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WIE DAS GEHIRN DIE SEELE MACHT WIE DIE SEELE DAS GEHIRN MACHT

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(1)

INSTITUT FÜR HIRNFORSCHUNG

UNIVERSITÄT BREMEN

GERHARD ROTH

G. Roth, 2015

WIE DAS GEHIRN DIE SEELE MACHT WIE DIE SEELE DAS GEHIRN MACHT

Manfred Cierpka gewidmet

(2)

Unter „Seele“ verstehen wir die Gesamtheit aller kognitiven (Sinneswahrnehmungen, Gedanken, Vorstellungen, Erin-

nerungen) und emotionalen Zustände (Gefühle, Stimmungen), die Einfluss auf unser Verhalten haben.

Diese Zustände können bewusst, vorbewusst-intuitiv oder unbewusst ablaufen.

WAS KANN MAN AUS PSYCHOLOGISCH-

NEUROWISSENSCHAFTLICHER SICHT UNTER

„SEELE“ VERSTEHEN?

(3)

Wilhelm Griesinger (1817-

1868) - einer der Begründer der naturwissenschaftlich

orientierten Psychiatrie:

„Psychische Erkrankungen sind

Erkrankungen des Gehirns!“

(4)

Sigmund Freud

(1856-1939)

(5)

S. Freud „Das Unbewusste“ (1915)

„Es ist ein unerschütterliches Resultat der Forschung, dass die

seelische Tätigkeit an die Funktion des Gehirns gebunden ist wie an kein anderes Organ.

Aber alle Versuche, von da aus eine Lokalisation der seelischen Vorgänge zu erraten, alle Bemühungen, die Vorstellungen in Nervenzellen aufgespeichert zu denken und die Erregungen auf Nervenfasern wandern zu lassen, sind gründlich gescheitert.

Dasselbe Schicksal würde einer Lehre bevorstehen, die etwa den

anatomischen Ort des Systems Bw, der bewussten Seelentätigkeit, in der Hirnrinde erkennen und die unbewussten Vorgänge in die

subkortikalen Hirnpartien versetzen wollte.

Es klafft hier eine Lücke, deren Ausfüllung derzeit nicht möglich ist, auch nicht zu den Aufgaben der Psychologie gehört. “

SIND WIR INZWISCHEN WEITER?

(6)

Seitenansicht des menschlichen Gehirns

Großhirnrinde

Kleinhirn

(7)

Limbisches System

Hypothalamus

(nach Spektrum der Wissenschaft,

verändert)

Längsschnitt durch das menschliche Gehirn

Blau:

Limbisches System als Sitz der

Persönlichkeit und „Psyche“

(8)

Hypothalamus

Querschnitt durch das menschliche Gehirn auf Höhe des Hypothalamus

Großhirnrinde

Corpus striatum

(9)

Untere limbische Ebene

Gehirn: Hypothalamus – zentrale Amygdala –vegetative Zentren des Hirnstamms

Ebene unbewusst wirkender angeborener Reaktionen und Antriebe:

Schlafen-Wachen, Nahrungsaufnahme, Sexualität, Aggression – Verteidigung – Flucht, Dominanz, Wut usw.

Diese Ebene ist überwiegend genetisch oder durch vorgeburtliche Einflüsse bedingt und macht unser Temperament aus. Sie ist durch Erfahrung und Erziehung kaum zu beeinflussen.

Hierzu gehören grundlegende Persönlichkeitsmerkmale wie

Offenheit-Verschlossenheit, Selbstvertrauen, Kreativität, Vertrauen- Misstrauen, Umgang mit Risiken, Pünktlichkeit, Ordnungsliebe,

Zuverlässigkeit, Verantwortungsbewusstsein.

(10)

Mittlere limbische Ebene

Gehirn: basolaterale Amygdala, mesolimbisches System

Ebene der unbewussten emotionalen Konditionierung: Anbin- dung elementarer Emotionen (Furcht, Freude, Glück, Verachtung, Ekel, Neugierde, Hoffnung, Enttäuschung und Erwartung) an indi- viduelle Lebensumstände.

Die Amygdala ist auch der Ort unbewusster Wahrnehmung emotionaler kommunikativer Signale (Blick, Mimik, Gestik, Körperhaltung, Pheromone).

Diese Ebene macht zusammen mit der ersten Ebene Temperament) den Kern unserer Persönlichkeit aus. Dieser Kern entwickelt sich in den ersten Lebensjahren und ist im Jugend- und Erwachsenen- alter nur über starke emotionale oder lang anhaltende Einwirkungen veränderbar.

(11)

Amygdala

(Mandelkern)

Amygdala:

Zentrum für emotionale

Konditionierung und das

Erkennen

emotionaler

Signale

(12)

Ventrales Tegmentales Areal

Mesolimbisches System:

Reaktion auf neuartige, überraschende Reize Antrieb durch

Versprechen von

Belohung (Dopamin) Belohnungssystem (hirneigene Opioide)

Nucleus

accumbens

(13)

Obere limbische Ebene

Gehirn: Prä- und orbitofrontaler, cingulärer und insulärer Cortex.

Ebene des bewussten emotional-sozialen Lernens: Gewinn- und Erfolgsstreben, Anerkennung–Ruhm, Freundschaft, Liebe, soziale Nähe, Hilfsbereitschaft, Moral, Ethik.

Sie entwickelt sich in später Kindheit und Jugend. Sie wird wesentlich durch sozial-emotionale Erfahrungen beeinflusst. Sie ist entsprechend nur sozial-emotional veränderbar.

Hier werden zusammen mit den unteren Ebenen grundlegende sozial relevante Persönlichkeitsmerkmale festgelegt wie Machtstreben, Dominanz, Empathie, Verfolgung von Zielen und Kommuni-

kationsbereitschaft.

(14)

ORBITOFRONTALER CORTEX

(15)

• Handlungsantriebe und –motive

• Impulskontrolle (Hemmung subcorticaler limbischer

Zentren, insbes. der Amygdala und des Hypothalamus)

• Erkennen des emotionalen Ausdrucks und des Sinn- gehalts im Verhalten anderer (Empathie/Theorie of Mind)

• Lernen und Steuerung sozial adäquaten Verhaltens

• Abschätzen der Konsequenzen eigenen Verhaltens und individueller und sozialer Risiken

ORBITOFRONTALER CORTEX

(16)

Strukturelle

Veränderungen im Frontalhirn eines

Schwerverbrechers.

Quelle:

Prof. Dr. B. Bogerts,

Magdeburg

(17)

Kognitiv-sprachliche Ebene

Gehirn: Linke Großhirnrinde, bes. Sprachzentren und präfrontaler Cortex.

Ebene der bewussten sprachlich-rationalen Kommunikation:

Bewusste Handlungsplanung, Erklärung der Welt, Rechtfertigung des eigenen Verhaltens vor sich selbst und anderen.

Sie entsteht relativ spät und verändert sich ein Leben lang. Sie verändert sich im Wesentlichen aufgrund sprachlicher Interaktion.

Hier lernen wir, wie wir uns darstellen sollen, um voran zu

kommen. Abweichungen zwischen dieser Ebene und den anderen Ebenen führen zur Diplomatie, zum Opportunismus oder zur

Lüge.

(18)

BEWEGUNGS-

VORSTELLUNGEN

OBJEKTE GESICHTER SZENEN

ANALYSE PLANUNG

ENTSCHEIDUNG

BEWERTUNG

KÖRPER RAUM

SYMBOLE

DORSOLATERALER PRÄFRONTALER CORTEX

MOTORIK SOMATOSENSORIK

SEHEN

HÖREN/SPRACHE AUTOBIOGRAPHIE

SPRACHE

(19)

• Entwicklung des Stress-Verarbeitungssystems (vorgeburt- lich, früh nachgeburtlich)

• Entwicklung des internen Beruhigungssystems (früh nach- geburtlich)

• Entwicklung des internen Motivationssystems (erste Lebens- jahre)

• Entwicklung des Impulshemmungssystems (1.–20. Lebens- jahr)

• Entwicklung des Bindungssystems und von Empathie und Theory of Mind (2.-20. Lebensjahr)

• Entwicklung des Realitätssinns und der Risikowahrnehmung (3. – 20. Lebensjahr oder noch später)

WICHTIGE SCHRITTE IN DER PSYCHO-

NEURALEN ENTWICKLUNG DES KINDES

(20)

Hypothalamus CRF

Hippocampus Hypophyse

ACTH Min.-C. R.

Nebennierenrinde Cortisol

„STRESS ACHSE“

CRF-ACTH-Cortisol-Rückkopplungsschleife zwischen Nebennierenrinde, Hypothalamus und Hippocampus

_

_

Cortisol +

+

+

(21)

AUSWIRKUNGEN PRÄNATALEN UND POSTNATALEN STRESSES

Pränatal über mütterliche Stresserfahrung sowie früh-postnatal wird der Besatz mit Glucocorticoid-Rezeptoren in unterschiedlichen

Bereichen des Gehirns massiv gestört.

Bei relativ mildem postnatalen Stress und Bindungserfahrung

kommt es zu einem Hypercortisolismus, d.h. einer Überängstlichkeit, Angstzuständen, melancholischer Depression und reaktiver

Aggression.

Bei starkem, chronischem und nicht bewältigbaren Stress kommt es zu einen Hypocortisolismus, der zu atypischer Depression, Hilf- losigkeit, Empfänglichkeit für PTSD und emotionaler Unempfindlich- keit bis hin zu Psychopathie führen kann.

(22)

Science 2002

(23)

Caspi et al., Science 2002

Niedrige MAO-A-Aktivität, frühkindliche Misshandlung (drei Kategorien) und späteres antisoziales Verhalten (vier Kategorien)

Verhaltens- auffälligkeit

Antisoziale Persönlich- keitsstörung Straffällig wg.

Gewaltverbrechen

Gewaltbereit -schaft

(24)

Die frühkindliche

Bindungserfahrung ist die wichtigste Erfahrung in unserem Leben. Durch sie wird unser individuelles und gesellschaftliches Verhalten bestimmt:

Selbstwertgefühl,

Empathie, Verantwort- lichkeit.

(Foto: privat)

(25)

Anstieg des Oxytocin-Spiegels bei Eltern und Kind bei liebevoller Interaktion

Feldman et al. 2010

(26)

Reduktion der CRF-ACTH-Cortisol-Produktion und dadurch Verminderung von Angst- und Bedrohtheitsgefühlen.

Erhöhung des Spiegels von Serotonin und endogener Opioide und damit Beruhigung und Erhöhung des Wohlbefindens.

Anregung der Bildung neuer Nervenzellen in limbischen Zentren des Gehirns (Hippocampus, Basalganglien usw.) und damit

Möglichkeit der Kompensation früher psychischer Defizite.

DER EFFEKT DER OXYTOCIN-AUSSCHÜTTUNG

(27)

.

„COMMON-FACTOR“ - THEORIE

Zahlreiche Untersuchungen zur Effektivität von Psychotherapien (z.B. Wampold, 1997; Imel und Wampold, 2008) ergaben, dass die gängigen Psychotherapien mehr oder weniger dieselbe

Effektivität zeigen; 30-70% der Wirkung scheinen auf einen ge- meinsamen Faktor zurückzugehen

Dieser besteht im Bindungs- und Vertrauensverhältnis zwischen Therapeut und Patient, dem Glauben des Therapeuten an seine Methode (welcher Art auch immer) und dem Glauben des Pati- enten, dass ihm geholfen werden wird („therapeutische Allianz“).

Die Wirkung dieses „Bindungsfaktors“ scheint für die erste

Phase , d.h. einer oft schnellen Besserung der Befindlichkeit des Patienten, wichtig zu sein.

(28)

Die „therapeutische Allianz“ führt wahrscheinlich zu einer Beein- flussung des CRF- bzw. Cortisol- und Serotonin-Stoffwechsels durch die bindungsbezogene Ausschüttung von Oxytocin und endogenen Opioiden.

Eine bindungsorientierte PT könnte in der Amygdala, im HC,

insulären und vmPFC die dort vorhandenen Oxytocin-Rezeptoren verstärken, die ihrerseits eine verringerte Cortisolfreisetzung und eine Verstärkung der Serotonin1A-Rezeptoren bewirken können.

Ebenso kann eine Hemmung der Amygdala-Aktivität über eine

Stärkung der hemmenden Einflüsse des vmPFC und OFC erfolgen.

Die eigentlichen strukturell-funktionalen Defizite werden dabei aber offenbar nicht behoben – dies könnte die hohe Rückfallquote bei Depression erklären.

ERSTE PHASE

(29)

Behandlung schwerer wiegender Störungen als Ergebnis einer Kombination genetisch-epigenetischer Vorbelastungen, einer Traumatisierung in früher Kindheit bis hin zu schweren „struktu- rellen“, meist entwicklungsbedingten Störungen (mangelhaftes

Ausreifen von Amygdala, Hippocampus, ventrales Frontalhirn usw.).

Diese Störungen können offenbar nur sehr langsam und auf eine Weise, die dem impliziten Lernen ähnelt, behandelt werden (wenn überhaupt), indem sich auf subcorticaler Ebene neue Muster von Antworteigenschaften („Ersatzschaltungen“) ausbilden, welche die alten Muster überlagern, ohne sie ganz auszulöschen.

ZWEITE THERAPIE-PHASE

(30)

ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK

„Seele“ , d.h. Psyche und Persönlichkeit entstehen in strenger

Parallelität zur Entwicklung des Gehirns. Hierbei entstehen im Gehirn die sechs neuropsychischen Systeme, die aufeinander aufbauen:

• Stressverarbeitung (HPA-Achse)

• Selbstberuhigung und Frustrationstoleranz

• Emotions- und Impulskontrolle

• Bindung und Sozialität (Empathie, Theory of Mind)

• Belohnungsempfindlichkeit und Belohnungserwartung

• Realitätsbewusstsein und Risikowahrnehmung

Defizite im Stressverarbeitungs-, Selbstberuhigungs- und Bindungs- system liegen allen psychischen Störungen und Verhaltens-

problemen zugrunde.

Eine erfolgreiche Pychotherapie erfordert eine therapeutische Allianz und ein langanhaltendes (prozedurales) Einüben neuer

Einstellungen und Verhaltensweisen.

(31)

Klett-Cotta, Stuttgart 2014

(32)

VIELEN DANK FÜR IHRE AUFMERKSAMKEIT!

UND DIR MANFRED DIE

BESTEN WÜNSCHE!

Referenzen

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