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Archiv "Diagnostik des Schilddrüsenknotens" (21.09.2001)

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N

oduläre Schilddrüsenveränderun- gen liegen in Jodmangelgebieten wie Deutschland bei circa 30 Pro- zent der adulten Bevölkerung vor (34).

Dabei ist die Diagnose eines Schilddrü- senknotens oft ein zufälliger Befund bei der Erhebung des klinischen Status, be- ziehungsweise ein Nebenbefund bei so- nographischen Untersuchungen (21, 69). Die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen von Schilddrüsenknoten nimmt mit dem Alter zu; Frauen sind etwa viermal häufiger betroffen als Männer. Demgegenüber ist die Präva- lenz von Schilddrüsenkarzinomen (cir- ca drei bis fünf pro 100 000 Einwohner und Jahr) sehr gering, das heißt, nur et- wa fünf Prozent aller Schilddrüsenkno- ten sind maligne (8, 31, 51, 52, 62). Als Risikofaktoren für das Vorliegen eines Schilddrüsenkarzinoms, unabhängig vom Auftreten als solitärer Knoten oder in einer multinodösen Struma, gel- ten eine positive Strahlenanamnese mit Bestrahlung der Kopf-Hals-Region ins- besondere im Kindesalter, männliches Geschlecht, ein Alter unter 20 und ab 60 Jahren und eine positive Famili- enanamnese (Textkasten 1)(3, 4, 8, 13, 31). Die Prävalenz von Schilddrüsen- karzinomen scheint in Jodmangelgebie- ten nicht generell erhöht zu sein, aller- dings legen mehrere Studien ein erhöh- tes Auftreten von follikulären Schild- drüsenkarzinomen in Jodmangelregio- nen nahe (35, 39, 45).

Pathogenese

Die Klassifikation von Schilddrüsen- knoten beruht auf morphologischen (Textkasten 2) (16) und funktionellen Kriterien („heißer“, „warmer“ oder

„kalter“ Knoten). Die meisten benig-

nen und malignen Schilddrüsenknoten entsprechen monoklonalen Neoplasi- en, was somatische Mutationen als Ur- sachen der Schilddrüsenveränderungen wahrscheinlich macht (41, 55, 60).

Circa fünf Prozent aller Schilddrü- senknoten stellen sich szintigraphisch als „heiße“ Knoten dar (11). Ursache der unifokalen Schilddrüsenautonomie sind konstitutiv aktivierende Mutatio- nen im Gen des TSH-Rezeptors (bis zu 82 Prozent) oder des Gs-a-Proteins (bis zu 35 Prozent). Zudem sind aktivie- rende Mutationen des TSH-Rezeptors auch für einen Teil der in Jodmangelge- bieten häufigeren multifokalen Auto- nomien verantwortlich (Grafik 1) (47, 60).

Etwa 85 Prozent aller Schilddrüsen- knoten stellen sich szintigraphisch als

„kalte“ Knoten dar (11). Diesen kommt in der Differenzialdiagnostik nodulärer Schilddrüsenerkrankungen eine beson- dere Bedeutung zu, da Schilddrüsen- karzinome meist als „kalte“ Knoten im- ponieren. Als mögliche Ursache der verminderten Radionuklidaufnahme in

„kalten“ Knoten werden Veränderun- gen in der Expression des Natrium- Iodid-Symporters (NIS) diskutiert (1, 48, 56, 67). Hinweise dafür ergeben sich insbesondere aus der verminderten NIS-mRNA-Expression in „kalten“

Knoten (1, 48, 56), hingegen ist eine Veränderung der NIS-Expression auch auf Proteinebene derzeit noch offen.

Mutationen im Natrium-Iodid-Sympor- ter wurden in „kalten“ Knoten nicht ge- funden (56). Ras-Mutationen, die ohne eindeutige Assoziation mit einem spezi- fischen Phänotyp sowohl bei benignen als auch malignen Schilddrüsenpatho- logien nachgewiesen wurden (68, 71), liegen nach Untersuchungen unserer Arbeitsgruppe in benignen „kalten“

Knoten nur sehr selten vor (41).

Der Allelverlust des Thyreoperoxidase- gens (42) und die vermehrte Expres- sion des Insulinrezeptors (27) in „kal- ten“ Knoten sind neue, möglicherwei- se wichtige molekulare Aspekte einer

Diagnostik des

Schilddrüsenknotens

Zusammenfassung

Noduläre Schilddrüsenerkrankungen sind in en- demischen Jodmangelgebieten wie Deutsch- land bei bis zu 30 Prozent der adulten Bevölke- rung nachweisbar. Demgegenüber ist die Prävalenz von Schilddrüsenkarzinomen sehr gering. Dies erfordert eine adäquate Differenzi- aldiagnostik zur sicheren Identifikation benig- ner und maligner Schilddrüsenknoten. Die Kombination aus Anamnese, körperlicher Un- tersuchung, Schilddrüsenfunktionsdiagnostik und vor allem Feinnadelaspirationszytologie des Schilddrüsenknotens hat sich dabei in den letzten Jahren als spezifische und zugleich ko- stengünstige Vorgehensweise erwiesen. Neue additive immunzytologische und molekularbio- logische Verfahren können in der Zukunft mög- licherweise die bisherigen Unsicherheiten in der Differenzialdiagnose vor allem der folli- kulären Neoplasie erheblich reduzieren.

Schlüsselwörter: noduläre Schilddrüsenerkran- kung, heißer Schilddrüsenknoten, kalter Schild- drüsenknoten, Schilddrüsenkarzinom, Feinna- delaspirationszytologie

Summary

Differential Diagnosis of the Thyroid Nodule

Nodular thyroid disease is a common finding in regions with iodine deficiency. It is present in up to 30 per cent of the adult German popula- tion. In contrast, thyroid malignancy is very rare. Thus, adequate differential diagnosis of thyroid nodules is a primary goal. The combi- nation of history and clinical assessment, basic thyroid function tests and most importantly fine needle aspiration cytology (FNAC) of the nodule is acknowledged as the most specific and cost-effective approach. Moreover, the di- agnostic value of FNAC may be further increa- sed by novel immunocytological and molecu- largenetic investigations.

Key words: nodular thyroid disease, hot thy- roid nodule, cold thyroid nodule, thyroid carci- noma, fine needle aspiration cytology

1 Medizinische Klinik und Poliklinik III (kommissarischer Direktor: Prof. Dr. med. Ralf Paschke) der Universität Lei- pzig

2Zentrum Pathologie (Direktor: Prof. Dr. med. Ekkehard Kunze) der Georg-August-Universität, Göttingen

Dagmar Führer

1

Hans-Peter Holzapfel

1

Ilka Ruschenburg

2

Ralf Paschke

1

(2)

Schilddrüsenpathologie mit derzeit un- geklärter Pathogenese.

Demgegenüber wurden bei Schild- drüsenmalignomen in den letzten Jah- ren charakteristische Veränderungen in verschiedenen Protoonkogenen und Tumorsuppressorgenen identifiziert (Grafik 1)(23, 68, 71). Als spezifische molekulargenetische Charakteristika papillärer Schilddrüsenkarzinome, wel- che die häufigsten epithelialen Schild- drüsenmalignome darstellen, konnten für bis zu 35 Prozent der spontanen be- ziehungsweise 85 Prozent der strahlen- induzierten Tumoren Rearrangements von ret- und (mit elf Prozent seltener) trk-Protoonkogenen durch chromoso- male Translokationen nachgewiesen werden (68, 71). Die Folge ist die zell- atypische Expression eines Hybridpro- teins und damit die konstitutive Akti- vierung der entsprechenden translo- zierten ret- beziehungsweise trk-Tyro- sinkinasedomänen. Zudem liegt in bis zu 70 Prozent der papillären Karzinome

eine Überexpression des Hepatocyte- Growth-Factor-(met)-Tyrosinkinasere- zeptors vor (71). In neuen Untersu- chungen wurden erstmals spezifische chromosomale Translokationen (t [2;

3]) auch bei bei follikulären Schilddrü- senkarzinomen identifiziert (43). Dabei kommt es zur Bildung eines Fusions- proteins aus der DNA-bindenden Domäne des Schilddrüsentranskripti- onsfaktors PAX-8 und des Peroxisome- Proliferator-Activated Receptor-g1 (PPARg1). In vitro wird die Funktion des PPARg, für das eine Rolle in der Zelldifferenzierung angenommen wird, durch das Hybridprotein dominant ne- gativ inhibiert (43).

Für die Enstehung des anaplasti- schen Karzinoms, ausgehend von ei- nem differenzierten Schilddrüsenkarzi- nom, scheinen vor allem Mutationen im Tumorsuppressorgen p53 (bis zu 86 Prozent) verantwortlich zu sein (71).

Molekulare Ursachen des medullären Schilddrüsenkarzinoms, das sporadisch (75 Prozent) oder familiär (25 Prozent) im Rahmen der multiplen endokrinen Neoplasie Typ 2 (MEN 2) beziehungs- weise isoliert als familiäres medulläres Schilddrüsenkarzinom (FMTC) auftre- ten kann, sind aktivierende ret-Proto- onkogen-Mutationen (bei MEN 2 in na- hezu 100 Prozent) (17, 26).

Differenzialdiagnostik des Schilddrüsenknotens

Eine sorgfältige Anamnese und die de- taillierte klinische Untersuchung stel- len wichtige erste Schritte in der Dif- ferenzialdiagnostik nodulärer Schild- drüsenveränderungen dar (8, 31, 52).

Hierzu gehören Fragen zu erstem Auf- treten, Zeitdauer, Progression und Symptomatik sowie Angaben zu einer vorausgegangenen Bestrahlung der Kopf-Hals-Region und einer familiären Häufung maligner Schilddrüsentumo- ren als möglicher Hinweis auf eine MEN 2 beziehungsweise ein familiä- res medulläres Schilddrüsenkarzinom (Textkasten 1). Bei der Erhebung des Status ist auf klinische Malignitätszei- chen, insbesondere auf die Schluckver- schieblichkeit des oder der Knoten so- wie tastbare Halslymphknoten zu ach- ten(Textkasten 3).

Funktionsparameter

Der aussagekräftigste Parameter zum Screening der Schilddrüsenfunktion ist der Serum-TSH-Spiegel mit einem Normbereich von 0,25 bis 4 mU/l. Der Nachweis von Schilddrüsenautoanti- körpern zählt nicht zur rationalen Erstdiagnostik des Schilddrüsenkno- tens (5–8, 31, 52, 66). Hinsichtlich der probatorischen Messung des Serum- calcitonins zeigen zwei große Studien sogar eine der Feinnadelaspirationszy- tologie überlegene Sensitivität bei der Diagnostik des medullären Schilddrü- senkarzinoms (57, 61). Unter Kosten- Nutzen-Gesichtspunkten wird die rou- tinemäßige Serumcalcitoninbestim- mung bei negativer Familienanamnese jedoch nach wie vor kontrovers disku- tiert (5–7, 66). Die Bestimmung der Thyreoglobulinspiegel im Serum ist nur in der Nachsorge von Schilddrü- senkarzinomen nach Schilddrüsenabla- tion indiziert.

Feinnadelaspirationszytologie

Das wichtigste diagnostische Verfah- ren zur Differenzierung benigner und maligner Schilddrüsenläsionen ist die Feinnadelaspirationszytologie (FNAC), die zumindest bei jedem palpablen Schilddrüsenknoten erfolgen sollte (8, 10, 14, 16, 31, 33, 40, 46, 49–51, 64) (Ab- bildung). Mittels FNAC können in der Regel klassische papilläre, anaplasti- sche und medulläre Schilddrüsenkar- zinome sowie Metastasen anderer Primärtumoren gegebenenfalls auch in Ergänzung mit entsprechenden immunzytologischen Markern (zum Beispiel Calcitonin, Synaptophysin oder Chromogranin A bei medullärem Schilddrüsenkarzinom) zuverlässig präoperativ diagnostiziert werden (16, 31, 51, 64).

Die Feinnadelaspiration erfolgt am liegenden Patienten nach Hautdesin- fektion ohne Lokalanästhesie durch Einmalkanülen mit einem Außen- durchmesser von 0,6 bis 0,7 mm mög- lichst unter sonographischer Kontrol- le. Pro Knoten sollten fächerartig min- destens zwei Punktionen in verschie- dene Knotenareale durchgeführt wer- den. Zystenpunktate sollten zentrifu- giert werden und bei Versand der Zy- A

A2428 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 38½½½½21. September 2001

Klinische Risikofaktoren für das Vorliegen eines Schilddrüsenmalignoms

Männliches Geschlecht

Alter unter 20 Jahren oder über 60 Jahre

Vorausgegangene Bestrahlung der Kopf-Hals- Region

Positive Familienanamnese (insbesondere für medulläres Schilddrüsenkarzinom) Textkasten 1

WHO-Klassifikation von Schilddrüsentumoren*

Benigne epitheliale Tumoren, zum Beispiel follikuläres oder trabekuläres Adenom

Maligne epitheliale Tumoren, zum Beispiel – follikuläres Karzinom mit den Varianten

oxyphil oder klarzellig,

– papilläres Karzinom mit den Varianten Mikrokarzinom, follikulär, diffus-sklerosie- rend oder oxyphil,

– medulläres beziehungsweise C-Zell-Karzi- nom,

– undifferenziertes oder anaplastisches Karzinom und andere Formen

Nichtepitheliale Tumoren

Maligne Lymphome

Verschiedene weitere Tumoren

Metastasen

Nichtklassifizierbare Tumoren

Tumorartige Veränderungen

* zitiert nach Hedinger et al. (36) Textkasten 2

(3)

stenflüssigkeit sollte Heparin zuge- setzt werden. Nach Zystenentleerung ist zudem eine erneute Punktion soli- der Knotenanteile anzustreben (14, 49, 50, 54, 64). Qualität beziehungs- weise Aussagekraft der FNAC sind entscheidend von der Erfahrung des Punktierenden und des beurteilenden Zytopathologen abhängig: Bei einem sehr erfahrenen Team können mittels FNAC eine hohe Präzision (85 bis 100 Prozent), Spezifität (72 bis 100 Pro- zent) und Sensitivität (55 bis 98 Pro- zent) sowie eine sehr geringe Rate an falsch negativen Befunden (unter zwei Prozent) bei der Differenzialdiagnose nodulärer Schilddrüsenerkrankungen erreicht werden (8, 10, 14, 16, 31, 33, 40, 46, 49, 51, 64). Unabhängig davon zeigen Ergebnisse der bislang umfang- reichsten FNAC-Studie bei 15 000 Pa- tienten, die über einen Zeitraum von 16 Jahren an der Mayo Clinic wegen nodulärer Schilddrüsenerkrankungen behandelt wurden (64 Prozent benig- ne, 4 Prozent maligne), dass auch bei geübten Untersuchern in bis zu 32

Prozent der punktierten Schilddrüsen- knoten keine ausreichende zytologi- sche Beurteilung möglich sein kann (31). Hierfür sind einerseits nicht ver- wertbare (bis zu 21 Prozent), anderer- seits „suspekte“ Punktate (etwa zehn Prozent) verantwortlich (8, 31, 51, 52, 62). Bei letzteren liegt oftmals der problematische zytologische Befund einer follikulären Neoplasie vor (Ab- bildung). Unter dieser zytologischen Gruppendiagnose werden follikuläre Adenome, follikuläre Karzinome so- wie die follikuläre und die oxyphile Variante des papillären Schilddrüsen- karzinoms zusammengefasst (16, 50).

In Ermangelung geeigneter differenzi- aldiagnostischer Marker und bei bis- lang ungeklärter Pathogenese der fol- likulären Neoplasie gilt diese bislang als Indikation zur Knotenresektion, obwohl nur in 20 bis 25 Prozent der Fälle tatsächlich ein Malignom vor- liegt (16, 31, 50).

Ungeachtet dieser Problematik konnte durch die Anwendung der FNAC in der Differenzialdiagnose

von Schilddrüsenknoten die Effizienz der operativen Interventionen bei nodulären Schilddrüsenerkrankungen deutlich gesteigert werden: In einer großen italienischen Studie ließ sich durch FNAC das Kollektiv der zu ope- rierenden Schilddrüsenknoten auf et- wa zehn Prozent reduzieren. Die Ma- lignomrate lag dabei im ausgewähl- ten Kollektiv bei 34 Prozent gegen- über 3,1 Prozent im nicht ausgewähl- ten Kollektiv, was darauf schließen lässt, dass trotz der Verringerung der Schilddrüsenoperationen Karzinome nicht übersehen wurden (9).

Immunzytologische

Diagnostik bei follikulärer Neoplasie

Um trotz FNAC weiter bestehende Unsicherheiten in der Differenzialdia- gnostik von Schilddrüsenneoplasien, vor allem des follikulären Typs, prä- operativ abklären zu können, stehen inzwischen drei vielversprechende im- munzytologische Marker zur Verfü- gung: der monoklonale Thyreoperoxi- dase-Antikörper MoAb47 sowie kom- merziell erhältliche monoklonale An- tikörper gegen Galectin-3 und CD44v6 (Tabelle).

Thyreoperoxidase-Antikörper MoAb47

De Micco und Mitarbeiter beschrieben 1991 erstmals eine verminderte Im- munreaktivität des Proteins der Thy- reoperoxidase (TPO) in Schilddrüsen- malignomen bei Anfärbung mit dem gegen intakte TPO generierten mo- noklonalen Antikörper MoAb47 (15).

Der Nachweis einer veränderten TPO- Antigenität ist unter Berücksichtigung eines diagnostischen Cut-Offs bei posi- tiver TPO-MoAb47-Färbung (über 80 Prozent der Thyreozyten) beziehungs- Follikuläres

Karzinom Grafik 1

Modell der molekularen Pathogenese epithelialer Schilddrüsentumoren. Die Zuordnung der einzel- nen Kandidatengene zu spezifischen Schilddrüsenpathologien ist nicht ausschließend, vor allem ras- Mutationen sind neben follikulären Neoplasien auch in multinodösen Strumen sowie bei papillären Schilddrüsenkarzinomen beschrieben. Für die vielfach postulierte Sequenz vom follikulären Adenom zum Karzinom gibt es bislang keine eindeutigen Hinweise. Die funktionelle Relevanz der kürzlich in follikulären Karzinomen erstmals beschriebenen PAX-8/PPARgggg1-Translokationen ist noch offen. Das

„multiple hit“-Modell der Karzinogenese impliziert neben den bekannten genetischen Defekten auch bei differenzierten Schilddrüsenkarzinomen weitere, derzeit noch nicht identifizierte molekula- re Veränderungen.

Klinische Malignitätskriterien

Schnelles Knotenwachstum

Plötzliche Heiserkeit

Derber, nicht schluckverschieblicher Knoten

Zervikale Lymphknotenschwellung

Auftreten von Fernmetastasen Textkasten 3

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weise negativer TPO-MoAb47-Fär- bung (unter 20 Prozent der Thyreo- zyten) möglicherweise insbesondere für die Differenzialdiagnose der „kal- ten“ Knoten mit follikulärer Neoplasie hilfreich (15). Zwei neuere Studien mit Kollektiven von 554 beziehungsweise 181 Patienten mit „kalten“ Knoten ge- ben für die TPO-Immundetektion mit MoAb47 eine Sensitivität von 98 be- ziehungsweise 100 Prozent zur Dia- gnose eines Schilddrüsenmalignoms und eine Spezifität von 83 beziehungs- weise 99 Prozent zum Nachweis einer benignen Schilddrüsenläsion an (Ta- belle)(12, 24).

Galectin-3- und CD44v6-Antikörper Galectin-3 ist ein b-Galactosil-binden- des Protein, dessen Expression quan- titativ und qualitativ während der Zellproliferation, Zelltransformation und Tumorprogression verändert ist.

In der Schilddrüse scheint die Galec- tin-3-Expression auf Malignome limi- tiert zu sein (30, 58).

Für den Hyaluronsäure-Rezeptor CD44 wird ebenfalls eine biologische Funktion bei Zell-Zell-Interaktionen, Zellmigration und Tumorwachstum vermutet. In Abhängigkeit vom alter- nativen Splicing der varianten Exone (Exon v1 bis v10), die Teile der extra- zellulären Domäne des Rezeptors ko- dieren, existieren mehrere CD44-Iso- formen (38).

Gasbarri et al. (30) konnten im Rahmen einer Pilotstudie anhand im- munhistologischer Untersuchungen an 157 Schilddrüsengeweben und im- munzytologischen Analysen von 36 FNAC zeigen, dass die bereits hohe Sensitivität und Spezifität der Dif- ferenzialdiagnose der follikulären Neoplasie mittels Galectin-3-Immun- zytologie (90 beziehungsweise 82 Pro- zent) durch die zusätzliche Darstel- lung der CD44v6-Proteinexpression möglicherweise noch gesteigert wer- den kann (95 beziehungsweise 87 Pro- zent).

Inzwischen sind die Ergebnisse ei- ner ersten internationalen Multizen- terstudie (1 009 Schilddrüsenpräpara- te, 226 FNAC) zum Nachweis von Galectin-3 und CD44v6 bei Schilddrü- senpathologien verfügbar, in der für die Galectin-3-Proteinexpression eine Sensitivität von 99 Prozent und eine Spezifität von 98 Prozent zur Diskri- mination von benignen und malignen Schilddrüsenknoten angegeben wird und die zusätzliche CD44v6-Immun- chemie keine weiteren diagnostischen Vorteile gezeigt hat (2).

Obwohl die vorgestellten immunzy- tologischen Methoden in der Routine- diagnostik derzeit noch nicht verfüg- bar sind, ist aufgrund der vielverspre- chenden Ergebnisse der Multizenter- studien davon auszugehen, dass die präoperative Differenzialdiagnostik von Schilddrüsenknoten, insbesonde-

re von Knoten mit follikulärer Neo- plasie, durch den Einsatz der disku- tierten Marker erheblich verbessert werden kann.

Ansätze der

molekulargenetischen Diagnostik

Seit Jahren ist die molekulargenetische Diagnostik von Schilddrüsenerkran- kungen vor allem für den Nachweis von Keimbahnmutationen in dem auf Chro- mosom 10q11.2 lokalisierten ret-Proto- onkogen als molekulare Ursache des medullären Schilddrüsenkarzinoms etabliert (18). Der Nachweis von ret- Mutationen erfolgt nach Extraktion ge- nomischer DNA aus einer EDTA-Blut- probe durch Amplifikation mittels PCR und Sequenzierung der ret-Exone 10, 11 und 13 bis 16. Bei MEN 2 können ret-Mutationen in 92 bis 100 Prozent der Fälle, beim FMTC in bis zu 85 Pro- zent nachgewiesen werden. Die wich- tigste klinische Konsequenz der mole- kularen ret-Diagnostik, die an zwei un- abhängig asservierten Blutproben er- folgen muss, ist die Möglichkeit zur frühzeitigen (vor dem sechsten Lebens- jahr) prophylaktischen und damit kura- tiven Thyreoidektomie bei Trägern von Keimbahnmutationen vor der Entste- hung des medullären Schilddrüsenkar- zinoms. Ein weiterer Vorteil ist die Ra- tionalisierung der bei autosomal domi- A

A2432 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 38½½½½21. September 2001

a b

c d

Abbildung: Beispiele von Feinnadelaspira- tionszytologien verschiedener Schilddrüsentumo- ren (Färbung nach May-Grünwald-Giemsa). a) Folli- kuläre Neoplasie: Follikelzellen in follikulären For- mationen mit Überlappung der Zellkerne. Leichte Form- und Größenvarianz der Zellkerne. Histolo- gie: follikuläres Adenom. b) Follikuläre Neoplasie.

Histologie: minimal-invasives follikuläres Karzi- nom. c) Follikuläre Variante eines papillären Karzi- noms. Diagnostisch richtungsweisend sind die im Längsdurchmesser einzelner Zellkerne nachweis- baren Falten oder Furchen der Kernmembran (Pfeil). d) Medulläres Schilddrüsenkarzinom. Die teils ringförmige Anordnung der Tumorzellen imi- tiert das Zellbild einer follikulären Neoplasie.

(5)

nantem Erbgang notwendigen Famili- enuntersuchung (17, 18, 26).

Der Nachweis von TSH-Rezeptor- aktivierenden Keimbahnmutationen aus der genomischen DNA peripherer Blutleukozyten mit einer vergleich- baren Methodik ist bei Verdacht auf eine autosomal-dominante nichtauto- immune Hyperthyreose unter thera- peutischen und prognostischen Ge- sichtspunkten inzwischen ebenfalls eta- bliert (28).

Ein weiterer derzeit noch experi- menteller molekularbiologischer An- satz in der Differenzialdiagnostik von Schilddrüsenknoten ist der Nachweis von MAGE-1- und GAGE-1/2-Genen in der Feinnadelaspirationszytologie (63). Diese sind als spezifische Tumor- antigene unter anderem beim Bronchi- al-, Ovar-, oder Kolonkarzinom be- schrieben. Erste Untersuchungen zei- gen, dass die Bestimmung der MAGE- 1- und GAGE-1/2-mRNA-Expression mittels reverser-Transkriptase-PCR zur Abgrenzung einer papillären Hyperpla- sie bei Struma nodosa (negativ) von ei- nem papillären Schilddrüsenkarzinom (positiv) hilfreich sein kann (63).

Perspektiven für eine molekularge- netische Differenzialdiagnostik der fol- likulären Neoplasie eröffnen sich insbe- sondere durch die kürzlich bei folli- kulären Karzinomen identifizierten chromosomalen Translokationen (t [2;

3]) (43). In Analogie zum Nachweis von ret/PTC-Rearrangements beim papillären Schilddrüsenkarzinom wäre zum Beispiel unter Einsatz spezifischer Primer der Nachweis von PAX-8/

PPARy1-Fusionsgenen in der FNAC denkbar (29, 43).

Bildgebende Diagnostik

Sonographie

Die Sonographie ist ein wichtiges In- strument zur Beurteilung von Struktur und Größe der Schilddrüse, zur Identifikation nicht palpabler Schild- drüsenknoten und zur Einschätzung eines möglichen Lymphknotenbefalls.

Als sonographische Kriterien für einen Malignitätsverdacht gelten unter an- derem Echoarmut oder unscharfe Knotenbegrenzung, jedoch ist die Dig-

nitätsbeurteilung eines Schilddrüsen- knotens sonographisch nicht sicher möglich (25, 59). Die Indikation der Sonographie in der rationellen Dia- gnostik des Schilddrüsenknotens liegt daher vorwiegend in der Unterstüt- zung der Abgrenzung uninodulärer und multinodulärer Schilddrüsener- krankungen, in der ultraschallgesteu- erten Feinnadelaspiration beziehungs- weise risikofreien und kostengünsti- gen Verlaufskontrolle eines Schilddrü- senknotens (5–8, 31, 51, 62).

Szintigraphie

In der Vergangenheit stellte die Schilddrüsenszintigraphie neben der Bestimmung der Schilddrüsenfunkti- onsparameter das wesentliche Instru- ment zur Beurteilung der funktionel- len Aktivität eines Schilddrüsenkno- tens dar. Angesichts des niedrigen prä- diktiven Werts (unter zehn Prozent) der Szintigraphie zur Dignitätsbeur- teilung von „kalten“ Knoten (62) wird die Indikation zur Schilddrüsenszinti- graphie in der Primärdiagnostik nodulärer Schilddrüsenläsionen heute vorrangig in der Lokalisation einer funktionellen Autonomie gesehen (5–7, 66).

Aktuelle Umfragen zum diagnosti- schen Procedere bei Patienten mit so- litären Schilddrüsenknoten bezie- hungsweise Struma multinodosa unter Mitgliedern der europäischen und der amerikanischen Schilddrüsengesell- schaften zeigen eine wichtige prinzipiel- le Übereinstimmung in der diagnosti- schen Abfolge (Klinik ¡Erhebung des Status¡TSH-Bestimmung ¡FNAC), weisen jedoch auch erhebliche Diskre- panzen im Umfang der einzelnen dia- gnostischen Schritte auf (5–7). Dies be- trifft besonders die Bestimmung labor- chemischer Parameter (vor allem Calci- tonin, Schilddrüsenhormone und -auto- antikörper) und die bildgebende Dia- gnostik (Sonographie, eventuell in Kombination mit der Szintigraphie) und deutet darauf hin, dass in Ermange- lung entsprechender Studien und inter- national akzeptierter standardisierter Richtlinien die Schilddrüsendiagnostik vielerorts nach wie vor eher lokalen Traditionen folgt (25).

Diese Umfrageergebnisse und die von der amerikanischen Schilddrüsen- gesellschaft empfohlene Vorgehens- weise (66) haben zu Erarbeitung eines Vorschlags zur rationellen Diagnostik des Schilddrüsenknotens geführt (Gra- fik 2).

´ TabelleC´

Immunhistochemische Differenzialdiagnose von Schilddrüsenpathologien mit Thyroperoxidase und monoklonalen Antikörpern

Histologie Galectin-3*1 CD44v6*1 TPOMoAb47*2 TPOMoAb47*3

Normal 0/20 0/20

Kolloidknoten 0/32 17/32 38/38 98/108

Thyreoiditis 0/15 2/15 1/1 2/4

Follikuläres

Adenom 1/37 8/37 14/15 13/18

Follikuläres

Karzinom 14/14 13/14 0/2 1/12

Papilläres Karzinom und

Varianten 28/30 29/30 0/14 0/31

Anaplastisches

Karzinom 3/4 3/4 0/4 0/3

Die Werte geben positive von insgesamt untersuchten Proben wieder.

*1monoklonale anti-Galectin-3- und anti-CD44v6-Antikörper; modifiziert nach Gasbarri et al. (30)

*2Thyroperoxidase-Aktivität; modifiziert nach Christensen et al. (12)

*3Thyroperoxidase-Antikörper MoAb47; Cut-Off, wenn sich weniger als 20 Prozent (negativ) oder mehr als 80 Prozent (positiv) der Thyreo- zyten anfärben lassen; modifiziert nach Faroux et al. (24)

(6)

Therapie und Nachsorge

Bei klinischen Zeichen der Malignität und/oder malignem zytologischen Be- fund in der FNAC eines Schilddrüsen- knotens ist die operative Resektion die Therapie der Wahl. Für heiße Knoten besteht aufgrund des geringen Mali- gnitätsrisikos mit der nebenwirkungsar- men und effizienten Radiojodtherapie eine kurative Alternative. Bei Risiko- patienten mit Kontraindikationen für eine Radiojodablation kann auch eine Adenomsklerosierung erfolgen (37).

Hinsichtlich des Managements der überwiegenden Zahl von Schilddrüsen- knoten, die klinisch und diagnostisch unauffällig sind, fehlt nach wie vor ein internationaler Konsens (5–7, 25). Auf- grund der aktuellen Literaturlage soll- ten jedoch folgende Aspekte berück- sichtigt werden.

Eine Verlaufsbeobachtung mit Er- hebung des klinischen Befunds und Sonographie ist in jedem Fall bei Pati- enten mit klinischen Risikofaktoren (Textkasten 1) indiziert und kann in Abhängigkeit von der Befundkonstel- lation engmaschig oder aber in sechs- bis zwölfmonatigem Abstand erfor- derlich sein (8, 31, 51, 66). Die Indika- tion zur Knotenresektion allein auf- grund des Vorliegens klinischer Risi- kofaktoren ist individuell abzuwägen und zum Beispiel bei einem 30-jähri- gen Mann mit solitärem Schilddrüsen- knoten sinnvoll (5–7). Bei nicht ver- wertbarem primärem Punktat ist eine Wiederholung der FNAC anzustreben (Grafik 2)(8, 19, 31, 51, 53, 70). Bei benignem Primärbefund und unverän- derter Klinik haben sich wiederholte Feinnadelaspirationszytologien nicht als sinnvoll erwiesen (19, 53, 70).

Wenn nach erneuter Biopsie das Punktat ebenfalls nicht sicher beur- teilbar ist und klinische Risikofakto- ren vorliegen, ist eine Knotenresekti- on zu erwägen (Grafik 2) (5, 6, 66).

Progredientes Knotenwachstum und Neuauftreten einer lokalen Sympto- matik (Textkasten 3) weisen auf das Vorliegen eines Malignoms hin und sind Indikationen für eine chirurgi- sche Therapie (8, 52, 66).

Die konservative, medikamentöse Therapie des benignen Schilddrüsen- knotens mit Levothyroxin wird nach

wie vor kontrovers diskutiert (5–7).

Neue Untersuchungen legen nahe, dass unter L-Thyroxin nur bei einem gerin- gen Prozentsatz eine Stagnation des Knotenwachstums erreicht wird (32, 72). Auch aufgrund der zum Teil erheb- lichen Nebenwirkungen der Therapie (Herzrhythmusstörungen, Osteoporo- se) ist die generelle medikamentöse Therapie des benignen Schilddrüsen- knotens mit Levothyroxin vor allem bei postmenopausalen Frauen nicht gene- rell indiziert (22, 65).

Zusammenfassung

Schilddrüsenknoten sind in Jodman- gelgebieten häufig und zum größten Teil benigne. Die Differenzialdiagno- stik stützt sich im Wesentlichen auf ei- ne detaillierte Anamnese, die klini-

sche Untersuchung, die Bestimmung der Schilddrüsenfunktion (TSH) so- wie die Feinnadelpunktion des Kno- tens durch einen geübten Kliniker und Beurteilung des Punktats durch einen erfahrenen Zytopathologen.

Bei unauffälliger Klinik und Nor- malbefunden bei der diagnostischen Abklärung ergeben sich keine thera- peutischen Konsequenzen. Eine medi- kamentöse Suppressionsbehandlung mit Levothyroxin kann aufgrund der geringen Erfolgsaussichten und der hohen Nebenwirkungsrate nicht gene- rell empfohlen werden.

Patienten mit Risikofaktoren (Al- ter unter 20 beziehungsweise ab 60 Jahren, männliches Geschlecht, positi- ve Strahlenanamnese, familiäre Häu- fung von Schilddrüsenmalignomen) sollten gegebenenfalls primär operiert werden. In jedem Fall ist bei diesen A

A2436 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 38½½½½21. September 2001

Grafik 2

Flussschema der rationellen Diagnostik des Schilddrüsenknotens. *1Beim Vorliegen eines heißen Knotens bestehen mehrere Therapieoptionen (37). *2Die immunzytologische Diagnostik (derzeit eta- bliert für das medulläre Schilddrüsenkarzinom) ist ebenso wie die im Text diskutierte molekularbio- logische Analytik zur Differenzialdiagnose der follikulären Neoplasie in der Routine derzeit noch nicht verfügbar. *3Prozentzahlen entsprechend der Studie von Gharib (31).

(7)

Patienten eine Verlaufskontrolle er- forderlich. Bei Vorliegen oder Neu- auftreten klinischer Malignitätskrite- rien (rasches Wachstum, plötzliche Heiserkeit, zervikale Lymphknoten- schwellungen, fehlende Schluckver- schieblichkeit) trotz punktionszyto- logisch negativem Befund sowie bei FNAC mit malignem Befund ist umge- hend die chirurgische Intervention er- forderlich.

Für die bislang problematische Dif- ferenzialdiagnose von suspekten Fein- nadelaspirations-Zytologien, insbeson- dere bei follikulärer Neoplasie, stehen erste spezifische Marker (Antikörper gegen Thyreoperoxidase, Galectin-3 und CD44v6) zur Verfügung, die zu- künftig die Entscheidung zur konser- vativen statt operativen Therapie des Schilddrüsenknotens weiter beeinflus- sen dürften.

Die molekulargenetische Differen- zialdiagnostik ist seit mehreren Jahren für Mutationen am ret-Protoonkogen bei den verschiedenen klinischen Va- rianten des medullären Schilddrüsen- karzinoms (FMTC, MEN 2) etabliert.

Neue Ansätze zur molekularbiologi- schen Analytik aus der FNAC bieten sich durch Amplifikation von MAGE- 1 und GAGE-1/2 bei papillären Karzi- nomen beziehungsweise sind aus kürz- lich erstmals beschriebenen Translo- kationen bei follikulären Schilddrü- senkarzinomen zu erwarten.

Danksagung:Die Autoren danken Prof. D. Wynford- Thomas (University of Wales, Cardiff, Großbritannien) für die Anregungen zur Thematik Pathogenese des Schild- drüsenknotens. Mit Unterstützung durch das Bundesmi- nisterium für Bildung und Forschung (BMB+F), das Inter- diziplinäre Zentrum für Klinische Forschung (IZKF) an der Medizinischen Fakultät Leipzig (01KS9504, Projekte B10 und B14) und die Deutsche Forschungsgemeinschaft (Fu 356/1-2 und Pa 423/10-2) sowie die BASF/Studien- stiftung des deutschen Volkes.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 2001; 98: A 2427–2437 [Heft 38]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser und über das Internet (www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.

Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. med. Ralf Paschke Medizinische Klinik und Poliklinik III der Universität Leipzig

Philipp-Rosenthal-Straße 27 04103 Leipzig

E-Mail: pasr@medizin.uni-leipzig.de

Es stimme nicht, dass, wie Beecher 1955 behauptete, Placebo ein wirksames Heilmittel sei, das in mehr als 35 Pro- zent der Anwendungen wirksam sei (Beecher HK: The Powerful Placebo:

JAMA 1155; 159: 1602–1606). Dies er- gab eine Metaanalyse von 114 klini- schen Studien in fünf Sprachen durch ein Kopenhagener Team. Fast immer gab es keine Ergebnisunterschiede zwi- schen Placebo und unbehandelten Pati- enten – mit einer Ausnahme: Bei Be- handlungen, die eine kontinuierliche Verbesserung bezweckten – beispiels- weise Hochdruck oder Schmerzen – war ein Placeboeffekt dann festzustel-

len, wenn das Ergebnis subjektiv anzu- geben war – im Beispiel also bei Schmerzen. Dieser Effekt war um so stärker, je kleiner die Studie war – ein Hinweis darauf, dass Suggestionen in das Ergebnis eingeflossen sein könnten.

Es gebe deshalb, sagen die Autoren, außerhalb klinischer Studien keinen Grund, Placebos einzusetzen. bt Hróbjartsson A, Gøtzsche PC: Is the placebo powerless?

N Eng J Med 2001; 344: 1594–1602.

Dr. Asbjørn, Hróbjartsson, Department of Medical Philo- sophy and Clinical Theory, University of Copenhagen, Panum Institute, Blegdamsvej 3, 2200 Kopenhagen N, Dänemark; a: hrobjartsson@cochrane.dk

Placebo: (meist) ineffektiv

Referiert

Der DNA-Gehalt oraler Leukoplakie- zellen erlaubt Aussagen über das zu er- wartende Karzinomrisiko.

Die orale Leukoplakie als Präkan- zerose stellte bislang den einzigen, wenn auch im Verlauf nicht sehr aussa- gekräftigen, Marker für orale Platten- epithelkarzinome dar. Norwegischen Wissenschaftlern gelang es nun, den prädiktiven Wert der oralen Leukopla- kie zu präzisieren, indem sie die Biop- sieproben von 150 Patienten nach Exzi- sion der dysplastischen Epithelzellen auf ihren nukleären DNA-Gehalt (Ploi- die) untersuchten und die Patienten im weiteren Verlauf über einen Zeitraum von durchschnittlich 8,6 Jahren nachbe- obachteten.

Der Diploidiestatus erwies sich da- bei als guter Prädiktor für das Risiko ei- ner malignen Entartung an der betref- fenden Stelle: 70 Prozent der Patienten hatten zum Zeitpunkt der Erstdiagnose diploide (normale) Läsionen, die je- doch nur in drei Prozent der Fälle tatsächlich in ein Karzinom übergingen und damit nur mit einem geringen Ent- artungsrisiko behaftet waren. 13 Pro- zent der Patienten zeigten tetraploide (intermediäre) Läsionen mit einer Kar- zinomrate von 60 Prozent und 17 Pro- zent aneuploide (anormale) Läsionen, die zu 84 Prozent in Plattenkarzinome übergingen. Wie auch aus anderen Stu-

dien bekannt, verhielt sich das Karzi- nomrisiko umgekehrt proportional zur Dauer bis zur malignen Transformati- on. Erstaunlicherweise korrelierte aber der Dysplasiegrad nicht mit dem DNA- Gehalt und dem zu erwartenden Risi- ko. Eine mögliche Quelle für eine Ver- zerrung der Daten wäre nach Ansicht der Autoren die häufigere und räum- lich großzügigere Resektion in Fällen mit schwerer Dysplasie.

Da der Diploidiestatus der initialen Läsion in nahezu allen Fällen dem Status der an anderen Stellen im Mundraum ge- wonnenen Probeexzisionen entsprach, scheint, gerade unter Berücksichtigung der multifokalen Karzinogenese der oralen Karzinome, ein neuer Weg in der Standarddiagnostik und Therapie bei oralen Leukoplakien beschritten, schlie-

ßen die Autoren. goa

Sudbø J et al.: DNA content as a prognostic marker in patients with oral leukoplakia. N Engl J Med 2001; 344:

1270–1278.

Jon Sudbø, Division of Digital Pathology, Departement of Pathology, Norwegian Radium Hospital, Oslo, Norwe- gen.

Vorhersagewert der Leukoplakie verbessert

Referiert

Referenzen

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