Ludwig-Maximilians-Universität München
Die Wirkung der Phononenkollektoren an den Lichtdetektoren des CRESST-Experiments
Diplomarbeit im Fachbereich Physik
Wolfgang Mai von September 2008
durchgeführt am
Max-Planck-Institut für Physik
Werner-Heisenberg-Institut
2
Inhaltsverzeichnis
1 Dunkle Materie 5
1.1 Experimentelle Evidenz . . . . 5
1.1.1 Galaxienbewegung in Clustern . . . . 5
1.1.2 Rotationskurven in Spiral-Galaxien . . . . 5
1.1.3 Gravitationslinsen . . . . 6
1.1.4 Röntgenemission aus Galaxien-Clustern . . . . 7
1.1.5 Direkte Beobachtung bei einer Clusterverschmelzung . 7 1.1.6 Anisotropie der kosmischen Hintergrundstrahlung . . . 8
1.2 Aussichtsreiche Kandidaten . . . 12
1.2.1 MACHOs . . . 12
1.2.2 Neutrinos . . . 12
1.2.3 Axionen . . . 13
1.2.4 WIMPs . . . 13
2 Das CRESST-Experiment 15 2.1 Aufbau des Experiments . . . 15
2.1.1 Das Gran-Sasso-Untergrundlabor . . . 15
2.1.2 Untergrundstrahlung . . . 15
2.1.3 Passive Abschirmung . . . 17
2.2 Detektoren . . . 17
2.2.1 Detektorprinzip . . . 18
2.2.2 Detektor-Aufbau . . . 19
2.2.3 Identizierung . . . 19
3 Die theoretische Beschreibung des Lichtdetektors 23 3.1 Der Aufbau des Lichtdetektors . . . 23
3.2 Wärmekapazität . . . 24
3.2.1 Wärmekapazität bei tiefen Temperaturen . . . 24
3.2.2 Supraleitung . . . 25
3.3 Das Detektormodell . . . 26
3.3.1 Nichtthermische Phononen im Absorberkristall . . . 26
3.3.2 Die thermischen Kopplungen im Detektor . . . 28
3.3.3 Leistungseintrag . . . 29
3
4 INHALTSVERZEICHNIS
3.3.4 Pulsform . . . 30
3.4 Die Phononenkollektoren . . . 30
3.4.1 Absorption im Kollektorlm . . . 31
3.4.2 Quasiteilchenrelaxation und -rekombination . . . 31
3.4.3 Quasiteilchendiusion . . . 33
4 Experimentelle Techniken 35 4.1 Herstellung der Lichtdetektoren . . . 35
4.1.1 Das Konzept . . . 35
4.1.2 Produktionsschritte . . . 37
4.2 Vorbereitung der Röntgenquelle . . . 40
4.2.1 Eisenquelle und Fluoreszenz . . . 40
4.2.2 Einstellen der Quelle . . . 41
4.3 Messungen . . . 46
4.3.1 Kryostat . . . 46
4.3.2 Datenauslese . . . 47
5 Messergebnisse 51 5.1 Die Übergangstemperaturen und Probleme aller Detektoren . 51 5.1.1 Substrat WII-114 . . . 51
5.1.2 Substrat WII-116 . . . 52
5.1.3 Substrat WII-119 . . . 52
5.1.4 Substrat WII-122 . . . 53
5.2 Vergleichsmessungen im Detektorbetrieb . . . 53
5.2.1 Der Versuchsaufbau . . . 53
5.2.2 Das Vorgehen zum Messen der Pulse . . . 56
5.2.3 Die Auswertung der Pulse . . . 58
5.2.4 Vergleich hinsichtlich der Temperaturerhöhung . . . 60
5.2.5 Vergleich der Pulsformen . . . 62
5.3 Schlussfolgerungen . . . 65
6 Zusammenfassung und Ausblick 67
Kapitel 1
Dunkle Materie
1.1 Experimentelle Evidenz
Experimentelle Evidenz für die Existenz Dunkler Materie gibt es auf drei verschiedenen Gröÿenskalen, und zwar auf galaktischer Ebene, auf Ebene der Galaxienhaufen (Cluster) und auf kosmologischer Ebene.
1.1.1 Galaxienbewegung in Clustern
Bereits 1933 errechnete Zwicky mittels des Virialtheorems
2 < E
kin> + < E
pot>= 0, (1.1) dass die tatsächliche Masse des Coma-Haufens wesentlich gröÿer sein muss, als die Sichtbare [Zwi33].
Für N Galaxien gilt dann also:
N m < v
2> − N (N − 1)m
2G
< r > = 0 (1.2) N m := M ≈ < r >< v
2>
G (1.3)
Um so einen Galaxienhaufen gravitativ zusammenzuhalten, musste die Ge- samtmasse nach Zwickys Berechnungen mit den gemessenen Daten des Coma-Haufens etwa das 400-fache der sichtbaren Masse ausmachen, weshalb er als Erster die Existenz Dunkler Materie vermutete.
1.1.2 Rotationskurven in Spiral-Galaxien
Aus dem Kräftegleichgewicht zwischen Zentrifugal- und Gravitationskraft folgt nach Newton, dass sich die Umlaufgeschwindigkeiten von Sternen au- ÿerhalb des inneren Kerns in Spiral-Galaxien zum Radius (Abstand zum Zentrum der Galaxie) verhalten sollten wie v ∝ r
−1/2.
5
6 KAPITEL 1. DUNKLE MATERIE
mv
2r = GmM
r
2⇒ v(r) =
r GM (r)
r (1.4)
Innerhalb des inneren Kerns ist die Dichte konstant, weshalb v ∝ r ist.
ρ = const. ⇒ M (r) = ρ 4
3 πr
3⇒ v(r) ∝ r (1.5) Gemessen wurde mittels Dopplerverschiebung aber, dass die Umlaufge- schwindigkeit ab einem Radius von einigen kpc etwa konstant ist [VR70].
Dieser Umstand ist in einem Diagramm sichtbar am Beispiel der Galaxie M33 in Abbildung 1.1. Das bedeutet, dass M ∝ r sein muss. Aus dieser Beobachtung lässt sich schlieÿen, dass der Halo der Galaxie etwa 6 - 8 mal so schwer ist wie der sichtbare Teil, also ein weiterer Hinweis auf Dunkle Materie.
Abbildung 1.1: Die Rotationskurve der Galaxie M 33 [SK02]
1.1.3 Gravitationslinsen
Nach Albert Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie wird elektromagneti- sche Strahlung von Gravitationsfeldern abgelenkt, und zwar gemäÿ:
∆ = 4GM
c
2r
0(1.6)
mit der kürzesten Enfernung zum Massenschwerpunkt r
0. Damit können mas-
sereiche Objekte Licht durch Ablenkung wie Linsen bündeln (siehe Abbildung
1.1. EXPERIMENTELLE EVIDENZ 7 1.2) und werden somit als Gravitationslinsen bezeichnet. Der Ablenkungs- winkel verhält sich proportional zur Masse der Linse, so dass sich mit diesem Eekt die Massen von Objekten bestimmen lassen. Die Anwendung auf Ga- laxien bzw. Galaxienhaufen ergibt, dass die Masse der beobachteten Objekte etwa fünfmal gröÿer als ihre sichtbare Masse ist.
Abbildung 1.2: Auf dem Weg zum Beobachter wird das Licht durch groÿe Massen abgelenkt
1.1.4 Röntgenemission aus Galaxien-Clustern
In Clustern bendet sich heiÿes Gas, welches thermische Strahlung im Röntgen-Bereich aussendet. Gemessen werden kann diese Röntgenstrahlung mit Satellitenteleskopen wie beispielsweise ROSAT, Chandra oder XMM- Newton. Dieses Röntgengas hätte aber eine gröÿere Geschwindigkeit als die Fluchtgeschwindigkeit des Clusters berechnet mit der sichtbaren Materie und dürfte somit gar nicht an den Galaxienhaufen gebunden sein. Damit das Gra- vitationsfeld stark genug ist, um dieses Gas gravitativ zu binden, ist etwa vier mal soviel dunkle wie sichtbare Masse notwendig.
1.1.5 Direkte Beobachtung bei einer Clusterverschmel- zung
Erstmals direkt nachgewiesen wurde Dunkle Materie bei der Verschmelzung zweier Galaxienhaufen im sogenannten Bullet-Cluster(1E 0657-558)[DC06].
Dieser ist auf Abbildung 1.3 zu sehen. Der kleinere im Bild auf der rech-
ten Seite durchquerte den gröÿeren wie ein Geschoss (daher der Name). Zu
sehen ist darauf in rot die Röntgenstrahlung, die von dem heiÿen Gas der
Haufen ausgesandt wird sowie die mit Gravitationslinseneekten ermittelte
Massenverteilung in blau. Dabei wird insbesondere deutlich, dass das Gas
Schockfronten bildet, an denen es aufeinanderprallt und sich dabei aufheizt.
8 KAPITEL 1. DUNKLE MATERIE
Abbildung 1.3: Verschmelzung von zwei Clustern aufgenommen von Chandra im Röntgenbereich sowie Magellan und Hubble Space Telescope im optischen Spektrum. Der Groÿteil der Masse des Clusters bendet sich im blauen Be- reich, der aus vorwiegend dunkler Materie besteht und über Gravitationslin- seneekte bestimmt wurde. Der rote Bereich zeigt Röntgenemission gewöhn- licher Materie in Form von Gas [NAS04]
Allerdings verliert das Gas dabei an Geschwindigkeit und hinkt der restli- chen Galaxie daher hinterher. Die Dunkle Materie ist aber schwach wech- selwirkend mit sich selbst und dem Gas und iegt (ebenso wie der Groÿteil der Sterne) nahezu stoÿfrei durcheinander hindurch. Daraus folgt auch, dass die Natur Dunkler Materie nichtbaryonisch ist, weil keine elektromagneti- sche Wechselwirkung auftritt. Des Weiteren kann dieser Befund auch nicht von alternativen Gravitationstheorien wie MOND (Modizierte Newtonsche Dynamik), die manchmal zur Erklärung der Rotationskurven herangezogen werden, erklärt werden.
1.1.6 Anisotropie der kosmischen Hintergrundstrah- lung
Die kosmische Hintergrundstrahlung, die bereits in den 40er Jahren als Folge
des Urknalls vorhergesagt [RA48] und später (1964 durch Penzias und Wil-
son) [AP66] auch tatsächlich entdeckt wurde, besteht aus Mikrowellenstrah-
lung mit einer Temperatur von 2,7 K. Diese Hintergrundstrahlung resultiert
aus der Kombination der Elektronen mit den Atomkernen etwa 380.000 Jahre
nach dem Urknall (dieser Vorgang wird oft etwas irreführend als Rekombina-
tion bezeichnet). Sie füllt (nach Berücksichtigung der Dopplerverschiebung
1.1. EXPERIMENTELLE EVIDENZ 9 durch die Galxienbewegung) nahezu isotrop das Weltall aus. Mit den Satel- liten COBE und später dann WMAP gelang es aber trotzdem, Anisotropien (Abweichungen der Temperatur vom Mittelwert) im Bereich von etwa 10
−6zu messen.
Abbildung 1.4: Ein Bild der Anisotropie der kosmischen Hintergrundstrah- lung aufgenommen vom WMAP-Satelliten [NAS]
Anteil nichtbaryonischer Materie aus Höhe der Peaks
Trägt man in einem Leistungsspektrum die quadratische Temperaturabwei- chung in Abhängigkeit von der Winkelausdehnung am Himmel auf, ergibt sich ein erstes, hohes Maximum bei etwa 1
◦sowie weitere kleinere Maxima bei kleineren Winkeln. Die Temperaturschwankungen können auf Dichteunter- schiede zum Zeitpunkt der Rekombination zurückgeführt werden und somit war die zu diesem Zeitpunkt (also 380.000 Jahre nach dem Urknall) erreich- te Ausdehnung von einem Grad die gröÿtmögliche Schwingungslänge. Da auf die baryonische Materie der Strahlungsdruck wirkt, auf die dunkle aber nicht, ist das 2. und 3. Maximum kleiner. Aus den relativen Höhen der ersten drei Maxima ergibt sich dann, dass die gravitierende Masse etwa 5 mal so groÿ wie sichtbare Masse ist [WH04].
Kosmologische Folgerungen
Grundlegend sind in der Kosmologie die aus der allgemeinen Relativitätstheo- rie mit der Annahme des kosmologischen Prinzips (das Universum ist räum- lich homogen und isotrop) abgeleiteten Friedmann-Lemaître-Gleichungen:
R ˙
2R
2+ k
R
2= 8πG
3 ρ (1.7)
10 KAPITEL 1. DUNKLE MATERIE
Abbildung 1.5: Das Leistungsspektrum der kosmischen Hintergrundstrahlung mit dem ersten Maximum bei 1
◦Winkelausdehnung
[NAS]
2 R ¨ R +
R ˙
2R
2+ k
R
2= −8πGp (1.8) Der Dichteparameter Ω ist deniert als:
Ω = ρ
ρ
c(1.9)
mit der kritischen Dichte ρ
c= 3H
28πG (1.10)
und dem Hubble-Parameter H(t) = R ˙
R (1.11)
Für die Geometrie des Universums bedeutet das:
• Ω < 1 ⇒ oenes Universum, das heiÿt das Universum dehnt sich im- merwährend aus.
• Ω = 1 ⇒ aches Universum, das heiÿt die Expansion wird immer langsamer und kommt irgendwann nahezu zum Erliegen.
• Ω > 1 ⇒ geschlossenes Universum, das heiÿt die Expansion stoppt irgendwann, und das Universum fällt wieder in sich zusammen.
Des Weiteren kann aus der mit Hilfe der Hintergrundstrahlung ermittelten
Winkelausdehnung über ein gedachtes Dreieck von der Erde zurück zur Zeit
1.1. EXPERIMENTELLE EVIDENZ 11 der Rekombination geschlossen werden, dass die Winkelsumme im Dreieck 180
◦beträgt. Daraus folgt, dass das Universum ach ist und die Krümmung k in den Friedmann-Lemaître-Gleichungen gleich null ist. Aus der Flachheit des Universums wurde dann Ω = 1, 02± 0, 02 [DS03] ermittelt. Zusammengesetzt ist der Dichteparameter Ω dann aus Ω
Λfür die Dunkle Energie (die für die Expansion des Universums verantwortlich ist) und Ω
Mfür die gravitierende Masse des Universums
1.
Abbildung 1.6: Der überlappende Bereich verschiedener Beobachtungen zeigt, dass die Dunkle Energie etwa 70 %, Materie 30 % und davon die baryo- nische Materie maximal etwa 5 % der Energiedichte ausmacht. Die sichtbare Materie beträgt nur winzige 0,2 bis 0,6 % [Gon04]
Die Energiedichte des Universums entspricht also etwa der kritischen Dichte. Mit verschiedenen anderen Beobachtungen (Galaxienrotverschie- bung, Vermessung entfernter Supernovae) folgt, wie man auf Abbildung 1.6 sehen kann, dass Ω
Λ≈ 0, 73 und Ω
M≈ 0, 27 ist [RK03]. Da die gewöhnliche Materie aber nur etwa 4 % der kritischen Energiedichte ausmacht [DS03], muss der gröÿte Teil der gravitierenden Masse im Universum aus Dunkler Materie bestehen.
1
Der Dichteparameter für die Krümmung Ω
k= −
R2k0H20
ist Null, weil k=0 ist.
12 KAPITEL 1. DUNKLE MATERIE
1.2 Aussichtsreiche Kandidaten
Die Dunkle Materie setzt sich sowohl aus bekannter Materie (Baryonen und Neutrinos) als auch aus neuen, unbekannten Materieformen zusammen. Für die unbekannte Dunkle Materie hat die Theorie bereits einige aussichtsreiche Kandidaten vorgeschlagen.
1.2.1 MACHOs
Das Akronym MACHO steht für MAssive Compact Halo Objects. Es um- fasst verschiedene Arten von Objekten, die aus baryonischer Materie beste- hen, aber nicht genügend leuchten, um direkt gesehen zu werden. Zu ihnen ge- hören braune Zwerge, Planeten und Sternleichen wie erloschene Weiÿe Zwer- ge, Neutronensterne oder schwarze Löcher. Nachgewiesen werden diese nicht oder sehr schwach leuchtenden Objekte mit der Methode des sogenannten Microlensing. Dabei nutzt man den bereits oben erwähnten Gravitationslin- seneekt, der beim Vorbeiug eines MACHOs vor einer Lichtquelle zu einem kurzen Helligkeitsanstieg führt. Die Ergebnisse einer Durchrasterung unserer Galaxie führen zu der Erkenntnis, dass 80 % der Dunklen Materie nichtba- ryonisch ist.
1.2.2 Neutrinos
Die Zahl der Neutrinos liegt seit deren Abkopplung, dem Zeitpunkt an dem die mittlere freie Weglänge der Neutrinos die Gröÿe des Universums erreicht, bei T ≈ 3M eV fest. Demnach müssten Neutrinos eine Masse von 47 eV haben, um die komplette Dunkle Materie zu erklären, was im Widerspruch zur experimentellen Obergrenze von m
νe< 2eV [Wei03] steht. Da Neutrinos aber allem Anschein nach(die beobachtete Neutrino-Oszillation setzt eine Neutrino-Ruhemasse voraus) nicht masselos sind, tragen diese, wenn auch nur mit kleinem Anteil zur Dunklen Materie bei
2. Da sich Neutrinos mit re- lativistischen Geschwindigkeiten bewegen, werden diese der heiÿen Dunklen Materie zugerechnet. Neuere Modellrechnungen haben ergeben, dass heiÿe Dunkle Materie benötigt wird, um die beobachteten groÿräumigen Struktu- ren des Universums zu erzeugen. Allerdings erfordert die beobachtete Struk- turbildung im Kosmos, dass auch kalte Dunkle Materie existiert, um Dichte- uktuationen zu erzeugen. Ohne Dichteuktuationen wäre die Massenvertei- lung im Kosmos isotrop und Galaxienentstehung wäre nicht möglich. Diese ungleich verteilte, kalte Dunkle Materie dient somit als Keimzelle der heuti- gen Galaxien.
2
Ergebnisse aus verschiedenen Beobachtungen ergaben 0, 002 < Ω
ν< 0, 06 [JK07].
1.2. AUSSICHTSREICHE KANDIDATEN 13
1.2.3 Axionen
Axionen sind hypothetische Teilchen, die die CP-Invarianz der starken Wech- selwirkung erklären sollen. Demnach unterdrückt die Symmetrie eines Axio- nenfelds die CP-Verletzung in der Quantenchromodynamik. Sie sollen in groÿer Dichte vorkommen, eine kleine Masse besitzen und praktisch nicht wechselwirken. Erzeugt werden sollten sie theoretisch auch im Zentrum der Sonne durch den Primako-Eekt. Diese solaren Axionen werden mit dem CAST-Experimant am CERN in Genf gesucht und sollen sich im starken Magnetfeld des Dipolmagneten des LHC mittels des Primako-Eekts in Röntgenquanten verwandeln, die dann nachgewiesen werden könnten.
1.2.4 WIMPs
WIMP steht für Weakly Interacting Massive Particle, also ein schwach wech- selwirkendedes und massereiches Teilchen. Von theoretischer Seite betrachtet ist dieses gesuchte Teilchen wahrscheinlich ein Neutralino, ein Teilchen des SUSY-Modells. Nach der Theorie der Supersymmetrie (SUSY) existiert zu jedem Teilchen des Standardmodells ein sogenannter Superpartner, der einen um 1/2 verschiedenen Spin hat. Ausgangspunkt der SUSY ist die Forderung, dass die Natur symmetrisch beim Austausch Fermion ↔ Boson ist. Bezeich- net werden diese Superpartner als S-Quark und S-Lepton, beziehungsweise als Photino, Wino, Zino etc. Diese Symmetrie hat eine neue Erhaltungsgröÿe zur Folge, die R-Parität genannt wird. So ist R = 1 für gewöhnliche Teil- chen und R = −1 für SUSY-Teilchen. Berechnet wird R mit Baryonenzahl B, Leptonenzahl L und Spin S:
R = (−1)
3(B−L)+2S(1.12) Das leichteste neutrale SUSY-Teilchen ist das Neutralino, das eine Su- perposition von Photino, Zino und Higgsino ist. Es ist neutral, schwach wechselwirkend, stabil und hat eine Masse von der Gröÿenordnung 100 GeV /c
2. Damit ist es ein ausgezeichneter Kandidat für nichtbaryonische, dunkle Materie. Chancen, es zu nden, bestehen neben den Dunkle-Materie- Suchexperimenten vor allem an den groÿen Beschleunigern wie dem LHC.
Dort würde das Fehlen von Energie in Gröÿenordnung der WIMP-Masse
auf ein entkommenes WIMP schlieÿen lassen.
14 KAPITEL 1. DUNKLE MATERIE
Kapitel 2
Das CRESST-Experiment
Das CRESST-Experiment (Cryogenic Rare Event Search with Superconduc- ting Thermometers) versucht, Dunkle Materie in Form von WIMPs direkt über elastische Streuung an Atomkernen nachzuweisen. Voraussetzung dafür ist eine möglichst eektive Untergrundunterdrückung und die Möglichkeit, die verbleibende Hintergrundstrahlung als solche identizieren zu können.
2.1 Aufbau des Experiments
2.1.1 Das Gran-Sasso-Untergrundlabor
Die Laboratori Nazionali del Gran Sasso sind die gröÿten Untergrundlabore der Welt und benden sich in einem Autobahntunnel unter dem Gran Sasso Gebirgsmassiv unter etwa 1400 m Fels. Dadurch besitzen sie eine hervor- ragende Abschirmung vor kosmischer Strahlung (3500 m Wasseräquivalent) und können diese etwa um den Faktor 10
−6reduzieren. Das entspricht dann einem Myonenuss von einem Myon pro Quadratmeter und Stunde. Aller- dings muss man berücksichtigen, dass der Fels selbst eine gewisse Strahlen- aktivität besitzt, die zum Strahlungshintergrund beiträgt.
2.1.2 Untergrundstrahlung
Zum Strahlungshintergrund tragen mehrere verschiedene Quellen bei, die im Folgenden kurz angesprochen werden.
Kosmische Strahlung
Die kosmische Strahlung, die gröÿtenteils solaren Ursprungs ist, besteht pri- mär aus Protonen und zu einem kleinen Prozentsatz aus Neutronen, Alpha- teilchen und schwereren Kernen. Diese primäre Strahlung erzeugt in höheren Lagen der Atmosphäre in nuklearen Reaktionen Teilchenschauer, die dann
15
16 KAPITEL 2. DAS CRESST-EXPERIMENT
Abbildung 2.1: Schematischer Aufbau des CRESST-II Kryostaten im Gran
Sasso Labor
2.2. DETEKTOREN 17 als Sekundärstrahlung die Erde erreichen. Hauptsächlich besteht diese aus Myonen, die aus dem Zerfall von geladenen Pionen hervorgehen.
Radioaktivität
Natürliche Radioaktivität kommt in der Natur bei den Uran- und Thorium- zerfallsketten vor, sowie bei den sehr langlebigen Isotopen K-40 und Rb-87.
Aus den Zerfallsreihen ist insbesondere das Radongas erwähnenswert, weil es sich verstärkt in unterirdischen Räumen ansammelt. Auch kurzlebigere Isotope kommen auf der Erde vor, weil sie durch Reaktionen der kosmischen Strahlung immer neu gebildet werden (z.B. Tritium H-3 oder C-14). Hin- zu kommt noch anthropogene Radioaktivität, die aus Kernwaentests und Unfällen stammt, wie beispielsweise Cs-137 aus dem Tschernobyl-GAU.
Neutronen
Neutronen können durch spontane Kernspaltungen, ( α ,n)-Reaktionen oder durch Spallationsprozesse des Felsens oder der Abschirmung mit den Myonen der kosmischen Strahlung entstehen.
2.1.3 Passive Abschirmung
Der CRESST-Kryostat selbst besitzt zur passiven Abschirmung mehrere Schilde. Zunächst ist auÿen herum eine Polyethylenschicht installiert, die Neutronen moderiert, so dass sie unter der Schwelle des Detektors liegen.
Danach kommt ein Blei-Schild. Blei hat aufgrund seiner groÿen Kernladungs- zahl einen groÿen Wirkungsquerschnitt für Myoneneinfang und schirmt zu- dem gut gegen γ -Strahlung ab. Sein Wirkungsquerschnitt für Neutronenein- fang ist dagegen gering, so dass wenige radioaktive Kerne im Blei erzeugt werden [Nin05]. Allerdings können radioaktive Vorläufer des Bleis aus den natürlichen Zerfallsreihen vorkommen. Zur Abschirmung dieser Emissionen ist der innerste Schild aus reinstem Kupfer aufgebaut.
Zur aktiven Unterdrückung und Identizierung von myoneninduzierten Er- eignissen wurde um die Blei/Kupfer-Abschirmung herum auÿerdem ein Myon-Veto installiert.
2.2 Detektoren
Das Ziel der im CRESST-Experiment eingesetzten Detektoren ist der ein-
deutige Nachweis von WIMPs. Da diese aber einen sehr kleinen Wirkungs-
querschnitt mit gewöhnlicher Materie haben, ist eine genaue Identizierung
der gemessenen Teilchen sowie eine hervorragende Energieauösung Voraus-
setzung dafür.
18 KAPITEL 2. DAS CRESST-EXPERIMENT
Abbildung 2.2: Hier ist ein vollständiges Detektormodul zu sehen, das aus einem Lichtdetektor (links) und einem Phononendetektor (rechts) besteht
2.2.1 Detektorprinzip
Das Ziel der Detektoren ist die Messung der Temperaturerhöhung, die ein elastischer Stoÿ eines WIMPs mit einem Atom des Kristalls verursacht. Als Wirkungsquerschnitt erwartet man für einen spinunabhängigen elastischen Stoÿ [JL96]:
σ ∝ m
2N(2.1)
Aufgrund dieser Relation empelt es sich auch, als Stoÿpartner des WIMPs Kerne möglichst hoher Masse zu wählen. Die übertragene Rückstoÿenergie eines WIMPs ist:
∆E = m
Nm
2χ(m
N+ m
χ)
2v
2(1 − cos θ) (2.2)
Hier bezeichnet m
Ndie Kernmasse, m
χdie WIMP-Masse, v die (nichtrelati-
vistische) WIMP-Geschwindigkeit sowie θ den Streuwinkel im Schwerpunkt-
system. Gröÿenordnungsweise sollte sich diese Rückstoÿenergie im Bereich
von einigen keV bewegen.Diese durch die übertragene Energie verursachte
Temperaturerhöhung ist mikroskopisch gesehen eine Anregung von Gitter-
schwingungen, also Phononen, im Kristall. Da diese Temperaturerhöhung
jedoch sehr klein ist, ist ein Messverfahren erforderlich, das sehr empndlich
reagiert. Erreicht wird dies mit einem supraleitendenden Film, der exakt im
Bereich des Übergangs betrieben wird. Findet nun ein Stoÿ mit entsprechen-
der Erhöhung der Temperatur statt, erhöht der Supraleiter messbar seinen
elektrischen Widerstand und gestattet damit die Bestimmung des Energie-
übertrags.
2.2. DETEKTOREN 19
Abbildung 2.3: Die typische Kurve des Übergangs eines Wolframlms
2.2.2 Detektor-Aufbau
Ein komplettes Detektormodul besteht aus einem Kristall aus Kalziumwolfra- mat ( CaW O
4), auf dem ein Lichtdetektor und ein Phononendetektor sitzen.
Der zylindrische CaW O
4Kristall ist 300 g schwer, 40 mm hoch und hat einen Durchmesser von 40 mm . Der Phononendetektor besteht aus einem auf den Kristall aufgedampften Wolframlm, der 0,5 bis 2 kÅ dick ist und eine Fläche von etwa 50 mm
2bedeckt. Der Lichtdetektor besteht ebenfalls aus einem Wolframlm mit einer Dicke von 2 kÅ, der auf eine Scheibe aus Saphir( Al
2O
3) und Silizium aufgedampft ist. Diese Scheiben (Wafer) haben auf der einen Seite 400 µm Saphir und auf der anderen 1 µm Silizium, wobei das Silizium als Absorbator fungiert und der Saphir transparent ist.
2.2.3 Identizierung
Zur eindeutigen Identikation der gemessenen Teilchen werden in einem Dia- gramm die gemessene Energie des Lichtdetektors gegen die des Phononende- tektors aufgetragen. Dabei fallen sofort die durch β - und γ -Strahlen ausge- lösten Ereignisse auf. Diese liegen auf einem Band im Bereich relativ hoher Lichtenergie, da sie ihre Energie im Wesentlichen an die Elektronen der Atom- hülle abgeben und dadurch starke Szintillation im Kristall auslösen. Eben- falls eindeutig sichtbar sind α -Strahlen, die aufgrund ihrer Ladung relativ viel Lichtausbeute geben und auÿerdem aufgrund ihrer diskreten Energien (gut ablesbar im Phononenkanal) den entsprechenden Zerfällen zugeordnet wer- den können. Interessant hierzu ist, dass bei CRESST erstmals der α -Zerfall von Wolfram 180 beobachtet werden konnte, das mit der Halbwertszeit von 1,8 Trillionen Jahren zerfällt [CC04].
Mehr Probleme bereitet Neutronenstrahlung, die wenig Lichtausbeute hat
und sich daher im Diagramm in dem Bereich, in dem WIMPs erwartet wer-
20 KAPITEL 2. DAS CRESST-EXPERIMENT
Abbildung 2.4: Hier sind die Energien des Phononendetektors gegen die
gleichzeitig gemessene Energie im Lichtdetektor aufgetragen. Die Einheit der
Lichtdetektorenergie ist in keV
eeangegeben, was für electron equivalent
steht und auf 1 für Elektronen normiert ist. Oben auf der linken Seite sind
nur γ - und β -Strahlen gemessen worden, oben auf der rechten auch noch
Neutronen. Unten zu sehen ist die Signatur für Alpha-Zerfälle, deren diskre-
te Energieniveaus schön im Phononenkanal zu sehen sind.
2.2. DETEKTOREN 21 den
1, bendet. Aus kinematischen Gründen stoÿen die detektierten Neutro- nen hauptsächlich mit Sauerstoatomen zusammen. Bei einem Zusammen- stoÿ mit einem Wolframkern ist der Energieübertrag aufgrund dessen hoher Masse (Atommasse von Wolfram: 183,84 u) so gering, dass ein Groÿteil der Energien der Rückstoÿkerne unter der Nachweisschwelle liegt. Auÿerdem kön- nen Mehrfachereignisse als WIMP-Ereignis ausgeschlossen werden, da die Rate kleiner als 0,1 Ereignisse pro Tag und kg ist [Nin05]. Dagegen steigt der Wirkungsquerschnitt der Streuung eines WIMPs mit einem Kern gemäÿ Gleichung 2.1 proportional zum Quadrat der Masse des Kerns, weshalb ein WIMP höchstwahrscheinlich an einem Wolframkern gestreut wird [KG96].
Neutrinos liegen im Falle eines neutralen Stroms unter der Nachweisschwelle.
Bei einem geladenen Strom liegt das Ereignis im Elektronen-Gamma-Band und geht in der Vielzahl dieser Ereignisse unter.
Der Quenchingfaktor
Das Verhältnis von Lichtausbeute von γ -Strahlung mit fester Energie E zu Lichtausbeute von Rückstoÿkernen mit Energie E hängt von der Art des Rückstoÿkerns ab und kann daher zur Unterscheidung genutzt werden. Nach [Huf06] ist das pro Weglänge produzierte Szintillationslicht für verschiedene Massen zwar gleich. Für eine feste Energie ist aber der zurückgelegte Weg eines Teilchens abhängig von dessen Masse. Das bedeutet also, dass schwe- rere Teilchen wie Wolfram weniger Licht erzeugen als leichte wie Sauersto.
Zur Beschreibung dieser Eigenschaft führt man den sogenannten Quenching- Faktor ein, der wie folgt deniert ist:
QF := Lichtausbeute von γ -Strahlung der Energie E
Lichtausbeute von Kernrückstöÿen der Energie E (2.3) Die Bezeichnung Quenching soll darauf hindeuten, dass die Lichtausbeute bei einem Stoÿ mit einem Kern im Vergleich zu einer Reaktion mit einem Elektron unterdrückt (gequencht) ist. WIMP-Ereignisse haben also einen höheren Quenching-Faktor ( QF (W ) ≈ 40 ) als Neutronen ( QF (O) ≈ 10 ).
1
Man erwartet WIMPs im Bereich von Rückstoÿenergien etwa bis 40 keV, was sich
aus der erwarteten WIMP-Geschwindigkeit von etwa 270 km/s ergibt, sowie sehr wenig
Lichtausbeute.
22 KAPITEL 2. DAS CRESST-EXPERIMENT
Abbildung 2.5: Hier ist die mit dem Phononendetektor gemessene Rückstoÿ- energie gegen die Lichtausbeute (das Verhältnis von Lichtdetektorenergie zu Phononendetektorenergie) aufgetragen. Die γ - und β -Ereignisse benden sich auf dem horizontalen Band um die Lichtausbeute 1 herum. Unter der roten Linie benden sich 90 % der Kernstöÿe, unter der schwarzen 90% der Wolf- ramstöÿe. Der Akzeptanzbereich für WIMPs liegt zwischen 11 keV (darunter können Elektronenereignisse nicht ausgeschlossen werden) und etwa 40 keV.
Aufgezeichnet wurden die Daten beim letztjährigen Run im Gran Sasso.
Kapitel 3
Die theoretische Beschreibung des Lichtdetektors
3.1 Der Aufbau des Lichtdetektors
Das Design des im laufenden CRESST-II-Experiments eingesetzten Lichtde- tektors ist in Abbildung 3.1 zu sehen. Wichtigster Teil ist der Wolframlm, der das eigentliche Phasenübergangsthermometer darstellt. Er ist 2 kÅ dick und erstreckt sich über die komplette Hantelform des Detektors. Wirklich als Thermometer genutzt wird allerdings nur der mittlere Bereich (der Gri der Hantel). Die Abmessungen des Wolframlms sind 0,3 mm x 0,45 mm.
Auf den groÿen Rechtecken (1,0 mm x 0,5 mm) an den Seiten der Hantel ist auf den Wolframlm Aluminium mit einer Dicke von 10 kÅ aufgedampft.
Diese Maÿnahme soll der Phononensammlung dienen. Den Aluminiumlm direkt an den Wolfram angrenzen zu lassen ist technisch nicht realisierbar, und eine schmale Überlappungszone würde an der Kante Störungen in der Kristallstruktur erzeugen, die die Quasiteilchendiusion behindern würden [ML01]. Des Weiteren wächst Aluminium auf Saphir polykristallin auf, was die Diusion stört. Demgegenüber erfolgt das Aufwachsen auf Wolfram ein- kristallin. Diese Doppelschicht stellt aber kein Problem dar, denn wegen des sogenannten Proximity-Eekts hat diese Überlagerung aus Aluminium und Wolfram annähernd die kritische Temperatur des Aluminiums ( T
c(Al)=1,19 K) und ist im Vergleich zu dieser nur leicht abgesenkt.
Auf die Phononenkollektoren sind links und rechts Aluminiumdrähte gebon- det, um den Widerstand des Films mittels eines SQUIDs (Superconducting QUantum Interference Device) zu messen. Unten sind an den Wolframlm Strukturen zur thermischen Kopplung an das Wärmebad sowie ein Heizer zur Stabilisierung des Films im Übergang angebracht. Unter den rechtecki- gen Pads, auf die gebondet wird, bendet sich wegen der besseren Haftung ebenfalls Wolfram. Zur thermischen Kopplung dient ein Goldstreifen, der mit- tels eines Gold-Bonddrahtes an den Halter und dieser wiederum mit einem
23
24KAPITEL 3. DIE THEORETISCHE BESCHREIBUNG DES LICHTDETEKTORS
Abbildung 3.1: Das Design des CRESST-Lichtdetektors
Kupferdraht an die Mischkammer des Kryostaten gekoppelt ist. Es wird hier Gold verwendet, weil es nicht supraleitend wird und als Metall die Wärme gut leitet.
1Der Heizer besteht im Wesentlichen aus Aluminiumstreifen, die durch Aluminium-Bonddrähte einen Heizerstromkreis bilden. Unterbrochen ist dieser, bei den Betriebstemperaturen supraleitende, Aluminiumkreis nur von einem kurzen Stück Gold. Das Goldstück besitzt wegen seiner normal- leitenden Eigenschaft einen kleinen elektrischen Widerstand, an dem Wärme erzeugt wird. Diese Möglichkeit zur Temperaturregelung wird dann dazu ge- nutzt, den Thermometerlm im Übergang zu halten.
3.2 Wärmekapazität
3.2.1 Wärmekapazität bei tiefen Temperaturen
Wie bereits angesprochen, basieren die CRESST-Detektoren auf dem Prin- zip, die durch eingebrachte Energie ∆E verursachte Temperaturerhöhung
∆T zu messen. Diese hängt von der Energiemenge und der Wärmekapazität C des Absorbers ab. Stark vereinfacht hat man
1
Der Wärmetransport erfolgt im Metall hauptsächlich durch Leitungselektronen. Im
Supraleiter werden diese aber unter T
cin zunehmendem Maÿe zu Cooper-Paaren korreliert,
die ihrerseits nicht zum Wärmetransport beitragen.
3.2. WÄRMEKAPAZITÄT 25 Wolfram Aluminium Gold
Debye-Temperatur Θ
D[K] 383,0 428 162,4
Fermi-Temperatur T
F[K] 27000 134900 63900
Sprungtemperatur T
c[K] 0,012( α -Phase) 1,19 - Sommerfeld-Konstante γ[mJ/molK
2] 1,008 1,35 0,729 Tabelle 3.1: Die Eigenschaften der verschiedenen, beim Lichtdetektor ver- wendeten Metalle [CE00], [Kit67], [BT73].
∆T = ∆E
C (3.1)
Damit könnte man über die Temperaturerhöhung direkt die deponierte Ener- gie bestimmen, doch Wärmeverluste reduzieren ∆T .
Die Wärmekapazität von nicht supraleitenden Materialien bei tiefen Tempe- raturen besteht aus einem elektronischen Anteil c
eund einem phononischen Anteil c
p:
c = c
e+ c
p(3.2)
Der phononische Anteil dominiert bei Nicht- und Halbleitern und wird durch das Debye-Modell beschrieben:
c
p= 12π
45 nk
BT Θ
D 3= AT
3(3.3)
Hier ist n die Atomzahl pro mol und Θ
Ddie Debyetemperatur. A ist eine Materialkonstante. Durch die aus der T
3-Abhängigkeit folgende kleine Wär- mekapazität von Nicht- und Halbleitern bei tiefen Temperaturen eignen sich diese gut als Absorbermaterial. Der elektronische Anteil, der bei elektrischen Leitern wie den Wolfram-Thermometerlmen dominiert, ist folgendermaÿen gegeben:
c
e= π
22 n
ek
BT
T
F= γT (3.4)
mit der Fermi-Temperatur T
F, der Ladungsträgerdichte n
eund der materi- alabhängigen Sommerfeld-Konstante γ .
3.2.2 Supraleitung
Der elektronische Anteil der Wärmekapazität sinkt also linear mit T. Der
Übergang zur Supraleitung ist ein Phasenübergang zweiter Ordnung, das
heiÿt, er hat keine latente Wärme und einen Sprung in der Wärmekapazi-
tät. Dieser Sprung in der Wärmekapazität beträgt wie von der BCS-Theorie
beschrieben
26KAPITEL 3. DIE THEORETISCHE BESCHREIBUNG DES LICHTDETEKTORS
∆c = 1, 43γT
c, (3.5)
das heiÿt er springt bei Erreichen der kritischen Temperatur T
cauf den 2,43-fachen Wert des normalleitenden Zustands. Allerdings trit diese Be- schreibung nur zu, wenn der Phasenübergang komplett vollzogen ist. Die CRESST-Thermometer arbeiten jedoch im Übergang. Dort kann man die Wärmekapazität durch eine lineare Approximation bestimmen:
c
op= c
e2, 43 − 1, 43 R
opR
n(3.6) c
opbezeichnet die Wärmekapazität am Arbeitspunkt, R
opden elektrischen Widerstand am Arbeitspunkt und R
nden elektrischen Widerstand im nor- malleitenden Zustand. Für den Standard-Lichtdetektor errechnet man damit für einen Arbeitspunkt bei 1/2 R
netwa 50 fJ/K.
Bei noch tieferen Temperaturen im Bereich T << T
cwird c
ezu:
c
e= 1, 34γT
c∆(0) k
BT
32e
−∆(0)/kBT(3.7) mit der Bandlücke bei 0 K ∆(0) . Diese Bandlücke bezeichnet die Energie, wel- che die Bindungsenergie der Cooper-Paare ist. Sie wird in der BCS-Theorie mit
∆(0) = 1, 76k
BT
c(3.8) angegeben. Der Fall T << T
ctritt an unseren Lichtdetektoren bei den Pho- nonenkollektoren auf. Diese bestehen aus Aluminium, dessen Sprungtempe- ratur wesentlich über der Betriebstemperatur des Wolfram-Thermometers liegt. Da die Wärmekapazität des Aluminiums damit vernachlässigbar klein wird, kann man die Aluminiumächen relativ groÿ gestalten und als Kollek- toren zur Sammlung der Phononen zu nutzen.
3.3 Das Detektormodell
3.3.1 Nichtthermische Phononen im Absorberkristall
Im Detektorbetrieb zur Suche nach Dunkler Materie erzeugt ein einfallendes Teilchen im CaW O
4-Kristall Szintillation, und zwar in Abhängigkeit von der Art des Teilchens. Für die Wechselwirkung mit Elektronen und γ -Quanten werden einige Prozent der Gesamtenergie in Lichtquanten umgesetzt, die alle zwischen 2 und 4 eV Energie besitzen, sich also im sichtbaren Bereich des Spektrums benden.
Wenn dann Photonen oder Teilchen im (Lichtdetektor-)Kristall absorbiert
3.3. DAS DETEKTORMODELL 27
Abbildung 3.2: Thermisches Modell des Detektors nach [FP95]. G beschreibt die Wärmeleitung zwischen den einzelnen Systemen, C und T Wärmekapazi- tät bzw. Temperatur und P(t) ist ein Leistungseintrag durch nichtthermische Phononen.
werden, erzeugen sie hochfrequente optische Phononen, welche in einigen 100 ps in akustische Phononen mit etwa halber Debye-Frequenz ( ω
D(Si) = 13,5 THz) zerfallen [FP95]. Diese akustischen Phononen sind verteilt auf ei- ne longitudinale und zwei transversale Moden, wobei die transversalen den energetisch tieferen Ast besetzen. Daher zerfallen in einem isotropen Medium auch nur longitudinale Phononen, und zwar hauptsächlich in zwei transversa- le oder ein transversales und ein longitudinales Phonon. Die Zerfallsrate die- ser longitudinalen, akustischen Phononen ist stark von der Frequenz abhän- gig, nämlich ∝ ω
5. Auÿerdem können alle Phononen durch Isotopenstreuung zerfallen (in Saphir Al
2O
3kommen verschiedene Sauerstosotope vor), die
∝ ω
4ist. Durch diese starken Frequenzabhängigkeiten des Phononenzerfalls wird der Zerfall nach einer Zeit von etwa einigen 10 µ s stark abgebremst.
Die folgenden Generationen sind dann wesentlich langlebiger. Die mittlere
Frequenz dieser Phononen beträgt dann etwa 300 GHz, und nach einigen
Oberächenreexionen sind sie nach ungefähr 10 µ s gleichmäÿig im Kristall
verteilt [FP95].
28KAPITEL 3. DIE THEORETISCHE BESCHREIBUNG DES LICHTDETEKTORS
3.3.2 Die thermischen Kopplungen im Detektor
Zur Beschreibung des Detektors wurde ein thermisches Modell entwickelt, das in Abbildung 3.2 zu sehen ist. Betrachtet werden die verschiedenen Wärme- leitungen zwischen den aneinander gekoppelten Systemen. G
abist die direkte Ankopplung des Absorbers an das Wärmebad über die mechanische Halte- rung, und sie verhält sich ∝ T
3. Die Kapitza-Kopplung G
Kbeschreibt die Transmission von Phononen an der Grenzschicht zweier Materialien, in unse- rem Fall vom Saphir in den Wolfram- bzw. Aluminiumlm. Sie ist abhängig von der Transmissionswahrscheinlichkeit, der Phononengruppengeschwindig- keit senkrecht zur Oberäche und von der Wärmekapazität. Da diese im Phononensystem wie in Gleichung 3.3 zu sehen, proportional zur dritten Po- tenz von T ist, ist auch G
K∝ T
3.
G
epist die Elektron-Phonon-Kopplung im Thermometer. Sie bestimmt letzt- endlich die Ankopplung des Absorbers an den Thermometerlm, dessen elek- trischer Widerstand von der Temperatur seines Elektronensystems abhängt.
Die Frequenzabhängigkeit der Wechselwirkung von Elektronen mit Phono- nen hängt vom Produkt q · l
eab, bei dem q der Phononen-Wellenvektor und l
edie mittlere freie Weglänge der Leitungselektronen ist. Die als Subsysteme betrachteten Elektronen und thermischen Phononen des Thermometers sind bei tiefen Temperaturen oder für q · l
e<< 1 schwach aneinander gekoppelt, nämlich G
ep∝ T
5. Bei den hochfrequenten, nichtthermischen Phononen gilt q · l
e>> 1 . Für diesen Fall sagt das Pippard-Modell voraus, dass longitudi- nale Phononen eine kürzere mittlere freie Weglänge haben als transversale.
Demnach würden in den 2 kÅ dicken Thermometerlmen aus Wolfram na- hezu alle longitudinalen nichtthermischen Phononen absorbiert, aber kaum transversale.
Die Kopplung vom Phononensystem des Absorbers an das Elektronensystem des Thermometers wird durch Verknüpfung der Kopplungen G
Kund G
eperrechnet:
G
ea= 1
G
ep+ 1 G
K −1(3.9) Die thermische Kopplung des Thermometers an das Wärmebad G
ebkommt durch die Verbindung mit dem Goldbonddraht zustande. Gold ist ein nor- malleitendes Metall, und somit kann G
ebnach dem Wiedemann-Franz-Gesetz berechnet werden:
G = LT
R (3.10)
R ist der elektrische Widerstand bei tiefer Temperatur T, und L ist die
Lorenzkonstante ( L = 2, 45 · 10
−8W ΩK
−2). Um nicht zu kurze Zeiten für
das Wiederabkühlen des Films zu bekommen, begrenzt die Dimension der
3.3. DAS DETEKTORMODELL 29 Goldstruktur zur thermischen Kopplung den Wärmeuss.
3.3.3 Leistungseintrag
Wenn die nichtthermischen Phononen in den Thermometerlm eindringen, wechselwirken sie mit den freien Elektronen. Diese Energieübertragung kann, wie in Bild 3.2 angedeutet, als Leistungseintrag beschrieben werden. Man kann dann zwei zeitabhängige Leistungen denieren, nämlich P
e(t) für das Elektronensystem im Thermometer und P
a(t) für den Wärmeeintrag durch Thermalisierung im Absorber
2:
P
e(t) = Θ(t)P
0e
−τnt(3.11) P
a(t) = 1 −
P
e(t) (3.12)
Θ(t) ist die Heavisidesche Stufenfunktion, beschreibt den Bruchteil von hochfrequenten Phononen, der im Thermometer thermalisiert und P
0=
∆E/τ
nist die Anfangsleistung. τ
nist Zeitkonstante für die Thermalisierung der nichtthermischen Phononen und hängt von den Thermalisierungszeiten im Absorber τ
Kristallund im Film τ
F ilmab:
τ
n= 1
τ
F ilm+ 1 τ
Kristall −1(3.13) τ
Kristallhängt von der Beschaenheit des Kristalls ab und τ
f ilmlässt sich wie folgt berechnen:
τ
f ilm= 2V
aηA hv⊥αi (3.14) V
aist das Absorbervolumen, A die Auageäche des Films auf dem Ab- sorber, hv⊥αi die Gruppengeschwindigkeit senkrecht zur Grenzäche multi- pliziert mit der Transmissionswahrscheinlichkeit gemittelt über alle Moden und Wellenvektoren und η die eektive Absorptionswahrscheinlichkeit. Der Bruchteil der Phononen, die im Film thermalisieren ist dann:
= τ
Kristallτ
Kristall+ τ
F ilm(3.15)
In P
0eingesetzt ergibt sich, dass P
0nur noch von τ
F ilmabhängt.
P
0= ∆E
τ
F ilm(3.16)
2
Hervorgerufen wird diese Thermalisierung der hochfrequenten Phononen durch Ad-
sorbate auf der Absorberoberäche.
30KAPITEL 3. DIE THEORETISCHE BESCHREIBUNG DES LICHTDETEKTORS Letztendlich hat der Leistungseintrag P
e(t) also eine einfache exponentielle
Abhängigkeit von der Zeit.
3.3.4 Pulsform
Das in Abbildung 3.2 dargestellte Detektormodell kann mathematisch in zwei gekoppelte Dierentialgleichungen geschrieben werden:
C
edT
edt + (T
e− T
a)G
ea+ (T
e− T
b)G
eb= P
e(t) (3.17) C
adT
adt + (T
a− T
e)G
ea+ (T
a− T
b)G
ab= P
a(t) (3.18) Mit den Anfangsbedingungen T
a(t = 0) = T
e(0) = T
bhaben diese Gleichun- gen die folgende Lösung [FP95]:
∆T
e(t) = Θ(t)[ A
n(e
−τnt− e
−τint)
| {z }
N ichtthermischeKomponente
+ A
t(e
−τtt− e
−τnt)
| {z }
T hermischeKomponente
] (3.19)
A
nund A
tsind die Amplituden der nichtthermischen bzw. thermischen Kom- ponente des Pulses, τ
tist die Zeitkonstante für die thermische Relaxation im Absorber und τ
inist die intrinsische Zeitkonstante für die Relaxation des Thermometers
3. Der nichtthermische Teil kommt durch die direkte Absorp- tion der nichtthermischen Phononen im Thermometerlm zustande, während der thermische Anteil durch den Anstieg der Absorbertemperatur verursacht wird. Diese Aufspaltung des Pulses in zwei Komponenten kann auch in der Praxis gesehen werden, wobei der nichtthermische Puls schnell und der ther- mische langsam ist.
Die intrinsische Zeitkonstante τ
in(thermische Relaxationszeit des Thermo- meters) kann über die thermische Kopplung an das Wärmebad kontrolliert werden. Bei den Lichtdetektoren ist τ
in>> τ
n, und deshalb wird die einge- brachte Leistung P
e(t) auntegriert. Die Amplitude zeigt praktisch die kom- plette Energie an, die durch die nichtthermischen Phononen eingebracht wur- de. Der Lichtdetektor fungiert also als Kalorimeter. Demgegenüber spricht man bei τ
in<< τ
nvom bolometrischen Modus, bei dem der Phononenuss gemessen wird.
3.4 Die Phononenkollektoren
Die Phononenkollektoren sollen Phononen einsammeln und deren Energie möglichst eektiv an den Thermometerlm abgeben. Die Idee dahinter ist,
3
Die detaillierten Lösungen für die Amplituden und Zeitkonstanten nden sich in [FP95]
3.4. DIE PHONONENKOLLEKTOREN 31 dass Phononen im Kollektorlm Cooperpaare aufbrechen und die entstehen- den Quasiteilchen dann je nach Energie des Phonons entsprechend über die Bandkante anregen (siehe Abbildung 3.3). Diese relaxieren dann unter Aus- sendung von Phononen, die bei ausreichender Energie wieder Cooperpaa- re aufbrechen können, zur Bandkante. Die erzeugten Quasiteilchen sollen dann in den Thermometerlm diundieren, in dem sie wegen der niedrigeren Bandlücke gefangen werden und zur Erhöhung der Filmtemperatur beitra- gen. Gleichzeitig tragen die Kollektorlme kaum zur Wärmekapazität bei, weil die Betriebstemperatur weit unter ihrer Sprungtemperatur liegt.
3.4.1 Absorption im Kollektorlm
Der Kollektorlm besteht aus einer Doppelschicht aus 2 kÅ Wolfram und 10 kÅ Aluminium. Die Sprungtemperatur dieser Doppelschicht ist durch den Proximity-Eekt nur leicht niedriger als die von Aluminium ( T
c(Al) = 1, 19K ). Da die Betiebstemperatur der Detektoren deutlich niedriger als die Sprungtemperatur der Kollektorlme ist, gibt es eine hohe Dichte an Cooper- paaren. Deren Bindungsenergie beträgt 2 ∆ . Aus Gleichung 3.8 folgt für Alu- minium ∆(Al) ≈ 0, 18meV , wobei die Bandlücke der Doppelschicht nur un- wesentlich niedriger sein dürfte. Die mittlere Phononenenergie beträgt bei einer mittleren Frequenz ν von 300 GHz E
p= hν ≈ 1, 2meV ≈ 7∆(Al) . Sie liegt also deutlich über 2 ∆ und kann daher Cooperpaare aufbrechen, wobei die überschüssige Energie die Quasiteilchen entsprechend über die Bandkan- te anregt. Für diesen Wert kann man mit den Werten für die Lebensdauer eines Phonons gegenüber Paarbrechung in Aluminium aus [SK76]( τ
B(7∆) = 10
−10s ) mit einer Gruppengeschwindigkeit v
g≈ 3400m/s die mittlere freie Weglänge berechnen:
l
p= v
gτ
B(7∆) = 3, 4k A ˚ (3.20) Die Dicke des Aluminium-Wolfram-Films sollte also ausreichen, um die trans- mittierten Phononen vollständig zu absorbieren.
3.4.2 Quasiteilchenrelaxation und -rekombination
Die Anregung über die Bandkante ist pro Quasiteilchen für 300Ghz-
Phononen etwa = (7∆ − 2∆)/2 = 2, 5∆ . Die so angeregten Quasiteilchen
relaxieren unter spontaner Aussendung von Phononen zur Bandkante. Prin-
zipiell wäre auch eine Relaxation durch inelastische Streuung an thermisch
angeregten Phononen möglich, aber deren Dichte ist bei diesen Temperaturen
sehr gering, so dass man diesen Prozess vernachlässigen kann. Die Phononen
können, sofern sie eine Energie von mindestens 2 ∆ haben, weitere Cooperpaa-
re aufbrechen. Ist die Energie kleiner als 2 ∆ (man spricht hier von Sub-Gap
Phononen), ist das Phonon für die Quasiteilchenerzeugung verloren. Diese
32KAPITEL 3. DIE THEORETISCHE BESCHREIBUNG DES LICHTDETEKTORS
Abbildung 3.3: Der Übergang vom Kollektor- zum Thermometerlm ist unten
dargestellt. Oben im Bild ist schematisch der Verlauf der Energielücke in
diesem Bereich zu sehen.
3.4. DIE PHONONENKOLLEKTOREN 33 Quasiteilchenenergie [ ∆ ] 4 2,5 1 0,1
Lebensdauer τ
s[ns] 3 11 175 340000
Tabelle 3.2: Quasiteilchenlebensdauer gegenüber Relaxation berechnet nach [SK76]
Sub-Gap Phononen zerfallen dann in weitere niederenergetische Phononen und werden in den Absorber reemittiert, wodurch etwa 50 % der Phononen- energie wieder abgegeben wird.
Die Lebensdauer τ
sgegenüber Relaxation durch spontane Phononenemission der angeregten Quasiteilchen ist stark von ihrer Energie abhängig. So ergibt die Berechnung nach der folgenden Formel [SK76],
τ
0τ
s=
∆ k
BT
c 31 3
ω
∆
2− 1
32+ 5 2
ω
∆
2− 1
12−
∆ 2ω
1 + 4
ω
∆
2ln ( ω
∆ + ω
∆
2− 1
12) !
(3.21) dass hochangeregte Quasiteilchen sehr schnell relaxieren, wogegen Quasiteil- chen mit kleiner Anregung eine Lebensdauer von einigen 100 µ s haben(siehe Tabelle 3.2). ω ist hier die absolute Anregungsenergie der Quasiteilchen, also + ∆ und τ
0die charakteristische Zeit ( τ
0von Aluminium: 438 ns).
Durch Rekombination zu Cooperpaaren können Quasiteilchen unter Ab- gabe von 2 ∆ -Phononen verloren gehen. In der Theorie ergibt sich für Tem- peraturen, die weit unter T
cliegen, allerdings eine Lebensdauer von unsinni- ger Gröÿenordnung. Die Begründung dafür liegt in dem Umstand, dass bei T << T
cpraktisch keine freien Quasiteilchen mehr existieren. In unseren Detektoren herrscht aber im Gegensatz zur Annahme der Theorie kein ther- misches Gleichgewicht, da durch die Phononenwechselwirkung etliche Qua- siteilchen erzeugt wurden und somit auch als Rekombinationspartner zur Verfügung stehen. Des Weiteren können lokal Quasiteilchen in Bereichen re- duzierter Bandlücke gefangen werden. Diese Minima in der Bandlücke kön- nen durch Gitterdefekte, Verunreinigungen oder magnetischen Fluss zustan- de kommen. Dort herrscht dann eine erhöhte Quasiteilchendichte und ermög- licht damit höhere Rekombinationsraten. Die dabei entstehenden Phononen sind aber für die Quasiteilchenerzeugung im ungestörten Film wiederum ver- loren, weil sie in der reduzierten Bandlücke entstanden sind.
3.4.3 Quasiteilchendiusion
Die Quasiteilchen erhalten durch die Anregung über die Bandkante eine
Gruppengeschwindigkeit. Ihre Ausbreitung ist durch Streuungen an Gitter-
34KAPITEL 3. DIE THEORETISCHE BESCHREIBUNG DES LICHTDETEKTORS defekten und Verunreinigungen diusiv. Die Dispersionsrelation für Quasi-
teilchen ist:
E − E
F= = ~ ω = s
∆
2+
~
2k
22m − E
F 2(3.22) mit der Fermienergie E
F, Wellenzahl k und der Ruhemasse des Elektrons m.
Daraus kann die Gruppengeschwindigkeit der Quasiteilchen bestimmt wer- den:
v
g= ∂ω
∂k = ~ k m
√
2− ∆
2(3.23)
Gleichung 3.22 nach k aufgelöst ergibt:
k() = r 2m
~
2√
2− ∆
2+ E
F≈
r 2mE
F~
2:= k
F(3.24) wobei die Näherung durch ∆, << E
Fzustande kommt. Damit ergibt sich für die Gruppengeschwindigkeit
v
g≈ ~ k
Fm
r
1 − ∆
2 2= v
Fr
1 − ∆
2 2(3.25)
Daraus folgt, dass die Gruppengeschwindigkeit von Quasiteilchen an der Bandkante ( = ∆ ) gleich null und bei hoher Anregungsenergie gleich der Fermi-Geschwindigkeit ist. Die durch thermische Anregung hervorgerufene Gruppengeschwindigkeit für Temperaturen T << T
cndet sich in [VN78]:
v
g2≈ T
T
cv
2F(3.26)
Mit der mittleren freien Weglänge der Quasiteilchen l
qlässt sich dann die in der Zeit t zurückgelegte mittlere Diusionslänge L bestimmen:
L(t) =
r v
gl
qt 3 = √
Dt (3.27)
D bezeichnet die Diusionskonstante, die ein Maÿ für die Beweglichkeit der
Teilchen darstellt. Sie wurde in einer früheren Arbeit unserer Gruppe für
die Doppelschicht Al/W D = 2, 5 · 10
−4m
2/s gemessen [ML01]. Die Län-
ge, die für eine vorgegebene Sammelzeit mittels Diusion zurückgelegt wird,
bestimmt letztendlich, welche Dimensionierung für einen Phononenkollektor
Sinn macht. Die Streuung der Quasiteilchen an thermisch angeregten Pho-
nonen spielt bei diesen tiefen Temperaturen keine Rolle. Die mittlere freie
Weglänge hängt also von Streuungen an Verunreinigungen und Gitterdefek-
ten sowie der Oberäche ab.
Kapitel 4
Experimentelle Techniken
In diesem Kapitel werden die Versuchsidee, die Verfahren zur Herstellung der verschiedenen Lichtdetektoren und die Technik um das eigentliche Expe- riment beschrieben.
4.1 Herstellung der Lichtdetektoren
4.1.1 Das Konzept
Um die Fragestellung der Diplomarbeit nach der Ezienz und dem tatsäch- lichen Nutzen der Phononenkollektoren zu beantworten, bietet sich ein ver- gleichendes Experiment an. Dies soll nun folgendermaÿen geschehen: auf ein Substratscheibchen werden mehrere verschiedene Detektoren gebaut. Diese werden wie in Abbildung 4.1 zu sehen so angeordnet, dass sie zu einem de- nierten Punkt, auf den der Energieeintrag in Form eines Röntgenquants erfolgt, dieselbe Distanz besitzen.
So soll sichergestellt werden, dass man einigermaÿen vergleichbare Ver- hältnisse für die Detektoren erreicht, auch wenn es im Kristall durch die Git- terstruktur durchaus bevorzugte Richtungen gibt. Die nächste Frage ist, wel- che Form die Detektorlme bekommen sollen. Als Referenz soll der Standard- Lichtdetektor in der Form, in der er auch im Gran Sasso eingesetzt wird, dienen. Um die Wirkungsweise der Phononenkollektoren dieses Standardde- tektors (SD) zu testen, sind nun bei den anderen beiden Detektoren die Kol- lektorächen weggelassen worden. Der eine Testdetektor (im Folgenden TD 1 benannt) besteht praktisch nur aus dem mittleren Teil des SDs und hat damit näherungsweise dieselbe Fläche und Wärmekapazität des Standard- Thermometerlms. Der einzige Unterschied ergibt sich hier durch die schma- len Aluminiumstreifen, die auf die Seiten aufgedampft wurden, um einen besser denierten Stromuss durch den Film zu erreichen. Der zweite Test- detektor (TD 2) hat dieselbe Hantelform wie der SD, allerdings fehlen ihm die Aluminiumlme auf den Seiten. Damit hat er dieselbe Fläche wie der SD
35
36 KAPITEL 4. EXPERIMENTELLE TECHNIKEN
Abbildung 4.1: Die Anordnung der Detektoren auf dem Substrat ist so ge- wählt, dass der Abstand zum Ort des Energieeintrags für alle gleich weit ist.
Abbildung 4.2: Hier die drei Detektoren im Vergleich, aufgenommen unter
dem Mikroskop. Links im Bild der Standard-Lichtdetektor, in der Mitte der
Testdetektor 2 und rechts der Testdetektor 1. Den Testdetektoren fehlen im
Vergleich zum SD die Phononenkollektoren aus Aluminium.
4.1. HERSTELLUNG DER LICHTDETEKTOREN 37 und bietet so die Möglichkeit, zu sehen, wie gut die Phononen im Wolfram absorbiert werden. Die Wärmekapazität des TD 2 ist nach den Gleichungen 3.6 und 3.7 höher als die des Standarddetektors. Auch beim TD 2 wurden schmale Aluminiumstreifen an die Seiten aufgedampft. Alle drei Detektoren sind in Abbildung 4.2 dargestellt.
4.1.2 Produktionsschritte
Die Detektoren wurden mit folgenden Produktionsschritten gefertigt:
1. Aufdampfen des Wolframlms 2. Strukturieren des Wolframlms 3. Erzeugen der Goldstruktur 4. Gold sputtern
5. Aluminiumstruktur erzeugen 6. Aluminium aufdampfen 7. Bonden
Zu jedem dieser Punkte wird im Folgenden eingegangen.
Aufdampfen der Wolframlme und anschlieÿendes Strukturieren Der erste Schritt zum Detektor ist das Aufdampfen des Wolframlms auf das gereingte SOS (Silicon On Saphire)-Substrat. Die Siliziumschicht ist beim Kauf des Substrats bereits aufgebracht und muss nicht von uns aufgedampft bzw. gesputtert werden. Wichtig ist beim Aufdampfen im Allgemeinen ein gutes Vakuum, damit möglichst wenig Verunreinigungen in den Film hinein- kommen. Ein weiterer Punkt ist bei unseren Filmen die richtige Temperatur des Substrats, damit die Wolframgitterstruktur im Film hauptsächlich in der sogenannten α -Phase epitaktisch aufwächst. Diese α -Phase hat eine Sprung- temperatur von 15 mK, die metastabile β -Phase springt bereits bei weit höheren Temperaturen. In den meisten realen Filmen liegen beide Phasen in gewissen Anteilen vor, addieren sich aber mit anderen Eekten wie Ma- terialspannungen und ferromagnetischen Verunreinigungen, die die Sprung- temperatur senken. Um die Materialspannungen zu senken, werden unsere Substrate vor dem Bedampfen aufgeraut, was einen polykristallinen Film er- zeugt und die Sprungtemperatur etwas heraufsetzt. Ohne dieses Verfahren liegen die Sprungtemperaturen teilweise deutlich unter 10 mK und können so mit unseren Kryostaten nicht oder nur schwer erreicht werden. Mit den gesammelten Erfahrungswerten ist es aber mittlerweile möglich, Filme mit Sprungtemperaturen im Bereich um 15 mK zu produzieren.
Nach dem Bedampfen ist das Substrat mit einer Wolframschicht bedeckt. Um
diese zu strukturieren, benützt man Lithographieverfahren, für die wir in ei-
nem Reinraum ausgestattet sind. Nach ausführlichem Reinigen mit Aceton,
Isopropanol und reinem Wasser im Ultraschallbad für jeweils 5 Minuten wird
38 KAPITEL 4. EXPERIMENTELLE TECHNIKEN positiver Photolack
1aufgebracht, mittels Rotation des Substrats verteilt und auf einer Herdplatte getrocknet. Danach werden in einem sogenannten Mask Aligner (Maskenausrichter) diejenigen Teile mit Masken abgedeckt, die bestehen bleiben sollen, und der Photolack mit Ausnahme des durch die Masken abgedeckten Teils 30 s belichtet. Als Schwierigkeit trat für mich hier insbesondere die Nichtexistenz der Masken für die Testdetektoren auf.
Erreicht werden konnten die gewünschten Strukturen trotzdem durch mehr- maliges Belichten mit verschiedenen vorhandenen Masken. Anschlieÿend gibt man das Substrat mit dem Photolack für 3 min in den Entwickler, der den belichteten Lack entfernt. Jetzt wird nur noch der Teil, der bestehen bleiben soll von der Photolackschicht bedeckt und der restliche Wolframlm kann mit einer Lauge(Wolframätze) entfernt werden.
Erzeugung der Goldstrukturen und Gold-Sputtern
Als folgender Schritt wird das Gold für die thermische Kopplung und die Hei- zerstruktur aufgesputtert. Hier wird allerdings im Gegensatz zum Wolfram zuerst die Struktur festgelegt und dann gesputtert. Daher verwendet man nach der obligatorischen Ultraschallreinigung hier den negativen Photolack
2. Bei diesem erfolgt nach dem Selbem Muster wie beim Wolframstrukturieren das Trocknen und das Belichten mit den Masken. Allerdings wird bei der ne- gativen Lithographie durch den Entwickler der nicht belichtete Lack entfernt, so dass das Substrat überall mit Lack bedeckt bleibt, auÿer an den Stellen, an denen die Strukturen entstehen sollen.
Nachdem das Substrat nun mit Photolack in der gewünschten Form struk- turiert ist, kann mit dem Sputterprozess begonnen werden. Dazu wird das Substrat in eine Sputteranlage eingebaut und etwa einen halben Tag an dieser gepumpt, um ein Vakuum im Bereich von etwa 10
−6mbar zu erzeugen. Wie beim Dampfen senkt auch hier das Vakuum den Verunreinungsgrad durch Fremdatome. Das Substrat liegt auf einem sogenannten Planeten, der bei Betrieb rotiert wird, um ein gleichmäÿiges Ergebnis zu erhalten. Vor dem ei- gentlichen Sputtern wird die Oberäche des Substrats zur Reinigung und zur Verbesserung der Haftung mit Argon-Ionen beschossen. Der dann folgende Sputterprozeÿ erfolgt in zwei Phasen: erst das Pre-Sputtering, um eventuelle Verunreinigungen wie etwa Oxidschichten zu entfernen und dann das Sput- tern, bei dem die Goldatome direkt auf das Substrat geschossen werden. Nach 2 min Sputtern ist auf dem Substrat nun eine etwa 300 Å dicke Goldschicht.
Wenn man das Substrat nun im Ultraschallbad mit Aceton, Isopropanol und Wasser reinigt, löst sich der verbliebene Photolack mit der darüberliegenden Goldschicht ab
3und zurück bleibt die mit der Belichtung erzeugte Struktur.
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Wir verwenden hierfür den Lack AZ4562.
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Es wurde der Lack ma-N440 verwendet.
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Daher auch als Lift-O Verfahren bekannt
4.1. HERSTELLUNG DER LICHTDETEKTOREN 39 Erzeugung der Aluminiumstruktur und Aufdampfen der Alumini- umlme
Das Erzeugen der Aluminiumstruktur erfolgt nach dem gleichen Muster wie beim Gold, also mit negativem Photolack. Allerdings wird das Aluminium nicht wie das Gold gesputtert, sondern aufgedampft. Das Aufdampfen er- zeugt bessere Filme als das Sputtern und die Qualität des Aluminiumlms der Phononenkollektoren ist entscheidend für ihr Funktionieren, weil Gitter- defekte und Ähnliches die Quasiteilchendiusion stören.
Nachdem man das präparierte Substrat in die Aluminiumdampfanlage ein- gebaut hat, wird über Nacht daran gepumpt. Der Druck sollte dann kleiner als 10
−7mbar sein. Falls dies nicht der Fall ist, kann man mit einem Mas- senspektrometer überprüfen, ob ein Luftleck vorhanden ist. Bevor man mit dem Bedampfen beginnt, wird auch hier das Substrat 5 min lang mittels Be- schuss mit Argonionen gereinigt. Dann beginnt man den Aufdampfvorgang, indem man einen Elektronenstrahl auf einen Tiegel mit Aluminium ausrich- tet und diesen möglichst gleichmäÿig erhitzt. Das macht man, bis man eine Aufdampfrate von etwa 20 Å/s erreicht und startet dann, indem man den Shutter unter dem Substrat önet. Nun wird die Rate möglichst konstant bei 20 Å/s gehalten und gedampft, bis man die gewünschte Dicke (im Falle der Lichtdetektoren 10 kÅ) erreicht hat. Dann wird der Shutter geschlossen und der Elektronenstrahl ausgemacht. Nach dem Ausbau löst sich beim üb- lichen Ultraschall-Reinigungsvorgang der unerwünschte Aluminiumlm und man bleibt die gewollte Struktur zurück.
Bonden
Als letzten Schritt zum fertigen Lichtdetektor folgt die elektrische und ther-
mische Verbindung des Detektors mit dem Halter. Diese wird mit Bonddräh-
ten erreicht, die einen Durchmesser von 25 µ m haben. Für die elektrische
Verbindung des Auslesekreises und des Heizers verwendet man Aluminium-
drähte, die bei der Betriebstemperatur supraleitend sind. Für die thermische
Ankopplung an den Halter (und damit letztlich an die Mischkammer des
Kryostaten) wird ein Golddraht verwendet, weil Gold nicht supraleitend wird
und daher eine wesentlich bessere Wärmeleitfähigkeit besitzt. Diese Bond-
drähte werden mit einer Bond-Maschine unter dem Mikroskop mit einer Na-
del auf das Metall gepresst und dadurch xiert. Sie werden auf der einen Seite
an den Detektor an die markierten Stellen aus Abbildung 4.3 und auf der an-
deren auf die Kontaktpads am Halter gebondet. Diese Kontaktpads sind mit
dem Klebsto Stycast aufgeklebt, bestehen aus Kupfer-Kapton(=Polyimid)-
Kupfer und sind so gegenüber dem Halter elektrisch isoliert. Auf diese Pads
werden Steckerbuchsen gelötet, an die dann direkt an die Ausleseelektronik
am Kryostaten angesteckt werden können. So erzeugen die Bonddrähte den
elektrischen Kontakt des Detektors mit der Ausleseelektronik bzw. den ther-
40 KAPITEL 4. EXPERIMENTELLE TECHNIKEN
Abbildung 4.3: Hier sind auf dem Standard-Lichtdetektor die Stellen mar- kiert, an denen die Bonddrähte xiert werden. Auf die Aluminiumächen werden die Aluminiumdrähte xiert und auf das Goldpad ein Golddraht.
mischen Kontakt mit dem Halter.
4.2 Vorbereitung der Röntgenquelle
4.2.1 Eisenquelle und Fluoreszenz
Für die Messungen wird eine Strahlenquelle benötigt, um ein deniertes Sig- nal zur Messung zu haben. Benutzt wird dafür eine Fe-55 Quelle, die durch Elektroneneinfang mit einer Halbwertszeit von 2,73 Jahren zu Mn-55 zerfällt.
Dabei wird ein Elektron aus der K-Schale eingefangen, das im Kern mit ei- nem Proton unter Emission eines Elektronneutrinos zu einem Neutron wird.
Der frei gewordene Platz wird von Elektronen aus höheren Schalen besetzt.
Die dabei emittierten Photonen liegen im Röntgenbereich, die Hauptlinien sind K
αund K
β4. Das Spektrum einer solchen Quelle ist in Abbildung 4.4 zu sehen. Diese Röntgenstrahlen haben mit ihren etwa 6 keV aber mehr Energie als man haben möchte, weshalb man die Fluoreszenz von anderen Materia- lien nutzt, um die Energie der Strahlung herabzusetzen. Im konkreten Fall meiner Arbeit wird dazu ein bereits bestehender Halter benutzt (schematisch dargestellt in Abbildung 4.5), der ein Aluminium-Target besitzt, welches mit Titanschrauben befestigt ist. Des Weiteren verfügt er über eine 10 µ m dicke
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