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Archiv "Rauchen – Studie mit offenen Fragen" (29.01.2010)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 107

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Heft 4

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29. Januar 2010 59

M E D I Z I N

DISKUSSION

Hohes Suchtpotenzial

Ob Rauchen Lifestyle oder Sucht ist, wird gesellschafts- politisch kontrovers, meist emotional und oft von wirt- schaftlichen Überlegungen beeinflusst diskutiert. Bei solchen Debatten bleibt meistens unberücksichtigt, dass es sich bei Tabakrauch, wie bei anderen psychoaktiven Substanzen, nicht um ein „entweder/oder-“, sondern um ein „sowohl/als auch-Phänomen“ handelt. Deutschland- weit gibt es Millionen nichtabhängiger (Lifestyle-)Rau- cher, die ihr Rauchverhalten selbst bestimmen, aber auch Millionen körperlich und psychisch vom Rauchen ab- hängige Menschen, die ihr Rauchverhalten individuell nicht mehr steuern können. Tabakrauch kann deshalb nicht bedingungslos als Suchtmittel bewertet werden, be- sitzt aber ein sehr hohes Suchtpotenzial: Die Nikotinab- hängigkeit, ermittelt nach dem Fagerström-Test, von 356 Rauchern zwischen 15 bis 64 Jahren in Berlin lag durch- schnittlich bei 37,2 Prozent (1)

Nach ICD 10, F17 ist Tabakabhängigkeit eine Krank- heit. Hochgerechnet auf die Gesamtbevölkerung sind deutschlandweit etwa 7, 2 Millionen Menschen von die- ser Krankheit betroffen, meistens ohne Kenntnis davon zu haben. Tabakabhängigkeit ist damit nicht nur Haupt- ursache von „Volkskrankheiten“ wie COPD, KHK und Karzinomen, sondern die Volkskrankheit, die wahr- scheinlich am meisten unterschätzt wird. Die Untertei- lung in nichtabhängige und abhängige Raucher hat nicht nur statistische, sondern vor allem therapeutische und gesundheitsökonomische Relevanz. In der ersten Grup- pe sind niedrigschwellige Angebote zur Suchtprävention oft ausreichend, abhängigen Rauchern sollte eine leitli- nienorientierte Suchtbehandlung durch speziell weiter- gebildete Psychologen und Ärzte angeboten werden.

DOI: 10.3238/arztebl.2010.0059a

LITER ATUR

1. Kraus L, Rösner S, Baumeister SE, et al.: Epidemiologischer Sucht - survey 2006. Repräsentativerhebung zum Gebrauch und Missbrauch psychoaktiver Substanzen bei Jugendlichen und Erwachsenen in Berlin. IFT-Bericht Bd.167, München 2008.

2. Breitling L, Rothenbacher D, Stegmaier C, Raum E, Brenner H: Older smokers’ motivation and attempts to quit smoking: Epidemiological insight into the question of lifestyle versus addiction [Aufhörversuche und -wille bei älteren Rauchern – Epidemiologische Beiträge zur Dis- kussion um „Lifestyle“ versus „Sucht“]. Dtsch Arztebl Int 2009;

106(27): 451–5.

Dr. med. Karl-Heinz Bauer Köhnholz 17c, 25336 Elmshorn E-Mail: kaba.elmshorn@t-online.de

Rauchen – Studie mit offenen Fragen

Für die Datenanalyse der Basiserhebung der ESTHER- Studie (Epidemiologische Studie zu Chancen der Ver- hütung, Früherkennung und optimierten Therapie chronischer Erkrankungen in der älteren Bevölkerung) wurden knapp 10 000 Studienteilnehmer durch nieder- gelassene Ärzte im Saarland rekrutiert.

In Funktion als Direktor der Klinik für Innere Medi- zin V (Pneumologie, Allergologie, Beatmungs- und Umweltmedizin) des Universitätsklinikums des Saar- landes war ich über die Auswertungen dieser Basiser- hebung sehr überrascht:

Bei den Analysen wurden die rauchbedingten Lun- generkrankungen, zum Beispiel die chronisch obstruk- tive Bronchitis (COPD), Krebserkrankungen, insbe- sondere das Bronchialkarzinom, nicht bedacht, ob- wohl das international anerkannte „Epidemiologische Krebsregister Saarland“ an dieser Studie mitbeteiligt war.

Das Bronchialkarzinom ist die vierthäufigste To- desursache in Deutschland (Statistisches Bundesamt, ICD-10: C34) und die häufigste Krebstodesursache bei Männern. Die COPD ist weltweit die vierthäufigs- te Todesursache und lag im Jahr 2007 in Deutschland an sechster Stelle (Statistisches Bundesamt: ICD-10:

J44). Es wird erwartet, dass die Mortalität der COPD bis zum Jahr 2030 an die dritte Stelle der weltweiten Statistik vorrücken wird, was deshalb unter dem Ge- sichtspunkt der ESTHER-Studie von besonderem In- teresse sein sollte.

Der britische Forscher Sir Richard Doll beschrieb 1950 erstmals den Zusammenhang zwischen Rauchen und Lungenkrebs (1). Er bedauerte später, dass Ko- morbiditäten (wie die COPD) nicht gleich zu Beginn seiner klinischen Beobachtungen in seine Überlegun- gen mit einbezogen wurden (2). Augenscheinlich un- terlag die Datenanalyse der ESTHER-Studie dem glei- chen Irrtum, nämlich dass Krankheiten, die eine ex- trem wichtige Rolle als Folge des Rauchens spielen, unbedacht blieben. Es ist eine Einschränkung der Be- trachtungsweise und wirft die Frage auf, wie es bei ei- ner solchen epidemiologischen Studie zu dieser engen Sichtweise kam. Zusätzlichen Fragen an die Studien- teilnehmer zu weiteren Erkrankungen und Komorbidi- täten und deren Auswertung wäre sicherlich nicht sehr aufwändig gewesen. Eine Chance zur Erhebung der Komorbiditäten, wie bei einer Reihe von anderen Stu- dien bei Rauchern (3), wurde verpasst (3).

DOI: 10.3238/arztebl.2010.0059b

LITER ATUR

1. Doll R, Hill AB: Smoking and carcinoma of the lung: a preliminary re- port. BMJ 1950; 2: 739–48.

2. Doll R: Smoking and lung cancer. Am J Respir Crit Care Med 2000;

162: 4–6.

3. Godtfredsen NS, et al.: COPD-related morbidity and mortality after smoking cessation: status of the evidence. ERJ 2008; 32: 844–53.

zu dem Beitrag

Aufhörversuche und -wille bei älteren Rauchern Epidemiologische Beiträge zur Diskussion um

„Lifestyle“ versus „Sucht“

von Dr. med. Lutz Ph. Breitling, Prof. Dr. med. Dietrich Rothenbacher,

Christa Stegmaier, Dr. med. Elke Raum, Prof. Dr. med. Hermann Brenner in Heft 27/2009

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ständlich unbestritten und von großer Bedeutung. Eine hinsichtlich des Vorliegens einer Lungenkrebserkran- kung stratifizierte Auswertung, wie von Herrn Sybrecht angeregt, wäre aber im vorliegenden Fall nicht infor- mativ gewesen, da die bekanntlich sehr schlechte Prog- nose dieser Erkrankungen trotz relativ hoher Inzidenz eine niedrige Prävalenz in der Allgemeinbevölkerung bedingt. So berichteten lediglich 7 der 1 652 in die Ana- lysen eingegangenen Weiterraucher von einer voraus- gegangenen Lungenkrebsdiagnose.

In der vorliegenden Originalarbeit konnte nur ein kleiner Teilaspekt der umfassenden ESTHER-Studie dargestellt werden. Die Studie schließt selbstverständ- lich auch umfangreiche Erhebungen zu weiteren wich- tigen Erkrankungen, wie der COPD ein, über die an an- derer Stelle ausführlich berichtet wurde beziehungs- weise noch berichtet werden wird.

DOI: 10.3238/arztebl.2010.0060 LITER ATUR

1. Breitling L, Rothenbacher D, Stegmaier C, Raum E, Brenner H: Older smokers’ motivation and attempts to quit smoking: Epidemiological insight into the question of lifestyle versus addiction [Aufhörversuche und -wille bei älteren Rauchern – Epidemiologische Beiträge zur Dis- kussion um „Lifestyle“ versus „Sucht“]. Dtsch Arztebl Int 2009;

106(27): 451–5.

Prof. Dr. med. Dietrich Rothenbacher Christa Stegmaier

Dr. med. Elke Raum

Prof. Dr. med. Hermann Brenner Dr. med. Lutz Ph. Breitling Abteilung Klinische Epidemiologie und Alternsforschung (DKFZ)

Bergheimer Straße 20, 69115 Heidelberg E-Mail: L.Breitling@dkfz-heidelberg.de Interessenkonflikt

Die Autoren aller Diskussionsbeiträge erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Schlusswort

Mit Freude haben wir das Interesse der Kollegen Dr.

Bauer und Prof. Dr. Sybrecht an unserer Arbeit zur Kenntnis genommen.

Die Ausführungen von Herrn Bauer scheinen mit un- serer Darstellung der Problematik weitestgehend über- einzustimmen, bei der wir auf viele Aspekte des Rauch- verhaltens – abhängig oder nichtabhängig – aus Platz- gründen nicht detailliert eingehen konnten. Wie von Herrn Bauer selbst erwähnt, unterscheidet sich Tabak- rauch hinsichtlich der Möglichkeit des nichtabhängi - gen Konsums nicht von anderen psychoaktiven Sub- stanzen. Während unsere Arbeit keine „bedingungslose Bewertung als Suchtmittel“ nahelegen sollte, bestätigt Bauers darauffolgende Darstellung der Tabakabhängig- keit als „die Volkskrankheit, die wahrscheinlich am meisten unterschätzt wird“, dass dem Suchtaspekt des Rauchens nach wie vor nicht die gebührende Aufmerk- samkeit geschuldet wird.

Die vorliegende Arbeit war auf Aufhörversuche und -wille bei Personen mit prävalenten kardiovaskulären Erkrankungen und Risikokonditionen fokussiert. Die von Herrn Sybrecht angeführten Zusammenhänge zwi- schen Rauchverhalten und Lungenkrebs sind selbstver- 4. Breitling L, Rothenbacher D, Stegmaier C, Raum E, Brenner H: Older

smokers’ motivation and attempts to quit smoking: Epidemiological insight into the question of lifestyle versus addiction [Aufhörversuche und -wille bei älteren Rauchern – Epidemiologische Beiträge zur Dis- kussion um „Lifestyle“ versus „Sucht“]. Dtsch Arztebl Int 2009;

106(27): 451–5.

Prof. Dr. med. Gerhard W. Sybrecht Universitätsklinikum des Saarlandes Innere Medizin V

Pneumologie, Allergologie, Beatmungs- und Umweltmedizin 66421 Homburg/Saar

E-Mail: gerhard.sybrecht@uks.eu

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