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Archiv "Versorgungsstrukturgesetz: Mehr als nur Kosmetik" (17.06.2011)

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VERSORGUNGSSTRUKTURGESETZ

Mehr als nur Kosmetik

Mit dem Versorgungsstrukturgesetz sollen der Ärztemangel auf dem Land behoben, der G-BA demokratisch legitimiert und die Versicherten vor abweisenden Kassen geschützt werden. Der GKV-Spitzenverband wittert derweil eine Verschwörung.

U

rsprünglich sollte es dabei helfen, Ärzte in unterversorg- te Gebiete zu bringen. Mittlerweile jedoch hat sich das Versorgungs- strukturgesetz zu einem umfassen- den Gesetzeswerk entwickelt, das nicht nur Bedarfsplanung und Ho- norierung umfasst, sondern von der Richtgrößenprüfung über das Ent- lassmanagement und die Delega - tion ärztlicher Leistungen bis hin zur Insolvenz von Krankenkassen einen großen Strauß unterschiedli- cher Regelungen enthält. Selbst ein neuer Sektor soll mit der ambulan- ten spezialärztlichen Versorgung gegründet werden.

Ende Mai stellte das Bundesge- sundheitsministerium (BMG) ei- nen Arbeitsentwurf vor, in dem auf 152 Seiten detailliert nachzulesen war, wie die Zukunft der Versor- gung in Deutschland aussehen soll (DÄ, Heft 22/2011). Am 6. Juni nun legte das Ministerium einen Referentenentwurf nach, der eini- ge Regelungen konkretisiert, je- doch auch mit strukturellen Ände- rungen aufwartet. Auffällig ist, dass die warnenden Passagen zum drohenden Ärztemangel abge- schwächt wurden. Ergänzt wurde der bislang noch offen gebliebene Bereich „Bürokratiekosten“. Ins- gesamt fallen die Überarbeitungen allerdings gering aus.

Entscheidung für ein MVZ künftig unter Vorbehalt

Im Referentenentwurf überträgt das BMG dem Bewertungsausschuss wieder die Aufgabe, den Kassen- ärztlichen Vereinigungen (KVen) Vorgaben für ein bundeseinheitli- ches Verfahren zur Bereinigung des Behandlungsbedarfs zu machen.

Damit wäre das Verfahren zur Be- reinigung der Gesamtvergütung von selektivvertraglichen Leistun-

gen für den Bewertungsausschuss wieder verpflichtend.

Die Kassenärztliche Bundesver- einigung (KBV) muss sich zudem nun mit dem GKV-Spitzenverband bei den Vorgaben zur Trennung des Vergütungsvolumens in einen haus- ärztlichen und einen fachärztlichen Vergütungsteil abstimmen.

Darüber hinaus erhalten Ver- tragsärzte ein Vorkaufsrecht für freie Vertragsarztsitze, wenn der Zulassungsausschuss einem Medizi- nischen Versorgungszentrum (MVZ) den Zuschlag gegeben hat, das nicht mehrheitlich in ärztlicher Hand liegt. Die Entscheidung für ein MVZ steht daher künftig unter dem Vorbehalt, dass keiner der an- deren Bewerber von seinem Vor- kaufsrecht Gebrauch macht.

Die Anstellung eines Vertrags- arztes in einem MVZ kann zu- dem vom Zulassungsausschuss auf Antrag des Arztes wieder in eine Zulassung umgewandelt werden, wenn der Arzt in einem gesperrten Planungsbereich auf seine Zulas- sung verzichtet hat, um in dem MVZ als angestellter Arzt zu ar - beiten. Für bestehende MVZ gilt Bestandsschutz.

Im neuen Entwurf wird die Er- läuterung zu den Sonderbedarfszu- lassungen konkretisiert. In einem eigentlich überversorgten Pla- nungsbereich kann der Gemeinsa- me Bundesausschuss (G-BA) einen Sonderbedarf feststellen. Dieser kann entweder räumlich begründet sein oder sich qualitätsbezogen auf bestimmte Leistungen (zum Bei- spiel HIV-Betreuung) beziehen.

Ende Mai hatte das BMG in sei- nem ersten Entwurf festgelegt, dass bei einer erstmaligen Überschrei- tung des Richtgrößenvolumens um mehr als 25 Prozent kein Regress festgesetzt werden darf, bevor den

betroffenen Vertragsärzten nicht eine Beratung angeboten wurde. Neu ist nun, dass ihnen dabei die Möglich- keit eingeräumt wird, in dieser Bera- tung eine Anerkennung von Praxis- besonderheiten zu beantragen.

Auf Zustimmung vieler Ärzte dürfte der Vorschlag stoßen, den ad- ministrativen Aufwand in Zusam- menhang mit den Chronikerpro- grammen zu reduzieren. Unter an- derem soll die Regelungskompe- tenz für Inhalte und konkrete Aus- gestaltung der Programme vom BMG auf den G-BA übertragen werden. Die Wiederzulassung der Programme würde entfallen, was eine Vereinfachung der Evaluation mit sich brächte.

Bei der Berufung der Unpar- teiischen in den Gemeinsamen Bundesausschuss durch dessen Trä- gerorganisationen KBV, Kassen- zahnärztliche Bundesvereinigung, Deutsche Krankenhausgesellschaft und GKV-Spitzenverband erhält der Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages künftig das Recht, die vorgeschlagenen Perso- nen anzuhören sowie ihrer Beru- fung mit Zweidrittelmehrheit zu wi- dersprechen. Von der Berufung aus- geschlossen sind dabei alle, die in den vorangegangenen drei Jahren

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bei den Trägerorganisationen des G-BA, bei deren Mitgliedsverbän- den, bei Verbänden von deren Mit- gliedern, in einem Krankenhaus oder als Vertragsarzt beschäftigt waren. Die Trägerorganisationen müssen ihre Vorschläge künftig spätestens sechs Monate vor Ablauf der Berufungsperiode vorlegen. Die Berufungsperiode wird auf sechs Jahre verlängert.

Die Kassenärztlichen Vereini- gungen (KVen) erhalten die Mög- lichkeit, die Wahrnehmung gesetz- licher Aufgaben auf eine andere KV zu übertragen. Angesichts der zu- nehmenden Komplexität der Auf- gaben bestehe ein Bedarf an Schwerpunktbildung und Aufga- benbündelung bei einzelnen KVen in Form von Kompetenzzentren für einzelne Abrechnungsbereiche, heißt es in dem Entwurf. Die KVen könn- ten auf diese Weise effizienter und kostengünstiger arbeiten.

Wenn eine Krankenkasse infolge einer Insolvenz schließt, erhält der Versicherte auch in seiner neuen Kasse die Leistungen, die seine alte Kasse für ihn bewilligt hatte. Bis- lang gilt, dass ein Versicherter bei einem freiwilligen Kassenwechsel den Anspruch auf bewilligte Leis- tungen verliert. Bei Schließung ei- ner Krankenkasse sei diese Rege- lung jedoch nicht sachgerecht, heißt es in dem Entwurf. Die Aufhebung einer Leistungsentscheidung sei

„nur ausnahmsweise“ möglich.

Diese Regelung tritt rückwirkend zum 1. Mai in Kraft, damit sie auch für ehemalige Versicherte der City- BKK gilt.

Damit Krankenkassen frühzeitig entscheiden können, ob sie einer

von einer Insolvenz bedrohten Krankenkasse derselben Kassenart freiwillige Finanzhilfen zukommen lassen wollen, sollen sie künftig die Möglichkeit erhalten, vom GKV- Spitzenverband Auskünfte über die finanzielle Situation der insolvenz- bedrohten Kasse zu verlangen.

Präzisiert wurde zudem ein Pas- sus zu Satzungsleistungen. Nach dem Willen der Koalition sollen die Krankenkassen sich in diesem Bereich mit unterschiedlichen An- geboten profilieren können. Aus- gleichszahlungen aus dem Gesund- heitsfonds gibt es dafür aber nicht.

„Eine Gelddruckmaschine für Ärzte“

Die Krankenkassen sehen vor allem die im Gesetzentwurf vorgesehene morbiditätsabhängige Anpassung des ambulanten Behandlungsbedarfs kritisch: Denn als Basis dafür sollen die gesamten abgerechneten Leis- tungen der Ärzte herangezogen wer- den. Nach Interpretation des GKV- Spitzenverbands ergäben sich dem- nach die Regelleistungsvolumina (RLV) für 2013 aus den abgerechne- ten Leistungen des Jahres 2011.

Zurzeit werden durchschnittlich zehn Prozent der erbrachten Leis- tungen nur abgestaffelt honoriert.

Dies würde sich 2013 ändern: Dann würde ein Arzt, der die gleiche Menge an Leistungen abrechnet wie im Jahr 2011, diese vollständig zum vollen Punktwert vergütet be- kommen.

Als „Gelddruckmaschine für Ärzte“ bezeichnete Johann-Magnus von Stackelberg, stellvertretender Vorsitzender des GKV-Spitzenver- bands, diese Änderung. Allein die

Honorierung bisher noch abgestaf- felter Leistungen würden die Kas- sen zusätzliche 2,4 Milliarden Euro kosten, warnte er. Weiteten die Ärz- te die Menge der abgerechneten Leistungen im Laufe der Zeit noch aus, schraubten sie dadurch ihre Leistungsvolumina immer weiter in die Höhe und damit auch ihre Ho- norarsumme, sagte von Stackelberg.

Das BMG stellte jedoch um - gehend klar: „Durch das geplante Versorgungsstrukturgesetz kommen keine Milliardenbelastungen auf die Krankenkassen zu. Entspre- chende Behauptungen der Kassen sind schlicht falsch.“ Auch wenn die Honorierung regional verhan- delt werde, bleibe das Vergütungs- volumen insgesamt begrenzt, be- tonte das Ministerium.

Im Detail ist dem bisherigen Ge- setzestext jedoch nichts über die Folgen der höheren RLV zu entneh- men. Gibt es kein zusätzliches Geld, müsste bei höheren RLV eigentlich der Orientierungswert sinken.

Mehr Geld für die Versorgung stünde zumindest dieses Jahr zur Verfügung: Nach Berechnungen der Krankenkassen befinden sich am Ende des Jahres zwei Milliarden Euro Überschuss im Gesundheits- fonds. Gesetzliche Regelungen, was mit dem Geld passieren soll, gibt es bisher nicht. Der GKV-Spit- zenverband schlägt vor, damit den Beitragssatz von derzeit 15,5 Pro- zent des Bruttolohns auf 15,3 Pro- zent zu senken.

Die KBV plädiert hingegen da- für, mit den Milliarden die ambu- lante Versorgung zu stärken: „Die Krankheitslast der Menschen in Deutschland steigt, und damit wachsen auch die Anforderungen an die medizinische Versorgung und Betreuung. Um die Versorgung der Patienten auch in den nächsten Jahren zu sichern, brauchen wir mehr Finanzmittel“, erklärte der KBV-Vorstandsvorsitzende, Dr. med.

Andreas Köhler. „Es kann nicht sein, dass milliardenschwere Über- schüsse aus dem Gesundheitsfonds, die die Kassen stolz vermelden, nicht der Versorgung der Menschen

zugutekommen.“ ■

Dr. rer. nat. Marc Meißner, Falk Osterloh, Sabine Rieser Parlamentarisch

legitimiert: Der Gesundheitsaus- schuss kann künftig der Berufung der Unparteiischen in den Gemeinsamen Bundesausschuss widersprechen

Foto: G-BA

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