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Archiv "Primärprävention von Allergien: Die häusliche „Umwelt“ spielt eine wichtige Rolle" (18.08.1995)

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NEMEN DER ZEIT

Die besorgniserregende Zunah- me von Allergien bei Kindern und Ju- gendlichen erfordert verstärkte Präventionsmaßnahmen auf allen Ebenen. Der Allergenkarenz, die an erster Stelle steht, sind durch die ge- netische Disposition natürliche Gren- zen gesetzt. Ein zentraler Ansatz- punkt sind deshalb Triggerfaktoren aus der Umwelt, die offensichtlich die allergische Symptomatik früher und heftiger ausbrechen lassen. Die Ver- minderung der Umweltbelastung, die sich die Politiker publikumswirksam aufs Papier schreiben, spielt dabei wohl aber eine geringere Rolle — ver- glichen mit den Auswirkungen der

„indoor pollution" bei gegebener ato- pischer Disposition.

Zu diesem Schluß kamen Exper- ten beim XVI. Europäischen Kon- greß für Allergie und Klinische Im- munologie in Madrid. Professor Dr.

Ulrich Wahn aus Berlin hat seine For- derung nach einer gezielten häusli- chen Primärprävention im Kleinkind- alter mit den vorläufigen Daten einer Longitudinalstudie untermauert, bei der fast 1 500 Kinder des Ge- burtsjahrganges 1990 verfolgt wur- den, um den Einfluß von genetischen und Umweltfaktoren zu quantifizie- ren. Demnach werden die asthma- tischen Symptome im frühen Kindes- alter primär getriggert durch Infektio- nen mit RNS-Viren; erst ab einem Al- ter von zwei bis drei Jahren werde hierbei ein Einfluß der Famili- enanamnese deutlich.

Ekzeme treten dagegen bei posi- tiver Familiengeschichte viel früher auf. „Freiluft"-Allergene spielen ab dem zweiten (Gräser) bis dritten (Bir- ke) Lebensjahr eine Rolle. Häusliche Allergene (Tierhaare, Hausstaubmil- ben) fördern bei familiärer Dispositi- on schon in niedrigeren Konzentra- tionen eine frühe Sensibilisierung.

Das hypoallergene Haus ist für Wahn deshalb ein wesentlicher Teil der Präventionsstrategie.

BERICHTE

Aus diesem Blickwinkel sind manche Energiesparmaßnahmen wie die Dämmung der Häuser ausgespro- chen negativ zu bewerten, betonte Professor Ronald Dahl aus Aarhus:

Gestörter Luftaustausch und Wärme sind ideale Bedingungen für das Wachstum von Milben, Bakterien und Schimmelpilzen — statt Luftbefeuch- tern besser häufiger die Fenster öff- nen und nicht so stark heizen, emp- fiehlt er.

Feuchte Innenräume

Als wesentlichen Triggerfaktor haben die Experten auch die häusli- che Belastung mit Tabakrauch ausge- macht; bei atopisch disponierten Kin- dern steigt das Risiko für frühe Asthmasymptome dadurch von rund 20 bis 33 auf Werte um 40 bis 70 Pro- zent an. „Bei Vorliegen eines Aller- gens wirkt ein zweites, aber auch ad- juvante Faktoren verstärkend", be- tonte Dahl.

Wie stark nichtgenetische Fakto- ren bei Allergikern beteiligt sind, er- läuterte Professor N. I. M. Kjellman aus Linköping auf einem Symposium des Unternehmens UCB: Nur zehn Prozent der atopischen Kinder, die mit elf Jahren ein allergisches Asthma entwickelt hatten, wiesen eine dop- pelt positive Familienanamnese auf;

60 Prozent dagegen entstammten der

„low risk group". „Damit ist klar, daß der größte Teil der Allergien nicht durch Gene und Allergene, sondern durch Triggerfaktoren manifest wird." Dazu zählen neben Tabak- rauch, Viren und feuchten Innen- räumen der Lebensstil — und urbane Faktoren. In der Stadt besteht laut Kjellman für die Bewohner ein 1,5fach erhöhtes Allergierisiko im Vergleich zum Landleben.

Die naheliegende Erklärung, dies auf eine verstärkte Umweltbe- lastung in der Luft zurückzuführen,

hat sich jedoch als Trugschluß erwie- sen: Schweden hat eine deutlich höhe- re Allergie-Inzidenz als Estland und Polen; in den stark belasteten Gebie- ten der Ex-DDR sind Allergien we- sentlich seltener als in den alten Bundesländern. Professor Heidrun Behrendt aus Hamburg hat dazu epidemiologische Daten in ausge- wählten Gebieten analysiert.

Demnach waren bei sechsjähri- gen Kindern 1991 im Osten Pollen- allergien wesentlich seltener als im Westen, atopische Ekzeme und Bron- chitissymptome jedoch häufiger. Eine Korrelation mit der Schwefeldioxid- Belastung war nicht auszumachen.

Bei einem Vergleich mit Daten, die 1994 in den Kontrollgebieten erhoben wurden, zeigte sich laut Behrend eine unerwartete Folge der reduzierten Umweltbelastung: Der Husten ohne Erkältung nimmt mit sinkender Schwefeldioxid-Belastung ab — aber die Zahl der Allergiker hat sich ver- doppelt, Heuschnupfen und Bronchialasthma nahmen nicht ab.

„Bei der klassischen Umwelt- verschmutzung ist Schwefeldioxid nicht an der Entstehung von Allergi- en, wohl aber bei Infektionskrank- heiten beteiligt", interpretierte die Referentin. Im Westen sind dagegen Zusammenhänge zwischen Luftver- schmutzung und allergischem Ge- schehen zu finden, wie die Erhebun- gen im Ruhrgebiet ergaben. Ver- kehrsimmissionen — speziell Stick- stoffoxide — steigern das Sensibilisie- rungs-Risiko: In Essen wurde bei Kin- dern, die näher als 50 Meter an einer Hauptverkehrsstraße wohnen, im RAST-Test eine fünffach höhere Sensibilisierung gegen Pollen und Hausstaub erhoben. „Jetzt müssen wir herausfinden, welcher Schadstoff verantwortlich ist, und dann die ge- eigneten politischen Maßnahmen for- dern", so skizzierte Frau Behrendt die Zukunft.

Mit der Primärprävention, so die übereinstimmende Meinung aller Ex- perten, ist zwar viel, aber nicht alles zu erreichen. Und sie muß so früh wie möglich einsetzen: Stillen, Lebens- mittel-Allergene (Kuhmilch, Eier) vermeiden, Milben das Leben schwer machen, Verzicht auf Haustiere und Nikotin. Ist eine Sensibilisierung er- folgt, zielen sekundäre Maßnahmen

Primärprävention von Allergien

Die häusliche „Umwelt"

spielt eine wichtige Rolle

Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 33, 18. August 1995 (29) A-2175

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THEMEN DER ZEIT

darauf ab, die Erkrankung zu verhin- dern; die Tertiärprävention soll wei- tergehende Schäden vermeiden.

Die medikamentöse Therapie von allergischen Erkrankungen ist weitgehend etabliert, sowohl hin- sichtlich des atopischen Ekzems als auch bei allergischer Rhinitis und all- ergischem Asthma. Ein recht neuer Ansatz ist es jedoch, die atopische Dermatitis als Prodromalstadium für eine fortschreitende Erkrankung an- zusehen, die in ein klinisches Asthma einmünden kann.

Auf dieser Grundlage wurde die Strategie entwickelt, mit der konse- quenten Gabe von Antihistaminika bei Kindern mit atopischer Dermati- tis ein Fortschreiten auf eine „höhere Stufe" von Symptomen zu vermei- den: In der ETAC-Studie (early treat- ment asthmatic child study) erhalten Kinder zweimal täglich Cetirizin- Tropfen oder Placebo über 18 Mona- te und werden sechs Monate lang nachverfolgt. Bei einer Pilotstudie mit Ketotifen konnte dabei eine Re- duktion des Asthmas von 40 auf 30 Prozent erreicht werden. Ergebnisse der ETAC-Studie werden für 1998 er- wartet. Dr. Renate Leinmüller

Simulation der Insulintherapie

Ein interaktives Lernprogramm gibt Ärzten in Zukunft die Möglich- keit, geeignete Strategien für die in- tensivierte Insulintherapie mit Hilfe einer Computersimulation zu erpro- ben. Das von der Berlin-Chemie AG unterstützte Programm „Karlsburger Diabetes Management System" (KA- DIS®) ermöglicht die Simulation von Verläufen der täglichen Blutglucose- konzentration unter Beachtung der drei wesentlichen Einflußgrößen In- sulinart, Diät und körperliche Akti- vität. Das Programm basiert auf ei- nem patentierten Stoffwechsel-Simu- lationsmodell, das auf der Basis von Tierexperimenten und umfangrei- chen klinischen Daten entwickelt worden ist. Die Systemvoraussetzun- gen sind ein Computer ab Leistungs- klasse 386 SX und das Betriebssystem MS-DOS mit der Benutzeroberfläche Windows. EB

BERICHTE

Erstmals in Europa hat ein kom- merziell erhältlicher Operationsrobo- ter seinen Dienst aufgenommen In der Berufsgenossenschaftlichen Un- fallklinik Frankfurt am Main assistiert

„Robodoc" den Chirurgen bei der Im- plantation von Endoprothesen. In Kürze haben die Frankfurter Unfall-

Ob der Operationsroboter für langzeitstabilen Sitz der Endoprothesen sorgt, wird sich erst in zehn Jah- ren herausgestellt haben. Foto: Dr. Andrö Bauer

chirurgen bereits hundert Patienten ihrem artifiziellen Kollegen anver- traut, um ihm die Präparation der Oberschenkelschaftröhre zu überlas- sen. Denn keine Chirurgenhand ver- mag die Markhöhle so exakt frei- zuräumen.

Die Präzisionsarbeit erfordert al- lerdings einen großen Aufwand. Vor- aussetzungen sind über 60 Schnittbil- der des Oberschenkelknochens. Mit diesen CT-Daten — dreidimensional rekonstruiert — beginnt der Chirurg die Operationsplanung am Monitor.

Virtuelle Standardprothesen aus ei- nem elektronischen Katalog werden

nun so lange in den Femurschaft am Bildschirm eingeführt, bis die passen- de gefunden ist.

Gefüttert mit den Daten der si- mulierten Operation, kann der Robo- ter nun die reale Implantation einlei- ten. Seine Aufgabe beschränkt sich auf das präzise Aufbohren des Fe- murs. Zuvor in den Oberschenkelkno- chen implantierte Metallstifte dienen als Referenzpunkte, an denen sich der Fräsarm des Roboters orientiert.

Paßgenaue Prothesenwahl

Der Aufwand, insbesondere das zeitintensive intraoperative Einspan- nen und Justieren des Oberschenkel- knochens, scheint sich zu lohnen. Mit einem Deckungsgrad bis zu 95 Pro- zent liegt die zementfreie Standard- endoprothese eng und fast vollständig an den Wandungen des Femurbetts an. Demgegenüber kommt der Pro- theseschaft bei der traditionellen Pro- zedur nur auf eine 40prozentige Deckung in der handgefrästen Kaver- ne. Allein die paßgenaue Prothe- senauswahl am Computer hat die präoperative Planung von Schaftpro- thesen erheblich verbessert. Unter rein betriebswirtschaftlicher Sicht bietet der Roboter jedoch keine au- genfälligen Vorteile. Die mittlere Operationszeit liegt mit 110 Minuten um gut 50 Prozent über der eines kon- ventionellen Eingriffs.

Auch die Implantation einer Pfanne, Knieprothese und Pedikel- schraube wird möglich werden. Und steht eine Revisionsoperation an, ver- mag der Roboter den alten Knochen- zement präzise auszufräsen. Auf dem Kongreß „Medicine goes Electronic"

vom 14. bis 17. September in Nürn- berg wird Dr. Andre Bauer über seine ersten Roboter-Erfahrungen berich- ten. EB

Computergestützte Chirurgie

„Robodoc" assistiert bei Hüftgelenksoperationen

A-2176 (30) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 33, 18. August 1995

Referenzen

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