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"Wie können die Rahmenbedingungen in Bezug auf den Übergang aus der Ursprungsfamilie in die Pflegefamilie optimal gestaltet werden?"

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Academic year: 2021

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"Wie können die Rahmenbedingungen in Bezug auf den Übergang aus der Ursprungsfamilie in die Pflegefamilie optimal gestaltet werden?"

Bachelorarbeit

Johanna Schütz Studiengang Soziale Arbeit

urn:nbn:de:gbv:519-thesis 2017-0108-9

Im Sommersemester 2017

Erstprüfer: Prof. Dr. Freigang Zweitprüfer: Prof. Dr. Streda

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Inhaltsverzeichnis

Einleitung ... 1

1 Begriffsklärung und rechtliche Grundlagen ... 2

1.1 Aktueller Gesetzentwurf ... 3

1.1.1 Artikel 1 ... 4

1.1.2 Artikel 6 ... 5

1.1.3 Artikel 9 ... 6

1.1.4 2. „Mehr Stabilität und Kontinuität - Pflegekinder und ihre Familien stärken“ ... 6

1.2 Vollzeitpflege ... 6

1.3 Inpflegegabe- rechtliche Gründe ... 8

1.4 Voraussetzungen der Beteiligten ... 8

1.4.1 Pflegeeltern ... 8

1.4.2 Eltern ... 9

1.4.3 Pflegevertrag ... 9

1.5 Umgangsrecht und Besuchskontakte... 10

2 Begriffserklärung, Bezugnahme zum Pflegeverhältnis und zur Rollenverteilung ... 11

2.1 Pflegekind ... 11

2.2 Pflegefamilie ... 13

2.3 Ursprungsfamilie ... 15

2.4 Soziale Dienste ... 15

2.5 Ersatzfamilienkonzept und Ergänzungsfamilienkonzept... 16

2.5.1 Ersatzfamilienkonzept ... 16 2.5.2 Ergänzungsfamilienkonzept ... 17 3 Pflegeeltern ... 18 3.1 Bewerbungsprozess ... 18 3.2 Auswahl ... 20 3.3 Vermittlung ... 23

4 Entwicklungsschwierigkeiten/ Belastungen und Entwicklungschancen ... 24

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4.2 Beziehungsaufbau ... 27

4.3 Besuchskontakte zur Herkunftsfamilie ... 28

5 Zusammenfassung ... 42

6 Quellenverzeichnis ... 44

6.1 Literaturverzeichnis ... 44

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Abkürzungsverzeichnis BGB= Bürgerliches Gesetzbuch

IAGJ= Internationale Arbeitsgemeinschaft für Jugendfragen KJSG= Kinder- und Jugendstärkungsgesetz

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1 Einleitung

Das Pflegekinderwesen ist ein gegenwärtiges Thema in Deutschland. Aufgrund von bestimmten Situationen werden Kinder abgeben oder müssen aus der Familie herausgenommen werden. Dabei ist der Übergang von der Ursprungsfamilie oder einer Heimeinrichtung zu einer Pflege-familie für das Kind von großer Bedeutung. Hierbei ist es ebenso wichtig, wie die Pflegeeltern mit dem Kind umgehen. Besonders bei Schwierigkeiten während der Übergangsphase. In der Pflegefamilie werden verschiedene Maßnahmen zur Unterstützung angeboten. Zudem gehören Besuchskontakte zu den Eltern und die Anwendung bestimmter Konzepte durch die zuständi-gen Fachkräfte zu umstrittenen Themen im Pflegekinderwesen.

Diese Arbeit beinhaltet eine nähere Betrachtung der optimalen Gestaltung von Rahmenbedin-gungen hinsichtlich des Übergangs aus der Ursprungsfamilie in die Pflegefamilie. Es wurde zur Vereinfachung lediglich die männliche Sprachform gebraucht, auch wenn beide Geschlechter gemeint sind. Anfänglich werden die wichtigsten rechtlichen Grundlagen erläutert, womit bei weitem nicht alle erfasst sind. Daran angeknüpft wird der aktuelle Gesetzesentwurf zu dem Pflegekinderwesen dargelegt. Anschließend werden die Begriffsklärung und rechtliche Grund-lage zur Vollzeitpflege, rechtlichen Gründe zur Inpflegegabe und die Voraussetzungen der Be-teiligten näher beschrieben. Des Weiteren wird ein rechtlicher Bezug zu dem Umgangsrecht und den Besuchskontakten genommen. Im zweiten Kapitel ist die Begriffserklärung hinsichtlich des Pflegeverhältnisses und zur Rollenverteilung vordergründig dargelegt. Weiterhin wird in dem Kapitel sowohl das Ersatzfamilienkonzept als auch das Ergänzungsfamilienkonzept be-schrieben. Dazu erfolgt eine Gegenüberstellung. Im dritten Kapitel wird Bezug auf die Pflegeel-tern und das erforderliche Verfahren genommen. Daran angeschlossen ist die Thematik der Entwicklungsschwierigkeiten bzw. Belastungen und Entwicklungschancen des Pflegekindes. Um das Thema einzuschränken, wird sich in der Arbeit auf Einzelkinder und solche, die nicht aus einer für das Kind stark traumatisierenden Familiensituation heraus genommen wurden, bezogen. Außerdem liegt der Fokus auf Situationen der Dauerpflege. Im Wesentlichen be-schränkt sich die Betrachtungsweise der Arbeit auf die sozialen und die sozialpsychologischen Aspekte.

Ziel der Arbeit ist es, das Pflegekinderwesen zu thematisieren und möglichst die optimalen Rahmenbedingungen der Überführung in eine Pflegefamilie zu erfassen sowie zu benennen. Somit wird aufgezeigt, wie Pflegeltern den Übergang für das Kind am besten gestalten können. Dabei soll keinesfalls eine Vorgehensweise für ein Pflegeverhältnis hervorgehen. Vielmehr geht es darum, dass das Pflegekind und seine Verhaltensweisen besser verstanden werden können. Außerdem soll die Arbeit bestimmte Faktoren bzw. Voraussetzungen verdeutlichen, welche die Pflegeeltern in eine Pflegschaft mitbringen müssen.

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2 1 Begriffsklärung undrechtliche Grundlagen

Das Pflegekinderwesen und somit auch die Vollzeitpflege sind in verschiedenen Gesetzen ein Bestandteil. Im SGB VIII, dem Kinder- und Jugendhilfegesetz, sind die wichtigsten gesetzlichen Regelungen hinsichtlich der Gestaltung eines Pflegeverhältnisses sowie der Organisationsge-staltung des Pflegekinderwesens erwähnt. Zur Beantragung von Hilfen zur Erziehung sind nach § 27 SGB VIII sorgeberechtigte Eltern anspruchsberechtigt, welche die Erziehung und Betreu-ung ihres Kindes dauerhaft oder zeitweise nicht am Kindeswohl orientiert ausführen können (vgl. Nowacki 2012, S. 11). Dabei soll sich aus den Hilfen zur Erziehung eine Unterstützung für die Eltern in ihrer Erziehungsverantwortung ergeben, so dass sie wieder selbstständig die Er-ziehung des Kindes nach dessen Wohl ausrichten können.

Hierbei werden je nach Einschätzung des Einzelfalles die Hilfen zur Erziehung (§ 27 SGB VIII) in folgende Maßnahmen untergliedert: „Erziehungsberatung (§ 28 SGB VIII), Soziale Gruppen-arbeit (§ 29 SGB VIII), Betreuungshelfer (§ 30 SGB VIII), Sozialpädagogische Familienhilfe (§ 31 SGB VIII), Erziehung in einer Tagesgruppe (§ 32 SGB VIII), Vollzeitpflege (§ 33 SGB VIII), Heimerziehung, sonstige betreute Wohnform (§ 34 SGB VIII) und Intensive sozialpädagogische Einzelfallbetreuung (§ 35 SGB VIII)“ (zitiert nach Lenz 2014, S. 541). Dies wird durch die Gege-benheit einer einzelfallspezifischen flexiblen Erziehungshilfe (§ 27 Abs. 2 SGB VIII) erweitert. Zudem existieren zur Absicherung desqualitativen sozialpädagogischen Handelns bestimmte Verfahrensregeln (§§ 36 und 37 SGB VIII) zum Gewähren und Durchführen der Hilfen zur Er-ziehung (vgl. Lenz 2014, S. 541).

Aus den Hilfen für Erziehung geht nach § 27 ff. SGB VIII die Maßnahme der Unterbringung von Kindern und Jugendlichen hervor. Dabei gibt es folgende Unterscheidungen bei der Unterbrin-gung in eine Pflegefamilie: die Kurzzeit- und Bereitschaftspflege (für einen kurzen Zeitraum) oder die Dauerpflege (langfristig; bis zur Volljährigkeit des Kindes). Voraussetzungen für die Pflegefamilie können dabei sehr unterschiedlich ausfallen. Die Betreuung des Kindes kann von Verwandten des Pflegekindes oder von Familien sowohl mit als auch ohne pädagogische Aus-bildung übernommen werden. Zudem ist somit auch die Zusammensetzung der Familien recht unterschiedlich. So ist die Aufnahme eines Kindes für Paare (unverheiratet oder verheiratet, gleichgeschlechtlich), Einzelpersonen (eventuell mit Unterstützung der eigenen Eltern, Haus-haltshilfe o.ä.) oder Familien mit Kindern (eigene oder inzwischen angenommene) möglich. Entscheidend ist die Hauptpflegeperson und inwiefern diese zu dem Kind passt.

Für das Auswählen von Pflegefamilien sind in Deutschland unterschiedliche Konzepte gegeben, welche von Fachdiensten begleitet werden. Dafür gibt es meistens Sonderabteilungen (Pflege-kinderdienst) im Jugendamt, welche einer Kommune oder einem Kreis zugehörig sind. Dabei werden speziell die Pflegefamilien im Rahmen des Allgemeinen Sozialdienstes angeworben, vermittelt und betreut. Hierbei gibt es große Unterschiede bei der Vorgehensweise des

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chen Trägers der Jugendhilfe, welche sich nach dem Sozialgesetzbuch hinsichtlich des Kin-deswohls richtet. Des Weiteren werden diese Aufgaben sowie die Betreuung von Pflegefamilien auch von freien Trägern der Jugendhilfe übernommen. Dazu konnten bereits einige eingefor-derte einheitliche Standards bezüglich des Kinderschutzes teilweise umgesetzt werden. In Zu-sammenhang damit stehen Ansätze, wie z.B. die frühen Hilfen, das Entbinden von der Schwei-gepflicht bei Kindeswohlgefährdung und die Zusammenarbeit der verschiedenen Träger. Auch bezüglich der Vermittlung von Pflegekindern wird eine einheitliche Vorgehensweise gefordert (vgl. Nowacki 2012, S. 11 ff.).

1.1 Aktueller Gesetzentwurf

Zur Stärkung der Rechte von Kindern und Jugendlichen liegt aktuell ein Gesetzentwurf der Bundesregierung vor. Dieser hat die Bezeichnung Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG). Bedeutsam für die Entwicklung eines Kindes sind eine stabile Familiensituation sowie die Si-cherheit und Kontinuität der Beziehungen. Insbesondere Pflegekinder sind häufig stark belastet und haben ein erhöhtes Risiko u.a. bezüglich Verluste von Bindungen und Abbrüchen von Be-ziehungen. Für die Entwicklung und das Wohlbefinden des Kindes kann dies negative Folgen haben. Somit ist es wichtig, dem Kind Sicherheit hinsichtlich der Familiensituation und der Be-ziehungen zu geben.

Um die Pflegekinder und ihre Familien weiter zu stärken, gilt es die Lebensperspektive für das Pflegekind zu klären und zu berücksichtigen. Dabei dient das kindlichen Zeitempfinden als Ori-entierung und ist ein Kriterium, welches von Trägern der öffentlichen Jugendhilfe sowie bei Fa-miliengerichtlichen Entscheidungen und Verfahren zu berücksichtigen ist.

Des Weiteren erfolgt eine Verbesserung bei der Unterstützung und Beratung von Eltern und Pflegeeltern. Die Anordnung, dass das Pflegekind dauerhaft in der Pflegefamilie verbleibt, kann durch das Familiengericht erfolgen. Das Gericht kann diese Entscheidung treffen, wenn trotz Unterstützung und Beratung der Eltern sich die Erziehungsverhältnisse nicht innerhalb eines für das Kind zumutbaren Zeitraums verbessert haben und auch zukünftig nicht zu erwarten ist. Zu-dem kann so entschieden werden, wenn es für das Kindeswohl erforderlich ist, dass das Pfle-gekind in der Pflegefamilie verbleibt (vgl. KJSG 2017, S. 1 ff.).

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4 1.1.1 Artikel 1

Änderung des Achten Buches Sozialgesetzbuch

Im Achten Buch des Sozialgesetzbuchs, welches die Kinder- und Jugendhilfe umfasst, gibt es folgende Änderung.

1. Hinsichtlich der Inhaltsübersicht sind u.a. folgende Änderungen aufgeführt. Bei den §§ 36a bis 38 werden die Angaben ersetzt. Darin heißt es nun bei § 36a, dass es bei stationären Leis-tungen anfügende Bestimmungen bezüglich der Hilfeplanung gibt. Daran angeknüpft wird in § 36b das Zusammenarbeiten beim Zuständigkeitsübergang festgehalten. Des Weiteren hat die Pflegeperson nach § 37 Anspruch auf Beratung und Unterstützung, und eine örtliche Prüfung ist gegeben. Außerdem besteht nach § 37a für die Eltern der Anspruch auf Beratung und Unter-stützung sowie das Zusammenarbeiten bei stationären Leistungen. Hinzu kommen nach § 38 Auslandsmaßnahmen und dessen Zulässigkeit (vgl. KJSG 2017, S. 6).

5. In § 8a Absatz 1 Satz 2 ändert sich, dass das Einbeziehen von Erziehungsberechtigten und dem Kind oder dem Jugendlichen in die Gefahreneinschätzung vom Jugendamt erwartet wird, wenn die Wirksamkeit des Schutzes von diesem Kind oder diesem Jugendlichen feststeht. Es muss sich hierzu ein unmittelbarer Eindruck von dem Kind und seinem persönlichen Umfeld verschafft werden, wenn die Erfordernis nach fachlicher Einschätzung besteht. Zudem sind demnach jene Personen in angemessener Weise an der Gefährdungseinschätzung zu beteili-gen, die nach § 4 Absatz 1 des Gesetzes dem Jugendamt zur Information und Kooperation Da-ten übermittelt haben.

15. In § 27 Absatz 2 Satz 2 wird erfasst, sofern es im Einzelfall an den erzieherischen Bedarf von dem Kind oder dem Jugendlichen angelehnt ist, kann eine Kombination von unterschiedli-chen Hilfearten erfolgen (vgl. KJSG 2017, S. 9 f.).

Die in § 37 erfasste Beratung und Unterstützung der Pflegeperson sowie die örtliche Prüfung beinhaltet folgendes. Während des Pflegeverhältnisses hat die Pflegeperson Anspruch auf Be-ratung und Unterstützung. Dies gilt auch für die Fälle, in denen keine Hilfe zur Erziehung oder Eingliederungshilfe für das Kind besteht. Die Sicherstellung von ortsnaher Beratung und Unter-stützung erfolgt dann, wenn die Pflegeperson mit dem aufgenommenen Kind nicht im Bereich des zuständigen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe lebt.

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§ 37a umfasst das Beraten und Unterstützen der Eltern sowie das Zusammenarbeiten bei stati-onären Leistungen. Sofern eine Gewährleistung der Hilfen nach §§ 32, 33, 34 und 35a Absatz 2 Nummer 3 und 4 erfolgt, besteht für die Eltern ein Anspruch auf Unterstützung und Beratung. Zudem haben sie dann das Recht, dass die Beziehung zu ihrem Kind gefördert wird. Die Ent-wicklungs-, Teilhabe- oder Erziehungsbedingungen in der Ursprungsfamilie soll durch die Un-terstützung und Beratung verbessert werden, sodass sie nach einem für das Kind annehmba-ren Zeitraum dieses wieder selbst erziehen können. Konnte diesbezüglich keine anhaltende Verbesserung in dem erforderlichen Zeitraum erlangt werden, hat die Unterstützung und Bera-tung der Eltern den Zweck, dass eine andere Lebensperspektive erreicht und gesichert wird. Diese soll förderlich für das Kindeswohl und auf Dauer angelegt sein.

Außerdem soll eine Zusammenarbeit zwischen der Pflegeperson und den Eltern durch die Hil-fen erreicht werden. Nach Absatz 1 und § 37 hat der Träger der ofHil-fenen Jugendhilfe dies durch eine abgestimmte Wahrnehmung von den Aufgaben sicherzustellen (vgl. KJSG 2017, S. 12).

1.1.2 Artikel 6

Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs

Die Fassung des Bürgerlichen Gesetzbuchs vom 2. Januar 2002, welche am 21. Februar 2017 durch Artikel 2 des Gesetzes überarbeitet wurde, wird wie folgt verändert.

Es gibt eine Ergänzung an § 1632 Absatz 4. Diese beinhaltet die zusätzliche Möglichkeit einer Anordnung des Familiengerichts in Verfahren nach Satz 1 auf Antrag der Pflegeperson oder von Amts wegen bezüglich des dauerhaften Verbleibs des Kindes in der Pflegefamilie. Dies kann bei einer fehlenden Verbesserung der Erziehungsverhältnisse der Eltern auftreten oder bei Erfordernis dieser Anordnung zum Kindeswohl.

Des Weiteren wird § 1696 der im Folgenden erläuterte Absatz 3 beigefügt. Wenn keine Kin-deswohlgefährdung besteht, die Eltern entgegen den Erwartungen ihre Erziehungsverhältnisse verändert haben und das Kind wieder selbst erziehen können, ist eine Maßnahme nach § 1632 Absatz 4 Satz 2 aufzuheben. Allerdings nur, wenn es für das Kindeswohl keinen Widerspruch hinsichtlich der Wegnahme von der Pflegeperson gibt.

In § 1697a gibt es u.a. die Beifügung des Absatzes 2. Sofern nichts anderes festgelegt ist hat das Gericht für ein in einer Familienpflege lebendes Kind in einem Verfahren die genannten Angelegenheiten zu berücksichtigen. Ebenso muss das Gericht hinsichtlich der Erziehungsver-hältnisse der Eltern beachten, ob und inwieweit sich diese in dem für das Kind annehmbaren Zeitraum entsprechend verbessert haben, sodass diese in der Lage sind, das Kind wieder

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selbst zu erziehen. Unter Berücksichtigung der kindlichen Bedürfnisse nach Kontinuierlität und Stabilität der Lebensverhältnisse, hat das Gericht bei den vorliegenden Voraussetzungen des § 1632 Absatz 4 Satz 2 Nummer 1 zu entscheiden. Beruht die Erziehung und Betreuung auf den § 34 oder 35a Absatz 2 Nummer 4 des Achten Buches Sozialgesetzbuch, so gelten dem-nach Sätze 1 und 2 (vgl. KJSG 2017, S. 29).

1.1.3 Artikel 9 Inkrafttreten

Am 1. Januar 2018 tritt dieses Gesetz vorbehaltlich des Absatzes 2 in Kraft (vgl. KJSG 2017, S.31).

1.1.4 2. „Mehr Stabilität und Kontinuität - Pflegekinder und ihre Familien stärken“

Jedes Kind hat in sich das Grundbedürfnis verankert, emotionale Sicherheit zu erleben. Das Erleben von emotionaler Sicherheit wird durch Trennungsangst beeinträchtigt und führt bei je-dem Kind zu emotionalen Stress. Aufgrund der Vorerfahrungen werden Angst und Stress be-sonders stark von Kindern und Jugendlichen erlebt, die in einer Pflegefamilie oder in einer Heimeinrichtung erzieherische Hilfen bekommen. Es kommt bei diesen Kindern und Jugendli-chen durch Trennungsangst und Stress zu einer Verstärkung bzw. Verfestigung der schon vor-handenen negativen Folgen von Erlebnissen. Solche beziehen sich auf das Erlebte, was zur Herausnahme aus der Ursprungsfamilie geführt hat, wovon es sich in 33,8% der Fälle um Kin-deswohlgefährdung handelt. Für den gesamten weiteren Lebensverlauf hat diese Verstärkung bzw. Verfestigung der negativen Folgen nachhaltige Auswirkungen, wovon u.a. die psychische Gesundheit, gesellschaftliche Integration und die Entwicklung von Fähigkeiten betroffen ist. In-sofern ist für die Pflegekinder das Gewähren einer stabilen Familiensituation bedeutsam und gleichzeitig gilt es vollumfassend, die verfassungsmäßigen Rechte der Eltern zu wahren (vgl. KJSG 2017, S. 33 f.).

1.2 Vollzeitpflege

Die Vollzeitpflege gehört zu den Möglichkeiten von Hilfen für Erziehung. Den Betroffenen ge-genüber ist das Jugendamt verpflichtet, ihnen die Zugänglichkeit der Hilfe durch gemeinsame Planung zu ermöglichen. Vollzeitpflege, welche in Deutschland als Referenzbegriff für Pflege-verhältnisse gilt, umfasst folgendes. Es meint die Situation eines Kindes, welches Tag und Nacht nicht in der eigenen, sondern in einer anderen Familie lebt. Etwa 25% der Pflegekinder in

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Deutschland sind bei Verwandten untergebracht, wobei sich die Anzahl weitaus vergrößern würde, aufgrund der vielen möglichen inoffiziellen Verwandtenpflegeverhältnisse.

Für direkt entstehende Kosten, welche die Pflegschaft eines Kindes mit sich bringt, aber auch die Erziehungsleistung, haben Pflegepersonen beim Jugendamt den Anspruch auf Entschädi-gung und Entgelt. Von Bundesland zu Bundesland, aber auch von Kommune zu Kommune, können die Pauschalen variieren. Allerdings werden den Bundesländern wichtige Orientie-rungspunkte durch jährlich neue Pauschalverträge des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V. gegeben. Je nach Alter des Kindes liegt der Ansatz derzeit zwischen 508 und 676 Euro, bei der Pflege und Erziehung sind es 237 Euro pro Monat und Kind. Jedoch gibt es Schwankungen insbesondere beim Erziehungsbeitrag. Dieser liegt zwischen 180 und 670 Euro. Hin und wieder kommt es zu Zahlungen mit höheren Entschädigungen, wenn es sich um Pflegekinder mit Behinderungen, eine Kurzzeitpflege oder eine professionelle Erziehungsstelle handelt.

Das Pflegegeld kann unter bestimmten Voraussetzungen vom Jugendamt gekürzt werden, z.B. wenn das Kind bei Verwandten gerader Linie (Großeltern) in Pflege ist. Verwandte Pflegeper-sonen verzichten häufig auf ein Pflegegeld, was insbesondere bei Pflegeverhältnissen vor-kommt, die dem Jugendamt unbekannt sind. Entsprechend der Leistungsfähigkeit werden Un-terhaltspflichtige Eltern vom Jugendamt verpflichtet, Beiträge zu zahlen. Für Pflegepersonen bestehen zum einen das Recht auf finanzielle Entschädigung und zum anderen der Anspruch auf Beratung, Unterstützung und Weiterbildung, sofern es einen Bedarfsfall gibt. Bezüglich der Angelegenheiten des täglichen Lebens sind sie befugt, alleine für das Kind zu entscheiden und eine Vertretung des Sorgerechtsinhabers zu sein.

Vom Jugendamt hergestellte und begleitete Pflegeverhältnisse (im Rahmen einer Hilfe zur Er-ziehung), gilt keine gesonderte Bewilligungs- und Aufsichtspflicht. Jedoch meint dies nicht, dass es eine Reduzierung des staatlichen Rechtsschutzes sein soll. Es wird vom Gesetzgeber von der Gewährleistung eines mindestens gleichwertigen Schutzes ausgegangen, welcher im Rah-men des Jugendamts und dessen Pflichten durch die Hilfeplanung und fachliche Begleitung sowie die namentliche Auswahl der Pflegepersonen gegeben ist.

Ebenso ist für verwandtschaftliche Pflegeverhältnisse bis zum 3. Grad keine gesonderte Auf-sichts- und Bewilligungspflicht vorhanden. Die Begründung hierfür ist, dass der Staat keine Einmischung in verwandtschaftliche Erziehungsverhältnisse will. Jedoch kann das Jugendamt bei Anstreben von Pflegegeld durch verwandtschaftliche Pflegepersonen durch die damit ver-bundenen Bezüge, gewisse Möglichkeiten einleiten, zum Erkennen von Hilfebedarf und wenn erforderlich zu Kinderschutzmaßnahmen. Zudem gelten die allgemeinen Kinderschutzregeln. Pflegepersonen, die nichtverwandte Kinder aufnehmen möchten und solche die nicht im

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chen und rechtlichen Rahmen einer Hilfe zur Erziehung eine Aufnahme planen, haben die ge-setzliche Bewilligungs- und Aufsichtspflicht, welche auch lediglich auf diese beschränkt ist. Die-sen Voraussetzungen entspricht nur ein geringer Teil der Pflegeverhältnisse (vgl. IAGJ 2017, S. 2 f.).

1.3 Inpflegegabe- rechtliche Gründe

Rechtliche Ursachen für eine dauernde Unterbringung außerhalb der Familie können sein, dass es eine Entziehung, Einschränkung oder Ruhen des Sorgerechts der Eltern durch ein Familien-gericht gibt. Zudem dürfen die Eltern die tatsächliche Versorgung des Kindes nicht mehr über-nehmen (§ 1675 BGB). Anschließend wird das Kind von einem bestellten Vormund oder Pfleger einer Pflegestelle anvertraut.

Es kann ebenso zu einer Unterbringung kommen, auf Grundlage einer vertraglichen (§§ 241,305 BGB) Vereinbarung zu der Inpflegegabe zwischen Eltern und Pflegeeltern, ohne An-tasten des Sorgerechts der Eltern. Dazu kann es durch die Anregung des Jugendamtes, aber auch durch den eigenen Antrieb der Eltern gekommen sein. Es kann nach der freiwilligen Un-terbringung zu der ungezwungenen Entscheidung der Eltern kommen, dass sie zum Vorteil der Pflegeeltern teilweise auf ihr Sorgerecht verzichten (§ 1630 III BGB) (vgl. Oberloskamp/ Hoff-mann 2006, S.9).

1.4 Voraussetzungen der Beteiligten

1.4.1 Pflegeeltern

Ein „Pflegekindschaftsverhältnis“ ist ein familienrechtliches Rechtsverhältnis, welches nicht im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt ist, da dieses normalerweise auf einem Vertrag beruht. Hier-für ist die Geschäftsfähigkeit von den Pflegepersonen erforderlich. Nach § 106 BGB sind Per-sonen zwischen 7 und 18 Jahren beschränkt geschäftsfähig. Diese benötigen von dem gesetz-lichen Vertreter eine Einwilligung zum Abschluss von Verträgen. Jedoch wird bei einer be-schränkten Geschäftsfähigkeit eines Pflegebewerbers in der Regel keine Genehmigung vom Jugendamt erteilt. Bei einem Ehepaar ist es rechtlich möglich ein Kind aufzunehmen, auch wenn nur ein Teil beschränkt geschäftsfähig ist. Dann kann der Pflegevertrag allerdings ledig-lich mit der voll geschäftsfähigen Person abgeschlossen werden.

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9 1.4.2 Eltern

Es gibt keine bestimmten Erfordernisse an die Eltern, da der Pflegevertrag nicht gesetzlich ge-regelt ist. Dennoch müssen auch die Eltern bzw. ein Elternteil geschäftsfähig sein, wenn sie einen Pflegevertrag mit den Pflegpersonen abschließen wollen. Somit können sie keine Ver-tragspartei sein, wenn eine Geschäftsfähigkeit nicht vorliegt, da die Eltern dann rechtlich gese-hen keine Befugnis haben, für ihr Kind zu handeln. In dem Fall hat der Vormund des Kindes zu reagieren. Das Sorgerecht muss grundsätzlich bei den Eltern sein, wenn diese einen Pflegever-trag abschließen wollen. Sind die Eltern nur im Besitz von Teilen des Sorgerechts, so ist zu be-achten, für welche Bereiche sie noch zuständig sind und ob dies für den Willen der Inpflegega-be ausreicht.

Das elterliche Sorgerecht ist in zwei Teilbereiche unterteilt. Zum einen die Personensorge (§ 1626 BGB), welche das Recht und die Pflicht erfasst für die Kindsperson zu sorgen und zum anderen die Vermögenssorge (§ 1629 BGB), welche das Recht und die Pflicht meint, für das Kindesvermögen zu sorgen. Die Personen- und Vermögenssorge sind wiederum in zwei Teilbe-reiche untergliedert. Die tatsächliche Personensorge (z.B. Erziehung, Pflege, Aufenthaltsbe-stimmung) bzw. die tatsächliche Vermögenssorge (z.B. bei einem geerbten Haus des Kindes dieses instand zu halten) stellt einen Bereich dar.

Weiterhin ist bei persönlichen Angelegenheiten die Vertretung (z.B. Anmeldung in Kindergarten/ Schule) bzw. bei Vermögensangelegenheiten die Vertretung (z.B. mit dem Kindsgeld Aktien ankaufen). Eltern können eine Partei des Pflegevertrages sein, wenn ihnen lediglich die Vermö-genssorge entzogen (§§ 1666 ff BGB) ist. In der Regel müssen die Eltern mit der Inpflegegabe einverstanden sein, auch wenn sie nicht das Aufenthaltsbestimmungsrecht haben oder gegen sie eine Verbleibsanordnung besteht (§ 16321 IV BGB), sofern sie noch neben anderen Perso-nen im Besitz der tatsächliche PersoPerso-nensorge sind oder noch Pflege- und Erziehungsrechte haben. Ist dies nicht gegeben, so sind vom Gesetz verschiedene Konfliktlösungsmodelle vorge-sehen, welche sich an den Gründen der fehlenden Teile des Sorgerechts orientiert (vgl. Ober-loskamp/ Hoffmann 2006, ab S.10 ff.).

1.4.3 Pflegevertrag

Sofern der Inhalt des Pflegevertrages nicht gegen gesetzliche Vorschriften verstößt (§ 134 BGB) oder keine Sittenwidrigkeiten enthält (§ 138 BGB), kann dieser im Ermessen der Beteilig-ten vereinbart werden. Dabei sollBeteilig-ten die folgenden Regelungen festgelegt werden: die erhalte-nen Rechten der Pflegepersoerhalte-nen, die Festlegung oder das Entfallen bzw. die Höhe eines Ent-geltes für die Tätigkeit der Pflegepersonen, das Beenden des Pflegeverhältnisses und das

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halten von Fristen für die Kündigung. Orientiert an den getroffenen Vereinbarungen besteht die Möglichkeit für einen gemischten Dienst-Werkvertrag (§§ 611, 631 ff BGB) oder für einen Auf-trag als rechtliche Qualifizierung des Schuldverhältnisses (§§ 662 ff. BGB).

Ein Pflegverhältnis kann in Ausnahmefällen begründet werden, auch ohne dass ein Vertrag zwischen Pflegeeltern und Aufenthaltsbestimmungsberechtigten vorhanden ist. Dabei handelt es sich dann um eine Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB). Diese tritt ein, wenn ein Geschäft (=Aufnahme eines Kindes) von jemanden (=Pflegeltern) für jemand anderen (=Eltern), ohne dessen Beauftragung oder sonstige Berechtigung, ausgeführt wird. Es kann zu einem solchen Ausnahmefall kommen, z.B. wenn die Eltern aufgrund eines Unfalls im Krankenhaus sind und keine Versorger für das Kind vorhanden sind. (vgl. Oberloskamp/ Hoffmann 2006, ab S.14 f.).

1.5 Umgangsrecht und Besuchskontakte

Das Umgangsrecht von Kind und Eltern ist folgendermaßen in § 1684 BGB geregelt:

Ein Umgangsrecht mit jedem Elternteil besteht für das Kind; die Verpflichtung und Berechtigung zum Umgang mit dem Kind hat jeder Elternteil.

Alles was das Verhältnis zum jeweiligen anderem Elternteil beeinträchtigt oder eine Erschwe-rung der Erziehung herbeiführt, haben die Eltern zu unterlassen. Dies gilt auch bei der Unter-bringung des Kindes bei einer anderen Person.

Über den Umfang des Umgangsrechts und dessen Ausführung kann das Familiengericht ent-scheiden und die Regelung hinsichtlich der Ausübung, auch gegenüber Dritten, treffen. Zur Er-füllung der in Punkt 2. genannten Pflichten kann das Familiengericht hierzu Anordnungen an die Beteiligten richten.

Die Einschränkung oder das Ausschließen hinsichtlich des Umgangsrechtes oder dem Vollzie-hen früherer Entscheidungen kann vom Familiengericht erfolgen, sofern es für das Kindeswohl notwendig ist. Dementsprechend kann nur, wenn das Kindeswohlgefährdet ist, über eine länger andauernde oder dauerhafte Einschränkung oder Ausschließung beim Umgangsrecht entschie-den werentschie-den. Ebenso kann das Familiengericht bestimmen, dass nur bei Anwesenheit eines mitwirkungsbereiten Dritten ein Umgang stattfinden darf. Dabei kann der Dritte auch ein Verein oder ein Träger der Jugendhilfe sein, welche eine Einzelperson für die Erfüllung dieser Aufgabe bestimmen.

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Das Umgangsrecht anderer Bezugspersonen ist in § 1685 BGB vorgeschrieben:

Hierbei wird auf das Umgangsrecht von Geschwistern, Großeltern und Personen, die mit dem Kind über einen längeren Zeitraum in einer häuslichen Gemeinschaft gelebt haben, eingegan-gen. Die Wohlverhaltensklausel nach § 1684 Absatz 2 BGB gilt auch für diese Personen und es kann entsprechend vom Familiengericht eingegriffen werden. Sofern die Personen für das Kind von Wichtigkeit und positiver Bedeutung waren, so gilt es die Kontakte zu erhalten, da diese zur Sicherung des kontinuierlichen Lebens des Kindes beitragen (vgl. Hopp 2009, S. 203 f.).

Jedoch ist zu beachten, dass zwar nach § 1684 Abs. 1 BGB das Recht auf Umgang besteht, aber dies für das Kind keine Verpflichtung zum Umgang bedeutet. Es stellt viel mehr für die Kontaktgestaltung, die Beachtung des Kindeswillens dar, auch wenn das Pflegekind keinen Kontakt zu der Ursprungsfamilie möchte. Somit darf eine Durchsetzung des Umgangsrechts der Eltern nicht gegen den Kindeswillen erfolgen (vgl. Salgo 2004, S. 28 f.). Aus diesem Grund ist eine altersgerechte Beteiligung des Kindes bei der Hilfeplanung und auch bei Entscheidungen nach §§ 8 Abs. 1, 36 SGB VIII vorgesehen. Daraus ergibt sich, dass zu dem Kindeswohl eben-so die Beachtung des Kindeswillens erforderlich ist (vgl. § 8 und § 36 SGB VIII). Dies bezieht sich ebenso auf das Kindeswohl und meint, die kindlichen Bedürfnisse zu befriedigen und eine positive Persönlichkeitsentwicklung durch die verfügbaren Lebensumstände des Kindes zu er-möglichen (vgl. § 1 SGB VIII).

2 Begriffserklärung, Bezugnahme zum Pflegeverhältnis und zur Rollenverteilung 2.1 Pflegekind

Die Rolle des Pflegekindes, welches zwei Familien hat, stellt sich gegen die gesellschaftliche Normalitätsvorstellungen einer Familie und dem Aufwachsen eines Kindes. In bestimmten Ent-wicklungsstufen kann es beim Pflegkind zur Bewältigung von Problemen und Fragen kommen, wie sie bei anderen Kindern nicht vorkommen. Dabei gibt es laut Wolf mindestens fünf Grup-pen, in denen die Bewältigungsaufgaben der Pflegekinder definiert werden:

Die Entwicklungsaufgaben beinhalten sowohl allgemeine Aufgaben, die jedem Kind gegenüber stehen, als auch spezifische Aufgaben, die sich auf die Pflegekinder beziehen, wie z.B. Auto-nomieentwicklung oder ein reales Bild von der Ursprungsfamilie entwickeln.

Die Bewältigung der Belastungen vor der Zeit in der Pflegefamilie, meint u.a. die Bewältigung von Erfahrungen mit Vernachlässigung oder Gewalt. Ebenso gilt für das Pflegekind, das Fehlen sicherer Bindungen sowie das Erleben in den verschiedenen Lebensstationen zu bewältigen.

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Bei der Bewältigung der Belastungen im Übergang zur Pflegefamilie, sind unterschiedliche Ver-lusterfahrungen betroffen, wie z.B. die Eltern, andere Netzwerkbeziehungen oder die gewohnte Umgebung. Dazu kommt noch die neue Familienstruktur und die damit verbundene Neugewöh-nung sowie Neuorientierung. Zudem haben die Pflegeeltern bestimmte Erwartungen, aber auch das Fremdfühlen muss überwunden werden, woraus sich emotionales Zusammenwachsen ergibt, welches ebenfalls bewältigt werden muss.

Aufgaben in der Pflegefamilie äußern sich für das Pflegekind insoweit, dass es den Umgang mit den Erwartungen der Pflegeeltern und mit dem neuen Leben lernen muss. Zudem muss es mit einem neuen Elternpaar sowie mit Loyalitätskonflikten zurechtkommen. Ein gewisser Anteil an notwendiger Normalität für das Aufwachsen, muss das Pflegekind gemeinsam mit den Pflegeel-tern und den ElPflegeel-tern entwickeln.

Es handelt sich bei der Bewältigung weiterer Übergänge beispielsweise um die Bewältigung einer Rückkehr in eine Familie, die sich verändert hat oder eine andere ist. Im späteren Verlauf meint es auch das Übergehen in die Selbständigkeit und das Eröffnen in eine stabile Partner-schaft (vgl. Reimer 2002, S. 34 f.).

Zusammenfassend steht das Pflegekind vor den Aufgaben, eine Beziehung zu den Pflegeeltern aufzubauen, die Inpflegegabe zu verarbeiten, mit Loyalitätskonflikten lernen umzugehen, sich mit der Ursprungsfamilie auseinanderzusetzen und den Status des Pflegekindes für sich anzu-nehmen (vgl. Gassmann 2015, S. 49).

Dennoch zeigen Pflegekinder u.a. emotionale und Verhaltensprobleme, auch wenn diese im Vergleich zu Kindern in Heimeinrichtungen geringer ausfallen. Ursachen für die Schwierigkeiten in der Entwicklung des Kindes können mögliche vorgeschichtliche Traumata, die durch Miss-handlung, Missbrauch, Vernachlässigung, Beziehungsabbrüche oder durch den Ortswechsel ausgelöst wurden, sein. Bei dauerhaft untergebrachten Pflegekindern ist dennoch eine positive Entwicklung erkennbar, denn ihnen stehen feste und liebevolle Bezugspersonen zur Verfügung. Ebenso erscheint die soziale Zugehörigkeit und die damit verbundenen psychischen Bindungen des Kindes ein wichtiger Faktor zu sein (vgl. Nowacki 2012, S. 15 f.).

Zudem ist es entscheidend, dass das Pflegekind mit seiner Situation, in einer Pflegefamilie zu leben, zufrieden ist. Nur so kann es zu einer sicheren Identitätsbildung des Pflegekindes und zu der Bewältigung der genannten Aufgaben kommen (vgl. Gassmann 2015, S. 52).

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13 2.2 Pflegefamilie

In Beziehung zu der biografischen Ebene, haben Untersuchungen der Pflegeeltern gezeigt, dass besonders Pflegeeltern in der Altersspanne von 30 bis 50 Jahren ein Kind aufnehmen. Ein weiteres Merkmal ist, dass die Pflegeeltern überwiegend aus der unteren Mittelschicht oder der oberen Unterschicht stammen. Bei den untersuchten Fällen kam es bei einem Drittel der gefamilien zu der Aufnahme mehrere Kinder. Bei der Ergründung von der Motivation ein Pfle-gekind aufzunehmen, werden meistens lediglich die Beweggründe der Pflegemütter betrachtet. Die Motivation der Kinderlosigkeit ist größtenteils bei jüngeren Frauen als Grund vertreten, wäh-rend die Motivation zur Aufnahme eines Kindes bei älteren Frauen oft mit dem Auszug der ei-genen Kinder einhergeht. Daraus ergibt sich aus beiden Motivationen eine bestimmte Erwar-tungshaltung an das Pflegekind. Des Weiteren kann uneigennütziges Engagement ein Beweg-grund sein. Ebenso kommt es auch vor, dass einem Pflegekind funktionalisierende Motive auf-erlegt werden, welche z.B. ein verstorbenes Kind ersetzen oder dem Wunsch eines Spielkame-raden für das leibliche Kind nachkommen sollen. Bei diesem Motiv sind die Abbruchsquoten besonders hoch und liegen bei 30 bis 50 Prozent, was aus unterschiedlichen Studien hervor-ging.

Es ergeben sich verschiedene Elternkonzepte der Pflegeeltern aus den genannten Motivatio-nen. Blandow unterscheidet dabei zwischen dem „Mutterkonzept bzw. Ersatzmutterkonzept“ (bei Kinderlosigkeit oder Auszug der eigenen Kinder), dem „Helferkonzept“ (uneigennützig/ eh-renamtlich) und dem „Gib- und Nimm- Konzept“ (funktionalisierende Motive), welches am we-nigsten vertreten ist. Die Identifikation mit der Rolle als Ersatzmutter oder natürliche Mutter war in frühen Untersuchungen dominierend. Dabei zeigte das Mutterkonzept bei Pflegemüttern, im Gegensatz zu dem Helferkonzept, eine deutlich geringere Abbruchquote. Hingegen weisen neuere Untersuchungen gegenteilige Ergebnisse auf.

Daraus ist ersichtlich, dass ein Helferkonzept bei dem Großteil der Pflegeeltern vertreten ist, wobei hier keine höheren Abbruchquoten im Vergleich zu den anderen Konzepten bestehen. Somit bleibt es offen, ob es im Pflegekinderwesen zu einer Trendwende mit äußerlicher Anpas-sung kommt, denn zeitgleich besteht eine Entwicklung von Pflegeltern zu einer professionellen Pflegeelternschaft. So kommt es, dass bei dem vordergründigen Wunsch nach einer Eltern-schaft die Wahrscheinlichkeit gering ist, ein Kind vermittelt zu bekommen, da die Jugendämter sich eher an dem Ergänzungsfamilienkonzept orientieren, welches eine doppelte Elternschaft einschließt (vgl. Kötter 1994, S. 101 ff.).

Es gilt im Regelfall für ein bisher fremdes Kind, die Verantwortung zu übernehmen, die Versor-gung sicherzustellen sowie ihm mit ZuneiVersor-gung und Bindungsangeboten entgegenzukommen. Dies umfasst die zukünftigen Aufgaben einer Pflegefamilie. In Hinblick auf die Aufgaben und Probleme der Pflegeeltern hat Wolf diese in sechs Bereiche aufgeteilt.

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Die Aufgaben im Verhältnis zum Pflegekind umfassen u.a. das Kennenlernen des Kindes. Häu-fig sind wenige Informationen bezüglich der Vorerfahrungen des Kindes vorhanden und die Er-wartungen, dass das Kind so gut zu ihnen passt, werden womöglich enttäuscht. Zudem kann das Verhalten des Kindes für die Pflegeeltern unverständlich sein.

Bei den Aufgaben im Verhältnis zur Herkunftsfamilie des Kindes muss die Pflegefamilie einer Auseinandersetzung mit dem Kind sowie auch mit der Ursprungsfamilie nachgehen. Damit sind eventuelle Erwartungen der Eltern in Bezug auf die Rückführung des Kindes verbunden sowie Besuchskontakte. Dies wirkt sich oftmals belastend auf die Pflegefamilie aus und ist zu bewälti-gen.

In Hinblick auf die Aufgaben im Verhältnis zu anderen Familienmitgliedern, müssen die Pflege-eltern oftmals ihre Beziehungen zu Verwandten und Angehörigen, aber insbesondere zu den leiblichen Kindern neu ordnen.

Aufgaben in Bezug auf Interventionen von Außen beinhalten, das Finden einer Balance zwi-schen dem Privatsein und der öffentlichen Familie von der Pflegefamilie. Dabei können z.B. die Ursprungsfamilie oder Mitarbeiter vom sozialen Dienst, durch erhebliches Einmischen von Au-ßen diesen Vorgang erschweren.

Grundlegend geht es bei den Aufgaben in Relation zum Selbst um eine Reflexion vom Selbst-bild. Dies ist mit der Rollenfindung als Pflegemuttermutter verbunden. Es geht u.a. darum, sich mit den eigenen Erwartungen an das Pflegekind und dem Motiv bezüglich des Aufnehmens von dem Pflegekind auseinanderzusetzen. Dazu kommen Aufgaben, wie das Eingestehen von Schwierigkeiten, um die Annahme von Beratungsangeboten zu gewährleisten. Eigene Erfah-rungen in Hinblick auf Zurückweisungen oder Trennungen müssen greifbar sein, wenn nötig mit professioneller Hilfe. Dies ist erforderlich, um emotionale Belastungen, welche bei der Aufnah-me von Kindern mit schwerwiegenden negativ behafteten Vorerfahrungen entstehen, zu bewäl-tigen.

Die Aufgaben in Bezug auf das Leben in der Pflegefamilie beinhalten eine Bewältigung der meist plötzlichen Umstellung des Lebens gefordert ist. Damit ist das fremde Kind gemeint, wel-ches mit seinen Gewohnheiten in die Familie kommt, Schwierigkeiten und Erwartungen an die Pflegefamilie tolerant und flexibel zu sein mit sich bringt (vgl. Reimer 2002, S. 35 f.).

Grundlegend gilt es, das Pflegekind bei seinen Prozessen zu unterstützen und zu begleiten sowie diese zu würdigen. Dies ist hilfreich für den wichtigen Prozess, dass das Pflegekind seine Zufriedenheit bezüglich der Situation und dem Status als Pflegekind erlangt. Es werden hierbei verschiedenste Aufgaben parallel oder nacheinander angegangen. (vgl. Gassmann 2015, S. 58)

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15 2.3 Ursprungsfamilie

Die Eltern befinden sich in der gesellschaftlich unnatürlichen Situation, dass sie Eltern ohne Kinder sind. Zu den Aufgaben der Eltern bezüglich der Bewältigung gehören, mit den vorhan-denen Schwierigkeiten umzugehen, weswegen das Kind aus der Ursprungsfamilie herausge-nommen oder abgegeben wurde. Weiterhin sind der Alltag ohne Kind neu organisieren; Fremd- und Selbststigmatisierung bewältigen, eine neue Beziehung ohne gemeinsamen Alltag zu dem Kind und zu den Pflegeeltern eine Beziehung etablieren Aufgaben der Eltern (vgl. Reimer 2002, S. 37).

2.4 Soziale Dienste

Momentan ist das zentrale Strukturmerkmal der Sozialen Dienste vielfältig oder chaotisch. Da-bei gehen vom Jugendamt viele Pflegekinderdienste aus, welche zum Teil spezialisierte Diens-te sind. Außerdem sDiens-tellen sie im Allgemeinen Sozialdienst des JugendamDiens-tes einen UnDiens-terbe- Unterbe-reich dar oder freie Träger haben den Pflegekinderdienst von anderen Kommunen übertragen bekommen, welche unterschiedlichen weltanschaulichen Ausrichtungen (privat, gemeinnützig, konfessionell) und Traditionen folgen. Regional unterscheidet sich die Arbeitsbelastung der Mit-arbeiter ebenso wie die definierten Aufgabe und die dafür festgelegte Zeit. Daher gibt es nur sehr vereinzelt in einigen Diensten oder bestimmten Regionen vorgebende Qualitätsstandards. Zu den Aufgaben des Sozialarbeiters zählt es, verschiedene Ressourcen bereitzustellen, wel-che für die Aufgaben- und Problembewältigung erforderlich sind. Somit liegt der Fokus auf den benötigten Ressourcen für das Pflegekind, die Pflegeeltern und die Eltern, anstatt Störungen und deren Beseitigung in den Vordergrund zu stellen (vgl. Reimer 2002, S. 37). Des Weiteren sollte die Beachtung des Pflegekindes mit seinen schwierigen Verhältnissen und Erfahrungen sowie den damit verbundenen Anforderungen an Leistungen und spezifischen Aufgaben, im Fokus stehen. Das Verstehen dieser Leistungen liegt im Interesse der Sozialen Arbeit, welche Beziehungsarbeit und Lebensbegleitung beiträgt. Somit stellen Pflegekinder, die Beziehungs-brüchen und/ oder Beziehungsverletzungen ausgesetzt waren, ein Klientel für die Soziale Arbeit und speziell für die Pflegekinderhilfe dar (vgl. Gassmann 2015, S. 59).

Zudem ist es bei der Hilfe von Bedeutung, die Beteiligten zu einem aktiven Handeln zu motivie-ren, um eine Passivität zu vermeiden, welche sich ansonsten aus der unberechenbaren sowie unübersichtlichen Vorgehensweise entwickeln kann. Ebenso kann Misstrauen und ein Rückzug dies herbeiführen. Die Arbeit ist dahingehend erschwert, dass die Handlungsschritte sich an Kompromissen orientieren. Dabei gilt zum einen die Fokussierung auf das Kindeswohl sowie das neue Familiensystem zu stabilisieren und zum anderen die Erfüllung von beispielsweise rechtlich normierten Prioritäten. Zusätzlich erschweren die vielen Beteiligten und die vielen

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terschiedlichen Ansprüche die Arbeit. Um die Aufgaben um ein Pflegekind steuern und koordi-nieren zu können, erfordert es zum Gelingen von den Beteiligten den Überblick sowie das Ziel der Unterbringung im Fokus zu behalten (vgl. Kuhls 2014, S. 15).

Zudem ist es aufgrund der vordergründigen Ressource der Beziehungsorientierung für die Be-wältigung und Belastung des Übergangs wichtig, die Beziehungsorientierung in der Pflegefami-lie vorbereitend zu fördern. Dies meint, dass die Pflegeeltern durch die Vorbereitung des Sozi-alarbeiters Anregungen zur Selbstreflexion erhalten. Ziel dessen ist es, dass den künftigen Pflegeeltern eigene Vorstellungen zu der Beziehung zum Pflegekind zugänglich werden, so-dass sie diese bearbeiten können. Daraus ergibt sich für die Sozialen Dienste die Herausforde-rung, eine solche Entwicklung von Vorbereitungsprogrammen und Betreuungsstrukturen bereit-zustellen. Dadurch sollen die Pflegeeltern hinsichtlich der fordernden Aufgaben im Übergang, welche es gemeinsam mit dem Pflegekind zu bewältigen gilt, Unterstützung bekommen (vgl. Reimer 2015, S. 81).

2.5 Ersatzfamilienkonzept und Ergänzungsfamilienkonzept

In der Kinder- und Jugendhilfe gibt es diverse Diskussionen zu diesen Konzepten und zum Thema Besuchskontakte zwischen Eltern und Pflegekind sowie zu der Möglichkeit einer guten Zusammenarbeit zwischen Pflegeeltern und Eltern. Diese Diskussionen erstrecken sich bis in die praktische Arbeit der Jugendämter bzw. der Pflegekinderarbeit. Hier unterscheidet sich die Vermittlungs- und Beratungspraxis der Fachkräfte. Das Ersatzfamilienkonzept, welches Eltern größtenteils aus der Pflegefamilie ausschließen soll, wurde Anfang der 1980-er Jahre von Nienstedt und Westermann als solches erfasst. Davon abgegrenzt ging aus dem Modelprojekt des Deutschen Jugendinstituts das Ergänzungsfamilienkonzept, welches eine differenzierte und angemessene Berücksichtigung der Ursprungsfamilie im Pflegverhältnis zum Ziel hat, hervor.

2.5.1 Ersatzfamilienkonzept

Bei Kindern in Dauerpflege werden von Vertretern dieses Konzeptes in der Regel Kontakte zwi-schen der Pflegefamilie und den Eltern abgelehnt, da sie ihnen für alle Beteiligten als wenig hilfreich erscheinen. Nur bei sicheren und befriedigenden Beziehungen zu den Eltern in der frühen Kindheit oder wenn das Kind wegen Schicksalsschlägen nicht in der Ursprungsfamilie bleiben kann, aber die positiv besetzte emotionale Beziehung mit Hilfe von Besuchskontakten aufrechterhalten werden soll, wird von Vertretern des Konzeptes in solchen Fällen das Ergän-zungsfamilienkonzept als sinnvoller erachtet. Jedoch beinhaltet das Ersatzfamilienkonzept, dass die Unterbringung für das Kind die Chance auf einen Neuanfang darstellt, welcher neue

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Eltern-Kind-Beziehung mit den Pflegeeltern beabsichtigt. Somit gilt es, für die dauerhaft erzie-hungsunfähigen Eltern, ihre Elternrolle nach und nach aufzugeben, sich von dem Kind emotio-nal zu lösen und Besuchskontakte drastisch zu reduzieren (ein bis zweimal im Jahr) oder sich ganz zurückzuziehen. Andernfalls wird nach diesem Konzept die Beziehungssicherheit des Kindes bedroht, wenn es zu regelmäßigen Besuchskontakten kommt und die Eltern sich ihre Elternrolle beibehalten (vgl. Sauer 2008, S. 22 f.).

2.5.2 Ergänzungsfamilienkonzept

Dieses Konzept orientiert sich an den Ergebnissen der Bindungstheorie und den Methoden der systematischen Familientherapie. Dabei ist das Ziel der Unterbringung ein funktional erweitertes Eltern-Kind-Subsystem aufzubauen, womit nicht nur das Kind im Fokus steht. Der Erhalt von bestehenden Bindungen und/oder den Verbleib anderer Funktionen der Ursprungsfamilie, ganz gleich, dass die Dauer der Fremdunterbringung schwer planbar ist, ist vordergründig bei dem Konzept der Pflegefamilie als „Ergänzungsfamilie“ und dem Ansatz der professionellen Beglei-tung von Pflegeverhältnissen.

Somit soll dem Kind bei dem Ergänzungsfamilienkonzept, im Gegensatz zu dem Ersatzfamili-enkonzept, die Aufrechterhaltung der Beziehungen zu beiden Elternpaaren ermöglicht werden. Wenn Beziehungen von anderen Personen günstiger erscheinen, so darf deswegen nicht die Bindung abgebrochen werden. Der Abbruch würde, laut den Vertretern dieses Konzeptes, tiefe Betroffenheit bei den Kindern auslösen. Auch ausgehend davon, dass die Kinder, selbst bei Ambivalenz und Unsicherheit, in der Bindungsbeziehung zu den Eltern an diesen hängen. Hier-bei wird sich auf Untersuchungen von Bowlby zu der Trauerreaktion von Kindern bezogen. Die Vermutung, dass eine Vielschichtigkeit bei der Realität von Ursprungsfamilie besteht und stets von gänzlichem elterlichen Versagen ausgegangen werden kann, prägt sich bedeutend auf diese Sicht zu Pflegeverhältnissen aus. Dabei muss es in jedem Einzelfall zur Abwägung kommen, ob und inwieweit das Kind Besuchskontakte zu seinen Eltern hat oder ob ein Kontakt-abbruch erfolgt. Ebenso gilt dies für die Zusammenarbeit zwischen den Eltern und den Pflegeel-tern, worunter auch die Art der Kontaktgestaltung fällt (Beschränkung auf telefonischen oder schriftlichen Kontakt). Durch die Zusammenarbeit werden Loyalitätskonflikte zwischen den bei-den Elternpaaren von dem Kind vermiebei-den, weshalb es einen Vorteil und das Interesse des Kindes aufzeigt.

Dazu lässt sich abschließend sagen, dass das Kinder- und Jugendhilfegesetz keines der beiden Konzepte favorisiert, sondern aufgrund der vielfältigen Problemlagen der Kinder, Jugendlichen und ihren Familien das Erfordernis von unterschiedlichen Lösungsmöglichkeiten sieht.

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nach ist Voraussetzung der Kinder- und Jugendhilfe, dass in der Pflegekinderarbeit differenziert und qualifiziert vorgegangen werden muss. Somit muss im Einzelfall über ein jeweiliges Kon-zept entschieden werden, um den individuellen Bedürfnissen des Pflegekindes gerecht zu wer-den (vgl. Sauer 2008, S. 24 f.).

3 Pflegeeltern

3.1 Bewerbungsprozess

Hierbei erfolgt zuerst eine persönliche oder schriftliche Vorstellung. Es wird eine ausführliche Biografie erwartet sowie zu erkennendes Engagement für Pflegekinder. Weiterhin darf es kei-nen Eintrag im Führungszeugnis geben und die Bewerber müssen sowohl körperlich als auch geistig gesund sein. Zudem muss die Wohnung eine Eignung für die Aufnahme eines Pflege-kindes hergeben. Über die Problemlagen und Leistungsanforderungen wird die Pflegefamilie oder die Erziehungsstelle von der Fachberatung ausführlich informiert.

Ein intensiveres Verfahren, bezüglich der zu erfassenden Möglichkeiten der Familie sowie die Vorbereitung auf den kommenden Beratungsprozess, setzt erst dann ein, wenn sich die Pflege-familie für eine weitere Auseinandersetzung mit dem Thema entschlossen hat. Zur Erfassung der Möglichkeiten der Familie wird eine Methode eingesetzt, bei welcher die Arbeit mit der Zeit-schiene und der Familiengrafik Kern ist. Dadurch wird von den Bewerbern der Lebenslauf, die eigene Ursprungsfamilienzusammensetzung, häufig die Herkunft der Großeltern und deren so-zialen und beruflichen Positionen, das religiöse und moralische Weltbild und die Ideenwelt der Familie erfasst. Diese Informationen werden zukünftig als Basisinformationen verwendet, um im bestehenden Pflegeverhältnis, schwierigere emotionale Fragen bearbeiten zu können.

Hierbei sind die Sozialarbeiter darauf angewiesen, dass die Bewerber offen und ehrlich sind. Einige Sozialarbeiter nehmen Fragebögen als Hilfe, damit die Bewerber zur genauen Erfassung ihrer Biografie und Motive für die Aufnahme eines Pflegekindes motiviert werden. Ebenso kann auch eine persönliche Begegnung anstelle des Fragebogens treten. Eine genauere Betrachtung und eine meist offene Begegnung zwischen dem Fachberater und den Bewerbern kann durch die aufgebaute Nähe im Kontakt mit den Bewerbern ermöglicht werden.

Durch die Kontakte kann eine Sensibilisierung hinsichtlich der eigenen Möglichkeiten wie auch der Möglichkeiten und Stimmungsbilder des Gegenübers erreicht werden. Dabei werden soziale und emotionale Kompetenzen durch die Formen der Kommunikation aufgezeigt. Dabei können entstandene Muster interpretiert werden, sofern die Arbeitsergebnisse der Biografiearbeit und der Motivationsaussagen berücksichtigt werden. Allerdings kann anhand dessen nicht die

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lichkeit zur Erweiterung der vorhandenen Kompetenzen entnommen werden. Dennoch kann es eine Grundlage für die Vermittlung eines Kindes sein, welche dann aufgrund positiver Bewer-tung möglich oder aufgrund negativer BewerBewer-tung unmöglich erscheint.

An der Auswertung des Verfahrens sollten alle Beteiligten mit eingebunden werden, sodass der Fachberater diese nicht alleine vornimmt. Es ist ebenso möglich, dass das Verfahren mit zwei Beratern durchgeführt wird. An dem Thema Kinderwunsch kann im weiteren Verlauf mit ande-ren Methodenansätzen gearbeitet werden, wenn die Einschätzung zu den gezeigten Mustern deutlich ist (vgl. Frieling 2009, S. 76 ff.). Dies bezüglich ist zu beachten, dass es sich im Rah-men des Verfahrens nicht nur um ein Bekanntmachen der Vergangenheit handelt. Es zeigt die Art und Weise des Umgangs der Menschen mit ihren Erfahrungen und wie stark die emotionale Belastung heute noch ist. Ebenfalls sind Methoden erkennbar, auf die sie bei der Klärung be-stimmter Dinge zurückgreifen konnten und dies ermöglicht es zu eruieren, ob bei künftigen Si-tuationen auf diese Fähigkeiten zurückgegriffen werden kann.

Die durch die verschiedensten Biografien geprägten Menschen haben jeder für sich Potenziale und Möglichkeiten entwickelt, welche mit Hilfe des Beraters zum Einsatz kommen können. In dem Kontext sind die Lebensart, die Wertung und Gewichtung von bestimmten Erfahrungen sowie die entwickelten Lebensstrategien von großer Bedeutung. So können die Betroffenen lernen ihre Stärken zu erkennen und einzusetzen oder auch sich negativen Reaktionen bewusst zu werden und gegebenenfalls von diesen abwenden (vgl. Frieling 2009, S. 87).

Da ein Kind nicht in jede Familie passt ist es sehr wichtig, dass die Bewerber bestimmte Fragen für sich klären, auch um eine Richtung für die Pflegschaft festzustellen. Die Fragen sollten sich u.a. auf folgendes beziehen: die grundsätzliche Einstellung zu der Aufnahme eines fremden Kindes; die Dauer der Aufnahme; der Gedanke einer Rückführung des Kindes zu den Eltern (positiv oder negativ); das Kennen der eigenen Haltung gegenüber dem Kind und seinen Eltern; die Gesundheit oder auch Ausprägung der Schädigung des Kindes. Dies ist neben der Art des Pflegeverhältnisses auch wichtig für die Vermeidung von Stigmatisierungen des Kindes durch die Pflegeeltern, welche aufgrund von Vorbehalten gegenüber den Eltern und deren Lebens-form entstehen können. Eine Vermittlung wird weiterhin ausgeschlossen, wenn von den Bewer-bern Vorbehalte gegenüber geistigen, körperlichen oder auch Lernbehinderungen bestehen und das aufzunehmende Kind in dieser Richtung vorbelastet ist.

Des Weiteren gilt es Fragen hinsichtlich des direkten Kontaktes zwischen Pflegeltern und Kind zu klären, womit u.a. die Sympathie, die innere Abneigung oder auch die Reaktionsfähigkeit zum Kind ohne Blockaden gemeint ist. Am Ende des Bewerbungsverfahrens entsteht ein Leis-tungsprofil aus dem Fragestellungen mit verschiedenen Merkmalen hervorgehen. Dazu gehö-ren beispielsweise Familienthemen, Selbsteinschätzung, Normen und Werte, emotionale

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petenz, eigener Auftrag, soziale Kompetenz, Fähigkeiten bezüglich des Umgangs mit unge-wöhnlichen Lebensthemen, Belastungserfahrungen und Verarbeitung, Wünsche und Vorstel-lungen.

Das Bewusstsein für die im Vordergrund stehende Familie hinsichtlich der Eigenverantwortlich-keit ergibt sich mit dem Beantworten der Fragen. Kompetente Hinweise an die Familien zu dem Prozess der Vermittlung sind von den Fachberatern zu geben, auch zur Vermeidung von Fehl-vermittlung. Somit entsteht ein Prozess, welcher erst die Möglichkeit für die Aufnahme eines Kindes gibt und was schließlich zur Vermittlung eines Kindes führt. Vorher kommt es zu einer Besprechung und Wichtung der gemeinsamen Arbeit und den erfassten Ergebnissen (vgl. Frieling 2009, S. 90 f.). Zudem kann es den Pflegeeltern durch die Beschäftigung mit eigenen Erlebnissen im Lebenslauf leichter fallen, die Empfindungen des Pflegekindes zu verstehen und ihm entsprechend in der schwierigen Situation zu helfen (vgl. Frieling 2009, S. 93).

3.2 Auswahl

Es sind schlechte Voraussetzungen, wenn Pflegeeltern nicht ausreichend über das Pflegekind informiert werden. Dies erschwert die Arbeit mit dem Kind, wie auch die Zusammenarbeit zwi-schen Pflegeeltern und Jugendamt. Problematisch bei einem wahrheitsgemäßen Umgang des Jugendamtes beim Werben ist, dass die Wahrheit meist abschreckt. Aus diesem Grund hat der Schweizer Peter Angst folgende allgemeinen Regeln für die Auswahl von Pflegeeltern aufge-stellt: Die Konfliktfähigkeit sowie das Verständnis und die Sympathie für Randgruppen muss bei der Auswahl von Pflegeeltern beachtet werden. Ungeeignet sind Pflegeeltern, die zu harmonie-bedürftig sind, da dies das Pflegekind einengt. Die damit verbundenen Erwartungen an die An-passungsleistung, kann das Kind nicht in dem Maße erbringen. Deswegen würde das Kind den Verarbeitungsprozess womöglich auf einen anderen Ort verlegen, wo die wenigsten Grenzen vorhanden sind und so kann es durchaus beispielsweise zu Diebstahl kommen.

Jedoch berichten Sozialarbeiter häufig, dass die Pflegeeltern überrascht sind, wenn sie Schwie-rigkeiten mit dem Verhalten des Kindes haben, obwohl bei der Auswahl der Pflegeeltern scheinbar alles beachtet wurde und eine Zusammenarbeit in Form von Gruppenarbeit und Se-minaren mit ihnen besteht. Dies könnte so wirken, dass die Pflegeeltern als Bewerber nicht zu-hören und oftmals das Gelernte nicht in die Praxis umsetzen können.

Allerdings entgegnen Nienstedt und Westermann dazu, dass die Vorbereitung von Pflegeeltern auf Probleme schwierig sei, da es bei den meisten Menschen erst dann zu einer Lernfähigkeit kommen kann, wenn es ein aktuelles Problem zu lösen gilt. Dies meint, es ist erst ein Interesse vorhanden, wenn die Probleme akut sind, denn ansonsten können die Pflegeeltern den Verlauf

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des Pflegeverhältnisses meistens mit viel Selbstüberschätzung bis zu dem Zeitpunkt des Prob-lems überbrücken. Damit ist nicht gemeint, dass vorab gegebene Informationen überflüssig sind, auch wenn die präventive Beratung nicht in dem Sinne schützt. Diese ist nämlich insofern bedeutend, wenn es zu einem Problem kommt und darauf hingewiesen wird, dass darüber be-reits gesprochen wurde, so wird es von den Pflegeeltern nicht als individuelles Versagen aufge-fasst, sondern vielmehr als eine Schwierigkeit, zu der es zwangsläufig in einem Pflegeverhältnis kommen muss.

Daran ist die Notwendigkeit von qualifizierter Beratung für Pflegeeltern erkennbar, welche ent-sprechende Unterstützung und Förderung vom Amt erhalten sollten. Besonders wichtig ist dies für die Bewältigung der Aufgaben, ohne die Angst zu vermitteln, dass bei häufigem Melden von Problemen, das Kind aus der Pflegefamilie wieder herausgenommen wird. Hinsichtlich der An-forderungen an Pflegeeltern, sollten diese mit Belastbarkeit und Durchhaltevermögen ausge-stattet sein.

Darüber hinaus haben sich Nienstedt und Westermann zu der Eignung von Bewerbern als Pfle-geltern geäußert. Aufgrund der verschiedenen Erziehungsstile ist die Erziehungsfähigkeit nur schwer an einem bestimmten Erziehungsverhalten messbar. Grundlage für die Entwicklung der Persönlichkeitsstrukturen bilden die Eltern-Kind-Beziehungen. Somit hängen die Qualität der Eltern-Kind-Beziehung und die Erziehungsfähigkeit oder -unfähigkeit eng mit einander zusam-men. Dabei stellt sich bei der Eltern-Kind-Beziehung die Frage, ob diese insofern dazu beiträgt, dass das Kind zu einem gesunden Erwachsenen werden kann, welcher fähig ist zu lieben, ar-beiten und auch zu erziehen. Allerdings kann für eine gesunde Entwicklung nicht unbedingt die Bindung als Kriterium gesehen werden. Aus psychologischer Sicht betrachtet stellt sich jedoch heraus, dass misshandelte Kinder meist stark durch die grundlegende Angst an ihre Eltern ge-bunden sind. Das meint in diesem Fall, dass eine bestimmte Qualität aus der Eltern-Kind-Beziehung hervorgeht, welche aus der angstverursachenden Machtausübung hergestellt wird. Des Weiteren beziehen sich Nienstedt und Westermann auf die Beziehungsfähigkeit. Hierbei fragen sie nach der Verfügbarkeit bzw. Fähigkeit der Mutter hinsichtlich der Befriedigung von den kindlichen Bedürfnissen. Dazu entstehen Fragen wie z.B. ob die Mutter sich gegenüber dem Kind auf eine vollständig versorgende Haltung einlassen kann, was wiederum von den eigenen Erfahrungen von einfühlsamer Mütterlichkeit abhängt. Dadurch werden die Motivation und Fähigkeit der Mutter sowie die Verfügbarkeit gegenüber dem Kind dahingehend beeinflusst. Allerdings müssen sich die Eltern-Kind-Beziehungen gezwungenermaßen verändern, da es im Entwicklungsverlauf des Kindes und den damit verbundenen Wünschen sowie Bedürfnissen zu Differenzierungen kommt. Daher ist es wichtig, dass die Mutter-Kind-Beziehung orientiert an das Kind stetig weiterentwickelt wird. entstehen. Bei einer an eigenen Wünschen und Bedürf-nissen orientierten Mutter, welche die frühe Mutter-Kind-Beziehung festhält und gegenüber den

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ersten Ablösungsschritten intolerant ist, wird eine altersspezifische Autonomieentwicklung ver-hindert. Folglich gestaltet sich der Umgang einer solchen Mutter bei einem Kleinkind so, wie mit einem Säugling. Daraus folgern Nienstedt und Westermann, dass die Beziehungsfähigkeit das erste Kriterium für die Erziehungsfähigkeit sei. Dies wiederum ist Voraussetzung, für die Erzie-hung eines Kindes um eine differenzierte BezieErzie-hungen herzustellen zu können.

Als nächstes ziehen Nienstedt und Westermann die Einfühlungsfähigkeit heran. Eine umkehr-bare Minderung des „Ichs“ sowie die Bereitschaft zur Identifikation mit dem Kind ermöglicht die Fähigkeit zur Einfühlung und zur Empathie. Erst dadurch können Eltern über eine realistische Wahrnehmung hinsichtlich der Bedürfnisse, Wünsche, Ängste und Abwehr des Kindes verfü-gen. Zudem kann dadurch die Entwicklung von einer angemessenen Toleranz in Konflikt- und Krisensituationen des Kindes erfolgen. Ebenso ist die Regulierung von Versagen und Befriedi-gung nach den Fähigkeiten des Kindes zu berücksichtigen und somit einen Ausgleich bei Frust-rationen durch Erfahrungen von Befriedigungserlebnissen zu schaffen. Eine „Unterstützungs-haltung“, welche die Berücksichtigung von den Wünschen und Ängsten des Kindes bedingt, ist nur bei Empathiefähigkeit der Eltern möglich. Folglich orientiert sich diese an dem Kind und den sich verändernden Fähigkeiten sowie Notwendigkeiten der Entwicklung. Die Einfühlungsfähig-keit ist somit laut den Autoren ein zweites wichtiges Kriterium der ErziehungsfähigEinfühlungsfähig-keit, da diese erst für die Steuerung von dem Management, Versagen und Befriedigung, verantwortlich ist (vgl. Ertmer 2014, S. 93 ff.).

Zuletzt beziehen sich Nienstedt und Westermann auf die Lernfähigkeit. Diese beinhaltet die Beziehungs- und Einfühlungsfähigkeit, welche von der eigenen Erziehung und den damit ver-bundenen frühen Erfahrungen und dessen mehr oder weniger gelungene Bewältigung. Diesen Erfahrungen steht man mit dem eigenen Kind erneut gegenüber, weswegen für die Erziehung das Bewältigen von eigenen Sozialisationserfahrungen bedeutsam ist. Somit kann eine unbe-wusste Wiederholung der eigenen Erziehungserfahrungen nur durch den Zugang zu den ver-gangenen Erfahrungen verhindert werden. Eine kritische Distanzierung der Eltern von den ei-genen Verhaltens- und Reaktionsweisen, welche Veränderungen ermöglichen, können sie nur mit Lernfähigkeit erlangen. Andernfalls können die Eltern die Realität des Kindes nicht wahr-nehmen, weil sie den Zwang haben, sich an Erziehungsklischees festzuhalten. Dabei können die Eltern weder aus zweiter Hand lernen (kein Korrigieren durch andere vermittelte Erfahrun-gen), noch können sie ihr Verhalten durch Verständnis und Einsicht für die kindlichen Fähigkei-ten und Bedürfnisse steuern.

Sofern die Eltern über eine ausreichende Lernfähigkeit verfügen und sich mit ihren eigenen So-zialisationserfahrungen intensiv auseinandergesetzt haben, können Eltern ihre eigenen Verhal-tens- und Reaktionsweisen kritisch betrachten. So entstehen keine Behinderungen durch eige-ne eige-negative Sozialisationserfahrungen beim Umgang mit bestimmten Erziehungsproblemen.

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Dies meint, dass sie gleichzeitig fähig sind, Konflikte und Spannungen zu ertragen, ohne Ver-letzungen des Selbstwertgefühls. Um Lernen zu können, ist es erforderlich, sich sein Wissen und Können zunächst einmal bewusst zu machen. Abschließend sehen Nienstedt und Wester-mann somit die Lernfähigkeit als drittes Kriterium für die Erziehungsfähigkeit an (vgl. Ertmer 2014, S. 96).

3.3 Vermittlung

Ein System von Helfern und ein am Kinderjugendhilfegesetzt (§ 36) orientiertes Verfahren der Hilfeplanung finden vor der Klärung der Vermittlung eines Kindes in eine Pflegfamilie statt. Da-bei sind wirtschaftliche Fragen relevant, aber werden auch nicht zu sehr bewertet. Zu der Ver-mittlung eines Kindes kommt es erst, wenn viele Fragen größtenteils sicher geklärt sind. Im Vordergrund stehen die Fragen nach den Ursachen und dem Ziel der Unterbringung von einem Kind in eine fremde Familie sowie die Frage nach der Zeit zur Erreichung des Ziels. Die Vermitt-lung muss sinnvoll sein. Durch deutliche Formulierungen der Absichten der Beteiligten und die Möglichkeit, diese mit dem Kind und dessen Entwicklungsbedarf zu vereinen, lässt den Sinn für eine Vermittlung entstehen. Um der neuen Lebenssituation Vertrauen zu schenken, benötigen die Kinder und insbesondere jene mit traumatischen Erfahrungen die Klarheit sowie Eindeutig-keit ihrer Zukunftsperspektive. Dadurch kann die Entwicklung eines gemeinsamen Grundkon-zeptes für die künftige Zusammenarbeit zwischen Fachberatung, Pflegefamilie oder Erzie-hungsstelle und Ursprungsfamilie erfolgen. Eine Prognose für die Zukunft des Kindes hinsicht-lich der möghinsicht-lichen Wirkung der Maßnahme, kann nach der Entwicklung des Grundkonzeptes gegeben werden.

Oft gab es eine Notsituation oder Krise in der Ursprungsfamilie, wenn ein Kind außerhalb seiner Familie untergebracht wird. Zum Schutz der Beteiligten, aber besonders der Kinder oder des Kindes, ist in solchen Situationen schnelles Handeln erforderlich. Nach Möglichkeit erfolgt eine Vermittlung in eine Schutzfamilie oder –gruppe, wenn es sich um solche Situationen handelt. Im Vorfeld der Krise haben die betroffenen Familien häufig schon Hilfe, womit auch bereits ein Hil-feplanverfahren eingesetzt hat. Zu den Beteiligten des Verfahrens zählen die Personensorgebe-rechtigten oder wenn es die Eltern nicht mehr sind der Vormund, alle Helfer und weitestgehend das Kind. Für die Familie soll in dem Verfahren die sinnvollste Hilfe eingesetzt und wenn nötig auch getrennt für das Kind gewährleistet werden.

Es werden unterschiedliche Anforderungsprofile an die Pflegefamilie, die Erziehungsstelle oder die Heimunterbringung gestellt, welche erst mit der Entscheidung für eine Hilfe außerhalb des Elternhauses eintreffen. Dabei ist das Orientieren an den Bedürfnissen des Kindes die Anforde-rung für die Familien und Heime. Sobald die Entscheidung getroffen ist, kann nach einer

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neten Familie gesucht werden und es kann zu einer Vermittlung kommen. Infrage kommende Familien haben im Idealfall schon Interesse an dem Kind, was aber nur selten vorkommt. In der Regel findet die Suche einer geeigneten Familie in einem Umkreis von bis zu 100 km statt. Hierfür werden bekannte Vermittlungsämter und Jugendämter kontaktiert. Sobald sich eine Fa-milie gefunden hat, kommt es zu einer umfassenden Kontakt- und Beziehungsanbahnung, bis zu der Aufnahme des Kindes in diese Familie. Manchmal kann sich diese Anbahnung über mehrere Monate erstrecken. Dabei sollte die emotionale Geschwindigkeit des Kindes als Maß-stab dienen, da es sich auf die neuen Menschen und den neuen Lebensraum einstellen muss (vgl. Frieling 2009, S. 93 ff.).

4 Entwicklungsschwierigkeiten/ Belastungen und Entwicklungschancen 4.1 Anpassungsphase

Die Anpassungsphase gilt als einer der ersten Schritte in der familialen Integration, wobei das Kind sich ohne Schwierigkeiten an die neuen Lebensbedingungen in der Pflegefamilie sowie an die neuen Eltern und ihre Erwartungen anzupassen scheint (vgl. Nienstedt/Westermann 1998, S. 51). Dabei entstehen oftmals unangemessene Anpassungsmechanismen als eine Konse-quenz, die von den Erfahrungen in der Ursprungsfamilie ausgehen. Dazu können u.a. eine mangelhafte Ich-Stabilität und gestörte Ich-Grenzen zählen. Ebenso werden hohe Anforderun-gen an das Pflegekind gestellt, denn während eine Konfrontation mit den Ritualen, Verhaltens-mustern und Wertorientierungen einer fremden Familie erfolgt und es sich an neue Interakti-onspartner anzupassen gilt, wird von dem Pflegekind ein Abbruch der alten Gewohnheiten ge-fordert. Somit beeinflusst besonders die Zeit vor der Pflegefamilie diesen Konflikt, desto mehr Entwicklungsstufen das Kind bereits durchlaufen hat. Heißt, je jünger das Kind ist, desto einfa-cher gestaltet sich das Einleben in der Pflegefamilie.

Der Neubeginn durch die Aufnahme in eine Pflegefamilie ist für das Kind eine Chance, aller-dings wird damit die bislang bestehende Identität bedroht (vgl. Kötter 1994, S. 55). Nachdem das Pflegekind neue persönliche Objektbeziehungen, welche nach seinen Bedürfnissen (Schutz, Sicherheit, Versorgung, Zugehörigkeit) strukturiert und gestaltet sind, hat das Kind die drei Phasen der Nachentwicklung durchlaufen und es hat eine Bindung bzw. Beziehung zu den Pflegeeltern entwickelt. Folgendes beinhalten die Phasen: eine Orientierung und Gewöhnung; eine oft konfliktreiche Integration und einen intensiven Beziehungsaufbau über Regressionen. Dabei können die drei Phasen parallel oder auch in anderer Reihenfolge auftreten.

In der Phase der Überanpassung ist anfangs eine Orientierungsreaktion auffällig. Es wird sich an die Realität der anderen Objekte angepasst und offene Konflikte werden vermieden, um in

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der neuen Familie die Unsicherheit überspielen zu können. Daraus ergibt sich vorerst der Ein-druck einer Förderung der Anpassung, da sich das Kind um das Wahrnehmen und Erfüllen der Bedürfnisse von den anderen (den Erwachsenen) überaus bemüht. Dieses anfangs gezeigte Verhalten des Kindes spiegelt die gestörte Objektbeziehung wieder, welche vorerst die konflikt-behaftete Besetzung der Objekte verbirgt. Dies können z.B. Übergangsobjekte aus der Ur-sprungsfamilie oder Kuscheltiere sein, die insofern bedeutend sind, dass sie ein Ausdruck für die Ursprungsfamilie sein können, mit denen das Kind kommunizieren kann (vgl. Kötter 1994, S. 56 f.).

Des Weiteren ist es für das Kind in dieser neuen und unbekannten Situation unsicher, da es in einer Abhängigkeitsbeziehung zu den Eltern steht. Dazu kommt, dass ausschließlich die Eltern die Verfügung über Mittel zur Bedürfnisbefriedigung haben. Aus diesem Grund hat das Pflege-kind sowohl positive als auch negative Erwartungen, auch in Hinblick auf die möglichen neuen familialen Beziehungen. Aus diesem Grund zeigen die potenziellen Pflegekinder oft ein zögerli-ches Verhalten, wenn es darum geht, in die neue Familie zu kommen. Das liegt u.a. daran, dass sie der Situation mit Angst und Befürchtungen gegenübertreten, wobei sie diese meist über einen gewissen Zeitraum verbergen. Dabei hat es den Anschein, als könnten die Kinder spüren, wie sie am besten eine Sicherung der Lern- und Entwicklungsgestaltung erreichen kön-nen. Außerdem scheinen sie die erforderlichen Bedingungen zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse zu erfassen. (vgl. Nienstedt/Westermann 1998, S. 52 f.)

Der Zeitraum dieser Phase kann sich von ein paar Wochen bis hin zu einem Jahr erstrecken. Dabei führt die vom Kind verborgen gehaltene Trauer zu einer drastischen Erhöhung des seeli-schen Druckes. Diesen baut das Kind woanders ab, da es die Pflegeeltern schnellstmöglich zu seinen Eltern machen will und somit das scheinbar positive Bild aufrechterhält. Aufgrund des „Funktionierens“ innerhalb der Pflegfamilie, ist es für die Pflegeeltern erschreckend und auch schwer vorstellbar, wenn sie von dem negativen Verhalten in der Schule oder bei anderen Menschen erfahren (vgl. Wiemann 1994, S. 135).

Nach der ersten Eingewöhnungsphase erfolgt die Ablösung einer Phase der Wiederholung der alten Konflikte (vgl. Kötter 1994, S. 57). Allerdings kann die Ablösung langsam oder auch abrupt von statten gehen, da das Kind sein positives Bild auf Dauer nicht aufrechterhalten kann (vgl. Wiemann 1994, S. 135). Hierbei zeigt das Kind sich mit seinen natürlichen Verhaltensweisen und es überprüft dabei, ob die gewohnten Verhaltensmuster aus der Ursprungsfamilie in der neuen Familie relevant sind. Daraus ergeben sich für das Kind zwangsmäßig Loyalitätskonflikte zwischen den Eltern und den Pflegeeltern. Für die Pflegeeltern ist diese Phase besonders her-ausfordernd, denn zuvor haben sie ein gut angepasstes Kind erlebt, während es nun durch die auftretenden Verhaltensstörungen wie ein Verhaltensrückschritt scheint. Das Verhalten lässt sich als einen unbewussten Versuch verstehen, bei dem es um die Überprüfung bzw.

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