Zeit des Aufbruchs und der Rebellion – die 68er-Bewegung und ihre Folgen
Ein Beitrag von Dr. Anja Joest, Bergisch Gladbach
Dauer 8 bis 9 Stunden
Inhalt Sich mit der Gesellschaft der Sechzigerjahre in der Bundesrepublik auseinandersetzen;
erarbeiten, welche Themen die junge Generation politisiert haben und wie sie versucht haben, ihre Vorstellungen umzusetzen; sich mit der Verschiedenheit damaliger Protest- bewegungen auseinandersetzen; erkennen, welche Auswirkungen der Bewegung bis heute nachwirken; den gesellschaftlichen Beitrag der „68er“ beurteilen
Ihr Plus Praxisnaher Unterricht mit Rechercheaufgaben, Lernerfolgskontrolle mit Karikatur und Zusatzmaterialien
© imago/WEREK
Die Diskussion um die Notstandsgesetze war ein Auslöser für die Verbreitung der 68er-Bewegung in der Bundesrepublik.
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Fachliche Hinweise
Gerade im Jubiläumsjahr 2018 wird häufig von dem bis heute reichenden Einfluss der 68er-Bewe- gung auf die Gesellschaft der Bundesrepublik gesprochen. Positiv gesehen hat die damalige Pro- testbewegung Freiheiten erkämpft, die wir heute alle genießen. Gleichzeitig stellt noch immer der Begriff „68er“ ebenso ein Reizwort dar. Kaum ein Phänomen der jüngeren deutschen Geschichte ist so umstritten wie die Rolle der 68er-Rebellion. Die Beurteilung reicht von einer manchmal verklä- rend positiven Sicht als Aufbruch in eine modernere, freiere Gesellschaft bis zum Bild einer teils spätpubertären, teils offen gewalttätigen Revolte gegen jegliche gesellschaftliche Normen mit ver- hängnisvoller Sympathie für Diktatoren wie Pol Pot.
Dabei wird häufig vergessen, dass es sich keineswegs um eine homogene Protestbewegung gehan- delt hat, sondern um viele unterschiedliche Strömungen, die sich untereinander keineswegs einig waren. Manche Themen wie die Wiederbewaffnung nach dem Zweiten Weltkrieg wurden durchaus bereits in den 50er-Jahren kontrovers diskutiert. Einig waren sich die verschiedenen Strömungen darin, dass man einen Weg suchte, der zu einer Gesellschaft mit mehr Selbstbestimmungs- und Selbstverwirklichungsmöglichkeiten führen sollte. Während dieser Weg für die einen über eine Fun- damentalkritik am kapitalistischen System und die oft unkritische Bewunderung für Mao Zedong führte, konzentrierten sich andere auf das Aufbrechen autoritärer gesellschaftlicher Strukturen in Kinderläden und Kommunen.
Genauso unterschiedlich wie die theoretischen Konzepte waren auch die Einstellungen dazu, ob Veränderungen auch mit Gewalt durchgesetzt werden sollten. Für die späteren Mitglieder der RAF und der Bewegung 2. Juni wurde die anfangs noch postulierte Unterscheidung zwischen Gewalt gegen Sachen und Gewalt gegen Personen bald überschritten. Sie nahmen bewusst Todesopfer in Kauf.
Schwerlich beantworten lässt sich die Frage, wie stark die damalige Gesellschaft sich ohne die 68er verändert hätte. Eindeutig ist: Veränderung lag Ende der 1960er-Jahre in der Luft, und das nicht nur in Deutschland – weltweit erhob sich aus ganz unterschiedlichen Motiven zu dieser Zeit Protest gegen das Etablierte. Im Vergleich zeigt sich indessen auch ein spezifisch deutsches Thema der Bewegung, nämlich die aktive Auseinandersetzung mit der jüngsten Vergangenheit, abseits von verordneter Entnazifizierung und Verdrängung durch den euphorischen Konsum der (Wirtschafts-)
„Wunderkinder“. Ein oft schmerzlicher Aspekt war die Beschäftigung mit der Verantwortung der Elterngeneration für die Verbrechen der Nazidiktatur.
Der aktuelle Stand der Forschung
Eine dezidiert politikwissenschaftliche und historische Forschung zur Studentenbewegung gibt es eigentlich erst seit Anfang der 1990er-Jahre. Bis dahin waren vor allem Erinnerungsliteratur und persönliche Deutungen vorherrschend.
Derzeit werden in der Forschung vor allem vier Interpretationsansätze untersucht und kontrovers diskutiert:
– Die Modernisierungs- und Individualisierungsthese geht davon aus, dass die 68er-Bewegung eine fundamentale Liberalisierung und Flexibilisierung bewirkte und so der entfesselten kapitalis- tischen Konsumgesellschaft zum Durchbruch verholfen hat.
– Eine Sicht der Studentenbewegung als Vorbotin der Postmoderne.
– Eine Beurteilung der 68er-Bewegung als eine Art Laboratorium des postmaterialistischen Werte- wandels.
– Die Beurteilung der 68er-Bewegung als rückwärtsgewandte, romantische Rebellion gegen die moderne industrielle Zivilisation.
Die Folgen der 68er-Bewegung
Egal welchem Interpretationsstrang man nun folgt, bleibt festzuhalten, dass im Laufe der 1960er- Jahre ein grundlegender Wandel in der Bundesrepublik stattgefunden hat. Dieser äußert sich nicht nur in der politischen Wende 1969 und in der Reformpolitik der 1970er-Jahre, sondern auch in einem
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veränderte Einstellung zu Tugenden wie Pflicht, Gehorsam, Treue und Ehre (die zentral für die Ideo- logie der Nationalsozialisten waren) und eine Aufwertung von Werten wie Gleichheit, Solidarität und Mitbestimmung.
Doch nicht nur alte Werte wurden im Laufe der 1960er-Jahre infrage gestellt und durch neue ersetzt, auch das Politikverständnis veränderte sich grundlegend. Bedeutete politische Partizipation Ende der 1950er-Jahre im Wesentlichen das Engagement in einer Partei, so ist politisches Engagement und Protest außerhalb von Parteistrukturen Ende der Sechzigerjahre zu einem akzeptierten und viel genutzten Bestandteil der Politik geworden und in den Folgejahren formierten sich zahlreiche politische Bewegungen. Begünstigt wurde diese Herausbildung von Protestformen in der Bundes- republik besonders durch die Unzufriedenheit mit der Bildung einer Großen Koalition unter dem umstrittenen Bundeskanzler Kiesinger (CDU).
Kaum strittig ist, dass nach 1968 autoritäre Strukturen zunehmend abgebaut wurden, in Familienle- ben und Erziehung ebenso wie im Arbeitsleben und im Verhältnis zwischen den Bürgern und dem Staat. Uneinigkeit herrscht hingegen darüber, ob all diese Veränderungen zentral der Studentenbe- wegung zuzuschreiben sind oder ob diese Veränderungsprozesse bereits in den 1950er-Jahren begonnen haben und die Studentenbewegung lediglich eine beschleunigende Wirkung hatte.
Didaktisch-methodische Hinweise
Das Thema 68er-Bewegung ist sehr vielschichtig, da es eine soziale, historische und politische Dimension umfasst. Da eine eingehende Beschäftigung mit allen Aspekten den Rahmen einer Unter- richtsreihe sprengen würde, ist der Beitrag so angelegt, dass die Schüler* wichtige politische und gesellschaftliche Aspekte der damaligen Zeit in Gruppenarbeit erarbeiten. Mithilfe eines Leitfaden- interviews und der Analyse verschiedener Bilder erhalten die Lernenden zusätzlich einen Einblick in die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse zu Beginn und während der 1960er-Jahre.
Längere Textarbeit wechselt mit Gruppenarbeit und der Aufforderung, selbst Stellung zu beziehen, ab. Dabei steht das Ziel im Vordergrund, nicht nur die historischen Begebenheiten zu vermitteln, sondern auch ein Gespür für die mentalen Veränderungen in der Gesellschaft zu wecken und die Schüler zu einer eigenen Bewertung der Geschehnisse zu motivieren und zu befähigen.
Die Materialien arbeiten viel mit Fallbeispielen. Machen Sie den Schülern in jedem Fall bewusst, dass die 68er-Bewegung nicht homogen war und die Beteiligten durchaus sehr unterschiedliche Vorstellungen hatten. Außerdem spitzten sich in dem spätestens seit dem Tod Benno Ohnesorgs 1967 teils gewaltsam ausgetragenen gesellschaftlichen Konflikt Themen zu, die durchaus bereits in vorausgehenden Jahren virulent waren. Diese Umstände erklären auch, warum die gesellschaftli- che Rolle der 68er heute so unterschiedlich bewertet wird.
* Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Folgenden nur die männliche Form verwendet. Selbstverständlich sind da- mit immer auch Schülerinnen, Lehrerinnen etc. gemeint.
Stundenverlauf
Stunde 1/2 Die Bundesrepublik in den Sechzigerjahren Intention
Die Schüler finden einen Einstieg ins Thema mittels zeittypischer Fotos und persönlicher Zugänge anhand eines Fallbeispiels und vertiefen ihre Eindrücke über die Befragung von Zeitzeugen.
Materialien M 1–M 2
Die bebilderte Folie M 1 und auf die Bilder abgestimmte Rechercheaufträge stimmen die Schüler auf das Thema ein.
In M 2 erarbeiten die Schüler anhand eines Fallbeispiels Unterschiede zur Gegenwart und ihrem eigenen Leben.
In M 3 nähern sie sich der damaligen Zeit anhand von zwei kontrastierenden zeittypischen Fotos, bevor sie im Anschluss ihre Fragen in einem lnterviewleit- faden formulieren und einen Zeitzeugen aus der Familie oder dem Bekannten- kreis befragen.
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Stunde 3/4 Die 68er-Bewegung und ihre Hintergründe
Intention
In diesen Stunden erarbeiten sich die Schüler Hintergrundwissen über die poli- tische und gesellschaftliche Situation in den Sechzigerjahren. Sie erfahren so, was die Menschen damals bewegt hat, und setzen sich mit den Ursprüngen der 68er-Bewegung auseinander.
Materialien M 4–M 5
In M 4 recherchieren die Schüler zu den Themen Mauerbau, Vietnamkrieg und den „Summer of Love“. Die Ergebnisse werden in Form eines Referates vorge- stellt.
M 5 verschafft den Schülern ein umfassendes Bild über die Vorläufer der 68er- Bewegung, die Unzufriedenheit mit dem Kabinett Kiesinger und den Begriff der
„außerparlamentarischen Opposition“.
Stunde 5/6 Gesellschaftsbild und Vorbilder Intention
Die Schüler erarbeiten sich beispielhaft Vorstellungen der 68er-Bewegung zu gesellschaftlichen Veränderungen und setzen sich kritisch mit heute umstritte- nen Vorbildern von Teilen der Bewegung auseinander.
Materialien M 6–M 7
Die Schüler lernen in M 6 beispielhaft alternative Lebensformen kennen, mit denen die 68er-Bewegung verkrustete gesellschaftliche Strukturen der Zeit auf- zubrechen versuchte.
In M 7 setzen sie sich mit zwei Vorbildern von Teilen der Bewegung auseinan- der, deren politisches Wirken heute kritisch rezipiert wird.
Stunde 7/8 Nachwirkungen der 68er
Intention
Die Schüler erarbeiten nachhaltige Folgen im gesellschaftlichen und politischen Leben der Bundesrepublik. Sie setzen sich kritisch mit der Radikalisierung poli- tischer Ideen auseinander, die in den Terror der RAF mündete.
Materialien M 8–M 10
In M 8 beschäftigen sich die Schüler mit der RAF, die Ideen der Studentenbewe- gung auf radikale Weise interpretiert hat.
Anhand von M 9 wird gezeigt, welchen Einfluss die 68er-Bewegung und ihre Vorläufer auf die Entstehung der Neuen Sozialen Bewegungen in den folgen- den Jahrzehnten hatten.
In M 10 stehen die gesellschaftlichen Veränderungen, die unser Zusammenle- ben bis heute prägen, im Mittelpunkt. So kann abschließend die Bedeutung der Protestbewegungen der Sechzigerjahre für das heute gesellschaftliche Leben erfasst werden.
Lernerfolgskontrolle
Intention Mit der Lernerfolgskontrolle haben die Schüler die Gelegenheit, ihr Wissen über die 68er-Bewegung zu überprüfen.
Materialien M 11
Ausgehend von der in M 11 abgebildeten Karikatur geben die Schüler ihr Wis- sen zum Thema wieder.
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Materialübersicht
Stunde 1/2 Die Bundesrepublik in den Sechzigerjahren M 1 (Fo) Die Bundesrepublik Ende der 1960er-Jahre M 2 (Ab) Eine Jugend in den Sechzigerjahren M 3 (Ab) Auf der Suche nach dem Zeitgeist
Stunde 3/4 Die 68er-Bewegung und ihre Hintergründe M 4 (Ab) Deutschland und die Welt in den Sechzigerjahren
M 5 (Tx) Studentenbewegung und „außerparlamentarische Opposition“
Stunde 5/6 Gesellschaftsbild und Vorbilder M 6 (Tx) Das Private wird politisch M 7 (Tx) Umstrittene Vorbilder
Stunde 7/8 Nachwirkungen der 68er M 8 (Tx) Die Rote-Armee-Fraktion
M 9 (Tx) Die Neuen Sozialen Bewegungen M 10 (Ab) Privatleben vor und nach 1968
Lernerfolgskontrolle
M 11 (Lk) Testen Sie Ihr Wissen – die 68er und ihr Schatten
Zeichenerklärung:
Ab: Arbeitsblatt – Fo: Folie – Lk: Lernkontrolle – Tx: Text
Minimalplan
Sollten Sie weniger Zeit zur Verfügung haben, können Sie wie folgt planen:
Stunde 1 Die Bundesrepublik in den Sechzigerjahren M 1, M 2 Stunde 2 Die Studentenbewegung und Neue Soziale Bewegungen M 5, M 9
Auf der CD RAAbits Politik Berufliche Schulen (CD 27) finden Sie alle Materialien im ver- änderbaren Word-Format sowie Zusatzmaterialien.
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M 1 Die Bundesrepublik Ende der 1960er-Jahre
In Deutschland spricht man noch heute viel vom Einfluss der „68er“. Was wollte die 68er-Bewegung und wie entstand sie? Diese Bilder aus den Jahren 1967 und 1968 zeigen wichtige Ereignisse, die Ende der Sechzigerjahre die Bundesrepublik bewegten.
© imago/WEREK (oben), picture-alliance / akg-images / Henschel (unten)
Aufgaben
1. Beschreiben Sie, was auf den Bildern zu sehen ist.
2. Informieren Sie sich im Internet über folgende Themen:
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M 3 Auf der Suche nach dem Zeitgeist
Wie sah es eigentlich aus, das Leben in den 1960er-Jahren? Was haben die Menschen gedacht, was war ihnen wichtig und welche Träume hatten sie? Erkunden Sie das Lebensgefühl der damaligen Zeit.
© imago/Gerhard Leber (links), picture alliance/ Everett Collection (rechts)
Aufgaben
1. Beschreiben Sie, was auf den beiden Bildern zu sehen ist.
2. Beurteilen Sie, inwiefern beide Bilder zeittypisch für die Sechzigerjahre sind.
3. Befragen Sie Ihre Großeltern oder Personen im entsprechenden Alter zur damaligen Zeit. Nutzen Sie hierbei die genannten Fragen als Anregung und Leitfaden.
Wie sah das Familienleben aus?
Welche Rolle spielte die damals neue Musik für dich?
Inwieweit hat dich Politik interessiert?
Wurde über den Nationalsozialismus gesprochen?
4. Fassen Sie die gesellschaftliche Situation, wie sie sich auf der Grundlage der Befragung darstellt, in eigenen Worten zusammen.
5. Vergleichen Sie Ihre Antworten in der Klasse und halten Sie sie in einem Schaubild fest.
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Erläuterung (M 4)
In M 4 erarbeiten sich die Schüler in Gruppenarbeit nationale und internationale Ereignisse, welche die Gesellschaft der Bundesrepublik beeinflusst haben. Gegebenenfalls können Sie zu einem Thema auch mehr als eine Gruppe bilden lassen oder die Aufgabe um weitere Themen erweitern. Denkbar wären hier z. B. die Auschwitzprozesse in Frankfurt am Main, die für einige Deutsche ein Auslöser für eine aktivere Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit waren. Auch über die „Race Riots“ der Sechzigerjahre in den USA wurde in Deutschland viel berichtet.
Zu Aufgabe 1 und 2:
Mauerbau
Bereits 1952 begann die DDR-Führung damit, die sowjetische Besatzungszone abzuriegeln. Nach der Gründung beider deutscher Staaten 1949 verschärften sich kontinuierlich die Kontrollmaßnah- men, die die DDR-Führung auf die eigene Bevölkerung anwendete, sowie die wirtschaftliche Ungleichheit zwischen den beiden Staaten. Von 1949 bis 1961 verließen ca. 2,6 Millionen Bürger der DDR das Land. Die DDR-Führung sah sich gezwungen, Fluchtmöglichkeiten zu unterbinden, und so wurde am 13. August 1961 mit dem Bau der Mauer begonnen. Die Bevölkerung erlebte den Kalten Krieg zwischen Ost und West hautnah.
Vietnamkrieg
1954 kam es in Vietnam zu ideologischen Spannungen, die zur Spaltung des Landes führten. Die kommunistische Organisation Vietcong versuchte, den abtrünnigen Süden unter ihre Kontrolle zu bringen. Während man in der Sowjetunion auf den Anschluss weiterer Satellitenstaaten hoffte, befürchtete man in den USA im Falle eines Sieges des Vietcongs eine Kettenreaktion in Form von kommunistischen Revolutionen. Ab 1965 setzten die USA Bodentruppen ein, während der Vietcong von China und der Sowjetunion mit Waffen unterstützt wurde. Obwohl der Vietcong den USA militä- risch unterlegen war, gelang es den USA nicht, einen strategischen Vorteil zu erlangen. Die USA setzten unter anderem die Brandwaffe Napalm sowie das Entlaubungsmittel „Agent Orange“ ein, das den Regenwald entlaubte und Reisfelder und Flüsse vergiftete. Der Vietnamkrieg stieß auf wach- senden Protest in der ganzen Welt und war für viele Menschen ein Symbol imperialistischer Neigun- gen der USA.
„Summer of Love“
Oft fälschlich mit dem Woodstock-Festival im Jahr 1969 assoziiert, ist mit dem Begriff der Sommer des Jahres 1967 vor allem in den USA gemeint, als das kalifornische San Francisco zu einem Zent- rum für Aussteiger, die sogenannten „Hippies“ wurde. Zentral für die Bewegung war die Identifika- tion mit Musikern und Musikgruppen wie Jimi Hendrix, Janis Joplin oder The Grateful Dead. Es ging den Aussteigern um ein freieres Leben, zu dem Experimente mit Drogen und Sex gehörten. Der massive Zuzug von jungen Menschen und die Begleiterscheinungen exzessiven Drogenkonsums wurden für das „Hippieviertel“ Haight-Ashbury bald zu einem Problem.
Zu Aufgabe 3:
Mauerbau
Durch den Bau der Mauer wurden Familien und Freunde getrennt. Besonders extrem war die Situa- tion in der Stadt Berlin, durch deren Zentrum nun eine Mauer mit hoch bewachtem Grenzstreifen führte. Von westlichen Mächten wurde die Mauer im Kalten Krieg als Rechtfertigung für eine rigide Bekämpfung kommunistischer Ideen benutzt.
Vietnamkrieg
Der ungleiche Kampf im Vietnamkrieg nährten die Wut auf ungerechte Machtverhältnisse und das Begehren nach revolutionären Veränderungen auch in Europa.
„Summer of Love“
Der Reiz eines von Konventionen freien Lebens zeigte seine Wirkung gerade auch in der Bundesre- publik, wo viele junge Menschen sich von der Selbstzufriedenheit der Wirtschaftswunderzeit erdrückt fühlten. Das Gefühl der persönlichen Befreiung vermischte sich häufig mit politischem Akti- vismus.
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M 8 Die Rote-Armee-Fraktion
Noch Jahrzehnte nach der Studentenbewegung hielt eine Gruppe, die durch die 68er-Bewegung politisiert und radikalisiert wurde, die Republik in Atem.
Die RAF (Rote-Armee-Fraktion) war eine terroristische Vereinigung, die aus einer Radikalisierung innerhalb der 68er-Bewegung erwuchs. Der zugrunde liegende Gedanke war, dass im Kampf gegen die empfundenen Missstände auch Gewaltanwendung legitim sei, wobei bald die Grenze von Sach- zu Personenbeschädigung überschritten wurde. Eine erste gewaltsame Aktion in diesem Sinn waren die von Andreas Baader und Gudrun Ensslin verübten Brandanschläge auf zwei Kaufhäuser in Frankfurt am Main im Jahr 1968, die erheblichen Sachschaden anrichteten. Nur zwei Tage nach die- ser Aktion wurden die Brandstifter verhaftet. Vor Gericht gaben Baader und Ensslin zu, die Brand- sätze gelegt zu haben, und begründeten ihre Tat damit, dass sie auf die Gleichgültigkeit gegenüber dem Völkermord in Vietnam aufmerksam machen wollten. Als das Urteil im November 1969 vom Landgericht bestätigt wird, tauchen Ensslin und Baader unter und setzen sich ins Ausland ab. Nach einer Rückkehr nach Deutschland wurde Baader am 4. April 1970 erneut verhaftet. Gudrun Ensslin begann mithilfe des Rechtsanwalts Horst Mahler und der Journalistin Ulrike Meinhof die Befreiung von Baader zu planen.
Bei der Befreiung von Andreas Baader wurde ein Unbeteiligter lebensgefährlich verletzt. Diese Befreiungsaktion gilt als Gründungsmoment der gewaltsam agierenden, terroristischen Organisa- tion RAF. Andreas Baader und seine Befreier flüchteten in den Untergrund. Nach der Befreiung von Andreas Baader ließ sich die Gruppe zunächst im Ausland militärisch ausbilden und überfiel nach der Rückkehr mehrere Banken. In der Folgezeit gab es erste Toten auf beiden Seiten, da sich die Ter- roristen mit Waffengewalt einer Verhaftung zu entziehen versuchten. Im März 1972 startete die RAF die sogenannte „Mai-Offensive“ mit sechs Bombenanschlägen in der Bundesrepublik. Mit ihren Aktionen wollte die RAF den von ihr als faschistisch bezeichneten Staat verunsichern und schwä- chen.
Unter Hochdruck ließ die deutsche Regierung nach den Tätern fahnden. Schon nach wenigen Monaten saßen die meisten RAF-Aktivisten im Gefängnis. Es gelang der RAF jedoch, eine zweite Generation auf- zubauen. Mit den nun folgenden terroristischen Akti- onen – darunter gezielte Mordanschläge – ging es der RAF in den nächsten Jahren vor allem darum, inhaftierte Gefangene freizupressen. Todesopfer wurden auch in den eigenen Reihen einkalkuliert.
Einen Höhepunkt erreichte der Terror im September und Oktober 1977, dem sogenannten „Deutschen Herbst“, mit der Entführung des Lufthansa-Passa- gierflugzeugs „Landshut“. Nach der Befreiung der Geiseln begingen Ensslin und Baader in einem Stutt- garter Gefängnis Suizid („Todesnacht von Stamm-
heim“). Die RAF bestand aber noch bis in die 1990er-Jahre. 1993 wurde der letzte Anschlag verübt, im Jahr 1998 verkündete die RAF ihre Selbstauflösung.
Text: Anja Joest
Aufgaben
1. Lesen Sie sich den Text aufmerksam durch.
2. Beschreiben Sie die Radikalisierung von der 68er-Bewegung bis in den RAF-Terror der 1970er-Jahre.
3. Sehen Sie sich das Video an. Beschreiben Sie die unterschiedlichen Erfahrungen der Zeitzeugen zur Frage der Gewaltanwendung.
http://www.bpb.de/mediathek/190171/die-68er-und-die-frage-nach-der-gewalt
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© imago/Sven Simon
Das Attentat auf den Chef der Deutschen Bank Alfred Herrhausen war 1989 einer der letzten Anschläge der