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Theorie für Anarchie. Ein Update.(Neue) AnarchistInnenbraucht das Land!?

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Academic year: 2022

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Th eori e fü r An a rch i e.

E i n U pda te.

( N eu e) An a rch i stI n n en b ra u ch t da s La n d! ?

D am it sind die kritisch en (Ein - )B licke in das Leb en u nd W irken vo n AnarchistInn en in D eutschland no tiert. Sie dü rften viele Lü cken au f - w eisen , denn neb en den Anarch o - SyndikalistInnen m it ihrer du rch - o rganisierten FAU u n d den üb er hierarch isch w irken de Z entralen ge - steu erten Aktio nen u nd P roj ekten der sich als anarchistisch u nd b asis - dem o kratisch versteh en den G ewaltfreien gibt e s nu r Einzelgrup p en u n d - p erso nen , die w eitgeh end vo nein ander iso liert sin d . Freie Verein - b aru ng, Th e o rie deb atte u nd O rganisieru ngsfragen sp ielen b ei ihn en sch o n vo n dah er kau m eine Ro lle , w eil e s kau m etwas zw isch en den versp renkelten Akteu rInn en gibt. Ihre M itstreiterInnen rekrutieren sich zu gro ß en Teilen au s dem b ildu ngsbü rgerlich em N achwu ch s m it star - ker N eigu ng zu identitären C o de s u nd C liqu en . Au ch das re du ziert den H ang, An arch ie strategisch zu denken .

D er B lick au f die an arch istisch en Zu sam m enh änge u n d die verteilten Einzelp erso nen b zw. kleinen Grüp p ch en , die sich Anarch istInnen nen - nen im deutsch sp rach igen Rau m , lässt w enig H o ffnu ng au fko m m en , dass au s die sen Q u ellen Im pu lse em anzip ato risch er Veränderu ng ent - sp ringen kö nn en . Anarch istisch e Z eitu ngen , C am p s u sw. sin d Tu m - m elp lätze fü r Anh ängerInnen vo n Re cht u n d Ju stiz, fan atisch e Plenu m sb e su ch erInn en (am b e sten zw eim al p ro Tag) , Ko nsens - u nd B asisdem okratInnen o der entschie den e Verfe chterInnen vo n Fau st - re cht, H au sre cht u n d Ko m m ando struktu ren in Re chtshilfe , D em o - u nd Aktio n so rganisatio n . D a ist in Th e o rie u n d P raxis w enig zu erkennen , was als D rang nach H errsch aftsfreih eit o der em anzip ato risch er Politik b egriffen w erden kö nnte . Vielm ehr rep ro du ziert sich die H errsch afts - fö rm igkeit der G e sellsch aft h ier m it anderer Attitü de − b is hin zu r Teil - nah m e am ständigen Wettb ew erb u m Sp en den u n d M itglie der, der p o - litisch en P ro te st im m er m eh r in ein e Art W irtsch aftszw eig wan delt u nd alle Fragen u m Inh alt o der O rganisieru ngsfo rm dem P rim at der Finan - zieru ng vo n H au p tam tlich en , S elb stdarstellu ng u nd Rekrutieru ng vo n M itläu ferInnen u ntero rdn et.

D ie Kritik so ll h ier nicht no ch einm al w ie derh o lt w erden , so n dern als Ko nse qu enz deu tlich ge sagt w erden : N eu e Anarch @ s b rau cht das Land ! E s w ird nicht reich en m it dem blo ß en Au stau sch vo n Kö p fen , zu m al in den o rganisierten Teilen der Anarch ie die vo rh anden en H ierarchien , die O rientieru ng au f Au ß endarstellu ng o der Sp enden sam m eln j a kein e O rganisieru ngsm ängel, so ndern b ewu sste Entsch eidu ngen sind . Eh er u ngewo llt entsteht das N eb enein ander der u no rganisierten Teile anar - ch istisch er Kreise .

Anarchie , w enn sie als B egriff fü r die fantastisch e Ide e der S elb sto rga - nisieru ng freier u nd gleich er M en sch en steht (u nd das so llte sie !) , ist eine viel zu sch ö ne Sach e , u m sie in den N ie deru ngen bü rgerlich er H et -

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ze , identitär - p aro lenh after System ableh nu ngs - Leb ensp h ase , b asis - dem okratisch en Ru m gewü rge s o der gar h o chkap italistisch er Sp en - denakqu ise zu b elassen . G e su cht sind nicht nu r neu e Aktio nsfo rm en u nd Inh alte , so ndern − im Vergleich m it dem , was zu r Z eit läu ft − schlicht eine ganz an dere Ide e . . .

H errsch aftsan al yse m odern i si eren

Eine gru ndlegende S chwäch e anarch istisch er B ew egu ngen u nd D eb at - ten ist das fast vö llige Fehlen m o derner H errsch aftskritiken . D er B egriff

„ m o dern “ b ezieht sich hier darau f, dass neu e D eb atten , E rkenntnisse u nd w issen sch aftlich e Fo rschu ng au fgegriffen , au sgew ertet u nd j e nach dem integriert, verw en det, kritisiert o der w eiterentw ickelt w er - den .

Zu r Z eit p rägen w eitgeh end th e o rielo se Zu sam m enh änge u nd u ralte , eh er no stalgisch zu nennen de M o delle vo n Staatsgewalt u n d Klassen - ge sellsch aft die an arch istisch e D eb atte im deu tsch sp rach igen Rau m . Was fehlt, sind u nter anderem :

• die kritisch e Analyse info rm eller, vo r allem disku rsiver Steu eru ng vo n Wah rnehm u ng, Werten u nd b egrifflich em D enken in der B reite der B evö lkeru ng sow ie entsp re ch en de Strategien der D e - m askieru ng o der B ekäm p fu ng do m inanter N o rm en u nd Wertu n - gen . Eb enso fehlen Ide en zu r Ü b erw indu ng o der, w eil D isku rse ko nstitu ierender B e standteil m enschlich er G e sellsch aft sind , d .h . nicht einfach ko m p lett verschw inden kö nn en , gleichb ere chtigten G e staltu ng vo n Wah rn ehm u ng u nd Wertu ng.

• ein e analytisch e , au ch selb stkritisch e Au seinan dersetzu ng m it ko l - lektiven Identitäten , Vereinnah m u ng u nd Stellvertretu ng als M ittel der H errsch aftsau sübu ng.

• vo rwärtsdrängende Im pulse fü r die Verän deru ng u nd Weiter - entw icklu ng vo n Te chniken zu r Stärku ng der S elb stentfaltu ng, verb e sserter Ko m m u nikatio n u nd Anb ahnu ng vo n Ko o p eratio n . H ier sind die B e dingu ngen gegenüb er anarchistisch en Exp erim en - ten vo r 1 0 0 o der m ehr Jah ren deu tlich verändert. Sie kö nnten zu Verb e sseru ngen füh ren o der z .B . üb erh aup t erst egalitäre , üb er - regio nale Ab sp rach en , D isku ssio n en u n d Ko nfliktau stragu ng er - m ö glich en .

An arch ie m u ss die radikalste , w eil ko nse qu ent die Stärku ng m en sch - lich er In dividu alität u nd egalitärer Ko o p eratio n fö rdern de Fo rm em an - zip ato risch er U m ge staltu ng sein . M it der Textsam m lu ng „ Freie M en - sch en in freien Vereinb aru ngen “ wu rde der Versu ch u ntern o m m en , h ierfü r B egrü n du ngen u nd Entwü rfe zu fo rm ulieren .0

M it so lch en Po sitio nen ließ e sich die An arch ie als kre ative u n d im pulsi - ve Kraft in allen ge sellsch aftlich en D eb atten vo rstellen − im m er m it dem „M arkenzeich en “, die M achtfrage zu stellen , d .h . die D inge au s dem B lickw inkel der einzelnen M en sch en u nd ih rer freien Zu sam m en -

0 I m gl eich nam igen Buch und unter www. h errsch aftsfrei.de.vu.

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schlü sse zu b etrachten u nd zu o rganisieren . D ie ser B lickw inkel gilt in - nerh alb der eigenen O rganisieru ngen , z .B . vo n p o litisch em P ro te st, vo n P ro j ekten u nd Exp erim enten , ab er au ch fü r alle D eb atten u nd Vo rgänge in der ge sam ten G e sellsch aft. D as P rickeln de wäre , sich nicht w eiter h erau szuh alten o der nu r langw eilige Lab els zu zeigen , so ndern m it N ach dru ck im m er w ie der das Em anzip ato risch e in die Abläu fe h inein - zutragen u nd in die Ko nzep te h ineinzu denken − direkt h inein b is in den Alltag der Vielen .

Wi ssen sbasi erte Radi kal i tät:

Wi ssen sch aftl i ch er An arch i sm u s?

Materi al i sm u s fü r An arch i stI n n en ?

D er em anzip ato risch e , in seiner radikalsten Fo rm dann anarchistisch e B lick ist einer, der au ch das D isku rsive in eigenen B egriffen u n d D enk - sch ablo nen selb st h interfragt. Er ist dah er gru ndlegend skep tisch allem u n d sich selb st gegenüb er. Er erkennt keine fe ststeh enden Wah rh eiten , glaubt nicht an das Verm ö gen , obj ektiv sein zu kö nnen , so ndern ist hinterfragend u n d vo rwärtsdrängend . Anarchism u s ist neu gierig, w ill au fde cken , entlarven u n d N eu e s erm ö glich en . W issen sch aft ist kein G egensatz zu anarchistisch em D enken , ab er sie w ird − w ie alle s an dere au ch − skep tisch au f ih ren G eh alt an M acht, N o rm en , D isku rsen u nd Ko ntro llgewalt hin b etrachtet. Em anzip atio n seziert alle s Vo rh anden e u n d Ü b erlegu ngen fü r die Zu ku nft au f sein en H errsch aftsgeh alt h in . D ie h eute b etrieb en e W issen sch aft u nd das an S chu len , in M e dien u nd schlau en Bü ch ern verm ittelte W issen ist üb erw iegend au fgeladen m it p o litisch en Wertu ngen , Au slassu ngen u nd Falsch darstellu ngen , die D isku rsen fo lgen . D as ließ e sich an b elieb igen w issen sch aftlich en Po si - tio n en zeigen . E s ist den W issensch aftlerInn en u nd Verkü nderInn en vo n W issen au ch gar nicht vo rzuw erfen , dass sie gerichteter Wah rn eh - m u ng u nterliegen u nd ihre no tw endigerw eise p ersö nlich au sfallenden B ew ertu ngen w eitergeb en . Fatal ist ab er, dass sie O bj ektivität vo rtäu - sch en u n d in ein em grau sigen Wettstreit m it ko nku rrierenden W is - sensm einu ngen steh en , denen sie dann − w ie so llte e s anders sein − die sich selb st verlieh ene Wahrh eit ab sp re ch en .

Ein B lick au f die M o tive fü r die se s Vo rgeh en füh rt üb erw iegend zu n o ch erschre cken deren B e ob achtu ngen : Fast alle W issensch aft ist h eu te ge - kau fte W issensch aft. Fo rsch erInnen re den ihren G eldgeb erInn en nach dem M u n d u nd p räsentieren E rgeb nisse sch o n in vo rau seilender An - b ie deru ng an p o tentielle Finanzieru ngsqu ellen , die sie anzap fen m ü s - sen , u m eigene s w irtsch aftlich e s Ü b erleb en o der − h äu figer − das ihrer In stitu te o der Firm en zu sich ern .

Au s all dem fo lgt zwar eine o rdentlich e Po rtio n Vo rsicht gegenüb er der re al existierenden W issen sch aft, ab er keine Ableh nu ng vo n W issen - sch aftlichkeit. G anz im G egenteil: E s ist an der Z eit, dass sich An arch is - tInnen m it m o dernen H errsch aftsanalysen , m it h isto risch er Fo rschu ng üb er H errsch aftsfragen , P sych o lo gie b is B io lo gie (z .B . de s m ensch - lich en Kö rp ers) au seinan dersetzen u nd die Fülle der Erkenntnisse nut -

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zen , u m eigene Vo rschläge zu entw ickeln u nd vo ranzu treib en . H err - sch aftskritik u nd Intere sse an w issensch aftlich er Erkenntnis sind kein G egensatz, so ndern b e dingen einander − au ch w enn die gekau fte W is - sen sch aft der h eutigen Z eit ein e s b e so nders skep tisch en B licke s au f die gefilterten Info rm atio n en b e darf, die au s ihr nach drau ß en sickern . D as gleich e gilt fü r te chnisch en Fo rtsch ritt, also Erfin du ngen u nd n eu e Entw icklu ngen . S ich u m sch au en , einm isch en , an D eb atten teilneh m en , N eu e s in die eigen en Ü b erlegu ngen au fnehm en u nd sch au en , ob e s ei - nen em anzip ato risch en G eh alt h at o der h ab en kann − das wü rde der anarchistisch en D eb atte eb enso gut tu n w ie die E inb eziehu ng m o der - ner H errsch aftsanalysen . Anarchie ist entw e der innovativ, vo rwärts - drängen d , dab ei ab er entschlo ssen abwägend u nd fo rdern d h insicht - lich der H errsch aftsfö rm igkeit aller Innovatio n en − o der sie bleibt eine Feierab end - o der Lagerfeu eride o lo gie fü r fru strierte System kritikerIn - nen m it H ang zu r N o stalgie .

F ü r ein ration a l es Wel t- u n d Men sch en bil d

M en sch u nd U mw elt sind w e der u nergrü ndlich e Tiefen n o ch S ch ö p - fu ngen externer Weish eiten . E s lässt sich viel üb er Entstehu ng u nd Au f - b au de s Weltalls, die G e sch ichte de s Plan eten „ Erde “ u nd de s Leb ens au f ih m h erau sfinden . E s gibt keine N o tw endigkeit, die w irren B eh aup tu n - gen , M en sch en seien H erdentiere o der rein gen etisch ge steu ert steh en zu lassen . Sie lassen sich nicht nu r p h ilo so p hisch , so ndern au ch m it H intergru ndw issen au s der B io lo gie u nd der S elb sto rganisieru ng vo n Leb en abw ehren .

Eine freie G e sellsch aft w idersp richt nicht B io lo gie , C h em ie u n d Physik de s M ensch en , so n dern ist au s vielerlei Persp ektive genau die p assende Leb en squ alität, u m Fäh igkeiten u nd M ö glichkeiten zu r Entfaltu ng u nd w eiteren Evo lutio n zu b ringen . E s ist nicht nö tig, sto tternd den B io lo - gistInnen die ser Welt, die erklären wo llen , der M ensch sei b io lo gisch vo rh erb e stim m t, entgegenzu h alten , dass der M en sch do ch ein so ziale s We sen ist u nd die B io lo gie de sh alb nicht so w ichtig. S o ndern der M en sch ist ein so ziale s We sen . G enau das ist ab er au ch sein e B io lo gie . Er ist so au sge stattet, dass er zu m so zialen We sen wu rde . Platt fo rm u - liert: An arch ie p asst zu r N atu r de s M ensch en − Re chtsstaat, K ap italis - m u s u nd viele s andere h ingegen sin d seine U nterj o chu ng. S ie w ider - sp re ch en N atu r u nd Evo lutio n .

In „Freie M ensch en in Freien Vereinb aru ngen “ w ird au s dem Stand de s W issen s üb er M aterie , Entstehu ng der Erde u nd de s Leb en s sow ie der sp eziellen B io lo gie de s M ensch en ab geleitet, waru m u nd w ie die S elb st - entfaltu ng der Individu en , die freie Ko o p eratio n u nd S elb sto rganisie - ru ng dem entsp richt, was der M ensch als Po tential in sich trägt. Du rch Regeln , Ko ntro lle u nd identitäre Subj ekte üb er die Kö p fe der M ensch en h inw eg w erden die se M ö glichkeiten b e schnitten , zu m inde st in der Ent - faltu ng geb rem st, o ft ab er au ch m itsam t dem W illen , die Po tentiale zu r W irku ng zu b ringen , gänzlich vernichtet.

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Au s B aku n in , Mich ail : Gott u n d der Staa t (N a ch dru ck 1 995 im Trotzdem Verl a g)1

E s gibt kein „Off“

„Ich h ab ' m ein ' Sach ' au f nichts ge stellt“, fo rm u lierte M ax Stirner als G ru ndann ah m e seiner Ü b erlegu ngen fü r eine m enschlich e G e sellsch aft freier In dividu en . Leider wu rden sein e Texte als Plädoyer fü r ein e Iso - lieru ng der Einzelnen vo neinan der u nd fü r den Verzicht au f ein en ge - sellsch aftlich en Ü b erb au gew ertet. Vielleicht h at Stirner die sen S chw erpu nkt au ch tatsächlich im Ko p f geh abt, do ch seine G ru nd -

1 www.anarch ism us.at/txt2/bakunin6. htm

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annahm e blieb e richtig: E s ist da nichts au ß er den M ensch en selb st, die ih re B elange regeln − fü r sich u nd m iteinander. E s gibt kein e B egrü n - du ng fü r irgendein e h öh ere Eb ene , fü r eine externe Q u elle vo n Regeln , M o ral o der Wertu ngen . E s sind im m er die M ensch en . Tau cht do ch eine sch einb are h ö h ere G ewalt au f, so ist au ch die se im m er eine m en sch - lich e S ch ö p fu ng:

• Je de s G o tte sb ild , die üb er Jah rtau sen de p rägende Q u elle h ö h erer M acht, geht au f m enschlich e Ph antasie zu rü ck . Bü ch er w ie die B ib el sin d vo n M ensch en ge sch rieb en , nach H errsch aftsintere ssen zu sam m enge stellt u nd b enutzt: S ie dien en als Q u elle der Legitim i - tät h ö h erer G ewalt. D ie P rivatm einu ng Einzelner w ird zu G o tte s Wo rt au fgeb au scht u nd so ll de sh alb m eh r w ert sein . Abw eichu n - gen wu rden j ah rhu ndertelang als Ketzerei b ekäm p ft m it M eth o - den , deren H errsch aftsfö rm igkeit u nd W illen zu r b e dingu ngslo sen U nterw erfu ng kau m steigerb ar war − seien e s Kreu zzü ge o der S ch eiterh au fen .

• D em Re cht wu rde lange eine h ö h ere m o ralisch e Q u alität zu ge - sp ro ch en . Wahlw eise stam m te e s au s gö ttlich en Q u ellen o der war Au sdru ck natü rlich er M o ral. H eute w ird e s in der Regel als vo m Vo lk b e schlo ssen verklärt. D ie se M ärch en so llten üb er die H erku nft den G e setzen u n d N o rm en h ö h ere Weih en verleih en , u m sie dis - ku rsiv du rch setzu ngsfähiger zu m ach en u nd die tatsächlich en Intere ssen h inter ih nen zu verschleiern .

• M ensch enre chte sind kein N atu rre cht, so ndern Au sfo rm u ngen so - zialer Au sein andersetzu ngen . Sie m ü ssen , so llen sie w eiter w irken o der erh alten bleib en (als klein ere s Ü b el gegenüb er vö lligen W ill - kü r - Re chtsstaaten) , ständig erstritten w erden . Gleich e s gilt im Ü b rigen au ch fü r die in M o de geko m m enen Tierre chte . D ie An - nah m e , sie kö nnten au s irgendein er externen Q u elle stam m en , ko nstru iert eine üb er dem M en sch en steh ende Sp h äre − u nd ist dah er anti - anarch istisch . N ein : S ie sind eb enso Au sdru ck so zialen Ringens zw isch en M en sch en u nd kö nnen als solch e gut b egrü n det sein .

• D as „Vo lk “ als aktu ell vo n allen m ö glich en p o litisch en Richtu ngen u nd Bü rgerInnenp ro te sten b em ühter S ouverän ist eb enso nichts als ein ge danklich e s Ko nstru kt − u n d zwar ein seh r gefährlich e s.

D enn die Ide e de s Vo lke s b einh altet die Ann ah m e , dass die M en - sch en in ihm wären . D as ist ab er falsch . Tatsächlich ist das Vo lk als G em einw ille aller vo n den Einzeln en vö llig ab strahiert, d .h . e s existiert selb ständig, m it Leb en gefü llt du rch die Perso nen , die e s sch affen , sich als Sp rach roh re de s Ko n stru kte s zu inszenieren u nd dam it das Vo lk zu m Subj ekt erw e cken . D afü r ist nicht no tw endig, dass au ch nu r irgendein M ensch au s dem „Volk “ die M einu ng tat - sächlich h at, die „ im N am e s de s Vo lke s“ als G e sam tw ille verkü ndet w ird . E s ist nicht einm al nö tig, dass e s die M ensch en im Vo lk üb er - h aup t no ch gibt.

• In e so terisch en Kreisen , seit gerau m er Z eit j a kräftig in M o de , w erden ko sm isch e Energien , Astralleib e , K arm a u n d andere Kate - go rien ge sch affen , die M ensch en schicksalh aft b e stim m en , ab er

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selb st au ß erh alb der G e staltu ngsko m p etenz der M en sch en liegen . Au ch dadu rch w ird ge sellsch aftlich e G e staltu ngsm acht entzo gen . Je de Verlageru ng vo n H andlu ngsm acht in eine au ß erh alb der M en -

sch en liegen de Sp h äre re du ziert die S elb stb e stim m u ng der M en sch en u n d ihrer freien Zu sam m enschlü sse . D as b ereits ist anti - em anzip ato - risch , w eil e s nicht m eh r den M en sch en u nd sein e so ziale Interaktio n im M ittelpu nkt ge sellsch aftlich er G e staltu ng sieht, so ndern vo n ih m u n abh ängige , üb erlagernde b is b e stim m ende Eb enen legt. E s entsteht eine Art „ O ff“, ein B ereich au ß erh alb vo n G e sellsch aft, der üb er die M ensch en u nd ihr Leb en b e stim m t. E s w ird zu m S ch icksal, frem d - b e stim m t.

H inzu ko m m t, dass die se s „ O ff“, die se Sp h äre au ß erh alb der m ensch - lich en B e einflu ssb arkeit, nu r üb er Perso nen , die Vo rgab en au s der ver - m eintlich externen Q u elle in das ge sellsch aftlich e Leb en versch ieb en , w irksam w ird . D er P farrer au f der K anzel, die Richterin „ im N am en de s Vo lke s“ o der die H eilerInnen m it Info rm atio n en au s dem K arm a b e - h andelter Perso nen sin d im m er einzelne M ensch en , deren M einu ng m eh r zählt, w eil sie sich au f die externen Sp h ären b ezieh en . S o sch afft j e de s „ O ff“ P rivilegien u n d dam it H ierarch ien .

Anarchie ist die radikalste Fo rm em anzip ato risch en D enkens. E s geht nicht u m den Ersatz de s ew igge strigen G o tte sglaub en s du rch m o derne - re Wertegeb äu de , w ie e s b eisp ielsw eise der H u m anism u s w ill, so ndern u m die ko nse qu ente Ab sage an alle extern en Q u ellen h ö h erer Werte u n d Vo rgab en . Anarch ie ist im m er u nd vo llstän dig im H ier u nd Jetzt. E s gibt kein „ O ff“ − sow ie so u nd w eil e s, m angels tatsächlich er Existenz, nu r üb er seine Sp rachro hre in die G e sellsch aft tritt.

Al l es ist Materie − aber dyn am isch

D ie Ab sage an m etap hysisch e Sp h ären ab er reicht nicht. Ü b rig bleib en darf j a kein au f p lu m p e u nd starre m aterielle B e dingu ngen re du zierte s B ild vo n M ensch u nd N atu r − etwa so lch e , in denen alle s w ie eine M a - schin e b etrachtet u nd die G e sellsch aft zu nichts an derem m ehr w ird als einer gro ß en Verknü p fu ng reibu ngslo s fu nktio nierender System e . D as ist ab er au ch nicht nö tig, denn so lch en Ann ah m en liegt ein ziem lich veraltete s Verstän dnis vo n M aterie zu gru nde . D ie ist n äm lich viel w eni - ger starr als m anch alte S ch rift o der neu e s S chulbu ch u ns glaub en las - sen wo llen . G anz im G egenteil: Au f der m o leku laren Eb ene , in der D NA - co dierten Leb ew elt u nd im kultu rellen G e staltu ngsb ereich m enschli - ch er G e sellsch aft findet ständig Entw icklu ng statt, die sich au ch m ate - riell nie derschlägt. M it j e der Weiterentw icklu ng verändern sich zu dem die M ö glichkeiten , denn alle s Fo lgende b aut au f dem au f, was sich sch o n getan h at. S o ist alle s G e sch eh en in der b elebten u nd u nb elebten N atu r, eb enso in der Kultu r eine Evolutio n .

Fo lglich gilt zw eierlei: Kre ative Ide en , Ü b erzeu gu ngen , p ersö nlich e Wertu ngen u n d alle s, was M en sch en em p finden u nd denken , entsteh en im m ateriellen Rau m de s eigenen Kö rp ers u n d der eb en so m ateriellen U mw elt. E s gibt keine P arallelw elten . Alle s ist Sach e der M en sch en selb st. S ie kö nn en die m ateriellen Vo rgab en , z .B . als N atu rge setze

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b e schrieb ene Abläu fe , nicht au s den Angeln h eb en − ab er im m er selb st b e stim m en , w ie sie dam it u m geh en o der die se verändern , u m lenken , in der W irku ng h em m en u sw.

An dererseits fo lgt au s die ser Gru n dannahm e kein D eterm inism u s. G e - sch ichte fo lgt, au ch w enn e s z .B . B io lo gistInn en , Kre atio nistInnen o der etlich e M arxistInn en anders anneh m en , keiner fe ststeh enden Ab folge (Tele o lo gie) .2 M aterie ist stattde ssen u ngeh eu er dynam isch u nd verän - dert sich zu neu en Stu fen , au s denen neu e , vo rh er u nb ekannte M ö g - lichkeiten entsteh en . E s p asst dah er zu r N atu r de s M ensch en , die G e - sellsch aft als h o chko m p lexe s, dynam isch e s u nd vo rwärtsdringen de s M iteinander vieler Individu en zu seh en . D as folgt au s der Au sstattu ng de s M ensch en , der die sto fflich e Entw icklu ng u nd die Evo lutio n de s Le - b ens in sich trägt, die se ab er kraft der u ngeh eu ren Dynam ik u nzähliger klein ster B e standteile vo r allem in G ehirn u nd N ervensystem u m die neu e Q u alität ku ltu reller E ntw icklu ng erw eitert.

Eine sp annende Frage an arch istisch er Th e o rie entw icklu ng dü rfte e s sein , die radikale Au ffassu ng vo n Em anzip atio n , die B e ob achtu ngen au s der P raxis u nd das sich ständig erw eiternde W issen au s N atu r - u nd G e sellsch aftsw issensch aften zu sam m enzub ringen . An arch istisch e Th e o rie m u ss m inde stens so dyn am isch sein w ie die Welt, das Leb en u nd die G e sellsch aft. D as kö nnte intere ssante D eb atten m it hu m anisti - sch en Kreisen , ge sellsch aftlich denken der W issen sch aft u n d der kre ati - ven , nicht - do gm atisch en E cke de s M arxism u s erm ö glich en . D enn in Anleh nu ng an viele Ide en vo n denen ließ en sich Teile der hier u nd vo r allem in der Textsam m lu ng „ Freie M ensch en in freien Vereinb aru ngen “ entw ickelten Th e o rien als eine Art M aterialism u s fü r An arch istInnen b ezeichn en .

Au ch die Ide e der Em anzip atio n lässt sich in die se s G e dankengeb äu de einp assen . S ie b e deu tet, den Weg frei zu m ach en , die se Dynam ik zu r vo llen Entfaltu ng zu b ringen . E s geht nicht daru m , die m it einer Ten - denz zu E igenartigkeit u n d stän diger Weiterentw icklu ng au sge statteten M en sch en zu zähm en , die Vielfalt u nd Po tentiale in Fo rm u nd B ere - ch enb arkeit zu zw ingen , so n dern ih nen im G egenteil die C h an cen zu r Entfaltu ng zu geb en . Struktu rell ko nservierende M e ch anism en w ie G e - setze , die eine − zu m Teil lange zu rü ckliegende − Vergangenh eit kram p fh aft u nd m ittels ab su rder Ap p arate w ie Po lizei u nd Ju stiz fe st -

zu h alten versu ch en , h ab en m it An arch ie als radikalster Fo rm vo n Em anzip atio n eb enso w enig zu tu n w ie Veto re chte , die Veränderu ngen schw ieriger m ach en als das Fe sth alten am Statu s Q u o .

D er Men sch : völ l ig l osgel öst

D ie n atü rlich e Au sstattu ng de s M ensch en m acht ihn zu ein em We sen , das im Lau fe seine s H eranwach sens eine h o h e Eigen - D ie Seite zu Wel t-

bil d, Materie u n d Leben in der Text- sa m m l u n g „F reie Men sch en in F reien Ver- ein baru n gen“: www. pro- jektwerkstatt.de/

h op petosse/em a n zip at/

l ogik. h tm l

2 http: //de.wikipedia.org/wiki/Tel eol ogie

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ständigkeit erreicht. D ie B auteile de s G eh irns sin d viele Jahre h o chfle - xib el u n d u m den G ebu rtsterm in h eru m n o ch w enig au f irgendein e Fo rm fe stgelegt. H eranwach sen ist dah er ein P ro ze ss de s Au sp rob ieren s u n d eigenen O rganisieren s. N o rm en , Traditio nen u n d G e setze sind kü nstlich e S ch ranken . Sie so llen das typ isch M enschlich e , näm lich sei - ne Fähigkeit zu r E igen artigkeit u nd dynam isch en Veränderu ng (S elb st - entfaltu ng) , b re ch en .

Wenn Anarchie die Abw e senh eit vo n H errsch aft b e deutet, dann h eiß t das: Vo n j e der Fo rm der H errsch aft. E s geht also nicht u m den Wan del vo n p ersö nlich er zu (m eh r o der w eniger) rep räsentativer M acht, w ie ihn die p arlam entarisch e D em o kratie ver -

sp richt. E s geht au ch nicht u m die Frage , w er die Entsch eidu ngen fü r alle trifft, ob das Vo lk die B asis als G anze s o der (w ie au ch im m er) Au s - erwählte in einem ge sellsch aftlich en Ü b erb au . S o ndern e s geht u m den Verzicht j eglich er Fo rm vo n Vo rgab e , G ew iß h eit o der Steu eru ng au ß er - h alb de ssen , was M ensch en m itein ander verein - b aren − direkt o der in ko m p lexen Ko m m u nika - tio n s - u nd Ko o p eratio n sp ro ze ssen .

E m an zi pati on : D er

Men sch i m Mi ttel pu n kt

Em anzip atio n h eißt, die G e sch eh nisse , B eziehu ngen u n d Verh ältnisse au s dem B lickw inkel der einzeln en M ensch en u nd ih rer freien Zu sam - m enschlü sse zu b etrachten − u nd eine Po litik zu b etreib en , die die sen m axim ale Freih eiten u nd H andlu ngsm ö glich -

keiten gibt, o hne P rivilegien u nd B enachteili - gu ngen . Alle M ensch en sollen wählen au s allen M ö glichkeiten , ab er sich frei u n d ihrer Eigenart entsp re ch end entsch eiden , was sie wollen .

An arch ie ist die ra dikal ste Form der E m a n zipa tion

Anarchie w ill E m anzip atio n üb erall. N ichts so ll üb rig bleib en au ß er den M ensch en u n d ih ren freien Zu sam m enschlü ssen . D as setzt in j e dem Fall das Ende aller H errsch aft in allen Fo rm en vo rau s, d .h . au ch die Ü b erw indu ng vo n Zu richtu ngen , Zwängen , Ro llen u n d allen Fo rm en der Frem dsteu eru ng, das Au s aller nicht gleichb ere chtigt b e einflu ssb a - ren N o rm en u n d D isku rse u n d ein Ende j e der Stellvertretu ng u nd Ver - einnahm u ng. H inzu ko m m t die Aneignu ng vo n u nd S ch affu ng gleich er H andlu ngsm ö glichkeiten , denn der Zu griff au f alle s W issen , alle P ro - duktio nsm ittel u nd Re ssou rcen m u ss fü r alle M ensch en gleich m ö glich sein . Wer wann was nu tzt o der − b ei W issen u n d ko p ierb aren Re ssou r - cen − sich an eignet, ist Sach e der Einzelnen u nd ih rer freien Vereinb a - ru ngen . D am it die gleich en H andlu ngsm ö glichkeiten au ch tatsächlich D ie Seite zu „Wa s ist der

Men sch ?“

in „F reie Men - sch en in F reien Verein ba - ru n gen“: www.

p rojektwerksta tt.

de/h opp etosse/

em a n zipa t/

m en sch . h tm l

D efin ition en zu r E m an zipa tion : www.

p rojekt- werksta tt.

de/zita te/

z_em a n z. h tm l

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b e steh en , sind Zu gangserleichteru ngen n ö tig, w enn M ensch en au f - gru n d vo n Sp rach e , H andicap s, Alter o der au s anderen G rü nden so n st geringere C h an cen h ätten . S chließlich wäre Anarchie eine Welt, in der viele Welten Platz h ab en . In sge sam t, in allen gro ß en Sub räu m en der G e sellsch aft u nd in m ö glich st vielen w eiteren so llte gelten , dass sie alle eine intern e Vielfalt erm ö glich en , inn erh alb derer sich die M ensch en w ie deru m u ntersch ie dlich o rganisieren kö nnen . Ein e Anarchie m u ss im m er so b e sch affen sein , dass in ih r fü nf Gleichge sinnte au f freier Vereinb aru ng einen Kö nig wählen u nd fü r sich m o narchisch leb en dü rfen . D aru m m u ss die Anarchie den G e sam trahm en stellen , denn in der Anarchie ist die M o narchie als Sub rau m m ö glich . U m gekeh rt nicht.

An arch ie ist aber n ich t die ein zige Form der E m an zipation

E s wäre nu n ab er sch ädlich , w enn au s dem W illen zu r Radikalität ein Alleinvertretu ngsansp ru ch o der p er se ein ko nku rrieren de s Verh ältnis zu an deren p o litisch en Richtu ngen erwach sen wü rde . D ie stete An alyse u nd D em askieru ng vo n H errsch aftsverh ältnissen ist ein no tw endige s M erkm al der An arch ie , ab er e s gibt andere Richtu ngen , die in Teilb erei - ch en nach em anzip ato risch en Ide en streb en o der Vo rschläge fü r ein - zelne Verb e sseru ngen m ach en . D as w idersp richt der an arch istisch en Ide e nicht, w enn die se au ch im m er darüb er h inau sstrebt u n d sinnvo l - lerw eise das au ch b enennt, u m Akzep tanz fü r die w eitere E ntw icklu ng zu sch affen .

Kollektive Identitäten , Stellvertretu ng u nd Vereinnahm u ng sin d Fo r - m en h ierarch isch er O rganisieru ng u nd m ü ssen dah er au f W idersp ru ch vo n AnarchistInnen treffen . D er Verzicht au f sie kann h o rizo ntale Ko o p eratio n zu dem vereinfach en , da sie einem Ko ntakt so nst im Wege steht u nd die Z eit ge sp art w erden kann , die das Ringen u m o p tim ale P räsenz der eigen en Lab el in der Ö ffentlichkeit regelm äß ig vergeu det.

Freie Ko o p eratio n zw isch en M ensch en , ab er au ch zw isch en frei ge - wählten G rup p en ist p ro j ekt - u nd th em enb ezo gen . Sie kö nnen au ch eingegangen w erden , w enn in anderen Th em enfeldern keine Ü b erein - stim m u ng b e steht. W ie die B innenstruktu ren ein er Welt, in der viele Welten Platz h ab en , ist au ch die Frage vo n Bü ndnissen u nd Ko o p eratio - nen ein w ilder D schu ngel de s Eingeh ens u n d B e en dens vo n Ko ntakten u nd Zu sam m enarb eit.

D as n eu e Su bj ekt:

Al l e, aber u n tersch i edl i ch

Wo keine H ierarch ien , keine ko llektiven Identitäten , kein e p rivilegierte Steu eru ngsm acht üb er N o rm en u n d D isku rse b e steh en , b e steh en ne - b en den M en sch en u n d ihren freien Zu sam m enschlü ssen keine w eite - ren Subj ekte . Kein G ott, kein Staat, kein Vaterland . D as Vo lk regiert au ch nicht m ehr u nd niem and b ildet irgendwo das Sp rach ro h r h ö h erer M o ral, de s Gu ten o der S ch ö nen . E s waren sch o n im m er die M ensch en ,

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die G e sch ichte schrieb en , ab er b islang h atten sie sehr u nterschie d - lich en Einflu ss au f die Abläu fe . D as wäre in der An arch ie anders. D o rt sind zeitw eise M achtverh ältnisse , P rivilegien o der u ngleich e Verteilu ng vo n P ro du ktio nsm itteln au ch allgegenwärtig, w eil nu r selten o der nie genu g fü r alle B e dü rfnisse zu r gleich en Z eit vo rh anden ist. D ah er m u ss eine Anarch ie ko m m u nikativ sein , u m ein e Verteilu ng im Einverständ - nis aller j ew eils B eteiligten sich erstellen zu kö nnen . W ichtig ist, dass sich die frei vereinb arten Verteilu ngen au f Z eit nicht zu P rivilegien ver - fe stigen . D enn die se sind ein sich selb st stab ilisierende s Vo rre cht, w eil j em an d , der P rivilegien h at, die se nutzen kann , u m w eitere du rch zu - setzen .

E s ist P rinzip der E m anzip atio n , alle ge sellsch aftlich en Vo rgänge au s dem B lickw inkel der Einzelnen u nd ih rer freien Zu sam m en schlü sse zu b etrachten u n d zu deren Gu nsten zu o rganisieren . Anarchie als radi - kalste Fo rm der Em anzip atio n anerkennt kein e Subj ekte n eb en den M ensch en . Au ch die freien Zu sam m enschlü sse sind keine eigenständig h andelnden Subj ekte , so n dern Ko op eratio nen der H an delnden . E s gibt kein „Vo lk “, kein e Firm a o der Verein als S elb stzw e ck . D as gilt fü r die O rganisieru ng im Alltag, fü r P ro duktio n u nd au ch fü r p o litisch e Aktio n .

• S elb sto rganisatio n

U m u nabh ängig entsch eiden u nd fü r sich die p assen den Wege de s Leb en s au swählen zu kö nn en , b e darf j e der M ensch de s W illens, der Fäh igkeit u nd der M ö glichkeit, selb ständig zu leb en u nd sich zu o rganisieren . D as ist deutlich m eh r als das blanke Ü b erleb ens - no tw endige , so ndern e s schließ t alle s ein , was fü r die S elb stentfal - tu ng nö tig o der hilfreich ist. D ie B egrenzth eit der Re ssou rcen u nd der b ei vielen M ensch en vo rh andene D rang zu Effizienz legt Ko - o p eratio nen nah e . D ie W illen sstärke , sich selb st zu o rganisieren , w ird stark vo n den ge sellsch aftlich en Rahm enb e dingu ngen ge - p rägt. In einer Welt, in der − w ie der h eutigen − eigen e Ide en u n d Kre ativität u n erwü n scht sind , stro m linienfö rm ige s Fu nktio nieren h ingegen b eloh nt w ird , verkü m m ert der W ille zu r eigen en Le - b ensge staltu ng.

Fäh igkeit b e deutet, üb er das nö tige Knowh ow zu verfü gen , etwas Erwü n schte s au ch zu erreich en − vo n Ko ch rezep ten üb er te chni - sch e s o der h andw erklich e s W issen . Zu m in de st m u ss die C h ance gegeb en sein , sich die se s W issen anzu eign en . D ie M ö glichkeit zu r S elb sto rganisieru ng ist eine Frage de s Zu gangs zu Re ssou rcen , z .B . P ro duktio n sm ittel aller Art, au ch einfach en Werkzeu gen , Räu m en , Ro h sto ffen o der Anleitu ngen . Anarch ie ist das System , in dem alle Zu gänge m axim al u nd fü r alle M ensch en m ö glich st gleich vo r - h anden sind , o h ne dass eine Institutio n der Verteilu ng die se Zu - gänglichkeit garantieren m u ss. D enn w er das Po tential h at, einen Zu gang zu garantieren , kann ihn au ch versp erren . D as ab er wäre ein P rivileg, d .h . eine M achtp o sitio n .

• H o rizo ntale Ko m m u nikatio n u n d freie Ko o p eratio n

D am it au s den Fähigkeiten u nd M ö glichkeiten der Einzelnen m eh r w ird als das N eb en einander de ssen , was M ensch en allein sch affen , b e darf e s einer intensiven Ko m m u nikatio n u nd der Anb ah nu ng

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vo n Ko o p eratio n . Ein freier M ensch kann sich do rt selb st entfalten , wo er nicht au f sich allein ge stellt ist, ab er andererseits so u nab - h ängig, dass er frei entsch eiden kann , w elch e Ko op eratio nen er eingeht u nd w elch e w ie der verlässt. H o rizo ntale Ko m m u nikatio n u nd freie Ko o p eratio n h ängen davo n ab , dass alle M ensch en die se w ie der verlassen kö nnen . Gleich zeitig erw eitert die C h ance zu r Ko o p eratio n die H an dlu ngsm ö glichkeiten der E inzelnen , so dass viele das Intere sse h ab en w erden , Ko m m u nikatio n u n d Ko o p era - tio n nicht dem Zu fall zu üb erlassen . D as w ird M o tiv genu g sein , O rte u nd Wege au fzub au en , an denen M ensch en sich einander m ö glich st einfach h elfen . D as erw eitert deren H andlu ngsm ö glich - keiten u nd ist de sh alb em anzip ato risch . W ill An arch ie das in der radikalsten Fo rm u m setzen , so ist sie nu r vo rstellb ar als h o ch - ko m m u nikative G e sellsch aft, in der viel u nd au f u nterschie dlich ste Weise ko o p eriert w ird . D as allerdings w ird nie erzwu ngen , so n - dern als M ö glichkeiten angeb o ten .

E s ist ein sp annender Ansp ru ch an eine m o derne , anarchistisch e Th e o - rie , Zu ku nftsentwü rfe u nd do rth in füh rende Strategien zu entw erfen , die o hn e ko llektive Subj ekte au sko m m en , ab er den M ensch en tro tzdem

− o der gerade de sh alb − als so ziale s We sen seh en , das seine H an dlu ngs - m ö glichkeiten au s der Au to no m ie u nd der Ko o p eratio n sch ö p ft.

D er Verzich t au f p rivil egierte Mach t u n d der U m ga n g m it der besteh en den Mach t

Ein w eitere s Feld an arch istisch er Strategie entw icklu ng ist die Fo rm u - lieru ng vo n M itteln u nd Wegen ge sellsch aftlich er Interventio n . H ier tu n sich Ab grü n de w eitreich ender Fragen au f, die m it S ich erh eit nie vo ll - ständig b e antwo rtet w erden kö nnen o hne das Exp erim ent einer U m - setzu ng, die ab er der Ü b erlegu ng b e dü rfen , u m Ziele fo rm ulieren , Teil - sch ritte u nd H andlu ngsm eth o den entw erfen zu kö nnen .

Ein schw ierige s Feld ist der U m gang m it der M acht. Kann B efreiu ng

„vo n ob en “ ko m m en ? O der stim m t, was die do gm atisch G ewaltfreien fü r ihr H aup tth em a b eh aup ten : D ass das Gute nicht du rch das S chle chte zu erreich en ist? G ibt e s nicht w eitere Varianten ? Ist e s üb erh aup t sinn - vo ll, allgem eingü ltige Fe stlegu ngen treffen zu wo llen ? D enn schließlich wäre das j a etwas, was üb er die H andlu ngsau to n o m ie der E inzelnen u nd ih rer freien Zu sam m enschlü sse geh ängt w ird − also nicht m eh r em anzip ato risch wäre . B e deutet Anarch ie als radikalste Fo rm em anzi - p ato risch en D enken s nicht den ko nse qu enten Verzicht au f alle D o gm en u nd Vo rfe stlegu ngen ? D ann wäre alle s der b ewu ssten Abwägu ng der M en sch en üb erlassen − ab er, w ie in der Anarch ie j a erwü n scht u nd dann h o ffentlich au ch üblich , in stän diger Ko m m u nikatio n u n d so au ch Reflexio n .

D as wü rde au ch fü r den U m gang m it der M acht gelten . Eine p au sch ale Ablehnu ng, M acht zu erob ern o der u m zu fu nktio nieren , wü rde den M en sch en b evo rm u nden . E s gäb e p lötzlich ein en h ö h eren Wert als die freie E ntsch eidu ng der Einzelnen u nd die Vereinb aru ng der M eh reren .

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Au ß erdem fehlt − äh nlich w ie b eim do gm atisch en Verzicht au f G ewalt − ein p lau sibler G ru nd fü r die se S elb stb e schränku ng u nd fü r das dahinter steh ende , m angelnde Vertrau en in die Entsch eidu ngsfähigkeit der M ensch en . Ein D o gm a wü rde Tau sende no ch u nb ekannter Fälle in u ntersch ie dlich en Rah m enb e dingu ngen p au sch al üb er ein en K am m sch eren − ein deutlich er Verlu st vo n H andlu ngsfreih eit.

In so fern bleibt als em anzip ato risch e Persp ektive nu r die O ffenh eit b ei m axim aler Aneignu ng vo n H andlu ngsko m p etenz u nd Fö rderu ng vo n Ko m m u nikatio n , u m die typ isch e Fehlerqu o te vo n Ad - h o c - Re aktio n en zu verringern . M acht u nd G egenm acht w erden ein N ach denkfeld die ser Art sein : S ind alle B efreiu ngen o hne eine m acht - u n d m itu nter au ch gewaltfö rm ige Zu rü ckw eisu ng der O b rigkeit m ö glich ?

Zu dem kö nnen Teilsch ritte sinnvo ll ersch einen , vo r allem w enn sie die H andlu ngsm ö glichkeiten fü r dann fo lgende S chritte erw eitern . D ie D e - b atte u m Refo rm u nd Revo lutio n gew innt eine vö llig n eu e D im ensio n , w enn e s nicht m eh r au f die Q u antität vo n Veränderu ng, so ndern au f deren em anzip ato risch e Q u alität anko m m t. D ann wü rden die m eisten , h eu te als Refo rm en vo rgeb rachten Vo rschläge p o litisch er Verän deru ng im m er no ch „ du rch fallen “ − ab er nicht w eil sie nu r Teilsch ritte sin d , so ndern w eil sie M acht nicht abb au en , so ndern o ftm als so gar Ko ntro lle u n d staatlich e M acht einfo rdern o der so gar erw eitern .

Au s: Wil k, Mich ael (1 999): „Mach t, H errsch a ft, E m a n zip ation“, Trotzdem Verl a g in Gra fen au (S. 1 5)

Anarchie ist die an sp ru ch svo llste aller ge sellsch aftlich en Th e o rien , w eil sie keine fe sten Regeln u nd S ch em ata kennt. Ihr Ansp ru ch ist, die U n - tersch ie dlichkeit der M en sch en zu r vo llen B lü te zu b ringen , w eil gen au die se dann gar nicht m ehr ko ntro llier - u nd b ere ch enb are M enge an Kre ativität, individu ellen H andlu ngsim pulsen u nd die fo lglich au ch sehr vielfältige Fo rm vo n Ko m m u nikatio n u n d Ko op eratio n die b e sten Vo rau ssetzu ngen fü r Fo rtschritt im Sinne der S elb stentfaltu ng u n d b e s - serer Leb ensm ö glichkeiten b ringt.

Strategi e fü r di e An arch i e

Zu r Th e o rie m u ss eine Strategie ko m m en . D ie ser − du rch seine m ilitä - risch e Verw endu ng gere chtfertigt anrü chige B egriff − so ll h ier die Ver - knüp fu ng vo n Th e o rie u nd P raxis b ezeichn en : W ie kann der Weg zu m Ziel au sseh en ? W ie entw ickeln sich üb erh aup t Zielau ssagen au s den G ru ndann ah m en üb er den M ensch en , die Welt u nd die Verfassth eit der G e sellsch aft m it all ihren H errsch aftsfo rm en ? Welch e vielen klein en

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o der au ch gro ß en S chritte verän dern die Welt? U nd w ie w irken E rfah - ru ngen au s der P raxis sow ie neu e E rkenntnisse au s ge sellsch aftlich er An alyse u n d W issen sch aft selb st w ie der zu rü ck au f die Th e o rie , die schließ lich nicht starr sein darf, so ndern m it allem anderen im m er w ie der vo rangetrieb en w erden sollte ?

Stowa sser, H orst (2 007): „An arch ie! “, N a u til u s in H am bu rg (S. 493)

S o u nterschie dlich Au ffassu ngen u nd Akteu rInnen sin d , so w enig kann e s ein e einh eitlich e Strategie geb en . D as ist au ch nicht nö tig, w enn zu r Strategie eine inten sive D isku ssio ns - u nd au ch Streitku ltu r geh ö rt.

D enn ein e so lch e kann als w ichtige P ro duktivkraft w irken , d .h . sie treibt Th e o rie - u nd Strategie entw icklu ng eb enso vo ran w ie sie n eu e Ide en u nd An sätze fü r p raktisch e U m setzu ngen liefert.

Strategisch e s D enken ist inten sive s Nutzen der eigenen E rkenntnis - m ö glichkeiten . W ie ist die Lage ? Wo ste cken u nd verste cken sich H err - sch aftsfo rm en u nd M achtgefälle , wo u ngleich e M ö glichkeiten ? Was sind die Ziele ? W ie kö nnen w ir u n s die sen Annäh ern , gibt e s gro ß e S chritte , Exp erim ente , direkte Interventio n sch ancen ? D er Kop f darf ru - h ig o rdentlich b ro deln ob der vielen Abwägu ngen , gen au en H in seh ens, H interfragens u nd kre ativen E ntw erfen s, die ein strategisch e s Vo rgeh en erfo rdern . Strategiefin du ng ist Sach e j e der/s Einzeln en , ab er genau so in den Ru nden m eh rerer M ensch en nicht nu r m ö glich , so n dern sinn - vo ll. D ie Q u alität steigt h ier m it der Streit - u n d D isku ssio nsku ltu r, d .h . Grup p en dü rfen keine Ru n den der S elb stb e stätigu ng, so ndern der kriti - sch en Au sein andersetzu ng sein . Wenn m eh r zu sam m enko m m en , m u ss e s ein M ehr an Skep sis, H interfragen , ab er au ch an Kre ativität geb en . D azu kö nnen vo rh anden e M eth o den zu r Fö rderu ng vo n kre ativer D e - b atte u nd H ierarchie abb au genu tzt b zw. neu e erfu n den w erden .3

Ka n n es a n a rch istisch e P rogram m a tik geben ?

Ü b erall in p o litisch en Kreisen w erden Fo rderu ngskatalo ge , P artei - p ro gram m e u n d Äh nlich e s entwo rfen . Zwar w eicht die Re alp o litik fast im m er erh eblich vo n die sen p ro gram m atisch en S elb stfe stlegu ngen ab , u nd der Verrat ist eh er Alltag in P arteien , N G O s, Kirch en o der Intere ssensverb änden . Ab er denno ch sch einen die se P ro gram m e einen B eitrag zu einer ko llektiven Identität zu h ab en . B em erkensw erter als

3 Sam m l ung unter www. h ierarch nie.de.vu

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das P ro gram m selb st sind dab ei o ft die P ro ze sse , in den en die se fo rm u - liert w erden . M itu nter entsteh en in so lch en Ph asen so gar intere ssante D eb atten , die zu m ehr fü hren als einen N eu au fgu ss de s Vo rh erigen , also alten Wein in neu en S chläu ch en .

K ann e s au ch eine anarchistisch e P ro gram m atik geb en ? Lo hnt der Streit u m Zu ku nftsentwü rfe u n d ko nkrete Fo rderu ngen ? Ja u n d N ein . Ja, w eil e s im m er sinnvo ll ist, u m Po sitio nen u nd Ide en zu streiten . D a - fü r b rau cht e s ein innovative s D eb attenklim a u n d eine anregende Streitkultu r. An arch istisch e Th e o rie ist üb erw iegend deutlich veraltet u n d b rau cht die Au ffrischu ng. H errsch aftsfreih eit u n d Em anzip atio n sind schließlich keine Rü ckb e sinnu ng au f frü h ere Ph asen der G e - schichte , die zu rü ckgewo nnen w erden so llen − so w ie e s m anch bü r - gerlich e O p p o sitio nelle m it ihren Fo rderu ngen nach Reregulieru ng der Weltw irtsch aft versu ch en (neb enb ei ge sagt: Eine w enig du rch dachte Po sitio n au f einer b em erkensw ert schle cht analysierten p o litisch en Lage einschließ lich der Ep o ch en , in die das Rad der G e sch ichte zu rü ck - ge dreht w erden so ll) .

Anarchie ist ein M o dell der Zu ku nft. D as fu nktio niert nicht als n o stalgi - sch e Rü cksch au au f 1 0 0 Jahre alte Bü ch er u n d irgendw elch e ku rzen K am p fp h asen u nter an arch istisch er Flagge . D aru m b rau cht e s die o f - fensive D eb atte , das Ringen u m Entwü rfe − u to p isch e u n d viele klein e fü r die h eutige Situ atio n .

Gleich zeitig ab er m u ss der Ide e ein er anarch istisch en P ro gram m atik ein klare s N ein entgegenge stellt w erden . An arch ie ist die Abw e senh eit vo n S ich erh eiten , denn die se sind im m er nu r so zial ko n stru ierte S ch einklarh eiten , die M ensch en fü r ko nkrete Arten de s Leb en s b ereit u n d b reitklo p fen so llen . An arch ie ist dynam isch u nd im m er eine Welt, in der viele Welten Platz h ab en . D as gilt b ereits fü r die D eb atte u n d das Entw erfen vo n Zukü nften u nd Vo rschlägen . E s w ird die ser viele geb en − u n d das wäre kein N ach − , so ndern ein Vo rteil, w enn e s gelingt, ein e vo rwärtstreib ende D eb atten - u nd Streitkultu r zu entw ickeln . N o ch b e sser wäre e s, w enn anarchistisch e D eb atten in andere ge sellsch aft - lich e Au seinandersetzu ngen u nd au ch in w issensch aftlich e Kreise h in - einstrahlen kö nnten , dam it n eu e s W issen einb ezo gen w erden kann in die Ü b erlegu ngen , w ie B efreiu ng u nd S elb sto rganisieru ng vo range - b racht w erden kö nnen .

E rrico Ma l a testa (1 997): „E in a n a rch istisch es P rogram m“, in : Gesam - m el te Sch riften B a n d 1 , Ka rin Kram er Verl ag in B erl in

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An arch ie al s ku l tu rel l er I m pu l s

D er W ille zu S elb sto rganisieru ng u nd Verlassen vo rgegeb en er B ah nen u nd Ro llen ist m ehr als eine akadem isch e Ü bu ng − u nd erst re cht m eh r als ein e identitäre Kein - B o ck - N egatio n , die ein p aar M o n ate , seltener Jah re h ält, u m dann der schleich enden Akzep tanz de s o ffensichtlich U n abw endb aren zu w eich en .

An arch ie versp richt ein e Welt o h ne o der − das w ird sich dann erst no ch h erau sstellen , w ie w eit etwas geh en kann − m it deu tlich re du zierten Zwängen , Ro llen erwartu ngen , Zu richtu ngen u n d H ierarchien . D er M en sch in seiner Eigenartigkeit rü ckt in den M ittelpu nkt de s G e sch e - h en s. D as ab er w ird nu r fu nktio nieren , w enn die M en sch en die Lü cke au ch füllen , d .h . die D o m inanz der Frem db e stim m u ng m u ss einer er - wach enden S elb stb e stim m u ng w eich en . Sie b e deutet W illen sstärke , An eignu ng vo n Fäh igkeiten , aktive Ko m m u nikatio n , Anb ahnu ng vo n Ko o p eratio n u n d Teilnah m e an D eb atte b zw. Streit. Zu der h eu tigen Welt u n d den Zu richtu ngen , die M ensch en im Lau fe ih rer so genannten Erziehu ng kassieren , steht das in krassem G egen satz . D ie sen G egensatz au szuleb en , neu e Vo rschläge in die G e sellsch aft zu tragen , sich an die - ser zu reib en , Exp erim ente zu starten u nd den eigenen W illen zu stär - ken , das H andeln in die H and zu nehm en , b e deutet b ereits h eute einen kultu rellen Wandel im Ko p f: Weg vo n der Instantge sellsch aft, w eg vo n den vo rgegeb en en u nd vo rgetram p elten P faden de s Leb ens h inein in eine aktive Ro lle . H eutige an arch istisch e u nd alternative P roj ekte , selb stverwaltete Z entren u nd o ffen e Räu m e zeigen , w ie w ichtig die se S elb stverän deru ng, die se Stärku ng de s eigen en W illens ist. D enn do rt, wo im em anzip ato risch en Exp erim ent H ierarchien u nd Zwänge ver - schw inden , b au t sich zu r Z eit regelm äß ig eine ap ath isch e Stim m u ng au f. D eutlich ist zu spü ren , dass der W ille , das Leb en u nd die freien Zu - sam m enschlü sse selb st zu ge stalten , fehlt. Gleichgü ltigkeit u nd die Flu cht in frem de O rientieru ngen − vo n C liqu en üb er Verb ands - identitäten b is zu m Intern et m it seiner Frem dsteu eru ng üb er die ange - b o ten en Links − sind an der Tage so rdnu ng. P rickeln de s, sich selb st ent -

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faltende s Leb en sieht anders au s. D as gilt au ch fü r p o litisch e B ew egu ng, wo vo rgefertigte Aktio n sangeb o te die P ro te stlan dsch aft b eh errsch en − vo n Instant - P ro te stsch reib en üb er du rch gep lante M assenaktio n en b is zu r Re du zieru ng au f Sp enden u nd M itglie dsch aft. D am it m ö gen p o liti - sch e Grup p en im D etail etwas erreich en . Insge sam t ab er stärken sie das, was die h eu tige G e sellsch aft au sm acht: Frem db e stim m u ng u n d Frem d - o rientieru ng.

Fü r eine em anzip ato risch e Veränderu ng ab er b e darf e s der B efreiu ng, nicht zu sätzlich er eingefah rener Gleise . D as ist au ch ein Ap p ell an alle , die sich sch o n als Anarch istInnen fü hlen o der definieren . Ein e Stär - ku ng de s In dividu ellen ist S ach e der einzelnen Akteu rInnen selb st. E s gilt, sich selb st zu erm ächtigen , das eigene Leb en u nd die Ko o p eratio n m it anderen zu r eigenen Sach e zu m ach en . S ich vo n B ew egu ngsagen - tu ren o der O rganisatio nen steu ern zu lassen , ist eb enso w enig em anzi - p ato risch o der an arch istisch w ie das H ineintau ch en in die G eb o rgen - h eit vo n C liqu en m it Revo lu tio nssym b o lik o der in die frem dge steu erten Welten de s Intern ets. Wer die ständige B evo rm u ndu ng vo n au ß en ab - leh nt, m u ss W illensstärke entw ickeln u n d Knowh ow tanken . S o nst er - sch eint die Rü ckkehr in die vo rgegeb enen Gleise h errsch aftsfö rm iger Welten irgen dwann als erstreb ensw ert.

F ü r m eh r Strategie u n d m eh r StrategI n n en in an arch istisch er Th eorie u n d P ra xis

D as dü nne th e o retisch e N ive au der m eisten an arch istisch en Strö m u n - gen u nd O rganisatio nen , ge steigert no ch du rch die ver(w)irrende Flu cht au f das sich er sch einen de dem o kratisch e Terrain , die schwach e p raktisch e U m setzu ng vo n Ide en u nd fast üb erall fehlenden Strategien , w ie Th e o rie u n d P raxis verbu nden u nd entw ickelt w erden kö nnen , rü ckt das, was fü r Au ß en steh en de als Anarchie sichtb ar w ird , o ft in die N äh e du rchgekn allter, sp ätpub ertierender o der träu m ender H au fen . B e dau erlich erw eise lässt sich die ser Ein dru ck u nter anderem de sh alb nicht abw enden , w eil er vielfach schlicht zutrifft. D as ist nicht nu r ein P roblem , so n dern sch afft au ch w eitere . S o w ird der An arch ism u s als N isch e wahrgeno m m en . S eine Anh ängerInnen verzieh en sich in iden - titäre C liqu en u nd neigen au ch b ei gro ß en Po litaktio nen zu r B ildu ng einh eitlich er B lö cke . Zu dem sch re ckt der M angel an Th e o rie u n d Stra - tegie viele M ensch en ab . Wer sich tro tz de s schle chten N ive au s anar - ch istisch er O rganisieru ng Knowh ow zu r S elb sto rganisieru ng im Alltag o der zu r du rch dachten D u rchfüh ru ng vo n Aktio nen aneign et, gelangt schnell zu der Erkenntnis, die se s in der Ablehnu ngsfro nt j eglich er Frem db eh errschu ng, leider ab er au ch j eglich er S elb sto rganisieru ng nicht sinnvo ll anw enden zu kö nnen . D er W ille zu r ko nse qu enten U m - setzu ng anarchistisch er Ide en ist fast nirgendwo vo rh anden . Anarchie ist Verb alradikalism u s p lu s G efahr verm ittelnder Attitü de u nd − blinde s H uh n fin d ' au ch m al ein Ko rn − direkter Aktio n als Au snah m e ab en - teu er im so nst eh er tristen Leb en .

D ie se Lage füh rt zu m Exo du s vieler M ensch en , die sich Kn ow - h ow an - eign en u nd strategisch en An sp ru ch au f ih re S elb sto rganisieru ng u nd

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Aktio nen h ab en . Sie steh en vo r der Wahl, nu r n o ch allein o der in klei - nen Kreisen zu agieren , das p o litisch e Leb en zu b e en den , im Su m p f de s anarchistisch en Vegetierens zu versinken o der die eigenen Inh alte zu verraten , u m in altern ativ w irkenden Firm en , B ew egu ngsagentu ren , p o litisch en P arteien o der N G O s w enigstens die erfo lgreich e U m setzu ng der dann leider inh altlich nicht m eh r üb erzeu genden Vo rh ab en zu er - leb en . S o verliert der An arch ism u s p erm an ent die Kö p fe , die fü r eine w irksam e ge sellsch aftlich e Einm ischu ng so w ichtig sin d . D en en , die nu r au f Wo hlfühlatm o sp h äre in anarch istisch en C liqu en u n d B ezu gs - grup p en o der au f anarchistisch e Lab el steh en , m ag das nicht stö ren − sie wü rden sich vielleicht so gar au fge sch re ckt fühlen au s ih ren freu n d - lich en N e stern , die als N isch e in der b ö sen W irklichkeit ein b issch en Wärm e versp rüh en u nd einem selb st den H au ch de s b e sseren Leb ens verp assen . Wenn Anarchie ab er W irklichkeit w erden so ll, w ird die se s Au fschre cken wo hl n ö tig sein .

Text von Robin Wu t:

„Stra tegie fü r die An ar- ch ie?“ u n ter www.

a n arch ism u s.at/

txt2/strategie. h tm

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