Reformen
Regierung plant weitere Schritte
Kanzler will Deutschland
„an die Spitze bringen“.
A
uch im neuen Jahr ste- hen die Zeichen auf Re- formen. Nachdem Bundes- tag und Bundesrat nach zähem Reformpoker massive Steuerentlastungen sowie tie- fe Einschnitte am Arbeits- markt beschlossen haben, plant die Koalition Neuerun- gen bei Bildung, Forschung und Kinderbetreuung. Zudem zeichnet sich eine Annähe- rung zwischen Regierung und Opposition für eine gemein- same große Steuerreform ab. Bundeskanzler Gerhard Schröder sagte bei der Re- formdebatte am 19. Dezem- ber im Bundestag: „Der Re- formprozess ist mit der Agen- da nicht zu Ende.“ CDU-Che- fin Angela Merkel forderte weitere Reformen am Ar- beitsmarkt.Zuvor hatten Regierung und Opposition eines der größ- ten Reformpakete der Nach- kriegszeit geschnürt. Kern- punkte sind Steuersenkungen von rund 15 Milliarden Eu- ro, die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe sowie die Neuordnung der Gemeindefinanzen. Demnach sinkt der Eingangssteuersatz auf 16, der Spitzensteuersatz auf 45 Prozent. Freiberufler wie Ärzte müssen auch künf- tig keine Gewerbesteuer ent- richten. Zudem haben sich
die Parteien auf eine Anhe- bung der Tabaksteuer für Zi- garetten zum 1. März geeinigt.
Weitere Erhöhungen folgen im Dezember dieses Jahres und im September 2005. Die Mehreinnahmen sollen für die Gesundheitsreform verwen- det werden und versicherungs- fremde Leistungen der Kran- kenkassen wie etwa das Mut- terschaftsgeld finanzieren.
Einschnitte müssen Emp- fänger von Steuersubventio- nen und Finanzhilfen hinneh- men. So können Berufspend-
ler nur noch 30 Cent pro Kilo- meter beim Finanzamt gel- tend machen. Gekürzt wird auch die Eigenheimzulage.
Häuslebauer erhalten künftig 30 Prozent weniger Förde- rung als heute. Neu geregelt wird auch der Kündigungs- schutz. Dieser gilt nun nicht mehr für Arbeitnehmer in Unternehmen mit weniger als 10 Beschäftigten. Arbeitgeber sollen so auf die jeweilige Marktlage reagieren können.
Erst 2005, ein halbes Jahr spä- ter als zunächst geplant, treten die so genannten Hartz-IV- Gesetze in Kraft. Für Lang- zeitarbeitslose gilt dann, dass jede legale Arbeit zumutbar ist. Die Arbeitslosenhilfe wird auf Sozialhilfeniveau gesenkt.
Kanzler Schröder kündigte unterdessen an, Deutschland bei Bildung und Innovation
„wieder an die Spitze“ brin- gen zu wollen. Dies werde der Schwerpunkt der Arbeit der Bundesregierung im neuen Jahr. Zugleich signalisierte Schröder die Bereitschaft, sich mit der Union über deren Steuerkonzept zu verständi- gen, sobald die CDU dessen Finanzierungsprobleme ge-
löst habe. SR
A K T U E L L
Die Parlamentarier stimmten am 19. Dezember namentlich über die Reformen im Rahmen der Agenda 2010 ab.
D
er Vermittlungsausschuss hat am 14. Dezember 2003 der Änderung des Arbeits- zeitgesetzes zugestimmt, wo- nach Bereitschaftsdienste auch in Deutschland als Arbeits- zeit zu werten sind und die tägliche Höchstarbeitszeit von zehn Stunden in der Regel auch für Ärzte gelten soll. Al- lerdings wurde in die Geset- zesvorlage der Bundesregie- rung in letzter Sekunde ein Passus eingefügt, demzufolge tarifvertragliche Bestimmun- gen bestehender oder nach- wirkender Tarifverträge, „die den in diesen Vorschriften festgelegten Höchstrahmenüberschreiten“, bis Ende 2005 unberührt bleiben.
Der Marburger Bund (MB) geht davon aus, dass diese Übergangsfrist nur Kranken- häuser mit Tarifverträgen be- trifft, die jetzt schon die eu- ropäische Arbeitszeitrichtli- nie berücksichtigen. Die EU- Richtlinie 93/104 begrenzt die wöchentliche Arbeitszeit auf 48 Stunden. Da die mei- sten Kliniken diese Vorgabe nicht einhielten, könnten sie auch nicht von der Über- gangsregelung profitieren, ar- gumentiert der MB-Vorsit- zende Dr. Frank Ulrich Mont- gomery.
Die Deutsche Kranken- hausgesellschaft (DKG) wer- tet das Vermittlungsergebnis als Erfolg, weil „eine schlagar- tige Umsetzung“ des geänder- ten Arbeitszeitgesetzes zum 1. Januar 2004 abgewendet worden sei. In fast allen Kran- kenhäusern seien vorerst wei- terhin 24-Stunden-Dienste der Ärzte möglich, betont DKG- Sprecher Dr.Andreas Priefler.
Der Europäische Gerichts- hof hatte den deutschen Ge-
setzgeber am 9. September 2003 verpflichtet, das Arbeits- zeitgesetz an die EU-Arbeits- zeitrichtlinie anzupassen. Die zuständige EU-Kommissarin, Anna Diamantopoulou,hat in- zwischen angeregt, die Richt- linie dahingehend zu ändern, dass die Mitgliedsstaaten künf- tig selbst entscheiden können sollen, ob sie Bereitschafts- dienste als Arbeitszeit werten.
Das Urteil habe zu hohe Ko- sten verursacht. JF
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www.aerzteblatt.de
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A4 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 1–25. Januar 2004
Arbeitszeitgesetz
Übergangsfrist für Tarifverträge
Vollständige Umsetzung erst in 2006
Foto:dpa