesige Satrapie wieder unterteilt, um „ein genau fixier¬

tes und regelmäßig eingehendes Steueraufkommen garantiert zu wissen" (S. 128).

Die Verwaltungstäfelchen aus Persepolis können fernerhin zeigen, daß die von Herodot im \4. nomos unter vielen anderen aufgezählten Myker und die Bewoh¬

ner der Inseln des persischen Golfes (Herodot spricht allerdings vom „Roten Meer"; das ist erstaunlich, da er sonsL z. B. II 158, sehr gut weiß, wo dieses liegt) eine eigene Satrapie Maka bildeten, aus der wir sogar mehrere Satrapen nament¬

lich kennen.

Überhaupt nicht in Herodots Liste zu finden ist auch die unmittelbar östlich an das persische Kernland anschließende, offenbar sehr wichtige Satrapie mit der Hauptstadt Kermän (in griechischen Quellen Karmania), die von den Persern Pu¬

rus genannt wurde. Hier ist nicht nur der viele Jahre amtierende Satrap Karkis bekannt, sondern auch weitere hohe Beamte der Hofverwaltung.

Allein diese wenigen Hinweise mögen zeigen, daß es durchaus lohnend sein kann, sich auch mit so unscheinbaren Quellen wie den elamischen Verwaltungstä¬

felchen zu beschäftigen. Herodots Liste dagegen verfolgt vor allen Dingen den Zweck, durch lange Aufzählungen sowohl die riesigen Ausmaße des persischen Reiches mit allen darin lebenden Völkern wie auch seinen eigenen Kenntnisstand darüber deutlich werden zu lassen. Dieses wird auch klar durch die als Tributab¬

gaben genannten Summen, denen man ja auch keine Authentizität zuschreiben kann (Verf geht auf diese Frage überhaupt nicht ein). Daß die großen achämeni¬

dischen Satrapien ihrerseits in einzelne Verwaltungsbezirke aufgeteilt waren, ist dagegen mit Sicherheit anzunehmen. War doch schon das kleine persische Kern¬

land in sechs derartige Bezirke gegliedert (H. Koch: Verwaltung und Wirtschaft im

persischen Kernland zur Zeit der Achämeniden. Wiesbaden 1990 [TAVO Beih. B

89; s.a. weiter unten). Doch auch solche verwaltungstechnischen Einheiten - wie wichtig sie auch für die Organisation des Ganzen waren - gibt Herodots Liste wahrlich nicht wieder.

Dem Kyros-Zylinder kommt als einziger authentischer Quelle, die man Kyros zuweisen kann, besondere Bedeutung zu, und er wird auch vom Verf wiederholt herangezogen. Dabei sollte berücksichtigt werden, daß der Text nicht nur „ein Werk persischer Propaganda" (S.37), sondern ganz besonders im Sinne bzw. di-

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rekt von babylonischen Priestern verfaßt worden ist, deren Intentionen in noch viel gröberer Weise in dem Schmähgedicht auf Nabonid (S.36f) deutlich werden.

Kyros selbst konnte zum einen auf keineriei persische Tradition im Abfassen der¬

artiger Inschriften zurückgreifen, zum anderen dürfte ihm das Vorgehen der ba¬

bylonischen Priester in diesem Zusammenhang auch durchaus recht gewesen sein.

Diese Urheber, die sich durch Nennen der babylonischen Götter (S.334) ganz deutlich zu erkennen geben, sollte man aber im Sinne behalten, wenn z. B. der Verf. versucht, die dort Kyros zugelegten Titel weiter auszuwerten (S.331 f.). Be¬

sagt also beispielsweise der auf dem Kyros-Zylinder verwandte Titel sar kissat(i)

„König der Gesamtheit", daß sich Kyros einem „assyrischen Imperialismus" ver¬

schrieben hat - oder ist diese Formel nicht einfach von dem umittelbaren Vorgän¬

ger der Herrschaft über Babylon, Nabonid, der ihn ja wieder eingeführt hatte, übernommen worden? In letztere Richtung weisen jedenfalls ganz deutlich die Ti¬

tel „König von Babylon" und noch mehr „König von Sumer und Akkad". Diese dürften Kyros allenfalls altehrwürdig erschienen sein. Daß er mit ihnen „Vorstel¬

lungen vom königlichen Hirtenamt" verbunden habe (S.333), müßte erst bewiesen werden.

Dabei soll in keiner Weise in Frage gestellt werden, daß babylonische Könige sich für ihre Untertanen verantwortlich fühlten, wie z. B. Nebukadnezar „das Land in Ordnung zu halten, das Volk zu weiden, die Städte zu erhalten" als seine Aufgaben bezeichnet hat (S. 153 Anm. 10). Und in diese Richtung gehende Bestre¬

bungen scheinen gerade den Persern sehr nahegelegen zu haben, wie dieses auch Verf. im Zusammenhang mit der Person des Kyros betont (S.38). Noch deutlicher wird die Fürsorge bei Dareios, aus dessen Herrschaftszeit wir über eine Fülle von Belegen verfügen (R.T. Hallock : Persepolis Fortification Tablets: Chicago 1969 [OIP 92]; einen Überblick über soziale Leistungen für Frauen und Arbeiter bringt

z.B. H.Koch: Es kündet Dareios der König ... Vom Leben im persischen Gro߬

reich. Mainz 1992, vor allem 54 ff und 233 ff).

Zu Recht weist der Verf daraufhin, daß die Aussage Herodots, die Meder sei¬

en die Schöpfer der persischen „Tyrannis" gewesen (I 99,1), allzuoft recht unre¬

flektiert übernommen worden ist S.71-106 wird ausführiich das medische Reich im Hinblick auf die verschiedenen Fragestellungen des Verf durchleuchtet. Dabei kann aber nicht deutlich genug darauf hingewiesen werden, daß wir keinerlei au¬

thendsche Quellen aus Medien besitzen. Neben den - teils recht spärlichen - Be¬

richten griechischer Schriftsteller und kurzen Hinweisen aus assyrischen Quellen stützt sich unsere Kenntnis vorwiegend auf Herodot. Sonst kann man höchstens Vermutungen anstellen. Viele Fragen bleiben offen, und auch dem Verf ist nicht immer leicht zu folgen. So schreibt er einerseits, die Meder seien nur mittelbar von der assyrischen Herrschaft betroffen gewesen (S.73), andererseits spricht er von assyrischen Angriffen auf medische Städte, die dann dem „assyrischen Pro- vinzialsystem" unterworfen worden seien (S. 79; inwieweit die angeführten assyri¬

schen Reliefs tatsächlich ein Bild vom Aussehen dieser Städte übermitteln, bleibt sehr fraglich, da die dortigen Abbildungen die gleichen zinnenbekrönten Burgen auch für urartäische und späthethitische Städte zeigen), oder gar der „assyrischen Knechtschaft" (S.lOO).

Der Verf vermutet, Kyros habe nach seinem Sieg über den Mederkönig Astya¬

ges von Ekbatana aus, also der ehemaligen medischen Residenz, „Medien und

Persien in Personalunion beherrscht und verwaltet" (S.77). Damit sieht er in Ek¬

batana den Regierungssitz der frühen Achämeniden (so auch S.86).

(14)

Im Gegensatz zu Ekbatana hält Verf. Pasargadae, das unter Kyros ganz gro߬

artig mit völlig neuen und den Persern bis dahin fremden Bauten ausgestattet wor¬

den ist, für ein „der Dynasde geweihtes Monument" (S.86). Als entscheidendes Argument für Ekbatana als zentrale Residenzstadt gilt ihm Herodots Nachricht (III 64), Kambyses habe bei der Weissagung seines Todes an Ekbatana in Medi¬

en, „den Mittelpunkt seiner Macht", gedacht (S.87).

Betrachtet man die Bauten in Pasargadae und die Wiederaufnahme wesentli¬

cher Bestandteile der Anlage in Persepolis, zeichnet sich indessen eine andere Überlegung ab, die von Kyros offenbar erstmals bedacht und von Dareios dann folgerichdg zu Ende geführt worden ist. Wenn man von Persepolis und den ar¬

chäologischen Funden in Pasargadae zurückschließen darf, so muß Kyros ganz

bewußt ein eigenes Zentrum seiner Macht und damit der persischen Macht haben schaffen wollen, nicht zuletzt, um damit die veränderten Machtverhältnisse deut¬

lich zu machen und gerade das vormalige Zentrum Ekbatana zu deklassieren und vermutlich bewußt dessen Einfluß zu mindern.

Vorsicht ist auch geboten im Hinblick aufdie „Residenzstadt" Babylon (S. 149) mitsamt dem Palast des Dareios (S. 128). Die elamischen Verwaltungstäfelchen je¬

denfalls, mit deren Hilfe man über Jahre hin die Bewegungen und Aufenthalte des Großkönigs recht genau verfolgen kann, bringen kein einziges Beispiel dafür, daß Dareios sich in Babylon aufgehalten hätte (s. ausführlich die Untersuchungen der Rez., Königliche Hoflialtung und die Anlagen in Persepolis, in den bereits ge¬

nannten Achämeniden-Studien, 61-91; dort finden sich auch hinreichend Aus¬

künfte zu S. 276 Anm. 42). Nach Ansicht des Verf. seien Tributzahlungen aus Ba¬

bylonien hauptsächlich in Form von Naturalien erfolgt und war Babylonien

„Kornkammer", „die fruchtbarste Landschaft des Reiches, und es lag den irani¬

schen Zentren am nächsten, die fast vollständig von Babylonien versorgt wurden"

(S.127), und dort sei auch das stehende Heer stationiert gewesen (auch S. 179, dort spricht er vom „Reichsheer" und hebt wiederum die „Nähe von Babylon und Susa" hervor). Für all diese Behauptungen werden keinerlei Belege angeführt, es handelt sich lediglich um Vermutungen. Doch werden sie des öfteren als festste¬

hende Tatsachen wiederholt. Zudem habe gerade Dareios sich bemüht, an die

„assyrisch-babylonische Herrschaftsvorstellung anzuknüpfen".

Die wohl weitreichendste „Erfindung" der Meder war die sog. Heeresreform, die Herodot mit Kyaxares in Verbindung bringt (S.91 (). Die Trennung in einzel¬

ne Waffengattungen, nämlich Lanzenträger, Bogenschützen und Reiter, kann

Verf aber schon bei den Assyrern wahrscheinlich machen. Er betont indessen die Bedeutung der medischen Reiterei (S.92).

Aufgrund des Gebrauchs medischer Lehnwörter, wie der Begriffe für „König"

und „Satrap" im Altpersischen, hat man immer geschlossen, daß die Perser medi¬

sche Herrschaftsformen übernommen hätten. Fraglich bleibt dabei allerdings, in¬

wieweit diese Begriffe nicht überhaupt als allgemein „altiranisch" angesehen wer¬

den können. Leider wissen wir aber über den medischen Staat, wenn es ihn über¬

haupt gegeben haL gar nichts. Der Verf versucht nun mit detektivischer Akribie, etwas Licht in die Dunkelheit zu bringen. Wie schwierig dieses jedoch nach wie

vor bleibt, sieht man z. B. bei der Untersuchung des medischen Königtums

(S.98ff). Da Herodot berichtet, daß Deiokes als Richter in Medien tätig gewesen sei, zieht Verf Untersuchungen zu der Rolle des Richters in Israel heran (S.99).

Da dort Richter „charismatisch begabte Führer" gewesen seien, unter denen die

„Großen Richter" als „begnadete Kriegshelden" hervorgetreten seien, kommt er

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zu einem ebensolchen charismatischen Königtum in Medien, das ihm allein da¬

durch bestätigt zu sein scheint, daß Herodot und Strabo berichten, der medische

König sei gewählt worden. Betrachtet man jedoch die Zusammenhänge näher,

lassen sich derartige Ergebnisse keinesfalls rechtfertigen. In Herodots Geschichte ist nur von der Berühmtheit des Deiokes als Richter die Rede. Um den gesetzlo¬

sen Zustand nach seinem „Streik" zu beheben, wählten die Meder ihn zu ihrem König. Und gerade die Maßnahmen, die er laut Herodot (I 98 ff) anschließend zu seiner Sicherheit unternommen haben soll, und die Tatsache, daß er sich nie¬

mandem mehr zeigte, sprechen gegen einen „charismatischen Kriegshelden". Ja, Herodot betont sogar, daß Deiokes keinerlei Kriegszüge unternommen, sondern sich mit der Herrschaft über die Meder begnügt habe (I 101). Nach Deiokes ist aber von überhaupt keiner Wahl mehr die Rede, vielmehr wurde die Thronfolge fortan vererbt.

Ist schon Herodot von den berichteten Ereignissen fast 300 Jahre entfernt, so sind es bei Strabo gut 700. Entsprechend vorsichtig sollte man bei der Bewertung seiner Berichte als Quellen sein, und überhaupt ist der ganze Zusammenhang an der betreffenden Stelle ganz fabel-haft. Das Rote Meer gilt ihm als Kernland der Perser (XI 13,9; man beachte die entsprechende Bezeichnung in der Liste Hero¬

dots, dort im )4. nomos), die sich erst nach der Eroberung durch die Meder die¬

sen auch räumlich genähert hätten, und Medeia oder ein ihr möglicherweise zuzu¬

schreibender Sohn Medus habe den Medern ihren Namen gegeben (13,10). Und

genau anschließend spricht Strabo davon, daß es ein Brauch der Meder gewesen sei, den besten ihrer Männer zum König zu wählen, und zwar nur von den Berg¬

bewohnern. Ein weiterer Brauch hätte den Medern vorgeschrieben, mindestens

fünf Frauen zu haben, und entsprechend hätten sich die Frauen bemühL nicht

weniger als fünf Männer zu haben (13,11). Allein dies mag zeigen, welchen Be¬

legwert Strabos Nachricht besitzt!

Der vom Verf auf geschildertem Wege erschlossene medische „charismatische Heldenkönig" gilt fortan in dem vorliegenden Buch als feststehende Tatsache. So ist beispielsweise S.330 von dem „charismadsch-medische(n) Kriegertum der Per¬

ser" die Rede oder daß die Achämenidenkönige mit der Übernahme der medi¬

schen Bezeichnung für König „diesen Titel mit seiner charismatischen Aura der Kriegshelden" benutzt hätten, um „ihre so weit herausgehobene Position zu legiti¬

mieren". Und zusammenfassend am Schluß wird festgestellt: „Das medische Kö¬

nigtum war ein .Wahlkönigtum' von charismatisch-kriegerischer Art". Von diesem habe sich Kyros „stark inspirieren lassen" (S.361).

Derartigen Versuchungen ist der Verf öfter erlegen. Was von ihm zunächst nur als vorsichtige Vermutung geäußert wurde, wird ihm bei den folgenden Überle¬

gungen immer gewisser und wird schließlich als Tatsache oder gar als „Beleg" an¬

geführt. Als Beispiele seien genannt: Auf S. 114 wird die Vermutung geäußert,

daß der kilikische Syennesis Appuwasu bei den Auseinandersetzungen mit den

Babyloniern in den Jahren 557/6 v.Chr. mächdge Verbündete gehabt haben

müßte, also vielleicht sogar „Satrap" der Meder gewesen sei. Anhaltspunkte hier¬

für gibt es überhaupt nicht. Dieser Gedanke wird nun weitergesponnen auf

S. 120f, wo der Verf Kyros auf einem vollständig fikdven Rückweg von Sardes nach Kilikien und Syrien ziehen läßt, um jene Gebiete zu erobern. Beweis für diese These ist ihm zum einen das Fehlen von babylonischen Quellen über Eisen¬

lieferungen aus Kilikien ab ca. 545 (S. 121); diese sind aber ohnehin nur von 555- 545 v.Chr bezeugt (S. 162 mit Anm. 71). Auf S. 162 ist der Eisenhandel schon „of-

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fensichtlich" von Kyros unterbunden worden. Einen weiteren Anhaltspunkt bietet für den Verf die Tatsache, daß sich nach Herodot die ionischen Inseln ein Jahr nach Einnahme von Phokäa (544 v.Chr.) plötzlich den Persern unterworfen hät¬

ten. Dieses kann er sich nur damit erklären, daß die Perser auch Phönikien unter¬

worfen haben müssen und nunmehr im Besitz der phönikischen Flotte gewesen seien. Im weiteren Verlauf dieser Überlegungen läßt Verf Kyros bis Gaza vor¬

dringen und dort eine Garnison errichten (S. 124). Begründet wird dieses mit dem Fehlen von Quellen nach der Zeit Nebukadnezars, die einen „König von Gaza"

nennen - wiederum ein argumentum ex nihilol Auf S.127 ist dann schon davon die Rede, daß die Levante und Syrien „wohl" von ca. 545 bis 535 eine eigenstän¬

dige Satrapie gebildet hätten, auf S. 142 wird ein „vermutlich" hinzugefügt. Und ebenso war Gaza auf S.203 „vermutlich" ein von Kyros eingerichteter „fester Mi¬

litär- und Handelspunkt", den er „seiner direkten Herrschaft unterstellt hatte".

Aus nicht vorhandenen Quellen zieht der Verf noch häufiger seine Schlüsse.

So ist ihm beispielsweise das Fehlen von Pferdehändlern in den vorliegenden ba¬

bylonischen Quellen ein Zeichen dafür, „daß der babylonischen Reiterei keine große Bedeutung zukam" (S. 175). Nach Herodot (VII 63) stellten die „Assyrer"

(Verf bezieht es auf die Babylonier) weder Streitwagen noch Reiter, sondern nur Fußkämpfer (S. 179; auch Bogenschützen werden nicht erwähnt). Zumindest kann man einwenden, daß laut Bisotun-lnschrift (II 1-2) der aufständische Nidintu- Bel mitsamt Reitern nach Babylon entfioh, nachdem Dareios ihn bei Zäzäna be¬

siegt hatte.

Da mehrfach, z. B. bei Jeremias oder in babylonischen Quellen (S. 101 ff), von Königen die Rede ist, die dem medischen „Großkönig" zur Seite standen, nimmt Verf an, daß es sich hierbei um Satrapen handelte (S. 103). Satrapen könnten da¬

mit eine medische „Erfindung" sein, worauf auch schon die Wortform hindeute.

Bei den Medern hätte man dann darunter die Vasallenkönige verstanden, die in den eroberten Gebieten regierten. Damit stelle sich der medische König als ein König über andere Könige dar, von dem die Satrapen nicht völlig abhängig waren (S. 104f). Noch einen Schritt weiter geht der Verf dann, indem er aufgrund die¬

ser Überlegungen auch den Titel „König der Könige" für medisch hält (S. 105 f ).

Im Laufe der Betrachtung des ägyptischen Militärwesens äußert der Verf die Vermutung, daß die obersten Reihen mit Ägyptern besetzt waren, „die vielleicht

aus den Ma genommen wurden." Im weiteren werden dann aus dieser Vermu¬

tung Schlüsse gezogen: „Wenn aber die Strategen aus den Reihen der Ma stam¬

men sollten, dann muß das Bild über ihre Bedeutung korrigiert werden", und die¬

ser Gedanke wird weiter ausgeführt, so daß „aus dem fürstlichen Kriegerstand der Ma" ... „eine Art Dienstadel der neuen Dynastie" wird. Alle diese Überle¬

gungen und sich daraus ergebende Folgerungen sind zwar im Konjunktiv wieder¬

gegeben, doch führen sie zu dem Ergebnis: „Nichts hindert uns daran, von einem , stehenden' Heer in Ägypten zu sprechen".

In dem zweiten Teil des Buches, dem „Rezeptionsteil", wendet sich der Verf nun speziell dem Achämenidenreich zu, mit denselben Fragestellungen, mit de¬

nen vorher Medien, Babylonien und Ägypten untersucht wurden.

Erster Komplex ist die Territorialordnung und somit insbesondere die Satra¬

pie, die der Verf eindeutig für eine iranische Erfindung hält. Als Vorteil dieser Einrichtung hebt er unter anderem hervor, daß für ihre Verwaltung nur ein mini¬

maler verwaltungstechnischer Aufwand notwendig gewesen sei (S.246f.). Hier¬

über wissen wir bisher recht wenig. Einen erstaunlichen Einblick gewähren uns

(17)

jetzt z. B. drei Fragmente elamischer Buchungstäfelchen, die in der armenischen Festung Armavir-blur gefunden worden sind (H.Koch in: ZA 83 [1993], S.219- 236). Sie zeigen, daß es in diesem entfernt liegenden Stützpunkt der achämenidi¬

schen Verwaltung nicht nur einen frataraka, also einen Oberkommandierenden mit persischem Titel (zu diesem Titel s.a. Verf, S. 269), sowie weitere Beamte mit persischen Namen, sondern sogar elamische Schreiber gegeben haben muß.

Auch in diesem Zusammenhang hebt der Verf wieder die Bedeutung der sei¬

ner Meinung nach von Dareios vorgenommenen Provinzeinteilung hervor. Sie sei einhergegangen mit der „Stationierung einer Sicherheitstruppe" und der „Instal¬

lierung einer Finanzbürokratie", die beide unabhängig vom Satrapenhof gewesen seien (S. 258). Im folgenden spricht Verf dann auch wiederholt von einer „Tren¬

nung zwischen militärischer und ziviler Funktion" als „Wesenszug der dareiischen Reformpolitik" (S. 261.265). Wenn allerdings auf den Buchungstäfelchen Sicher¬

heitstruppen auftreten, dann meist in Verbindung mit einem Satrapen, wie z. B.

dem von Areia oder Arachosien (Achämeniden-Studien 15). Auch die Finanzbe¬

amten lassen sich beispielsweise in der Provinz Purus (Kermän) und vor allem in Arachosien näher fassen (Achämeniden-Studien 17 f 26 ff). Daraus geht hervor, daß in den Satrapien offenbar eine vergleichbare Ämterverteilung und Rangabfol¬

ge herrschte, wie sie für die Persis aufgezeigt werden konnte (Koch, Verwaltung und Wirtschaft, s. oben), nur daß in den Provinzen jeweils der Satrap die Stelle

des Königs einnahm. Daß zahlreiche Festungsgouverneure und weitere Beamte

dieser obersten Spitze der Verwaltung zuarbeiteten, steht außer Frage. Die Rez.

hält es daher für völlig ausgeschlossen, daß Dareios „nicht genügend qualifizierte persische Beamte zur Verfügung" gestanden hätten und infolgedessen „ein viel geringerer Grad der staatlichen Durchdringung der Provinzen" möglich gewesen sei als im Assyrer-Reich. Gerade die unglaublich differenzierte und bis in das letzte Dorf reichende Verwaltung, deren Fäden mit vielen Kontrollmöglichkeiten dann jeweils in einer Zentrale zusammenliefen, wie es anhand der Buchungstäfel¬

chen aus Persepolis deutlich aufzuzeigen ist, waren Grundvoraussetzung für den Bestand des Achämenidenreiches. Leider fehlen uns bisher die entsprechenden umfangreichen Belege für die Provinzen. Dort können nur vereinzelte Streiflich¬

ter, wie die elamischen Täfelchen aus Armavir-blur oder Qandahär, eine ver¬

gleichbare Ordnung beleuchten. Doch läßt sich ein bewußtes Zerteilen der Satra¬

pien unter Schmälerung der Aufgaben und Zuständigkeit des Satrapen, um „die nationale Geschlossenheit der großen Satrapien aufzubrechen" (S.259), zumin¬

dest anhand der erhaltenen Quellen nicht nachweisen.

Die Tatsache, daß auch in der Folgezeit keine Belege für diese angenommene Aufteilung der Satrapien zu finden sind, begründet der Verf mit einer früh einset¬

zenden Auflösung dieser Ordnung. „Mit der Feudalisierung der Ämter, die schon in der Zeit des Xerxes begann, sind aus den dareiischen Provinzstatthaltern wie¬

der Satrapen geworden" (S. 260.265). Doch dann müßten wir ja eine sehr viel grö¬

ßere Zahl an Satrapen bekommen haben, in dem für Kleinasien angeführten Bei¬

spiel sowohl einen Satrapen für Lydien wie für lonien.

Ein typisches Beispiel für die Vorgehensweise des Verf läßt sich bei seiner Be¬

trachtung des persischen Handels feststellen. Von der auf S.286 zitierten Reisege¬

sellschaft, die auf dem Wege nach Susa und von dort zurück nach Indien anzu¬

treffen ist, gibt es noch eine ganze Reihe an weiteren Belegen (ausführlich H. Koch in: Archäologische Mitteilungen aus Iran 19 [1986], S. 138f und Achä¬

meniden-Studien 37). Der genannte Herr, Apadaiva (ab-ba-te-ma), muß einer der

(18)

führenden Leute in Indien gewesen sein, da seine Rationen über denen des Vize¬

marschalls liegen, also des zweithöchsten Beamten nach dem König in der Persis.

Um ein „staatliches Handelsunternehmen" wird es sich also bei dieser Reisege¬

sellschaft kaum gehandelt haben. Nichtsdestotrotz zitiert der VerL aufgrund die¬

ser Beispiele auf S. 290 „staatliche Entrepreneure", „wie sie uns bereits in den ela¬

mischen Täfelchen entgegengetreten sind". Und auf S.294 sind die beiden falsch interpretierten Täfelchen bereits zu Belegen geworden, indem der Verf von einer

„häufige(n) Nennung von staatlich beauftragten Händlern in den sogenannten persepolitanischen Reisetabletts" spricht. Und die gleich anschließende Folge¬

rung ist, „daß der Handel in persischer Zeit weitgehend als Staatshandel zu defi¬

nieren ist". Und sogar: „Damit erfahrt die Herausbildung des privaten Wirt¬

schaftssektors, der gerade ein Kennzeichen der vorpersischen Epoche war, über¬

all einen Rückschlag". Nichts von alledem ist belegt! Desgleichen steht die Be¬

hauptung „Anders als im nB Reich stand der Güteraustausch deshalb unter Auf¬

sicht der Palast-Organisation, weil nur sie das nötige Kapital investieren und die hohen Kosten tragen konnte" völlig unbegründet in der Landschaft. Ein kärapäna (qa-ra-ba-na) ist nur als militärischer Rangtitel belegL doch begegnen des öfteren Männer, die als kärapati (qa-ra-bat- ti-is) bezeichnet werden, worunter wohl in der Tat ein Führer von Karawanen zu verstehen ist. In der Regel handelt es sich dabei aber um Gesandtschaften, die von einem der Satrapen zum König oder in umgekehrter Richtung unterwegs sind. Über einen etwaigen Staatshandel vermö¬

gen aber auch diese Begriffe nichts auszusagen.

Somit sind dann auch die zusammengefaßten Ergebnisse dieses Kapitels

(S.296) völlig unhaltbar Sie gipfeln in dem Satz: „Es versteht sich von selbst, daß der staatliche Handel, der in der sterilen Atmosphäre einer Palastbürokratie ge¬

plant wurde, kein Medium des Kulturaustausches sein konnte". Dieses hätte dem Verf zu denken geben sollen. Denn gerade der Kulturaustausch, der sich vor al¬

lem in dem Kunstschaffen in hervorragender Weise äußert, hat in der frühen Achämenidenzeit eine bis dahin nicht gekannte Breite erfahren.

Durch die Breite des Materials bedingf gäbe es noch eine Fülle an Einzelpro¬

blemen oder -anmerkungen, von denen hier nur einige Beispiele herausgegriffen werden sollen:

Vorwort XIV: Als „ungewöhnlichste Leistung der Perser" bezeichnet der Verf

die „Zusammenzwingung des anatolischen Hochlandes mit den Ländern des

, Fruchtbaren Halbmonds'", da der Tauros/Antitauros die „stärkste natürliche Barriere Vorderasiens" bilde. Dabei berücksichtigt er aber nicht, daß bereits die Hethiter im 2. Jts. v.Chr. hier sehr erfolgreich tätig und teilweise mit Ägypten un¬

mittelbar benachbart waren.

S.2: Bei Betrachtung des Forschungsstandes beanstandet der Verf, daß

G. Rawlinson die ihm zur Verfügung stehenden Quellen nur sehr selten herange¬

zogen habe. Dabei ist zu fragen, inwieweit Rawlinson 1867 überhaupt den Inhalt beispielsweise der Bisotun-lnschrift in ihrem vollen Inhalt verstehen konnte. Man befand sich ja erst in der Anfangsphase der Erforschung dieser bisher unbekann¬

ten Sprache! Und der teilweise recht unbekümmerte Umgang mit griechischen Quellen ist bis heute zu verfolgen.

S.12: In dem gleichen Zusammenhang ist auch zu finden, daß die Rez. die

„weitreichende Behauptung aufgestellt" habe, der Erfolg der Perser sei mit ihrer Wirtschaftsordnung zu begründen (wörtlich steht allerdings in der zitierten Zu¬

sammenfassung: „Diese stark durchgegliederte und straff organisierte Wirtschaft

(19)

war eine der wichtigsten Voraussetzungen dafür, daß das persische Reich zu einer hohen Blüte gelangen und bis zu Alexander dem Großen fortbestehen konnte").

Es fehle indessen ein Nachweis, wie der Zusammenhang zwischen politischer und Wirtschaftsordnung zu denken sei. Dieses war auch gar nicht das Vorhaben des Buches. In ihm ging es um etwas ganz anderes, nämlich den Versuch, grund¬

sätzliche Fragen anhand der vorhandenen Quellen zu erhellen. Dabei hat sich die Rez. bewußt eng an das wirklich zu Belegende gehalten und auf weiterreichende Spekulationen verzichtet.

S. 136f : Nabonids Titel „König der fernen Regionen" drücke vielleicht „seine besondere Wertschätzung für die außerbabylonischen Reichsteile aus". Sollte die¬

ser Titel nicht eher die riesigen Ausmaße des Reiches deutlich machen? Man vgl.

Dareios' Aussage „König auf dieser großen Erde auch fernhin" (DNa 11 f).

S. 137: Die Tatsache, daß Kyros Götterbilder und Tempelschätze, die Nabopo¬

lassar und Nebukadnezar geraubt hatten, in ihre Heiligtümer zurückbringen ließ, deutet Verf. als „Politik der Dezentralisierung". Ist dieses nicht eher im Zusam¬

menhang mit der auch vom Verf mehrfach hervorgehobenen Toleranz des Kyros

zu sehen?

S. 197: Der ägyptische Pharao Necho ließ, wie Herodot berichtet, die Arbeiten am Suezkanal einstellen, und zwar, wie der Verf vermutet, „aus Furcht, die Ba¬

bylonier könnten diesen Wasserweg bei ihrer Invasion Ägyptens als Einfallstor benutzen". In einem solchen Falle hätte sich der schmale Kanal doch geradezu als wirksames Mittel erwiesen, die Schiffe in ihm einzuschließen und zu vernich¬

ten! Auf S.313 ist davon die Rede, Kambyses habe mit der Flotte das „inselartige Ägypten" erobern wollen. Mit einer Flotte konnte man höchstens die Zufahrt zu

den Häfen blockieren und damit den Handel und Nachschublieferungen unter¬

binden. Und dieses dürfte auch der Sinn gewesen sein, warum der Satrap Aryan- des die Flotte gegen Barka und die Libyer schickte (S.314). Da wir nichts Näheres über den Einsatz der Flotte in Libyen wissen, dürfte es auch überspitzt sein, da¬

von zu sprechen, daß dort „eine hochentwickelte Kriegsmaschinerie zum Einsatz gekommen" sei (S.316). Der Verf nimmt dieses jedoch als Tatsache, von der dann seine Überlegungen im folgenden Abschnitt ausgehen.

S.198: Herodot (II 159) berichtet, Necho habe Schiffe bauen lassen. Verf spricht nun die Vermutung aus, daß diese ihm gedient hätten, um die Operatio¬

nen des Landheeres zu unterstützen. Doch schon im folgenden Satz gilt ihm diese Vermutung als „wichtiges militär-historisches Zeugnis über ein operatives Zusam¬

menwirken von Heer und Flotte". Im Laufe der weiteren Überlegungen wird die¬

ses ein Tatbestand: „Was nun Taktik und Strategie angeht, so ist zu bemerken, daß die pharaonische Flotte immer mit dem Landheer und dieses nie ohne Flotte operierte" (S.317).

In demselben Zusammenhang (auf S. 198) spricht der Verf. von einer „sehr fol- genreiche(n) Verschiebung der polidschen Perspektive der Ägypter", indem sie

sich nun nicht mehr verstärkt dem Roten Meer, sondern dem Mittelmeer zuge¬

wandt hätten. Soll das heißen, daß die Ägypter vorher gerade den Kulturzentren,

die sich im und am Mittelmeer befanden, den Rücken zugewandt haben? Eine

solche Annahme ließe sich mannigfaldg widerlegen.

S.216 Anm.lO: „Im Griechenland der homerischen und archaischen Zeit (8.-

6. Jh.) ist der Handel allerdings ganz unterentwickelt". Wie erklärt sich der Verf

dann z.B. das Vorkommen korinthischer Keramik rund um das Mittelmeer? Sind

doch auch, sowohl durch schriftliche Quellen wie auch in größerem Umfange

(20)

durch archäologische Funde eine ganze Reihe von griechischen Handelsniederlas¬

sungen bekannt (ausführlich: J. Boardman: Kolonien und Handel der Griechen.

Vom späten 9. bis zum 6. Jh. v. Chr München 1981). Gerade im 8. Jh. ist ein starkes Vordringen der Griechen im östlichen Mittelmeerraum zu verzeichnen. Der Verf selbst spricht denn auch an anderer Stelle (z.B. S.218f, Anm. 25.31) von vielen griechischen Handelspunkten.

S.250: „nur im Akkadischen und in der Bibel lebte der alte Name ,Elam' (und .Elamiter') weiter" - dieses ist nur der assyrische Name; die Elamer selbst nann¬

ten ihr Land Haltamti. Zur Frage, welche Bedeutung Susa als Regierungssitz hatte, ist wiederum auf die elamischen Verwaltungstäfelchen aus Persepolis zu verweisen (^Achämeniden-Studien, 8 ff zum Satrapensitz, 61 ff zum Aufenthaltsort und Regierungssitz des Königs). Daraus geht hervor, daß Susa vor allem in den ersten Jahren der Herrschaft des Dareios eine hervorragende Bedeutung als Re¬

gierungssitz hatte, daß aber mit fortschreitender Fertigstellung der Bauten auf der Terrasse in Persepolis das Zentrum der Reichsverwaltung dorthin verlagert wur¬

de. Davon unabhängig war Susa stets Sitz eines Satrapen, von dem zahlreiche Be¬

lege erhalten sind.

S.257: „Eine gewisse Abhängigkeit des hohen Militärs vom Großkönig konnte dadurch erzielt werden, daß sowohl ihre Besoldung als auch ihre Versorgung mit Lebensmitteln von den staatlichen Wirtschaftsbetrieben in Persepolis vorgenom¬

men wurde". Wie soll man sich das wohl praktisch vorstellen? Mit Versorgungs¬

flugzeugen? Verf verweist auf einen Beitrag von D. M. Lewis (in: Journal of Hel¬

lenic Studies 100 [1980], S. 194f), in dem dieser zeigen will, daß es sich bei dem auf dem Täfelchen aus Persepolis genannten Dätiya um den von Herodot erwähn¬

ten medischen Flottenkommandanten Datis gehandelt habe. Das herangezogene Täfelchen spricht von der Versorgung eines Eilboten, der auf dem Wege von Sar¬

des nach Persepolis zum König isL in Hidali, also am Übergang von der Elymais in die Persis. Da der Name sonst nicht wieder auftritt, läßt sich nichts Näheres über diesen Mann sagen.

S.269: Der Verf wertet eine gewisse Unbestimmtheit in der Titulatur, wobei allerdings nur die nicht-iranische Überlieferung gemeint ist, als Indiz dafür, „daß es eine normierte Einheitlichkeit in der persischen Territorialorganisation selbst unter Dareios nicht gab". Sollte man hier nicht eher unser mangelhaftes Wissen beklagen?

S. 270f : Leider sind die Täfelchen aus den Palastarchiven in Persepolis keines¬

wegs „weitgehend publiziert und kommendert". Der größte Teil von ihnen ist

noch immer unpubliziert. Auch werden wir nicht „über Ausgaben und Einnah¬

men von Produkten umfassend informiert", sondern wir haben es lediglich mit ei¬

nem durch Zufall erhaltenen Teil eines einzigen Ressorts der Verwaltung, nämlich der Naturalwirtschaft und ihrer Bedeutung für die Versorgung der Arbeiter, zu tun. Und in diesem Zusammenhang ist natürlich kaum mit Nachrichten über den Handel im Mittelmeergebiet zu rechnen. Aus dem Fehlen derartiger Nachrichten lassen sich also keinerlei Schlüsse ziehen!

S.272: Die Behauptung des Verf, daß öffentliche Märkte sowohl den Persern als auch zumindest im östlichen Elam unbekannt gewesen seien, wird mit keiner¬

lei Belegen abgestützt. Eine Münzwährung, die Verf ebenfalls vermißt, ist keines¬

wegs unabdingbare Voraussetzung für einen freien Handel. Wurde doch über

Jahrhunderte mit ungemünztem Silber und auch anderen Materialien gezahlt

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