M 059/2006 FIN 28. Juni 2006 47C Motion
1336 von Allmen, Thun (SP)
Weitere Unterschriften: 0 Eingereicht am: 31.01.2006
Ausschreibungen Reinigungsaufträge
Die Regierung wird aufgefordert, dass künftig bei Neuausschreibungen von Reinigungsaufträgen in der Ausschreibung selber festgehalten wird, dass bei der Zuschlagserteilung an eine neue Unternehmung, diese Firma das Reinigungspersonal, welches bisher im betreffenden Objekt beschäftigt war, zu den gleichen Bedingungen übernehmen muss, wie sie bei der bisherigen Unternehmung gegolten haben, insofern die betroffenen Mitarbeiter/Innen Ihre Zustimmung dazu geben.
Begründung:
Staat, Gemeinden und mehrheitlich von der öffentlichen Hand subventionierte Betriebe haben einen grossen Teil der Reinigungsarbeiten an private Unternehmen ausgelagert.
Diese Reinigungsarbeiten werden periodisch neu ausgeschrieben und vergeben.
Dabei ist es durchaus möglich, dass eine Unternehmung den Zuschlag erhält, weil diese ein billigeres Angebot macht. Verliert nun Firma A einen grösseren Auftrag an die Firma B und kann diesen Verlust nicht unmittelbar mit der Akquisition eines ähnlich grossen Auftrages kompensieren, ist sie in der Regel nicht in der Lage, die im verlorenen Auftrag beschäftigten Unterhaltsreiniger/Innen weiter zu beschäftigen. Die Firma A, die den Auftrag verliert, ter/Innen zu künden. Oft löst dies eine Massenentlassung aus.
Da zudem in der Reinigung eher unterprivilegierte Personen Beschäftigung finden, kann der Verlust dieses Arbeitsplatzes für die betreffenden Personen den Gang zur Fürsorge bedeuten. Was derselbe Staat so mit der Neuausschreibung und dem billigeren Angebot allenfalls einsparen kann, wird mit zusätzlichen Fürsorgekosten wettgemacht.
Diese Situation ist unhaltbar und muss dringend geändert werden.
Mit einer Regelung wie sie die Motion verlangt, gewinnen alle Beteiligte:
Der Staat kann auf die bisher bewährten Reinigungsangestellten zählen und verhindert Massenentlassungen und mögliche Fürsorgefälle.
Die Reinigungsangestellten haben Gewähr, dass sie im betreffenden Objekt auch bei einem Wechsel des Dienstleistungserbringers weiterbeschäftigt werden.
Die Reinigungsunternehmen sind nicht gezwungen bei einem Verlust des Auftrages Massenentlassungen vorzunehmen und entsprechende Sozialpläne auszuhandeln.
2
Antwort des Regierungsrates
Mit seiner Motion fordert der Antragsteller den Regierungsrat auf, bei der Ausschreibung von Reinigungsaufträgen bestimmte Bedingungen zu verlangen, die bei der Zuschlagserteilung zu erfüllen sind.
Der Regierungsrat ist sich der Problematik eines möglichen Wechsels des Reinigungspersonals im Falle einer Neuvergabe von Reinigungsaufträgen an externe Dienstleister bewusst. Er ist aber der Ansicht, dass auch folgende Überlegungen zu berücksichtigen sind:
• Der Regierungsrat hat im Rahmen der Beschaffungen von Gütern und Dienstleistungen für die Sicherstellung der Verwaltungstätigkeit die Bestimmungen des Gesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen zu beachten. Dieses Gesetz hat u.a. zum Ziel, den wirksamen Wettbewerb unter den Anbieterinnen und Anbietern zu fördern und die öffentlichen Mittel wirtschaftlich zu verwenden. Wenn die Regierung bei Neuausschreibungen von Reinigungsaufträgen die Bedingung aufnimmt, dass das Reinigungspersonal übernommen werden muss, könnte dies in einem gewissen Spannungsverhältnis zum Ziel der wirtschaftlichen Verwendung der öffentlichen Mittel stehen. Ausserdem könnte dieser starke Eingriff in die Vertragsautonomie der Parteien die Absicht, wirksamen Wettbewerb zu ermöglichen, zu stark beschränken.
• Obwohl die einzelnen Reinigungsaufträge selten von einer Grössenordnung sind, die zu Massenentlassungen führen könnte, ist sich der Regierungsrat bewusst, dass der allfällige Verlust an Arbeitsplätzen beim Unternehmen, das den Auftrag verliert, für die betroffenen Mitarbeitenden mit Problemen verbunden sein kann. Ein Wechsel der Reinigungsfirma ist aber in Bezug auf den gesamten Arbeitsmarkt in der Regel beschäftigungsneutral: Die Unternehmung, die den Zuschlag für die Ausführung der Reinigungsarbeiten neu erhält, wird aller Voraussicht nach aufgrund des Zuschlags neue Mitarbeitende anstellen müssen oder kann dadurch die Entlassung bisherigen Personals vermeiden. Ein Wechsel der Auftragnehmer ist nach Auffassung des Regierungsrates unter sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht grundsätzlich negativ.
• Gemäss Artikel 24 Absatz 1 Buchstabe f der Verordnung über das öffentliche Beschaffungswesen vom 16. Oktober 2002 (ÖBV; BSG 731.21) werden Anbieterinnen und Anbieter von der Teilnahme am Vergabeverfahren ausgeschlossen, welche dem Personal nicht Arbeitsbedingungen bieten, die namentlich hinsichtlich Entlöhnung, Lohngleichheit für Mann und Frau sowie Sozialleistungen der Gesetzgebung oder dem Gesamtarbeitsvertrag der Branche entsprechen. Mit dieser Bestimmung kann sichergestellt werden, dass den betroffenen Arbeitnehmenden sozialverträgliche Arbeitsbedingungen gewährt werden.
Insgesamt erachtet der Regierungsrat das bestehende Instrumentarium und die gesetzlichen Vorschriften als sachgerecht. Im Sinne einer Weiterentwicklung der Beschaffungspraxis wird er die Anliegen des Motionärs prüfen. Allerdings macht der Regierungsrat darauf aufmerksam, dass eine Umsetzung des Anliegens des Motionärs potenziell einen Eingriff in die verfassungsrechtlich garantierte Wirtschaftsfreiheit darstellt und insofern in einem formellen Gesetz - vorliegend dem kantonalen Gesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (ÖBG) - abgestützt werden müsste. Aufgrund des übergeordneten, zwingenden interkantonalen Beschaffungsrechts und dem anwendbaren Staatsvertragsrecht (GATT/WTO-Abkommen) ist allerdings fraglich, ob eine solche gesetzliche Grundlage vor den Gerichten Bestand haben würde, zumal vorliegend nicht nur die Wirtschaftsfreiheit tangiert wird, sondern auch eine Ungleichbehandlung der Anbietenden in Frage steht, die sich sachlich nicht ohne Weiteres wird begründen lassen.
Antrag: Annahme der Motion als Postulat
3
An den Grossen Rat