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Zur Rolle der multimodalen Informationsverarbeitung bei gesunden sowie an Asperger-Autismus erkrankten Menschen

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Academic year: 2022

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Medizinische Hochschule Hannover

Klinik für Sozialpsychiatrie, Psychiatrie und Psychotherapie

Zur Rolle der multimodalen Informationsverarbeitung bei gesunden sowie an Asperger-Autismus erkrankten Menschen

INAUGURALDISSERTATION


zur Erlangung des Grades eines Doktors der Humanbiologie -Doctor rerum biologicarum humanarum-

(Dr. rer. biol. hum.)

vorgelegt von

Michael Zerr geboren in Tscheljabinsk

Hannover 2020

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Angenommen durch den Senat: 05.03.2021

Präsident: Prof. Dr. med. Michael P. Manns

Wissenschaftliche Betreuung: Prof. Dr. rer. nat. Gregor Szycik

Wissenschaftliche Zweitbetreuung: Prof.‘in Dr. med. Dr. phil. Astrid Müller

1. Referent/in: Prof. Dr. rer. nat. Gregor Szycik

2. Referent/in: Prof.‘in Dr. med. Dr. phil. Astrid Müller 3. Referent/in: Prof. Dr. phil. nat. Florian Beißner

Tag der mündlichen Prüfung: 05.03.2021

Prüfungsausschuss:

Vorsitz: Prof.‘in Dr. med. Dr. phil. Astrid Müller 1. Prüfer/in: Prof. Dr. rer. nat. Gregor Szycik

2. Prüfer/in: Prof.‘in Dr. med. Dr. phil. Astrid Müller 3. Prüfer/in: Prof. Dr. phil. nat. Florian Beißner

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Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung 4

Version in deutscher Sprache 4

Version in englischer Sprache 6

1. Einleitung 8

1.1 Vorwort 8

1.2 Theoretischer Hintergrund 8

1.3 Ableitung der Hypothesen 13

1.4 Studiendesign und Methodik 14

2. Ergebnisse 16

2.1 Zerr et al. (2019): Brief sensory training narrows the temporal binding window 16 and enhances long-term multimodal speech perception

2.2 Tietze et al. (2019): Auditory deficits in audiovisual speech perception in 19 adult Asperger’s Syndrome: fMRI study

3. Diskussion 21

3.1 Diskussion der Ergebnisse 21

3.2 Limitationen 23

3.3 Integration beider Studienergebnisse und Implikationen für zukünftige 24 Forschung

4. Literaturverzeichnis 28

5. Anhang: Lebenslauf 37

6. Anhang: Erklärung zur selbstständigen Anfertigung der Arbeit 39

7. Anhang: Liste wissenschaftlicher Veröffentlichungen 40

8. Anhang: Einverständniserklärung zur Plagiatsprüfung 41

9. Anhang: Originalpublikationen 42

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Zusammenfassung

4

Zusammenfassung

Michael Zerr – Zur Rolle der multimodalen Informationsverarbeitung bei gesunden sowie an Asperger-Autismus erkrankten Menschen

Version in deutscher Sprache

Die vorliegende kumulative Dissertation beschäftigt sich mit Prozessen der multisensorischen Informationsverarbeitung bei gesunden sowie an Asperger-Autismus erkrankten Menschen.

Eine funktionsfähige Verarbeitung komplementärer sensorischer Reize aus unterschiedlichen sensorischen Modalitäten ermöglicht Lebewesen die Konstruktion einer reichhaltigeren Repräsentation ihrer Umwelt. Bedenkt man die Zahl der uns ständig umgebenden Sinneseindrücke, so wird deutlich, dass es sich bei der Integration multimodaler Informationen zu einem einheitlichen Wahrnehmungseindruck um eine äußerst komplexe Aufgabe handelt.

Für die vorliegende Arbeit in besonderem Maße relevant sind Defizite bei der Integration und daraus resultierende Einschränkungen auf der Verhaltens- und Wahrnehmungsebene.

Die Untersuchung von Zerr et al. (2019) beschäftigte sich mit zeitlichen Charakteristika der multisensorischen Informationsverarbeitung. Das sogenannte zeitliche Integrationsfenster bezeichnet das Zeitintervall, in dem Reize mit hoher Wahrscheinlichkeit perzeptuell integriert werden und stellt damit eines von mehreren Prinzipien dar, anhand derer unser zentrales Nervensystem eintreffende Reize hinsichtlich ihrer zeitlichen Übereinstimmung einschätzt.

Zahlreiche Studien zeigen eine auffällige Erweiterung dieses Intervalls in klinischen Populationen (z. B. bei Schizophrenie und Autismus) sowie Defizite dieser Populationen bei der Verarbeitung von Sprache. Zudem zeigt sich, dass das zeitliche Integrationsfenster durch sensorische Trainings beeinflussbar ist. Im Rahmen der Studie wurde untersucht, ob sich die Effektivität simpler sensorischer Trainings auf die Reduktion des zeitlichen Integrationsfenster abhängig von ihrer Modalität (uni- vs. multisensorisch) sowie Länge (kurz vs. lang) unterscheidet. Es wurde ferner überprüft, ob die Trainings einen Einfluss auf eine audio- visuelle Illusion sowie auf die Leistung in einer Sprachverstehensaufgabe zeigen. Hierfür wurden 40 gesunde Probanden randomisiert auf vier experimentelle Bedingungen (kurzes unisensorisches vs. langes unisensorisches vs. kurzes multisensorisches vs. langes multisensorisches Training) aufgeteilt und als abhängige Variablen die Größe des zeitlichen Integrationsfensters, die Auftretenshäufigkeit der audio-visuellen Illusion sowie die Leistung in einer naturalistischen Sprachverstehensaufgabe vor und nach Applikation des Trainings erhoben. Die durchgeführten statistischen Analysen zeigten eine signifikante Einengung des

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Zusammenfassung

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zeitlichen Integrationsfensters sowie eine Leistungsverbesserung beim Sprachverstehen in Situationen mit einer experimentell beeinträchtigten Modalität nach den multisensorischen Trainings. Die Trainingslänge hatte hierbei keinen Einfluss. Die unisensorischen Trainings hatten überraschenderweise ebenfalls keinen Einfluss auf die Zielvariablen. Die Auftretenshäufigkeit der audio-visuellen Illusion blieb gänzlich unbeeinflusst. Alle Effekte blieben für mindestens sieben Tage bestehen. Die Ergebnisse der Untersuchung weisen auf eine Überlegenheit multisensorischer Trainings bei der Beeinflussung des zeitlichen Integrationsfensters sowie der Sprachverstehensleistung in einer gesunden Stichprobe hin.

Die Arbeit von Tietze et al. (2019) widmete sich der Frage nach dem Ursprung der in zahlreichen Studien berichteten Defizite in der audio-visuellen Sprachwahrnehmung von Asperger-Autisten. Einschränkungen bei der Verarbeitung multimodaler Informationen können grundsätzlich Ausdruck unisensorischer sowie multisensorischer Defizite oder einer Kombination beider Prozesse sein. Zur Beantwortung der Frage bekamen 16 Asperger-Autisten sowie 16 gesunde Kontrollprobanden Worte dargeboten, die sich hinsichtlich ihrer audio- visuellen Kongruenz unterschieden (auditiver und visueller Inhalt stimmt überein vs. stimmt nicht überein). Während der Darbietung erfolgte eine fMRT. Die statistischen Analysen ergaben eine schwächere Aktivierung des linken auditorischen Kortex (BA41) bei Asperger- Autisten unabhängig von der Kongruenz der Stimuli. Dies legt Veränderungen bei der Verarbeitung unisensorischer Reize nahe.

Einschränkungen der Untersuchung, Implikationen für zukünftige Forschungsvorhaben sowie die übergreifende Integration beider Studienergebnisse werden in den Originalpublikationen sowie im entsprechenden Kapitel dieser Schrift diskutiert.

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Zusammenfassung

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Michael Zerr – The role of multimodal information processing in healthy people and people with Asperger's autism

Version in englischer Sprache

This cumulative dissertation investigates mechanisms of multisensory information processing in healthy people as well as those suffering from Asperger's autism. A functioning processing of complementary sensory stimuli from different sensory modalities enables living beings to construct a more comprehensive representation of their environment. Considering the amount of information, we are constantly surrounded by, it becomes clear that the integration of information from different sensory modalities into a coherent perception constitutes an extremely complex task. Deviations regarding this task as well as resulting deficits on the level of behavior and perception are particularly relevant for the present work.

The study by Zerr et al. (2019) dealt with temporal characteristics of multisensory information processing. The so-called temporal binding window constitutes the time interval in which stimuli are highly likely to be perceptually integrated and thus represents one of several principles by which our central nervous system evaluates the incoming stimuli with regard to their temporal correspondence. Numerous studies show a substantial widening of this window in clinical populations (e.g. in schizophrenia and autism) as well as deficits of these populations in speech intelligibility. Furthermore, the temporal binding window appears to be malleable through sensory training. Our study examined the effectiveness of simple sensory trainings regarding modality (uni- vs. multisensory) and length (short vs. long) on the size of the temporal binding window. Furthermore, we quantified the impact on an audio-visual illusion and a word recognition task. For this purpose, 40 healthy subjects were randomized into four experimental groups (short unisensory vs. long unisensory vs. short multisensory vs. long multisensory training) and we measured the size of the temporal binding window, the frequency of occurrence of the audio-visual illusion as well as the performance in the word recognition task before and after the training. The statistical analyzes revealed a significant narrowing of the temporal binding window and an improvement in speech comprehension in situations with one modality impaired after the multisensory training. The factor “training length” had no influence. Surprisingly, our unisensory training remained ineffective as well.

The trainings had no effect on the frequency of occurrence of the audio-visual illusion. All effects persisted at least seven days. The results of our study indicate a higher effectivity of

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Zusammenfassung

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multisensory trainings in narrowing the temporal binding window as well as increasing the speech intelligibility in a healthy sample.

The work of Tietze et al. (2019) tried to answer the question whether the reported audio-visual speech perception disturbances in Asperger's autism are based on deficits in uni- or multisensory processing or a combination of both processes. To answer the question, 16 people with Asperger's autism and 16 healthy control subjects were exposed to words differing in their audio-visual congruence (auditory and visual content matched vs. mismatched). An fMRI was performed during the task. Statistical analysis revealed weaker activation in the left auditory cortex (BA41) in Asperger's autism regardless of stimuli-congruence. This result suggests disturbances in the processing of unisensory stimuli.

Limitations of the investigation, implications for future research projects and the overarching integration of both study results are discussed in the original publications and in the corresponding chapter of this document.

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Einleitung

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1. Einleitung

1.1 Vorwort

Die vorliegende kumulative Dissertation mit dem Titel

Zur Rolle der multimodalen Informationsverarbeitung bei gesunden sowie an Asperger- Autismus erkrankten Menschen

setzt sich aus zwei bereits veröffentlichten Originalpublikationen zusammen (Zerr et al., 2019 sowie Tietze et al., 2019), die sich mit der sensorischen Informationsverarbeitung bei gesunden sowie an Asperger-Autismus erkrankten Menschen beschäftigen. Beide Publikationen wurden im Jahr 2019 in internationalen Wissenschaftsjournalen mit Gutachtersystem (Peer-Review- Verfahren) veröffentlicht und entstanden an der Klinik für Sozialpsychiatrie, Psychiatrie und Psychotherapie der Medizinischen Hochschule Hannover unter Gesamtleitung von Herrn Prof. Dr. rer. nat. Gregor R. Szycik.

1.2 Theoretischer Hintergrund

Multisensorische Verarbeitung und das multimodale zeitliche Integrationsfenster

Um unsere Umwelt so präzise wie möglich wahrnehmen und auf sie effektiv Einfluss nehmen zu können, benötigen wir eine möglichst valide und robuste Schätzung der uns umgebenden

„Realität“. Da wir in einer sensorisch reichhaltigen Welt leben und ständig von Informationen unterschiedlicher Qualität umgeben sind (z. B. elektromagnetische und Schallwellen sowie chemische Signale), kann eine gute Schätzung dieser Welt unmöglich auf einer einzelnen Sinnesmodalität basieren. Demonstriert werden konnte dies u. a. beim Sprachverstehen, welches durch Hinzunahme visueller Informationen in Form von Lippenbewegungen in Situationen mit einem geringen Signal-Rausch-Verhältnis (unter „Lärm“) verbessert werden kann (u. a. Bishop & Miller, 2009; Girin et al., 2001; Schwartz et al., 2004; Sumby & Pollack, 1954). Bei der Konstruktion eines kohärenten Perzepts als subjektiv erlebbares Resultat eines komplexen Wahrnehmungsprozesses steht unser zentrales Nervensystem daher vor der scheinbar unlösbaren Aufgabe der optimalen „Orchestrierung“ aller eintreffenden Informationen. Diese für unsere Wahrnehmung sehr elementare Leistung unseres Gehirns wird in der Literatur typischerweise als „Bindungsproblem“ (engl. binding problem) bezeichnet (für eine Zusammenfassung siehe Feldman, 2013). Aus Sicht der theoretischen Neurowissenschaft kann das Nervensystem als „verteiltes Rechenwerk“ verstanden werden,

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Einleitung

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welches die unzähligen, aus der Umgebung stammenden Informationen anhand bestimmter Prinzipien verarbeiten muss, damit Kohärenz, also eine Art Widerspruchsfreiheit zwischen den einzelnen Sinnen, entstehen kann. Eines dieser Prinzipien ist die räumliche Nähe von Stimuli (Meredith & Stein, 1986a), die unser visuelles System verwendet: Treten mehrere Reize räumlich nah beieinander auf, so attribuieren wir diese mit höherer Wahrscheinlichkeit auf dieselbe Verursachungsquelle („Prinzip der räumlichen Nähe“). Dasselbe gilt, wenn Reize zeitlich eng miteinander verknüpft sind, wie Meredith et al. (1987) zeigen konnten („Prinzip der zeitlichen Nähe“). Das dritte „Prinzip der inversen Effektivität“ besagt, dass multisensorische Integration mit einer höheren Wahrscheinlichkeit und Stärke auftritt, sofern die unisensorischen Stimuli einzeln präsentiert eine relativ schwache Reaktion hervorrufen (Meredith & Stein, 1986b) – in solch einem Fall „profitiert“ unsere Wahrnehmung von einer Kombination beider Reize im Sinne eines Synergieeffektes. Das Prinzip der zeitlichen Nähe weist die Besonderheit auf, dass Stimuli unterschiedlicher Modalität verschiedene Ausbreitungsgeschwindigkeiten besitzen (z. B. 300.000 km/s für elektromagnetische Wellen im Vakuum und 340 m/s für Schallwellen in Luft bei Raumtemperatur). Reize erreichen einen Beobachter daher zu unterschiedlichen Zeiten, obwohl sie Manifestationen derselben Ursache sind. Stimuli unterscheiden sich aber nicht nur in ihrer Ausbreitungs-, sondern auch in ihrer Verarbeitungsgeschwindigkeit in unserem zentralen Nervensystem (50 ms im visuellen vs. 10 ms im auditorischen System). Berücksichtigt man die unterschiedlichen Ausbreitungs- und Verarbeitungsgeschwindigkeiten für die auditorische und visuelle Modalität, könnte man annehmen, dass ausschließlich audio-visuelle Ereignisse in einer Entfernung von 10-15 m von einem Beobachter als gleichzeitig wahrgenommen würden, da sich dann die verschiedenen Geschwindigkeiten kompensieren. Wie unsere Erfahrung und empirische Untersuchungen jedoch zeigen, nehmen wir audio-visuelle Reizpaare auch dann als synchron wahr, wenn Sie zu unterschiedlichen Zeitpunkten in den primären sensorischen Kortizes eintreffen. Unser zentrales Nervensystem scheint also eine Art „Toleranz“ zu besitzen, innerhalb derer es Reize als synchron interpretiert. Diese Toleranz wird in der Literatur meist als „multimodales zeitliches Integrationsfenster“ (engl. multimodal temporal binding window) bezeichnet. In Abbildung 1A ist ein multimodales zeitliches Integrationsfenster eines gesunden Probanden dargestellt (für Details siehe Beschreibung der Abbildung).

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Einleitung

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Abbildung 1: Multisensorische Integration auf Wahrnehmungs- und neuronaler Ebene. A) Dargestellt ist die subjektive Einschätzung der Simultanität als Funktion der objektiven Simultanität zwischen auditorischen und visuellen Stimuli in Form relativer Häufigkeiten in der Simultaneity Judgement Task, SJT (s.u.) B) Dargestellt ist der relative Zugewinn in der multisensorischen neuronalen Antwort als Funktion der objektiven Simultanität zwischen auditorischen und visuellen Stimuli in den Colliculi rostrales der Katze. Negative Werte repräsentieren Bedingungen, in denen auditorische, visuellen Stimuli vorausgehen. Adaptiert aus Wallace und Stevenson (2014).

Zu sehen ist, dass die Wahrscheinlichkeit ein Reizpaar subjektiv als synchron wahrzunehmen am höchsten ist, wenn es auch objektiv annähernd gleichzeitig dargeboten wird (stimulus onset asynchrony, SOA nahe 0 ms). Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit selbst bei Verzögerungen von bis zu 300 ms höher als 0 %. In Abbildung 1B sieht man die „neuronale Entsprechung“ der subjektiven Einschätzung in Form eines Zugewinns der multisensorischen neuronalen Antwort in den Colliculi rostrales der Katze in Abhängigkeit von der objektiven Synchronität des Stimuluspaars. Es zeigt sich ein ähnliches Verteilungsmuster. Interessanterweise befindet sich der „Punkt subjektiver Gleichzeitigkeit“ (engl. point of subjective simultaneity, PSS) für audio- visuelle Reizpaare, also der zeitliche Versatz zweier audio-visueller Reize, bei dem Menschen mit höchster Wahrscheinlichkeit das Gefühl von Synchronität erleben, nicht bei SOA = 0 ms, sondern stellt sich ein, wenn der visuelle kurz vor dem auditorischen Reiz eintrifft (Dixon &

Spitz, 1980; Kayser et al., 2008; Zampini et al., 2003). Der Grund für diese Asymmetrie ist unklar, wird aber mit einer evolutionären Adaptation an die vielfach höhere Ausbreitungsgeschwindigkeit von Licht begründet (King & Palmer, 1985).

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Einleitung

11 Veränderbarkeit des zeitlichen Integrationsfensters

Verschiedene Studien konnten zeigen, dass sich die Größe des multimodalen zeitlichen Integrationsfensters verändern lässt (Fujisaki et al., 2004; Hanson et al., 2008; Navarra et al., 2005; Powers et al., 2009; Stevenson et al., 2013; Vroomen et al., 2004). Mit Hilfe eines simplen multisensorischen Trainings, in denen gesunde Probanden die Synchronität audio-visueller Reize einschätzen mussten und hierbei Feedback erhielten, konnte das zeitliche Integrationsfenster über die Dauer von mindestens sieben Tagen verringert werden (Powers et al., 2009; Stevenson et al., 2013) konnten die Ergebnisse unter Zuhilfenahme eines noch simpleren, unisensorischen Trainings replizieren. In beiden Studien stellte sich ein substantieller Lerneffekt bereits nach einem einzigen Trainingsdurchgang ein.

Multisensorische Verarbeitungsdefizite bei psychischen Störungen

Es gibt zahlreiche Studien, die Besonderheiten in der Verarbeitung multisensorischer Reize bei verschiedenen psychischen Störungen aufzeigen. Bei der Schizophrenie, einer komplexen Störung mit Einschränkungen in praktisch allen Bereichen des Erlebens und Verhaltens, konnten mehrfach multisensorische Abnormalitäten nachgewiesen werden. Dies betrifft u. a.

Auffälligkeiten beim Sprachverstehen (z. B. Ross et al., 2007; Szycik et al., 2009b), Probleme bei der Verarbeitung phonetischer Informationen (de Gelder et al., 2003), eine verringerte Nutzbarmachung emotionsbezogener Informationen für die Erkennensleistung auditorischer und visueller Informationen (de Gelder et al., 2005; de Jong et al., 2009) sowie Veränderungen in der zeitlichen Integration von Reizen (z. B. Carroll et al., 2008; Foucher et al., 2007; Haß et al., 2017; Martin et al., 2013; Parsons et al., 2013; Shin et al., 2010; Zvyagintsev et al., 2017).

Für die vorliegende Arbeit besonders relevant sind multisensorische Auffälligkeiten im Bereich der Autismus-Spektrum-Störung. Diese seit Einführung des DSM-5 (American Psychiatric Association, 2013) vorhandene Störungskategorie fasst die früheren Kategorisierungen wie den Asperger- und frühkindlichen Autismus zusammen und ist durch Einschränkungen in der sozialen Interaktion und Kommunikation sowie durch einseitige, repetitive Verhaltensweisen und/oder Interessen gekennzeichnet. Neben dieser bereits lange bekannten Trias treten Besonderheiten sensorischer Funktionen bei ungefähr 90 % der an einer Autismus-Spektrum- Störung Erkrankten auf (z. B. Tavassoli et al., 2014; Tomchek & Dunn, 2007), weshalb dieses Symptom in die diagnostischen Kriterien des DSM-5 aufgenommen wurde. So zeigen Autisten einen geringeren Synergieeffekt bei der Hinzunahme von Stimuli aus einer weiteren Modalität

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Einleitung

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(u. a. Brandwein et al., 2013; Foxe et al., 2015; Kawakami et al., 2020; Stevenson et al., 2017), Defizite bei der Sprachwahrnehmung in Situationen mit einem geringen Signal-zu-Rausch- Verhältnis (Alcantara et al., 2004) sowie ein erweitertes zeitliches Integrationsfenster (Donohue et al., 2012; Foss-Feig et al., 2010; Kwakye et al., 2011; Noel et al., 2017; Stevenson & Siemann et al. 2014; Woynaroski et al., 2013). In einer Metaanalyse konnten Feldman und Mitarbeiter (Feldman et al., 2018) zeigen, dass die inkonsistenten Ergebnisse möglicherweise auf methodische Unterschiede in den vorangegangenen Studien zurückzuführen sind. Einerseits zeigte sich, dass multisensorische Defizite negativ mit dem Alter der untersuchten Stichprobe zusammenhingen und somit auf eine verzögerte neuronale Reifung hindeuten könnten. Dies kann u. a. durch eine Untersuchung von Beker et al. (2018) sowie die bereits zitierte Studie von Foxe et al. (2015) gestützt werden. Andererseits zeigte sich, dass multisensorische Defizite positiv mit der Symptomschwere korrelierten und das Vorhandensein dieser Korrelation davon abhing, ob die in den Studien eingesetzten Stimuli komplex (sprachlich) oder simpel (Töne/

Klickgeräusche) waren.

Das gleichzeitige Auftreten von Besonderheiten auf niedrigerer, sensorischer und höherer, sozio-kognitiver Ebene lässt die Frage aufkommen, ob und auf welche Weise beide Ebenen miteinander wechselwirken. Unter den neurobiologischen Erklärungsmodellen lassen sich drei Ansätze unterscheiden (Robertson & Baron-Cohen, 2017) wobei für die „canonical micro- circuitry view“ auf eben zitierte Arbeit verwiesen sei, da diese im Rahmen der aktuellen Arbeit eine untergeordnete Rolle spielt.

„Sensory-first-Ansätze“ stützen sich z. T. auf Untersuchungen über sensorische Deprivation bei Kindern und legen einen schädlichen kausalen Einfluss abweichender sensorischer Funktionen auf die Entwicklung sozio-kognitiver Fähigkeiten nahe. Wie Untersuchungen zeigen konnten, weisen Autisten eine verringerte multisensorische Integration insbesondere für soziale Stimuli (Foxe et al., 2015; Stevenson & Segers et al., 2014) sowie eine verringerte Fähigkeit, Sprache in lauter Umgebung wahrzunehmen (Stevenson et al., 2018) auf. Führt man sich vor Augen, dass soziale Kommunikation wesentlich auf subtilen Veränderungen in Mimik, Gestik und Stimmmodulation beruht, erscheint dieser Ansatz auch intuitiv plausibel.

„Top-down–Ansätze“ postulieren hingegen, dass sich Abnormalitäten höherer kognitiver Funktionen bei Autisten (z. B. atypische Entscheidungskriterien, Aufmerksamkeitsprozesse und kausale Schlussfolgerungen) auf sensorische und soziale Prozesse gleichermaßen auswirken. Ein Vertreter dieser Ansätze ist die „weak central coherence theory“ (Happé & Frith,

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Einleitung

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2006). Sie postuliert, dass die Kernproblematik des Autismus eine beeinträchtigte Integrationsfähigkeit unbeeinträchtigter sensorischer Informationen zu einem kohärenten Perzept darstellt. Resultat wären Defizite im kontextuellen Verständnis – salopp gesagt, in der Fähigkeit „das große Ganze“ zu sehen.

Beide Ansätze können jeweils nur spezifische Teile der empirisch beobachteten Besonderheiten erklären und widersprechen sich in ihren zentralen Annahmen.

1.3 Ableitung der Hypothesen

Im Rahmen der vorliegenden kumulativen Dissertation sollten zwei grundlegende Fragen geklärt werden:

In der Untersuchung von Zerr et al. (2019) sollten Effektivitäts- und Effizienzunterschiede sensorischer Trainings zur Verringerung des multimodalen zeitlichen Integrationsfensters sowie ihr Einfluss auf eine ökologisch valide Variable (Sprachverstehen) untersucht werden.

Postuliert wurde, dass die Länge des Trainings (eine vs. drei Trainingseinheiten) keinen Effekt auf das zeitliche Integrationsfenster hat. Über die Rolle der Trainingsmodalität (unisensorisches vs. multisensorisches Training) konnte keine fundierte Aussage getroffen werden, sodass die Hypothese explorativ formuliert wurde. Ferner wurde angenommen, dass die Verringerung des zeitlichen Integrationsfensters einen positiven Effekt auf die Leistung in einer Sprachverstehensaufgabe hat – genauer gesagt in Situationen mit einem geringen Signal- Rausch-Verhältnis, in denen die Probanden von den zusätzlichen visuellen Informationen (Lippenbewegungen) eines Redners profitieren müssten. Wir untersuchten weiterhin die Rolle des zeitlichen Integrationsfensters auf die „Double-Flash-Illusion“, da hier ebenfalls inkonsistente Befunde existieren.

In der Untersuchung von Tietze et al. (2019) gingen wir mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie der Frage nach, ob die bei Autisten festgestellten Besonderheiten in der Integration sensorischer Reize auf Defiziten in der Prozessierung unisensorischer oder multisensorischer Informationen beruhen (vgl. „sensory-first-“ und „top-down-Ansätze“).

Abhängig hiervon würden sich signifikante Unterschiede zu gesunden Kontrollprobanden in Hirnregionen zeigen, die entweder mit der Verarbeitung unisensorischer respektive multisensorischer Informationen assoziiert sind.

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Einleitung

14 1.4 Studiendesign und Methodik

Im Rahmen der Studie von Zerr et al. (2019) wurden insgesamt 40 gesunde Probanden randomisiert auf vier experimentelle Trainingsbedingungen mit den beiden Faktoren Trainingsmodalität (visuelles Training vs. audio-visuelles Training) und Trainingslänge (eine Trainingseinheit vs. drei Trainingseinheiten) aufgeteilt. Die vier Experimentalgruppen zeigten keine Unterschiede hinsichtlich des Alters, der Geschlechtsverteilung sowie des allgemeinen Intelligenzniveaus gemessen mit dem Mehrfachwahl-Wortschatz-Intelligenztest (MWT-B).

Als abhängige Variablen dienten die „Simultaneity Judgement Task“ (SJT), die „Double Flash Illusion Task“ (DFIT) und die „Word Recognition Task“ (WRT). Bei der SJT mussten die Probanden die Synchronität eines mit einem variablen zeitlichen Abstand dargebotenen audio- visuellen Reizpaares einschätzen. Dieses Paradigma diente als Basis zur Berechnung des zeitlichen Integrationsfensters (TBW). Die Häufigkeit der korrekten Synchronitäts- einschätzungen wurde mit einer logistischen Funktion modelliert (Matlab R2017b) und das TBW als Schnittpunkt dieser Funktion mit der Geraden y = 0.75 (75 % korrekte Einschätzungen) definiert (für Details siehe Originalpublikation im Anhang). Bei der DFIT wurden Probanden zwei auditorische Stimuli in unterschiedlichem zeitlichem Abstand gemeinsam mit einem visuellen Stimulus dargeboten, was, abhängig von besagtem Abstand, typischerweise zur Wahrnehmung von zwei visuellen Stimuli führt („fission illusion“). Bei der WRT mussten Probanden die von einem videografierten Sprecher gesprochenen zweisilbigen Wörter wiedergeben. Bei dieser Aufgabe gab es vier Bedingungen mit den beiden unabhängigen Faktoren „Sprachinformation“ (auditorische Sprachinformation mit „eingefrorenem“ Bild vs.

audio-visuelle Sprachinformation) und „Hintergrundgeräusch“ (0 dB Rauschen vs. 12 dB Rauschen). Als Training diente die um ein Feedback bezüglich der Richtigkeit der Synchronitätseinschätzung ergänzte unimodale (auditorische) bzw. multimodale (audio- visuelle) SJT. Die Erhebungszeitpunkte lagen vor dem ersten Training (T0), direkt nach Ende des Trainings (T1) am ersten (kurzes Training) bzw. dritten Tag (langes Training) sowie sieben Tage nach Ende des Trainings (T2). Die statistischen Analysen wurden mit SPSS (Version 26) durchgeführt und beinhalteten mehrere univariate, mehrfaktorielle Varianzanalysen mit Messwiederholung. Zur Neutralisierung der Alphafehler-Kumulierung wurde das Signifikanzniveau aller Post-hoc-Tests konservativ nach der Bonferroni-Methode korrigiert.

Abhängig von den statistischen Voraussetzungen kamen auch non-parametrische Tests zum Einsatz (Friedman-Test und Kruskal-Wallis-Test).

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Einleitung

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In der Untersuchung von Tietze et al. (2019) wurden 16 Patienten mit einem Aspergersyndrom (ASD) (Diagnosekriterien nach DSM-IV-TR, American Psychiatric Association, 2000) sowie 16 gesunde Kontrollprobanden untersucht. Neun der 16 Patienten erfüllten zusätzlich Kriterien für eine weitere psychische Störung. Die Kontrollprobanden wurden der Patientengruppe bezüglich der Faktoren Alter, Geschlecht sowie verbale Intelligenz paarweise zugeordnet, sodass Unterschiede ausschließlich im zu untersuchenden Zielbereich bestanden. Das sprachbasierte Paradigma zur Überprüfung der sensorischen Informationsverarbeitung wurde bereits erfolgreich in anderen Studien angewendet (Rüsseler et al., 2017; Szycik & Jansma et al., 2009; Szycik & Münte et al., 2009). Hierbei wurden Probanden zufällig kongruente (z. B.

auditorische Information: „Engel“; visuelle Information: „Engel“) oder inkongruente audio- visuelle Sprachinformationen dargeboten (z. B. auditorische Information: „Engel“; visuelle Information: „Hase“). Während der Stimulusexposition fand eine funktionelle Magnetresonanztomografie des Kopfes statt (3-Tesla Siemens Skyra Scanner). Die statistische Analyse beinhaltete eine mehrfaktorielle Varianzanalyse mit Zufallseffekten sowie ebenfalls Bonferroni-korrigierte Post-hoc-Tests. Zur Lokalisation der relevanten Gehirnstrukturen wurden Talairach-Koordinaten verwendet (Talairach & Tornoux, 1988).

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Ergebnisse

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2. Ergebnisse

In diesem Abschnitt sollen die Ergebnisse beider Originalpublikationen dargestellt werden. Das Hauptaugenmerk liegt hierbei auf der Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse, sodass der Leser für eine erschöpfende Darstellung auf die Originalpublikationen verwiesen sei.

2.1 Zerr et al., 2019: Brief sensory training narrows the temporal binding window and enhances long-term multimodal speech perception

Zum Ausschluss a priori vorhandener Unterschiede zwischen den vier Experimentalgruppen wurden die Ziel- (SJT, DFIT, WRT) und Kontrollvariablen (Alter, Geschlecht, MWT-B- Leistung) zum ersten Messzeitpunkt T0 verglichen. Mehrere univariate mehrfaktorielle Varianzanalysen sowie ein Kruskal-Wallis-Test zeigten keine signifikanten Gruppen- unterschiede bezüglich der untersuchten Variablen. Ferner gab es keine Drop-Outs sowie kein Attrition Bias.

Simultaneity Judgement Task (SJT)

Zur Beurteilung eines potentiellen Trainingseffekts auf die Leistung in der SJT über die drei Messzeitpunkte hinweg wurde eine univariate mehrfaktorielle Varianzanalyse mit Messwiederholung mit den Innersubjektfaktoren „SOA“ (0ms vs. 25ms vs. 50ms vs. 75ms vs.

100ms vs. 125ms vs. 150ms vs. 175ms vs. 200ms vs. 225ms vs. 250ms) und „Messzeitpunkt“ (T0 vs. T1 vs. T2) sowie den Zwischensubjektfaktoren „Trainingsmodalität“ (uni- vs.

multisensorisch) und „Trainingslänge“ (kurz vs. lang) berechnet. Der signifikante Interaktionseffekt zweiter Ordnung zwischen den Faktoren SOA, Messzeitpunkt sowie Trainingsmodalität (F(11.028, 369.992) = 2.263, p = 0.002, η2p = .07) repräsentiert das Hauptergebnis und besagt zusammenfassend, dass die Genauigkeit in der Einschätzung der Synchronität nach dem multisensorischen Training unabhängig von der Trainingslänge zunimmt. Für das unisensorische Training trifft dies nicht zu. Eine genauere Analyse der Bonferroni-korrigierten Post-hoc-Tests zeigt, dass der Trainingseffekt auch nach sieben Tagen im Rahmen der Follow- Up-Untersuchung bestehen bleibt. Dies zeigt sich entsprechend in Form einer Einengung des zeitlichen Integrationsfensters von 151.2 ms bei T0 auf 65.5 ms bei T1 bzw. 66.1 ms bei T2 nach Durchführung des multisensorischen Trainings (s. Abbildung 2).

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Diskussion

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3. Diskussion

In den folgenden Abschnitten sollen die Studienergebnisse zusammenfassend dargestellt und in einen übergeordneten Zusammenhang gebracht werden. Es wird zudem ein Ausblick für mögliche zukünftige Forschungsfragen gegeben.

3.1 Diskussion der Ergebnisse

Ziel der Studie von Zerr et al. (2019) war die Überprüfung des Einflusses verschiedener sensorischer Trainings auf die Größe des multimodalen zeitlichen Integrationsfensters, auf die Auftretenshäufigkeit einer multisensorischen Illusion sowie auf die Leistung in einer naturalistischen Aufgabe hinsichtlich des Sprachverstehens. Im Rahmen dieser Untersuchung konnte gezeigt werden, dass ein simples und nur einmalig durchgeführtes multisensorisches Training das multimodale zeitliche Integrationsfenster statistisch signifikant verringern kann.

Zusätzlich zeigten Versuchspersonen nach besagtem Training eine substantielle Verbesserung des Sprachverstehens in Situationen mit einem geringen Signal-zu-Rausch-Verhältnis („Hintergrundlärm“). Postuliert wurde, dass sich in derartigen Situationen ein Vorteil der Integration von Informationen aus einer weiteren sensorischen Modalität zeigt. Der Trainingseffekt hielt auch nach Ablauf von sieben Tagen im Rahmen der Follow-Up-Erhebung an. Der Faktor Trainingslänge hatte weder eine signifikante Auswirkung auf das zeitliche Integrationsfenster, noch auf die Leistung in der Sprachverstehensaufgabe, was in Einklang mit vorherigen Untersuchungsergebnissen steht. Ein hingegen unerwartetes Ergebnis stellt der fehlende Effekt des unisensorischen Trainings dar. Erklärt werden kann dies u. a. durch den Einsatz unterschiedlicher experimenteller Paradigmen. Das in unserer Untersuchung verwendete unisensorische Training basiert auf der SJT, die eine Einschätzung der Synchronität zweier Stimuli verlangt und den Aufmerksamkeitsfokus damit mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die Wahrnehmung von „Gleichzeitigkeit“ lenkt. Demgegenüber mussten die Versuchspersonen in der Studie von Stevenson et al. (2013) im Rahmen der sog. temporal order judgement task (TOJT) einschätzen, welcher von zwei präsentierten Stimuli zuerst auftrat. In diesem Fall wird der Fokus auf die Wahrnehmung von „Unterschiedlichkeit“ gelenkt, da der Fall von „Gleichzeitigkeit“ bei der Aufgabenstellung nicht zur Disposition steht. Beide Paradigmen haben also einen differentiellen Einfluss auf die Herausbildung entscheidungs- relevanter Vorannahmen. Dieser Logik folgend könnte der Fokus auf Simultanität in unserer Untersuchung zu einer effektiveren Prozessierung der Stimuli beigetragen haben, wie sie die

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Diskussion

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„prior entry hypothesis“ postuliert (Schneider & Bavelier, 2003), und das unisensorische Training damit außerhalb eines effektiven Trainingsbereichs gelegen haben. Ein weiterer Unterschied zur Untersuchung von Stevenson et al. (2013) betrifft die Auswahl der SOAs. Die von Stevenson und Mitarbeitern verwendeten SOAs befanden sich in einem Bereich zwischen -37,5 ms und +37,5 ms (0 bis 250 ms in unserer Untersuchung). Die Einschätzung der Simultanität war entsprechend anspruchsvoller und könnte daher auch zu einem stärkeren Trainingseffekt beigetragen haben. Ferner war die Anzahl der präsentierten Stimuli in unserem Experiment signifikant geringer (120 Trials verglichen mit 780 Trials bei Stevenson et al., 2013).

Eine verglichen mit multisensorischen Trainings potentiell geringere, jedoch prinzipiell vorhandene Effektivität unisensorischer Trainings könnte infolge o.g. Unterschiede zu einem nicht-signifikanten Trainingseffekt in unserer unisensorischen Bedingung geführt haben. Da bislang kein direkter Vergleich uni- sowie multisensorischer Trainings vorgenommen wurde, widerspricht das vorliegende Ergebnis nicht grundsätzlich der Beobachtung von Stevenson et al. (2013). Einen Effekt unserer Trainings auf die „Double-Flash-Illusion“ konnten wir nicht beobachten. Diesbezüglich zeigt auch die Literatur z. T. widersprüchliche Ergebnisse. Das wichtigste Ergebnis der Studie von Zerr et al. (2019) stellt die Verbesserung des Sprachverstehens unter naturalistischen Bedingungen dar (34 % Leistungsanstieg nach dem multisensorischen Training vs. 8 % Leistungsanstieg nach dem unisensorischen Training).

Diese Verbesserung trat, wie postuliert, ausschließlich in der Experimentalbedingung mit einem geringen Signal-zu-Rausch-Verhältnis auf und war zudem mit einer Einengung des zeitlichen Integrationsfensters assoziiert. Zum Ausschluss potentieller Wiederholungseffekte führten fünf Kontrollprobanden die WRT zu drei Messzeitpunkten ohne Durchführung eines Trainings durch. Zusätzlich wurde die erste und zweite Hälfte der WRT-Trials bei T0 miteinander verglichen, da sich eine Leistungsverbesserung basierend auf reiner Aufgaben- wiederholung auch innerhalb eines Messzeitpunktes zeigen sollte. Ein signifikanter Leistungsunterschied konnte weder bei den Kontrollprobanden (c2(2) = 0.471, p = .790, W

= .05), noch beim Vergleich beider Testhälften (F(1, 36) = 0.000, p > .999, 𝜂2p = .00) beobachtet werden.

Im Rahmen der Studie von Tietze et al. (2019) wurde mittels funktioneller Magnetresonanztomographie der Frage nachgegangen, ob die bei Menschen mit diagnostiziertem Asperger-Autismus über zahlreiche Untersuchungen hinweg festgestellten Probleme bei der Verarbeitung sensorischer Reize auf Besonderheiten der unisensorischen oder

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multisensorischen Verarbeitung beruhen. Zur Beantwortung dieser Frage wurde die Hirnaktivität von Asperger-Autisten sowie hinsichtlich relevanter Kontrollvariablen paarweise zugeordneten gesunden Kontrollprobanden während der Verarbeitung (in-)kongruenter sensorischer Reize mittels fMRT verglichen. Menschen mit Asperger-Autismus zeigten eine, von der Kongruenz der präsentierten Stimuli unabhängige, geringere Aktivierung im linken temporalen Kortex (BA 41), was auf eine verringerte Aktivierung unisensorischer Verarbeitungszentren verglichen mit Gesunden hindeutet. Ein Einfluss dieser veränderten unisensorischen Informationsverarbeitung auf multisensorische Zentren (z. B. in Form einer kompensatorischen oder verringerten multisensorischen Aktivierung) konnte dagegen nicht beobachtet werden.

3.2 Limitationen

Die Aussagekraft der Ergebnisse beider Studien unterliegt selbstverständlich Einschränkungen, die ihren Ursprung sowohl im methodischen als auch konzeptionellen Bereich haben. Die verschiedenen Limitierungen sollen daher im Folgenden diskutiert werden.

Die bei Zerr et al. (2019) verwendeten SOAs könnten, wie oben beschrieben, außerhalb eines optimalen Trainingsbereichs gelegen haben und damit die potentielle Wirkung der (uni-) sensorischen Trainings unterschätzt haben. Unter Zuhilfenahme eines adaptiven Algorithmus hätten die SOAs basierend auf den individuellen Wahrnehmungsschwellen automatisch angepasst und die Effektivität der Trainings auf diese Weise gesteigert werden können (siehe hierzu De Niear et al., 2016). Ferner wird die Validität des Trainingseffekts auf die Leistung in der Sprachverstehensaufgabe durch einen zwar nicht signifikanten, aber dennoch substantiellen Leistungsunterschied (η2p = 0.11) zu T0 zwischen der uni- und multisensorischen Trainingsgruppe eingeschränkt. Der fehlende Effekt des Trainings auf die Auftretenshäufigkeit der DFIT kann u. a. mit dem Fehlen der „fusion illusion“ (ein auditiver Stimulus kombiniert mit zwei visuellen Stimuli induziert bei bestimmtem Abstand der visuellen Stimuli die Wahrnehmung nur eines visuellen Stimulus) erklärt werden, die in unserem Paradigma nicht getestet wurde, sodass ein möglicher Einfluss auf diese Variante der Illusion unentdeckt geblieben sein könnte. Diese Erklärung sowie ein potentiell vorhandener Deckeneffekt hinsichtlich der Unterscheidungsfähigkeit bei Gesunden erscheint unter Berücksichtigung der Studie von Stevenson und Mitarbeitern (Stevenson et al., 2012) jedoch unwahrscheinlich, da

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die Autoren die auch bei uns eingesetzte „fission illusion“ verwendet haben und eine signifikante Korrelation zwischen der Größe des zeitlichen Integrationsfensters und der Auftretenshäufigkeit der Illusion beobachten konnten. Kawakami et al. (2020) konnten diesen Zusammenhang in einer Stichprobe mit Autisten replizieren. Der Grund für eine fehlende Signifikanz in unseren Daten bleibt daher weitgehend unklar.

Eine wichtige Limitierung bei Tietze et al. (2019) betrifft das Fehlen korrespondierender Verhaltensdaten, sodass prinzipiell unklar bleibt, welche praktische Relevanz die verringerte zerebrale Aktivierung bei Asperger-Autisten auf der Wahrnehmungs- und Verhaltensebene hat. Zudem wurde die klinische Stichprobe nach den Kriterien des DSM-IV-TR diagnostiziert, sodass das Ergebnis streng genommen auch auf diese Subpopulation generalisiert werden kann.

Das Hauptergebnis der Studie, die verringerte Aktivierung in BA 41/42 bei Asperger-Autisten, muss ebenfalls mit Vorsicht interpretiert werden. Eine verringerte Aktivierung, wie sie durch ein fMRT detektiert wird, muss nicht zwingend mit einer verringerten, sondern kann ebenso mit einer erhöhten „Fähigkeit“ entsprechender Hirnbereiche assoziiert sein. Dieses Konzept des

„Ressourcenverbrauchs vorhandener Verarbeitungskapazitäten“ besagt, dass kognitive Prozesse biologische Ressourcen benötigen und daher von deren Kapazität natürlich limitiert werden. Das Ausmaß kortikaler Aktivierung nimmt mit den Anforderungen an die entsprechenden Hirnregionen zu. Die Anforderungen hängen ihrerseits neben der Aufgabenkomplexität von den vorhandenen Ressourcen ab, sodass eine erhöhte Aktivierung eine hohe Aufgabenkomplexität ebenso wie geringe Ressourcen repräsentieren kann. Diese Annahme wird u. a. durch eine Untersuchung von Reichle et al. (2000) gestützt. Die Autoren untersuchten verbale und räumliche Fähigkeiten und beobachteten eine verringerte Aktivierung im fMRT bei Probanden mit besseren Fähigkeiten in den entsprechenden Aufgabenbereichen.

3.3 Integration beider Studienergebnisse und Implikationen für zukünftige Forschung

Die Ergebnisse beider Studien haben potentiell wichtige Implikationen, die hier dargestellt werden sollen. Patienten mit einer diagnostizierten schizophrenen Erkrankung zeigen verglichen mit Gesunden einen geringeren Synergieeffekt einer zusätzlichen Darbietung visueller Reize bei der Verarbeitung auditiver Informationen. Diese perzeptuelle Inkohärenz könnte möglicherweise an der (Mit-)Verursachung wahrnehmungsbezogener Besonderheiten,

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wie Ich-Störungen (Derealisations- und Depersonalisations- sowie Fremdsteuerungserleben) beteiligt sein. In zukünftigen Untersuchungen könnte ein entsprechendes multisensorisches Training in dieser klinischen Population eingesetzt und sein Einfluss auf psychopathologische Veränderungen überprüft werden.

Für die vorliegende Arbeit in besonderem Maße relevant sind sensorische Besonderheiten von Menschen mit einem diagnostizierten Asperger-Autismus. Wie in der Einleitung erwähnt, zeigt diese Population ebenfalls Störungen bei der Verarbeitung multisensorischer Informationen, wie sie in einer Vielzahl unterschiedlicher audio-visueller Paradigmen beobachtet werden konnten. Die Metaanalyse von Feldman et al. (2018) legt nahe, dass sich besagte sensorische Defizite bei Autismusspektrumstörungen vorrangig bei der Verarbeitung sozialer Stimuli (insb.

Sprache) manifestieren. Untersuchungen zum zeitlichen Integrationsfenster bei Autisten zeigen relativ konsistent ein vergrößertes audio-visuelles Integrationsfester (siehe Zhou et al., 2018), wobei auch andere Modalitäten und sogar interozeptive Prozesse beeinträchtigt zu sein scheinen (vergrößertes visuo-taktiles Integrationsfenster bei Greenfield et al., 2015 sowie vergrößertes cardio-visuelles zeitliches Integrationsfenster bei Noel et al., 2018). Van Laarhoven et al. (2019) konnten darüber hinaus einen positiven Zusammenhang zwischen der Ausprägung subklinischer autistischer Merkmale und Auffälligkeiten bei der Sprachverarbeitung in der Allgemeinbevölkerung beobachten, wobei spezifische Merkmale mit spezifischen Auffälligkeiten assoziiert waren. Letzteres zeigte sich bereits in einer früheren Studie von Yaguchi und Hidaka (2018) im Rahmen der Untersuchung einer klinischen Stichprobe. In unserer Studie an gesunden Versuchspersonen (Zerr et al., 2019) konnte gezeigt werden, dass ein simples multisensorisches Training das zeitliche Integrationsfenster verringert und diese Verringerung mit einer erhöhten Leistung in einer naturalistischen Sprachverstehensaufgabe assoziiert ist. Dieses Ergebnis macht sensorische Trainings potentiell für einen Einsatz bei Personen mit einer Störung aus dem autistischen Spektrum interessant. Die Studie von Zerr et al. (2019) legt eine Überlegenheit multisensorischer gegenüber unisensorischen Trainings bei der Leistungsverbesserung im Sprachverstehen nahe. Es bleibt jedoch unklar, ob dieses Ergebnis auf andere Populationen übertragen werden kann. Sollten Einschränkungen in der Sprachverarbeitung bei Autisten auf unisensorischen Defiziten beruhen, wie die Ergebnisse unserer Studie an Asperger-Autisten nahelegen (Tietze et al., 2019), so wäre eine Überlegenheit unisensorischer Trainings denkbar, da hiermit die vorliegenden Defizite spezifischer trainiert werden könnten. Da die Sprachverarbeitung unter natürlichen Bedingungen jedoch auf der

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Integration audio-visueller Informationen beruht, könnten multisensorische Training ebenfalls effektiv sein, da sie eine derartige Integrationsleistung fördern. Zukünftige Forschung sollte daher potentiell relevante Faktoren systematisch untersuchen, indem direkte Vergleiche vorgenommen werden, was entsprechend große Stichproben erfordert. Geklärt werden sollte die Rolle der Modalität (uni- vs. multisensorisch) und Qualität (simpel vs. sozial) eingesetzter Stimuli bei der Quantifizierung des zeitlichen Integrationsfensters bei Autisten in einem vollständig gekreuzten Experimentaldesign. Es sollte weiterhin systematisch überprüft werden, ob sich die Effektivität von Trainings bei der Beeinflussung relevanter Defizite (z. B. des Sprachverstehens) abhängig vom spezifischen Trainingsdesign (uni-/multimodales Training mit simplen/sozialen Stimuli) unterscheidet.

In einer erst kürzlich erschienenen experimentellen Einzelfallstudie untersuchten Feldman et al. (2020) den Effekt eines multisensorischen Trainings (SJT mit Feedback) auf die Größe des multimodalen zeitlichen Integrationsfensters bei drei Kindern (Alter zwischen 7-13 Jahren) mit einer diagnostizierten Autismusspektrumstörung. Ein Trainingseffekt konnte nicht beobachtet werden, wobei die Aussagekraft der Studie aufgrund der geringen Versuchspersonenanzahl sehr beschränkt ist.

Aus der vorliegenden Arbeit ergeben sich weitere Implikationen für zukünftige Forschungsvorhaben. Sinnvoll wäre die Replikation des Einflusses des multimodalen zeitlichen Integrationsfensters auf das Sprachverstehen unter Zuhilfenahme eines adaptiven Trainings mit individuell optimierten SOAs. Zu klären wäre zudem die Art des Zusammenhangs zwischen dem zeitlichen Integrationsfenster und der Sprachverstehensleistung: Sinke et al.

(2014) konnten Defizite im Sprachverstehen bei „Synästheten” nachweisen, die typischerweise ein verglichen mit Kontrollprobanden stark verringertes zeitliches Integrationsfenster aufweisen. Diese Beobachtung legt ein „optimales“ zeitliches Integrationsfenster und somit einen umgekehrt-U-förmigen Zusammenhang zum Sprachverstehen und gegebenenfalls anderen relevanten Faktoren nahe.

Bei der bildgebenden Untersuchung sensorischer Informationsverarbeitung scheint, wie die Ausführung im vorherigen Kapitel nahelegt, die zusätzliche Erhebung verhaltensbezogener Daten für zukünftige Untersuchungen relevant zu sein. So konnten einige Autoren (u. a. Falter et al., 2012; Happé & Frith, 2006; Mottron et al., 2009; Mottron et al., 2006) zeigen, dass

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Autismus mit einer unbeeinträchtigten oder sogar verbesserten unisensorischen Verarbeitung assoziiert ist, was unter Berücksichtigung der „Ressourcenverbrauch-Hypothese“ mit dem Ergebnis von Tietze et al. (2019) ebenso vereinbar wäre.

Zmigrod und Zmigrod (2015) ist es durch die Stimulation des rechten posterioren Parietalkortex mittels transkranieller Gleichstromstimulation gelungen, das zeitliche Integrationsfenster um ca. 30% zu verringern. Einerseits lässt dies vielversprechende Behandlungsmöglichkeiten abseits kognitiver Trainings erahnen und andererseits könnten so die Auswirkungen des zeitlichen Integrationsfensters auf potentiell relevante Verhaltensfaktoren (z. B. das Sprachverstehen) mit geringem Zeitversatz und unter Ausschaltung potentiell konfundierter Variablen überprüft werden.

Es stellt sich selbstverständlich die Frage, ob das zeitliche Integrationsfenster überhaupt einen ursächlichen Einfluss auf die bei verschiedenen klinischen Populationen beobachteten Defizite hat oder die empirischen Beziehungen eine Scheinkausalität darstellen. Der in unserer Studie beobachtete Zusammenhang zwischen dem verringerten zeitlichen Integrationsfenster und dem verbesserten Sprachverstehen scheint eine Kausalität zunächst zu stützten. Gleichzeitig erscheint die Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs jedoch überraschend, da wir nicht erklären können, weshalb ein für das Überleben eines Lebewesens derartig relevanter Aspekt der Wahrnehmung bei gesunden Probanden einer „Optimierung“ überhaupt zugänglich sein sollte. Aus evolutionärer Sicht kann angenommen werden, dass gesunde Menschen über eine bereits auf ihre Umwelt optimal abgestimmte multisensorische Integrationsfähigkeit verfügen, die nicht ohne Weiteres „verbessert“ werden kann. Die Frage nach dem eigentlichen Mechanismus bzw. den Mechanismen ist jedoch höchst relevant, da ihre Beantwortung die Konzeption potentieller Therapie- und/oder Trainingsmöglichkeiten optimieren oder überhaupt erst ermöglichen kann.

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