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PJ60_S218-248_Schwarz_Das Problem einer christlichen Philosophie

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DAS PROBLEM

EINER CHRISTLICHEN PHILOSOPHIE*)

V on Privatdozent Dr. Richard Schwarz, W ürzburg

Ein zentrales Geheimnis der Philosophie bleibt die Philosophie sich selbst. Schon im A ltertum w eisen die Versuche, das W esen der Philosophie zu bestimmen, große D ivergenzen auf. Erkennen P l a t o n und A r i s t o t e ­ l e s im ganzen noch keinen Unterschied zwischen Philosophie und W issen­

schaft, so erscheint bei den S t o i k e r n und E p i k u r ä e r n Philosophie vor allem als M ittel zur Bem eisterung des Lebens, so ist sie für K a n t „Erkennt­

nis aus reiner V ernunft", für H e g e l „W issenschaft vom A bsoluten", für H e r b a r t „Bearbeitung der Begriffe", für W i n d e l b a n d „Kritische W is­

senschaft von den allgem eingültigen W erten". Und der m oderne E xistentia­

lismus sieht m it K a r l J a s p e r s die Philosophie an als ein W agnis, „in den unbetretbaren G rund menschlicher Selbstgew ißheit zu dringen".1)

V or dieser „Anarchie der Systeme" im Sinne D i l t h e y s , 2) vor diesem Labyrinth der W idersprüche philosophischer Form en und Inhalte, die sich schon program m atisch in der jew eiligen Definition über die W esensbestim ­ mung der Philosophie spiegeln, findet sich jedes Bemühen, das im Streit der M einungen die W ahrheitsfrage stellt. H ier in dieser offenbaren Auswegs- losigkeit liegt der eigentliche G rund des Relativism us und seiner historistischen und skeptizistischen Probleme, jen er w esenhaft m odernen bedrängenden Le­

bens- und Sinnfrage, die man als die „Problem atik der W eltanschauungen“

um schreiben könnte. Die m oderne W elt ist nicht aus dem Glauben, sondern aus dem Zweifel geboren. Erst mit dem V erlust der objektiv-glaubenserfüll- ten O rdnungen des M ittelalters, in denen der einzelne sich organisch behei­

m atet und aufgehoben fühlte, entsteht die V oraussetzung zu jenem genuin

„weltanschaulichen Denken", wie es J a s p e r s verstehen will: Inm itten einer allgem einen R elativität sich des eigenen Standorts zu versichern, in­

m itten einer V ielheit weltanschaulicher „Angebote" den eigenen, je eigenen W eg zu finden. Damit aber w ard der Mensch das von G rund auf zeitlich und geschichtlich bedingte W esen, das sich seine W eltanschauung selbstschöpfe­

risch erst ermöglicht. Darin aber nun gründet w eithin jene lähm ende Lebens­

angst sinnvollen Menschseins, die heute m ehr oder m inder auf allen lastet.

W ie viele behaupten das W ahre — doch: Quid est veritas?

H at F i c h t e doch Recht mit seiner Erkenntnis: W elche Philosophie man wähle, hängt davon ab, w as für ein Mensch man sei? Ist denn die W ahr­

*) Erweiterte Phüos. Antrittsvorlesung an der Universität Würzburg am 7. 12. 1948. Als Vortrag auf der Philos. Tagung in Fulda am 30. 4. 1950 und in der „Stunde der Universitäten*

als Rundfunkvortrag im „Südwestfunk" am 2. 7. 1950.

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h e it gar nicht, wie Jahrtausende glaubten, ein objektiv Auffindbares, ist sie vielm ehr ein subjektiv Begründendes? Eine Funktion einer seelisch-geisti­

gen K onstitution jew eiligen M enschseins — rational, em otional oder histo­

risch bedingt? Ist Philosophie gleichbedeutend mit Religon — oder besteht ein k orrelatives oder gar ein antithetisches V erhältnis? Ist sie neutral, rein wissenschaftlich — etw a im Sinne H usserls —, ohne Beziehung zum mensch­

lichen Bezirk, oder ist sie n u r aus dem existentiell-gegründeten Betroffen­

sein erst erwachsen?

Gibt es außer den Philosophien auch noch eine „Christliche Philosophie“?

W elches ist ihr Sinn und ihre Grenze, und in welchem V erhältnis steht sie zu anderen Denkbemühungen?

Gibt es eine Christliche Philosophie?

Es verm ag in dieser Stunde nicht der ganze Umkreis der Fragen um die­

ses so um strittene Problem aufgezeigt zu w erden.3)

In drei Schritten soll A nsatz und Umriß jenes Themas erschlossen w er­

den. „Christliche Philosophie" als

I. griechisch-scholastisches Problem, II. religionswissenschaftliches Problem, III. innerseelisches Problem.

I. Das griechisch-scholastische Problem

„Christliche Philosophie" träg t ihren Nam en von C hristus her. Dies schon scheint eine Paradoxie zu sein. Die H eiligen Schriften des Christentum s v er­

künden keine Philosophie, sie erstreben keine Fortführung des Denkens der A lten W elt; ihr eigentliches A nliegen b esteht gerade'darin, die alte mythische und theoretische Spekulation abzulösen durch die V erkündigung eines kon­

kret-historischen, personalen H eilsm ysterium s in der Botschaft von Jesus dem Christus. Um die verpflichtende W irklichkeit G ottes geht es hier, um den Deus revelatus, der aus seiner innergöttlichen H errlichkeit heraustrat, sich als Macht und Güte in der Schöpfung und Erlösung offenbarte.

Philosophie dagegen geht vom Menschen aus, w endet sich zunächst an seinen V erstand, redet ihm von Dingen, Ideen und Begriffen, ist Prinzipienw is­

senschaft, die sich in Selbstanschauung und W eltanschauung vollzieht. Philo­

sophische Bemühung im Sinne P l a t o n s und A r i s t o t e l e s will vom M enschen aus eine W eisheit verm itteln, die einem natürlichen Ziele zu­

führen soll.

W enngleich nun die christliche V erkündigung keine Philosophie ist, so steht sie doch am Anfang einer w eiten philosophischen Entwicklung. M it der christlichen V erkündigung sind auch zugleich A nsatzpunkte für eine v e r­

nunftm äßige V ertiefung und Umschreibung notw endig gegeben; gleichsam Keime von philosophischen Ideen, die in den religiösen W ahrheiten schlum­

m ern und, durch die spekulative V ernunft geweckt, zu ihrer Zeit zu mäch­

tigen System en heranreifen können. Dabei aber erscheint die griechische Philosophie als konstitutive Kom ponente einer solchen Denkbemühung.

A llein hier ergibt sich eine verw ickelte Frage, welche als das griechisch­

scholastische Problem einer „Christlichen Philosophie" zu kennzeichnen w äre.

„W as hat A then mit Jerusalem zu schaffen, was die H eiden m it den Christen, w as die Akadem ie mit der Kirche?" — diese antihum anistische

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A nklage T e r t u l l i a n s ' ) w ar ein Programm! In scharfer A ntithese defi­

niert dann A b s a l o n v o n St . V i k t o r , 5) daß sich der Geist C hristi und der Geist des A ristoteles schlechthin ausschließen. Und in der N euzeit sind die Thesen nicht m ehr verstum m t, die in der G räzisierung des Christentum s eine Verfälschung des ursprünglichen Evangeliums erblicken wollen, seitdem die Frage nach dem Schnittpunkt von Platonism us und C hristentum durch S o u v e r a i n s , im Jah re 1700 erschienene Schrift „Platonisme dévoilé" in ih rer ganzen Schärfe gestellt w ard und durch J. B. H i r s c h e r') w ieder auf­

genom m en wurde. V on liberaler Seite wirft K. L e e s e 7) heute die ernste Frage auf, ob nicht die neuzeitliche Auflehnung des Lebens w ider den Geist in einer durch Jahrhunderte gezüchteten Knechtung des Lebens durch den Geist seine Ursache haben könne, ob nicht das C hristentum in seiner V er­

schmelzung m it griechischem G edankengut eine H ypertrophie des Geistes auf Kosten des leiblich-seelischen Lebens verschuldet habe.8)

W as bleibt zu sagen?

Hellas und Evangelium sind zwei W elten, die in ihrem jew eiligen existentiellen A nsatz anders geartet sind. Und in dieser kategorialen A nders­

artigkeit liegt die Problem atik einer Synthese oder gar Symbiose: daß es eben nicht zwei U rerlebnisse oder Denkbewegungen sind, die m an einfach- hin m iteinander vergleichen kann.

H ier ein Beispiel:

Der Geist-Begriff der Philosophie kann nicht einfachhin in das Evange­

lium übertragen w erden. W enn die Philosophie vom „Geist" spricht, denkt sie zuerst an das, was im M enschen unkörperlich ist; die V erkündigung um ­ greift dam it ein neues „Licht" und eine „Kraft", die inw endig den M enschen erfüllen und ein neues heiliges Leben w irken — im „Heilig-Geistlichen"!

„W ahrheit“ bleibt zw ar auch in der Bibel nicht ohne den rational-logischen Lehr-C harakter. Der biblische W ahrheitsbegriff schließt als Norm keines­

wegs die exemplarische Idee des göttlichen Intellekts aus. A ber — W ahrheit im Sinne des N euen Testam ents m eint noch eine w eit tiefere personale Be­

ziehung: ein neues „Licht" und „Leben", einen neuen Grund, der nicht nur unsere logische Einsicht, sondern unser ganzes „Sein" in der Gewißheit der

„Ueberzeugung" eines neuen erlösten „Lebens" trägt: „Ich bin der W eg, die W ahrheit und das Leben".9) — Ein Aehnliches w äre von dem Seelenbegriff zu sagen!

W ert und W ürde des M enschen w erden dam it von Gott her begründet, und nur diese Begründung erscheint tief genug, um die „dignitas hum ana"

— auch die sog. M enschenrechte — , jenes „Existenzm inim um " m oderner Staaten, gültig zu sichern:

Denn erst von Gott her weiß der Mensch, was Mensch-sein heißt! Alles w ird hier von oben h er gesehen und lebendig gew irkt. „Gott ist", nach einem tiefen W ort Th. S t e i n b ü c h e l s 10) „die G renze der Hum anität, aber Gott ist auch der W ecker und G ründer personaler Hum anität."

Individuation kan n danach schwerlich ein M angel sein, der an der M a­

terie haftet.11) Im A nsatzpunkt des Selbstverständnisses geht es in der biblischen V erkündigung nicht um eine Ontologie, sondern um eine Theolo­

gie des M enschen in seinem Bezogensein zu einem „Du" als „creatura Dei".

In der A ntike w ar die Seele zw ar das Erhabenste, aber doch n u r eines u nter den N aturobjekten. Selbst das „Ich" erlebte sich unter dem objektivi­

stischen A spekt, als das objektive Ich, den Ich-bezeichneten Menschen.

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Und im Christlichen?

Alles Sein h at hier zunächst nur Bedeutung für das innere persönliche Erleben. In frühchristlicher Konsequenz fand dieses Bewußtsein seine V er­

festigung in der Kunstform der Basilika, die eben g e g e n die W elt existiert, alles W elthafte und Natürliche in das Innere hineinreißt.12) Das aber w ar der größtmögliche G egensatz zu jener Seelenhaltung des antiken Menschen, der m i t sich in der Richtung des Natürlichen, nicht g e g e n sich und die naturhafte W elt lebte! W enn auch nicht übersehen w erden darf, daß in der Folgezeit in der rom anischen und gotischen bzw. dem philosophisch-theolo­

gischen Mensch- und W eltverständnis des M ittelalters und darüber hinaus an­

dere, in der biblischen V erkündigung ebenfalls beheim atete G rundtendenzen ihren Ausdruck fanden, so bleibt doch die Tatsache: W ogegen das Christliche steht, ist jene W elt, die in ihrer kosmischen V erhaftung sich selbst genug zu sein glaubt: daß sie W elt — und nur W elt sein will. Dahinein träg t C hri­

stus den Kampf, auch in die von der W elt her überzeugendsten V erbunden­

heiten, wie dies R. G u a r d i l i i13) in seinem Herrn-Buch feinfühlend nach­

zeichnete.

A llein schon diese A ndeutungen mögen die ganze T ragw eite möglicher A ntw orten über Sinn, W esen und Grenze einer „Christlichen Philosophie"

aufzeigen. Die Frage A. H a r n a c k s 14) nach der H ellenisierung des C hri­

stentum s erscheint als eine grundsätzliche und entscheidende Forderung zur Besinnung. Denn die alte Formel von der christlichen Form und dem grie­

chischen Gewand verm ag nicht immer m ehr ganz zu beruhigen. Gibt es denn überhaupt Begriffe, die neutral sind, keine je bestim m te Erlebnisgrundlage in sich tragen? Ist nicht — und dies zumal in der religiösen Sphäre — der ursprüngliche Erlebnisgehalt einer Idee je und je anders gegründet — trotz begrifflich-formaler oder auch offenbar inhaltlicher Konkordanz?

H ier aber, im Schnittpunkt von Platonism us und Evangelium, stellt sich das Problem einer „Christlichen Philosophie" ganz scharf: Die Grenzlinie des Ursprungs mit einer oft nur äußeren U ebereinstim m ung zu assim ilieren, birgt in hohem M aße die Gefahr, über dem Schema von Form und Stoff, Idee und Traggrund, Idee und Gewand, das eigentlich Christliche zu verlieren! Darum steht jed er christliche Humanismus in jed er seiner existentiell-philosophischen Entscheidungen vor dem Gericht der „Torheit" des Kreuzes! W eil jedoch hellenistisches Ideengut — man denke an Johannes und Paulus — bereits in die biblischen Quellenschriften Eingang fand,15) w ird die Frage einer „reinen"

„Christlichen Philosophie" über der G rundlage einer „Unterscheidung des Christlichen" zu einem fast unlösbaren Problem!

Das reine Christentum? Um mit O t t o K a r r e r 16 zu fragen: W er von uns lebte es? Etwa Augustinus, der neuplatonische Christ? Oder Thomas, der aristotelische? Oder wir, die w ir vom germanisch-römischen Recht, griechi­

schen Bildungsidealen, am erikanischer Nützlichkeitsm oral und vielleicht schon

— w enigstens durch Furcht — vom russischen Kollektivmenschen beeinflußt sind? Oder — so dürfen wir w eiter fragen — kam etw a die tief-religiöse Ergriffenheit M a r t i n L u t h e r s oder die Dialektische Theologie K a r l B a r t h s ganz ohne jede philosophische Begriffswelt und Denkform aus — trotz aller leidenschaftlichen Ablehnung?

Von hier aus hat J o s é O r t e g a γ G a s s e t 17) schon recht, daß das C hristentum eigentlich nie s e i n e Sprache sprechen konnte, daß in seinem Sprechen über Gott der Theos christlich, der Logos vorherrschend griechisch

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war. Die A usbildung einer w esenhaft christlichen Begriffswelt h at in einer einzigartigen W eise versagt. Ob nicht gerade aber hier A ufgaben unserer G egenw art liegen?

M an h at darauf hingew iesen, daß eine Prüfung gew isser Grundbegriffe und A ufgabenstellungen der scholastischen M etaphysik angezeigt sei — ein Anliegen, das heute m it wachem Bewußtsein, besonders in franziskani­

schen Kreisen, erkannt w ird.18) U nser geschärftes historisches und religiös- kategoriales Bewußtsein ist viel sensibler gew orden, em pfindet die U nter­

schiede quälender als frühere Zeiten, denen jenes „ordinare" keine so grund­

sätzliche Besorgnis w ar w ie uns, die w ir sie nicht nur als philosophische und dogmatische, sondern v o r allem als eine in das Fröm m igkeits-Erleben tief ein­

greifende B eunruhigung empfinden:

„Die Griechen suchen W eisheit, w ir aber predigen Christum, den Ge­

kreuzigten . . . "

Erscheint von h ier aus eine Christliche Philosophie überhaupt möglich?

Gibt es neben der These des „reinen Evangelium s" und jen er anderen, die von einer verfälschenden G räzisierung des C hristentum s spricht, noch einen Weg?

E. H a t c h h at in seinem noch heute lesensw erten W erk „Griechentum und C hristentum "19) aufgewiesen, daß bei jed er Entscheidung „ein gut Stück des griechischen Elem entes fallen muß". Diese innere Entscheidung aber, hin­

ter die nicht m ehr zurückgegriffen w erden kann und über die demnach auch nicht m ehr zu rechten ist, bedeutet die W urzel für jede w eitere Konsequenz.

Die R ealidentität gew isser W ahrheiten in der christlichen Religion und in der Philosophie erscheint offensichtlich. Ihre Leugnung w ürde die Liqui­

dation einer m ehr als tausendjährigen Tradition der „Christlichen Philosophie"

bedeuten, w ie es heute von der „ D i a l e k t i s c h e n T h e o l o g i e " v e r­

kündet wird, w enn E. B r u n n e r 20) ein „philosophisches D enken und ein auf die O ffenbarung gegründetes Denken" schlechthin als „unvereinbare G egen­

sätze" bezeichnet. Die G ottesidee der Philosophie stünde, w ie es heißt, dem G ottesgedanken der Bibel antithetisch gegenüber. Der Gott der Bibel w erde nicht als Idee gedacht, sondern als geschichtliche Selbstoffenbarung vernom ­ men: „Gott ist der H err — er ist nicht Kausalität."

F ührt nicht von hier aus eine unm ittelbare Linie zu dem c r e d o q u i a a b s u r d u m W i l h e l m s v o n O c k h a m , womit jede Rechtfertigung des G laubens vor dem Forum der V ernunft grundsätzlich verneint wird? Und könnte nicht in dieser Erfahrung, w ie sie in S ö r e n K i e r k e g a a r d s

„Paradox"21) w ieder eine existentielle Bedeutung gewann, auch eine Be­

rührung erscheinen mit jenem P a u l i n i s c h e n W agnis, daß G ott die V er­

nunft zum Toren gehalten habe?

Ist etw a E. B r u n n e r doch im Recht?

Soviel sei eingeräum t: Diese R ealidentität ist keine absolute. Der Gott der christlichen Religion, der „Deus salu tis", eine t h e o l o g i a c r u c i s , liegen nicht im Blickfeld der Philosophie. Und doch t e n d i e r t der m eta­

physische G ottesbegriff jedenfalls in der Richtung des religiösen G ottesbildes und k a n n insofern seine rationale Präam bel und Rechtfertigung bedeuten!

Denn w enn das Philosophieren in den w esenhaften Bezirk des Humanen gehört, w as noch zu erhärten sein wird, dann bew eist die These von H.

D i e m 22) ihre G ültigkeit: „Jede Theologie, die m it dem Kampf gegen das

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H um ane beginnt, w ird früher oder später an eben diesem H um anen zu Falle kommen."

Das V a t i c a n u m h ält an der m etaphysischen rationalen G otteserkennt- nis als Fundam ent einer natürlichen Religion fest. In der „Dogmatischen K onstitution über den katholischen G lauben"23) heißt es: „Audi h ält und leh rt die heilige M utter, die Kirche, Gott, aller Dinge U rsprung und Ziel, kann durch das natürliche Licht der V ernunft aus den geschaffenen Dingen mit G ew ißheit erkannt w erden; denn sein Unsichtbares ist seit Erschaffung der W elt durch seine W erke dem V erstände sichtbar . . . " Danach besteht die M öglichkeit einer natürlichen G otteserkenntnis als „Vorhof" zur G ottes­

erkenntnis durch die biblische Offenbarung. Der Mensch besitzt also somit die Fähigkeit bzw. die Kräfte und die M ittel zu jenem c e r t o c o g n o s c i p o s s e . Ein Abänderungsvorschlag, „erkannt" durch „bewiesen" zu ersetzen, w urde vom Konzil abgelehnt.24)

Freilich bleibt auch damit für den W eg des Herzens (l'ordre du coeur) jede M öglichkeit belassen. Das o b s e q u i u m r a t i o n i c o n s e n ­ t a n e u m (Röm. 12,8) schließt nicht aus, daß ein Mensch Gott gläubig be­

sitzen kann, ohne daß eine natürliche V ernunfttätigkeit vorangegangen wäre, w as gewiß bei vielen tief-religiösen N aturen der Fall ist. Jene natürliche G otteserkenntnis umschließt noch nicht den lebendigen Glauben als persön­

lichste B e g e g n u n g , sondern k ann nur einen ersten Schritt hierzu b e­

deuten. W as das Konzil ausschließen will, betrifft jede A rt von Im m anentis­

mus und subjektiver Gefühlstheologie, von Mystizismus, Fideismus und Tra- ditionalism us. Der Satz v erteidigt die religiös-sittliche A nlage des Menschen gegenüber der M einung, alle G otteserkenntnis beruhe nur auf Offenbarung oder einem dunklen A hnen des Gemütes.

Offen muß in diesem Zusam m enhang der tiefe G eheim nischarakter der G ottesbew eise bleiben, w as im christlichen V erständnis auch immer das M y­

sterium einer g r a t i a p r a e v e n i e n s betrifft: „Niemand kommt zum V a­

ter, außer daß der V ater, der mich gesandt hat, ihn zieht." (Joh. 6,44). Auch einer natürlichen V ernunfterkenntnis, die Gott p e r e a , q u a e f a c t a s u n t , n a t u r a l i r a t i o n i s h u m a n a e l u m i n e sucht und findet, wird dieser Anruf eines gnadehaften Betroffenseins das erste W ort bedeuten müs­

sen, dem die A ntw ort des M enschen erst zu folgen vermag.

W as aber bliebe auf die These von E. B r u n n e r zu antw orten?

Gott ist der Herr — und darum auch Kausalität!

Gültig bleibt jedoch, daß jen er Satz P a s c a l s „Dieu parle bien de Dieu"25) — W as Gott sei, erfährt letzthin im christlichen Bewußtsein der Mensch erst über die M enschwerdung des G ottessohnes — , eine unbedingte Ineinssetzung des Gottesbegriffes der Bibel und der M etaphysik nicht ge­

stattet. Dies ist auch noch für den A q u i n a t e n offenbar zu w enig erkannt, w orauf Η. M e y e r2a) nachdrücklich hinw eist: Der erste Beweger schließt k ei­

nesw egs ein, „daß dieses Prinzip der von der W elt substantiell verschiedene, persönliche Gott des Christentum s sein m uß“. U nhaltbar dagegen muß es w iederum erscheinen, w enn H. S c h o 1 z ?1) in diesem p r i m u m m o t u m i m m o t u m geradezu einen Abfall vom evangelisch-paulinischen C hristen­

tum erkennen will, w eil — w orauf besonders M. S c h e 1 e r 2S) aufm erksam machte, an Stelle des ew igen ersten Bewegers der W elt der „Schöpfer" tritt, der sie „aus Liebe" schuf. Jedenfalls aber bleiben die H eilsm ysterien des Christentums, Sünde und Schuld, Inkarnation und Erlösung, Tod rn d Leben,

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ebenso jen e spezifisch religiöse Kategorie des Heiligep, w ie sie von R.

O t t o 29) — w enn auch nicht ohne subjektive H erleitung und nicht ohne mögliche Bedenken — erstm alig analysiert wurde, vor den Toren der M eta­

physik.

Die K ategorien des Philosophischen und Religiösen stehen zw ar in einer korrespondierenden Beziehung gegenseitiger Hinordnung, wie dies das p a r­

tielle Identitätssystem besagt, schließen aber eine schlechthinnige Identität grundsätzlich aus. W enn es in diesem Zusam m enhang bei M. S c h e 1 e r ®) heißt, der Gott der Religion und der W eltgrund der M etaphysik m ögen real­

identisch sein, als intentionale G egenstände seien sie w esensverschieden, so bedeutet dies eine phänom enologische Grundeinsicht, an der m an heute nicht m ehr vorbeizusehen verm ag, sofern echte Religion nicht zum intellektuellen V erstandesglauben verblassen soll. Dies schließt nicht aus, daß man m it gu­

ten Gründen den K onsequenzen der Religionsphilosophie M. . S c h e l e r s nicht m ehr zu folgen vermag!

Das Evangelium weiß von keiner V erkündigung eines „Untergangs der Erde am Geist", weiß nichts vom „Geist als W idersacher der Seele", wie dies eine m oderne Lebensphilosophie verstehen will. Ein katholisches Be­

w ußtsein w ird sich aber mit der Formel, daß Gott nicht durch die logische W issenschaft sein V olk erlösen w ollte — N o n i n d i a l e c t i c a c o m p l a - c u i t D e o s a l v u m f a c e r e p o p u l u m s u u m —, selbst mit einer „Dia­

lektischen Theologie" finden können. A llein das jew eilige Seins- und W e rt­

verständnis über das h u m a n u m tren n t hier zwei W elten. Der Ueberzeu- gung, daß alle Gnade die geistige „Natur" des M enschen voraussetzt, daß ohne solche ontische Beschaffenheit des M enschen Gottes O ffenbarung u n ­ w irksam und sinnlos bleibt, steht das unbedingte „Nein" K a r l B a r t h s ent­

gegen, der von d er absoluten H oheit Gottes und der „freien Gnade" — offen­

bar nicht ohne Einfluß der reform atoris dien Erbsündenlehre — keinen Raum für eine kreatürliche G eistigkeit des M enschen m ehr erkennt. Ueber die verän d erte Situation bei E. B r u n n e r , die Beziehungen seiner bedingten natürlichen Theologie zur katholischen Auffassung, braucht hier nicht näher gehandelt zu w erden. W enn nun von K. B a r t h mit der natürlichen Theo­

logie auch eine natürliche A nthropologie und die natürliche G ottebenbildlich­

keit als „weltanschauliche P hantasie"31) abgelehnt w erden muß, so bleibt dennoch die Tatsache: daß seit J o h a n n e s und P a u l u s die V ernunft der C hristgläubigen um eine rationale oder um schreibende analogische Erfas­

sung der undurchdringlichen M ysterien des Christentum s ringt. Und wird grundsätzlich mit der A blehnung der natürlichen Theologie und A nthropolo­

gie der Logos aus dem christlichen Bewußtsein und seiner — irgendw ie doch immer auch lehrhaften — V erkündigung verbannt, so muß m an folgerichtig auch J o h a n n e s und P a u l u s der kategorialen Ueberfrem dung zeihen, die die zeitgenössische griechische V orstellungs- und Begriffswelt teilw eise übernahm en, um die „W irklichkeiten" der neuen G laubenserfahrungen sicht­

b ar zu machen!

Bei aller spezifischen A ndersartigkeit von Philosophie und Religion, auch und besonders von griechischer Philosophie und christlicher Religion, w ird sich für die Begründung und Rechtfertigung einer „Christlichen Philo­

sophie" die historische Tatsache nicht überschreiten lassen: daß C h r i s t u s Mensch, Fleisch gew orden ist und d a m i t die „W elt" und den g a n z e n Menschen heim holte in Seine neue Lebenswirklichkeit, daß Er w irkte, lebte

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u n d lehrte! Und griff nicht seine Predigt und V erkündigung bew ußt auf deh Begriffs- und V orstellungsraum der prophetischen Tradition zurück? Bedeutet nicht geradezu das Pfingstliche W under, daß die W ahrheit in den verschie­

denen, aber eben doch menschlichen „Sprachen" ergriffen und begriffen w er­

den kann und darf — auch offenbar über dem H intergründe einer griechischen G eistesw elt? Ob unbesehen und n u r einer griechischen G eistesw elt — dies freilich betrifft eine K ernfrage einer „Christlichen Philosophie", die sich ihrer nur-hum anen Anfechtung stets bew ußt bleiben muß. Treffend hat J. M a r i - t a i n32) von einem Humanismus der Inkarnation und des Kreuzes gesprochen.

In diesem Zusam m enhang gew innt das Problem A b ä 1 a r d s , die Sehn­

sucht nach einem neuen, aber christlichen A then — n e c v o l o s i c e s s e A r i s t o t e l e s u t s e c l u d a t u r a C h r i s t o — seinen tiefen Problem ­ charakter. V oraussetzung zur möglichen Begründung einer christlichen Phi­

losophie bleibt grundsätzlich die Ueberzeugung, daß zwischen den antiken, den m ittelalterlichen und neuzeitlichen G eistern eine unaufhebbare Beziehung besteht: die Einheit der einen M enschennatur. Nicht nur im Sinne des M ittel­

alters als eine Einheit der Zivilisation, die durch das C hristentum erneuert w urde, auch u nter Berücksichtigung m oderner Theorien über- die Verschie­

denheit in sich geschlossener, individueller Kulturen, Kulturen als „Lebens­

stile" etw a im Sinne E. R o t h a c k e r s usf., — eine Differenzierung jedoch, die letzthin die Konstanz der menschlichen N atur nicht aufhebt. W enn man die W ertsetzung und W ertschätzung der einen N atur des M enschen und ihre Erhöhung — dignificatio — durch das Christliche hinzunimmt, gew innt man wesentliche M erkm ale zur Kennzeichnung eines christlichen Hum anismus, des­

sen Bestimmung und Begründung allein über jen en V oraussetzungen möglich erscheint. A ber w enn h u m a n i t a s das geschaffene Sein des M enschen im Ganzen seiner Seinsmöglichkeiten bedeutet, aber ein Sein, „das immer auch von Gott beansprucht wird" — so stellt zugleich dieses „von Gott her" alles Menschliche immer w ieder in Frage — auch sein denkendes Vermögen, auch eine „Christliche Philosophie", die m it allem geschaffenen M enschsein nur den Zwischencharakter der V orläufigkeit an sich tragen kann.

Zur Begründung einer bedingten Rechtfertigung der „Christlichen Philo­

sophie" führt auch die Besinnung über einen psychologischen und geistes­

geschichtlichen Sachverhalt.

Die Synthese ist ein W esensgesetz des menschlichen Geistes. Die Syn­

these zwischen Hellas und dem Evangelium, zwischen Philosophie und Re­

ligion, ist gewiß nicht kampflos gew orden. Jen e zeitlich-ewige Begegnung, diese P olarität einer virtuellen Synthesis, ist dem A bendlande und letzthin in dieser oder jen er Form der ganzen christlichen W elt aufgegeben zur „Ent­

scheidung". Das Hum anum und ebenso sein philosophischer Bezirk lassen sich nicht einfachhin verleugnen; denn der Mensch bleibt auch im Christlichen Mensch, der „auf seine hum anen M öglichkeiten nicht verzichten kann, ohne sich selbst und also sein gottgegebenes Menschsein aufzugeben.33) So aber kan n sich diese griechisch-christliche Spannung — mit dem W orte von E. R.

C u r t i u s 34) — „in innigster Verschm elzung ausgleichen, aber auch zu schmerzvollem W iderstreben steigern", eine Spannung, die notw endig ge­

tragen w erden muß als innere S tätte der V erw irklichung des göttlichen W esensbildes.

So ist d er Prozeß einer ständigen U m w andlung der „natürlichen" W irk­

lichkeit der A ntike durch Einbeziehung in den übernatürlich-geschichtlichen

15 P h ilo s. J a h r b u c h

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226 R ic h a r d S c h w a r z

Raum des C hristentum s seit den biblischen U rkunden ständig im Fortschrei­

tend5) Und w enn es auch keine geradlinige Entwicklung der abendländischen Philosophie von der V orsokratik bis heute gibt, weil der Begriff des W is­

sens, der W irklichkeit, des personalen Bewußtseins, des geschichtlichen Selbst- und W eltverständnisses durch eben jenes Christliche im G rund v e r­

w andelt ward, so w erden doch die griechischen G rundauffassungen der W irk- lichkeitserfahm ng nicht schlechthin negiert, sondern im neuen Bewußtsein aufgenom m en und — diesen Terminus im Sinne Hegels verstanden — „auf­

gehoben".

Auf jene exklusive Frage T e r t u l l i a n s „W as h at A then m it Jeru sa­

lem zu schaffen?" hat auf dem Philosophischen Kongreß in N eapel 1926 E.

G i 1 s ο n im Nam en der thom istischen Doktrin also geantw ortet: „Der Mensch, jen e unteilbare Einheit von Leib und Seele, der gewiß ohne das Christentum sich nicht selbst erlösen konnte, ohne den aber auch das C hristentum nichts vorgefunden hätte, w as es h ätte erlösen können!" Im antiken Ringen um das abendländische Bild vom M enschen fand das C hristentum der biblischen V erkündigung jene V oraussetzungen, auf die es ein neues W eltalter auf­

bauen konnte: Den freien und bew ußten Menschen, die Idee und W ertsetzung des Menschen als einer individuellen Person, die sie dann vollends aus ihrer kosmischen W eltverhaftung erlöste, sie zu sich selber finden ließ — im Geheimnis der personalen Existenz, die in ihrem Sein und ihrer W ürde nur von dem personalen G ott h er begründet und als „Kindschaft" in Demut em p­

fangen w erden kann!

II. Das religionsw issenschaftliche Problem

H ier aber stellt sich die Frage einer „Christlichen Philosophie" zugleich als ein religionswissenschaftliches Problem dar.

U nsere theologische und philosophische Sprache träg t rein europäisches Gepräge. W er „Asiens K ritik am abendländischen Christentum " (1948) mit T h . O h m ernst nimmt, dem ergibt sich, daß das Problem einer „Christlichen Philosophie" nicht m ehr allein von der abendländischen P erspektive und ihren antiken und m ittelalterlichen V oraussetzungen h er gelöst w erden kann.

G eboten könnte erscheinen, auch die Elem ente anderer G eistesw elten als

„λόγοι σπερματικοί“ im Sinne J u s t i n s ebenso ernst zu nehmen, zu b e­

teiligen und einzubeziehen. G ilt doch das g r a t i a s u p p o n i t n a t u r a m auch in d i e s e m Bezug nicht nur für die abendländische A ntike. Ist „Chri­

stenheit" etw a n u r eine abendländische W irklichkeit, weil die K ategorie des Geschichtlichen w esenhaft christlich und abendländisch ist? Ist aber der ahistorische Pneum a-G edanke des N euen Testam entes nicht ebenso christlich, obwohl er östlicher Seelenhaltung zutiefst verw andt erscheint?

Diese Frage beinhaltet zugleich ein bedrängendes m issionarisches A n­

liegen einer katholischen, d. i. auch im I n n e n r a u m des Geheimnisses w eltw eiten V erkündigung, daß eine unbedingte Bindung an gew isse histo­

risch-bedingte K ulturbegegnungen die A nsprechbarkeit anderer K ulturen zu einem ernsten Problem machen kann. Dies darf und soll freilich keinesw egs den Verzicht auf die dogmatisch-begriffliche Fixierung über dem H inter­

gründe einer ebenso historisch-bedingten abendländisch-antiken Begriffswelt bedeuten, wohl aber schon die ausschließliche Sanktionierung einer abend­

ländischen p h i l o s o p h i s c h e n Beschränkung in Frage stellen. Doch es

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227

bleibt ein tiefes Problem, das letzthin nur im Geheimnis göttlicher Providenz aufgehoben erscheinen kann: daß gerade und bis dahin noch ausschließlich die griechische Philosophie die providentielle Bedeutung für eine christlich­

katholische Philosophie und Theologie gewann.

W eil es keine „rein"-biblische bzw. „rein"-christliche Begriffswelt gibt, w eil selbst die V erkündigung Jesu auf den jew eilig vorfindlichen Begriffs­

und V orstellungsraum zurückgreift und ihm aufruht, darum m üssen alle w ohlgem einten Thesen, die religiöse H eilsw elt der Bibel könne n u r aus sich selbst heraus verstanden und fixiert w erden, letzthin in sich unmöglich blei­

ben. Indes aber besagt dies ebenso nicht, daß diese Religion sich w issen­

schaftlich n u r auf den Boden der aristotelischen Seins- und W erdephilosophie begeben kann, w orauf bereits O. K a r r e r 36) hinwies. Jedenfalls erfordert dies nicht der W ahrheitscharakter jen er Religion mit N otw endigkeit, w enn­

gleich auch gew isse Grundprinzipien dieser Philosophie zum dauernden, ge­

sicherten Besitzstand einer christlich-katholischen Philosophie und auch Theo­

logie gehören werden. A llein nicht die Frage, w iew eit ein System aristo ­ telische, sondern w iew eit es w esenhaft christliche G runderfahrungen w ider­

zuspiegeln und zu verm itteln vermag, kann zum Kriterium einer „Christlichen Philosophie" genommen werden! Und es hieße hier schon einen T h o m a s v o n A q u i n gründlich m ißverstehen, w ollte man bei ihm die augustinischen K onzeptionen übersehen.37)

Gewiß zeichnet die philosophische Besinnung eine genuin abendländische Eigenart, das rational-logische, geschichtliche Denken eine spezifisch abend­

ländische Denkform. Und mit der Einbeziehung auch anderen Ideengutes zum Aufbau 'einer „Christlichen Philosophie" w ürden sich wohl die Schwie­

rigkeiten noch verm ehren, aber auch den Sinngehalt vielleicht noch vertiefen.

Schwierigkeiten deshalb, w eil gerade die östliche Seelenhaltung zutiefst im Religiösen gegründet ist; auch die Philosophie der Inder bleibt spekulative Religion. Noch bezeichnender als im A bendländischen w erden diese Begriffe, V orstellungen und Symbole bestim m te religiöse, dem Evangelium auch frem ­ de U rerlebnisse beinhalten können. A ber von dieser Schwierigkeit ist auch teilw eise die griechische Philosophie nicht auszunehm en, sofern man den je­

w eiligen „Ansatz" des Philosophierens bedenkt — die V erhaftung im Kos­

mischen, die V erkennung der nicht in A nalogie zum N aturgeschehen denk­

baren Sonderart des Geistigen, einer w eithin deistisdien G otteslehre usf.

Um so erhabener aber muß w iederum die G estalt des A q u i n a t e n vor uns erstehen, dessen G eistesw elt zuinnerst und w esenhaft ins Christliche getaucht erscheint und nicht etw a nur eine kritiklose „Synthese" darstellt.

Doch es bleibt die notw endige Frage:

E s g i b t e i n e a b s o l u t e w e l t w e i t e c h r i s t l i c h e R e l i g i o n : G i b t e s e b e n s o a u c h e i n e a b s o l u t e w e l t w e i t e c h r i s t ­ l i c h e P h i l o s o p h i e ?

Dies erscheint nach Abschreiten aller M öglichkeiten um das Them a „Glau­

ben und W issen" in der scholastischen Tradition und darüber hinaus als eine fruchtbare Fragestellung, die uns heute im Zeichen der charakterologischen Typologie und strukturellen Psychologie aufgegeben ist. Der abendländisch­

griechisch-römisch-germanische W eg ist vielleicht nur e i n Weg, w enn auch bisher noch der einzige. Gibt es noch andere gangbare W ege zur christlich­

spekulativen Erfassung von W elt, Seele, Mensch und Gott? Und in welchem

15·

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2 2 8 Richard Schwarz

V erhältnis stehen sie zueinander und zur K ategorie eines „Christlichen a priori" — diesen Term inus im Sinne R. G u a r d i n i s genommen?

V oraussetzung zur Lösung dieser Fragen w äre die Inangriffnahm e einer w eitgesteckten philosophischen und religionspsychologischen „verstehenden"

Typologie a l l e r Seelenhaltungen und Grundw eisen des Selbst- und W elt­

verständnisses a l l e r K ulturen und Völker, wozu J. W a c h und A.

D e m p f 1') einen ersten, aus der abendländischen Enge herausführenden V er­

such wagten. Ein solches Bemühen m üßte alle m edialen A eußerungen der K ultur und der Seele, also Religion, Denken, W ort- und Bildkunst usf. be­

fragen. U eber einer solchen Durchleuchtung der gesam ten menschlichen G rundvoraussetzungen in ihrer seelischen Tiefenschicht w äre dann gewiß eine gültige B e g r ü n d u n g möglich, inw iew eit die christlich-a n t i k e Syn­

thesis des A bendlandes und die darin gegründete „Christliche Philosophie"

a 11 e i n zu einem gem eingültigen Prinzip einer solchen Philosophie oder auch eines geistigen W eltprinzips überhaupt erw eitert w erden kann, auf das nun­

m ehr die ganze M enschheit angew iesen ist. V on hier aus w ürde nicht nur neues Licht fallen können auf die alte Sicherheit T e r t u l l i a n s , jene a n i m a n a t u r a l i t e r C h r i s t i a n a , man gew änne ebenso auch den Schlüssel zu jenem Problem, das als eine p h i l o s o p h i a n a t u r a l i t e r c h r i s t i a n a zu kennzeichnen wäre.

III. Das innerseelische Problem

Vom innerseelischen A spekt her ist der christliche Philosoph gebunden an bestim m te V oraussetzungen.

Christliches Bewußtsein lebt vom Glauben her, der nicht in V erbindung m it dem D enken als eine bloße V erlängerung des V erstandes begriffen w er­

den kann. G läubigw erden entspringt nicht einer vertieften Einsicht des V er­

standes. W as dem G laubenden zum Bewußtsein kommt, ist nicht nur eine W ahrheit, ein W ert, sondern: eine W irklichkeit, d i e s e W irklichkeit des heiligen Gottes im lebendigen C hristus.39) Das bedeutet Umbau des W irk­

lichkeitsbew ußtseins, wie es M. S c h e l e r und H. S c h o 1 z40) im diam etra­

len G egensatz zum antiken D aseinsverständnis die „Bewegungsum kehr der Liebe" genannt haben.

H ier aber zeigt sich das innerseelische Kernproblem einer „Christlichen Philosophie":

K ann es für einen gläubigen Denker, für einen Menschen, der im P a u ­ l i n i s c h e n V erständnis eine totale Um kehr seines Lebenskernes erfahren hat, seinen Standort in der W elt des Geistes und der Dinge nicht m ehr von der „W elt" her, sondern mit den A ugen G ottes im Pneum a H agion ergreift —

„Wo einer in C hristus ist, da ist eine neue Schöpfung" (2. Kor. 5,17) —, kann es für diesen M enschen noch ein philosophisches System geben, das — um mit H a n s M e y e r 41) zu sprechen — „aus selbständiger, vernünftiger Sach- bearbeitung" erw achsen ist?

Die A ntw ort auf jen e Frage zeichnet die Grenzlinie des Geisteskampfes von Jah rh u n d erten bis in unsere Gegenwart. N eben dem „Nein" der um strit­

ten en Illum inationsthese A u g u s t i n s 42) steht der Jaspruch der natürlichen W issenschaftsbegründung der D o m i n i k a n e r.4S)

Ist es also möglich, den Dingen von den W issenschaften, das heißt von den Dingen selbst aus, eine O rdnung zu geben, oder setzt ihre O rdnung die

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U ebernahm e eines Beziehungsm ittelpunktes voraus, w eil er nicht in ihnen liegt?

So erkennt es T h o m a s v o n A q u i n :44) „Verschiedenes erforsdit der Philosoph und der Gläubige an den Geschöpfen; w enn aber einm al etw as gem einsam von Philosophen und Gläubigen an den Geschöpfen erforscht ist, w ird es durch verschiedene Prinzipien abgehandelt."

Philosophie erscheint danach nach Ausgangspukt, G egenstand und Me­

thode als eine selbständige W issenschaft aus reiner V ernunft und u n ter­

scheidet sich prinzipiell von der Theologie, die die Dinge in ihrem V erhält­

nis zu Gott sieht — nicht als Dinge, sofern sie d i e s e Dinge sind und d i e s e N atur haben. M it jen er Tradition fallen der Philosophie folgende Auf­

gaben zu:

1. die V erteidigung des Glaubens,

2. die V ernunftgrundlage des Glaubens als „praeam bula fidei", 3. die V erdeutlichung des G laubensinhaltes durch Gleichnisse und

Analogien.

A nders dagegen der Geist des m ittelalterlichen Franziskanertum s. Auf die Frage „Kann der Mensch aus reiner V ernunft die W ahrheit erkennen?", antw ortet B o n a v e n t u r a 45): „Folgendes ist die Ordnung, daß m an von der F estigkeit des Glaubens ausgehe und fortschreite zur K larheit der V er­

nunft, um zu gelangen zur Süßigkeit der Beschauung . . . " Dieser W eg ist n i c h t möglich ohne die Gnade.

Grundsätzlich ergibt sich hier folgendes:

W enn der C hrist als Philosoph auf die G anzheit der W irklichkeit blickt, so in dem Bewußtsein, daß über diese ganze W irklichkeit eine göttliche V er­

kündigung von höchster Gewißheit und undurchdringlichem G eheim nis­

charakter gegeben ist. Denn auch die Offenbarung kündet in ihrem Bezug von dem Ganzen der W elt. Der Philosoph, der C hrist ist, w ird aber durch sein C hrist-sein keinesw egs zum Theologen, denn er betrachtet das Ganze der W elt nicht im Hinblick der Erfüllung der N atur durch die U ebernatur, sondern die N atur in sich selber und in dem, w as sie von sich selber aus­

sagt.46)

A llein auch dieser philosophischen Betrachtung ist ein Gewicht der Seele vorausgegeben: das gläubige Bewußtsein, das l e t z t h i n nicht im vorberei­

tenden oder rechtfertigenden D enken v eran k ert ist, sondern im Tiefengrund der Seele. Für den Christen kann Philosophie niem als den Sinn beinhalten, Erlösungsw issen zu gewinnen, W ahrheiten zu erfahren, die er im Geheimnis des Glaubens schon empfangen. Für ihn bedeutet Philosophie nicht Religions- Ersatz, auch nicht eine W eltanschauung als philosophischer Glaube, der das Totum der W elt und ihre Sinngebung vernunftm äßig aus nur-menschlichen, sinnim m anenten Bezirken der Seele und der W elt aufbaut. Philosophie a l l e i n verm ag dem C hristen letzthin keine W eltanschauung oder Lebens­

norm zu begründen oder auch gültig zu sichern! W enn das Besondere der Philosophie mit L. L a n d g r e b e 47) bestim m t w ird als „Inbegriff, der die W eltanschauung ausm achenden U eberzeugungen auf W issen zu begrün­

den . . . , das vom M enschen durch sein geistiges Tun erst erw orben und erkäm pft wird", w enn somit der Boden der Ueberzeugungen, die dem mensch­

lichen Dasein Sinn und H alt geben, erst durch Nachdenken erw orben wird als durch „die denkende A k tivität des Menschen", so erscheint ein so be­

stim m ter W esens-A nsatz der philosophischen Bemühung für das christliche

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230 R i c h a r d S c h w a r z

Bewußtsein schlechthin unannehm bar. Für den christlichen D enker kan n ein philosophisch-theoretisches Denken nicht m ehr die Funktion bedeuten, den Boden der W eltanschauung, des Glaubens, aktiv erst zu schaffen, selbst­

schöpferisch erst zu ermöglichen. Der Sinnbezug des Daseins, der W elt, der Seele, des M enschen ist dem christlichen Philosophen in einer w eit tieferen,

„ganz-anderen" Beziehung vorgegeben, als dies durch die vernünftige

„Theoria" von ihm erschlossen w erden könnte.

M an muß auch den M ut haben, die veränderte Situation des Philosophen, der C hrist ist, gegenüber dem „ursprünglichen" Ansatz und A nliegen der griechischen Philosophie m i t a l l e n m ö g l i c h e n K o n s e q u e n z e n zu sehen! Damals h a tte sie ihr W esen daran, den M ythos, also die geglaubte W eltanschauung zu ersetzen durch einen vernunftgem äß und n aturge­

mäß erfahrenen und begründeten Daseinssinn, der über der reinen „Theöria"

gew onnen wird.

Dem christlichen Philosophen hingegen ist in Analogie zu jenem grie­

chischen „Mythos" das geoffenbarte H eilsm ysterium als unaufhebbare Sinn­

transzendenz seinem ganzen Menschsein gegeben — auch seinem Denken.

W ir können als christliche D enker keine griechischen Philosophen m ehr sein!

Und wo dies innerhalb des christlichen Raumes versucht wird, verm ag es nicht über dem Grunde des christlichen Bewußtseins zu geschehen, von dem m an prinzipiell w eder sich noch andere dispensieren kann, sofern es einmal einen M enschen in der Tiefe erfaßt hat. Freilich gibt es dabei Probleme, die enger oder w eiter im Bannkreis jenes Bewußtseins stehen — m an denke an die sittlichen Fragen oder andererseits an die O ntologie der W irklichkeit.

Ganz ohne diesen letztgültigen „unphilosophischen" Bezug w ird dabei aber keine Frage m ehr zu bestehen vermögen!

Zum indest für die letzten Seins-, W ert- und Sinnfragen schwingt in dem christlichen D enker etw as von dem, was T h o m a s v o n A q u i n die Er­

kenntnis p e r c o n n a t u r a l i t a t e m nennt (S. th. I, 1,6). Auch einer

„Christlichen Philosophie" kann die aristotelisch-thom istische A ufgabenstel­

lung entsprechen, daß „sich in die Seele die ganze O rdnung des Universums und seiner Ursachen einzeichne" (u t i n e a d e s c r i b a t u r t o t u s o r d o u n i v e r s i e t c a u s a r u m e i u s — D e a n . III, 4¡ D e v e r i t . II, 2).

A llein der eigentliche Sinngehalt jen er rational-erkennbaren natürlichen Seinsordnung h at nunm ehr eine im christlichen Bewußtsein nicht m ehr aus­

zulöschende Richtungsänderung und W ertsetzung erfahren — eine O rdnung also, die in ihrer letzten Seins- und Sinnstruktur in der biblischen Offenba­

rung vorgegeben. Der christliche Philosoph, der nach dem Grund seiner G lau­

bensüberzeugung fragt, sie m it wissenschaftlichen M itteln zu rechtfertigen sucht, fragt als Christ. Es gibt gewiß keine „christliche M ethode", aber es gibt christliche Gesichtspunkte als G rundaspekte auch der wissenschaftlichen Er­

kenntnis. Forscher und G läubiger sind in der Einheit der Person nicht zu trennen — im existentiellen „Ansatz" gründet diese Einheit, nicht in einer nachträglichen abw ägenden Uebereinkunft. Christsein und M enschsein läßt sich nur in der existentiellen Einheit der Persönlichkeit organisch und funk­

tionell bestimmen. Denn d a s R e l i g i ö s e i s t k e i n B e r e i c h n e b e n a n d e r e n B e r e i c h e n . Es liegt im W esen der Religion, daß sie nur als Seele und M itte der totalen Existenzgründung des ganzen M enschseins w e­

senhaft und sinnvoll erscheinen kan n — auch der wissenschaftlich-philosophi­

schen Forschung wie aller Lebensbereiche überhaupt. W ird die religiöse

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Seins- und Lebensbeziehung grundsätzlich — theoretisch oder praktisch — isoliert oder im Hinblick etw a auf die philosophische Erkenntnis neutralisiert, ist sie schon w esentlich aufgegeben.

M ögen nun auch kategoriale U nterscheidungen von -Religion und Philo­

sophie unum gänglich notw endig erscheinen, — von der Ebene der gesamt- persönlichen „Existenz" h er ergibt sich die Feststellung: der christliche Phi­

losoph ist Mensch, und jeder Mensch kann, sofern er eine e c h t e Ueber- zeugung zu eigen hat, nur aus e i n e r W urzel heraus existieren — gläubig­

sein, denken, fühlen, handeln.

Die Frage um die spekulative Erfassung der G laubensw ahrheiten im Sinne des A u g u s t i n i s c h e n f i d e s q u a e r e n s i n t e l l e c t u m oder

— mit der theologischen Form ulierung gesprochen — im Sinne der m o t i v a c r e d i b i l i t a t i s (Glaubwürdigkeitsgründe, nicht Glaubensgründe!), w o­

nach die V ernunft nicht den Glauben zu durchdringen vermag, aber sich doch überzeugen kann, daß es nicht un- oder w idervernünftig ist, seine Geheim ­ nisse zu glauben,48) umschließt zum indest drei Problem kreise:

1. das Problem des Vermögens und der Spannw eite der menschlichen V ernunft,

2. das Problem um den G egenstand des G laubens als M ysterium ,49) 3. das Problem um die P riorität von W issen und Glauben.

Soweit w ar dies ein scholastisches Problem. Allein hier stehen w ir noch nicht im eigentlichen Geheimnis: W ir m einen das P r o b l e m a l s r e l i - g i ö s - e x i s t e n t i e l l e s B e w u ß t s e i n des christlichen Philosophen, das nicht m ehr allein mit den K ategorien von W issen und Glauben gelöst w er­

den kann, sondern eine existentielle D eutung erfordert.

Auch in den sog. rein philosophischen Fragen w ird der christliche Den­

k e r u nter dem Gesetz eines neuen W irklichkeitsbew ußtseins stehen. Um ein W issen und Forschen i m Glauben handelt es sich hierbei, nicht um ein W issen und Forschen v o r dem Glauben. Und für d i e s e n Zusammenhang darf M. S c h e l e r s50) These erw ogen w erden, die freilich für ihn eine andere Bedeutung gew ann: A lle m etaphysischen A nsätze und System e v e r­

bleiben im Spielraum der religiösen G rundkategorien, welche die Religion der M etaphysik abgesteckt hat. Einem Denken i m Glauben geht gewiß das G laubensw issen dem natürlichen W issen voraus, und sei es nur als unreflek­

tierte Bewußtseinsgegebenheit.

Damit ist an die Stelle der „Theoria", eines W issens als Betrachtung nach der Norm der Dinge, ein neuer W issensbegriff getreten, der aus einem

„ursprünglichen Offenbarw erden als dem form gebenden und w irklichkeits­

verleihenden Prinzip" entspringt. Es ist dies jenes w esenhaft biblische W is­

sen, w enn der A postel dem M enschen die „M itwissenschaft an der Schöp­

fung" (1. Kor. 3, 9) zuschreibt — jenes W issen um das die antik-kosm ische V er­

haftung durchbrechende Personw erden, das mit dem Erkennen, in dem der Mensch von Gott erkannt w ird (1. Kor. 13, 12), in der Tiefe verbunden ist, wie ebenso auch m it der Hingabe, in welcher der Mensch von Gott geliebt wird, Gott liebt (1. Joh. 4, 10). Daher kann es für ein solches Bewußtsein, dem im letzten G eheim nischarakter Erkenntnis und Liebe eins sind90®), kein „neutrales" W issen m ehr geben, weil die menschliche Existenz, das ganze Dasein, in der Bedrohtheit w idergöttlicher Mächte steht.

Auch Gott, Seele, Mensch, W elt, sow eit sie dem natürlich en . Licht der V ernunft zugänglich sind, stehen dem christlichen Philosophen u n ter dem

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232 Richard Schwarz

Bewußtsein jen er neuen V erkündigung, daß der Mensch und m it ihm alle Schöpfung als das „Du" einer transzendenten personalen Macht zu verstehen ist, wie es eine philosophisch-theologische A nthropologie seit einigen J a h r­

zehnten immer tiefer als W esensgesetz der c r e a t u r a erkennt.51) „Christ­

licher Philosophie w ird der W eg „von unten", der jew eils geboten und not­

w endig erscheint, im eigentlichen existentiellen A nsatz immer auch ein W eg

„von oben" sein m üssen, w enn er nicht an der „Grenze" scheitern soll oder einer R ationalisierung des M ysterium s verfallen w ill — denn hinter jeder r a t i o lau ert der Dämoh des Rationalismus! Auch T h o m a s v o n A q u i n52) w ußte zutiefst von dieser korrespondierenden Bewegung des H inauf und Herab, die beide erst zusamm engenom men das ganze Geheimnis der Er­

kenntnis des C hristenm enschen umschließen: „W eil aber die natürliche V er­

nunft durch die Geschöpfe in die G otteserkenntnis aufsteigt, die Erkenntnis des Glaubens jedoch um gekehrt durch die Göttliche Offenbarung von Gott h er in uns hinabsteigt — es ist aber der W eg des A ufstiegs und des A b­

stiegs einer und derselbe — . . Für den im christlichen Bewußtsein stehen­

den Philosophen w ird sein „Aufstieg" freilich vom „Abstieg" umschlossen sein, für ihn w ird die „geglaubte Annahme über seinen Heilsweg" notw endig vorgegeben sein, w enn er die m etaphysische G eisteshaltung einnimmt, um w iederum S c h e l e r s K onzeption entsprechend abzuw andeln. Grundsätzlich gilt dabei die Erfahrung, daß es zwischen W issen und G lauben keinen steti­

gen U ebergang gibt. Es bleibt eine „Stelle", ein „W agnis" im Sinne von P. W u s t53), w as nicht m ehr m it Begriffen und M ethoden des rationalen Denkens überbrückt w erden kann. W enngleich dieser Glaube auch als ein A kt der V ernunft und des W illens nicht nur irrational um schrieben w erden kann, so m ögen doch die „A ntriebe zur Betätigung dieser Erkenntnism ög­

lichkeit" den dunklen Tiefen der Seele, der gesamtmenschlichen Existenz, den Tiefen des „Daseins" entstam m en. O hne diesen undurchdringlichen Ge­

heim nischarakter des Glaubensphänom ens führt der W eg an der Tiefe des eigentlichen M ysterium s vorbei in irgendeine, noch so distinkte R ationali­

sierung. Das Eigentliche des Glaubensphänom ens w ird vom Geheimnis der Seelentiefe umschlossen und entzieht sich letzthin jeder rationalen oder psychologischen Aufhellung, wie der bedeutsam e Versuch von E. S p r a n - g e r54) w ieder deutlich machen konnte. W ie hier Glauben in seinem Kern als „seelische Energieentfaltung" gedeutet wird, so bleibt in einer religiösen Lebensbeziehung „G nade“ als g r a t i a p r a e v e n i e n s e t m e d i c i n a - 1 i s das letzte W ort.

W ie der W eg des Individualism us letzthin mit der Immanenz in Ent­

sprechung steht, so bedeutet w iederum das Bekenntnis zur V orherrschaft der V ernunft in Theorie und Lebensführung einen kräftigen Schritt ins rein Diesseitige hinein. Dies gilt nicht nur für einen aristotelischen Denkansatz oder für eine aufklärerische Tendenz, als die menschliche V ernunft an die Stelle der U rvernunft tra t und das ursprüngliche Teilhabe-V erhältnis damit aufhob — dies gilt ebenso auch gew issem Bemühen der scholastischen Spät­

zeit gegenüber, in der U m kehrung jenes „credo ut intelligam ". W enn es jedoch seit jen er G eistesrevolution, welche die griechische Philosophie mit ihrer Entdeckung der V erstandesfunktion auslöste, im A bendlande kein M enschsein m ehr zu geben verm ag, das nicht diese neue Dimension — als ein h u m a n u m oder auch a n t i h u m a n a u m — in sein Denken und seine G laubensüberzeugung hineinzunehm en gehalten wäre, so bestim m t sich von

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h ier aus auf w eite Strecken die A ufgabe eines philosophisch-theologischen Denkens: als der nunm ehr unabw eisbare Versuch, die geoffenbarten W ahr­

h eiten des Glaubens dem Denken einsichtig zu machen, sie gedanklich zu rechtfertigen und womöglich zu begründen. Sofern alles auf die göttliche V ernunftidee zurückgeht, nicht aber auf einen nom inalistischen W illensgott, gibt es kein c r e d o q u i a a b s u r d u m eines nur irrationalen Glaubens.

Philosophische Besinnung kann im katholisch-scholastischen V erständnis als

„praeam bula fidei" grundsätzlich eine positive Bedeutung gew innen. Philo­

sophie eröffnet nicht unbedingt erst — wie dies P a s c a l erfuhr und K.

H e i m in der negativen Konsequenz begründete55) — durch ihr „Scheitern"

dem religiösen Glauben und dem G laubensw issen das eigentliche Tor.

Religiöser Glaube als die „G rundentscheidung des Herzens für die V er­

trauenshingabe an Gott als tragendes Fundam ent des gelebten Lebens"56) ist nicht Philosophie! Keine Philosophie darf dies vergessen — will sie nicht der Gnosis oder dem Fideismus verfallen. A ber der im religiösen Sinne gläu­

bige Mensch bleibt Mensch. Mensch-sein bedeutet jedoch eine naturgem äße H inordnung zum Denken als philosophischer Besinnung — von N atur aus mit Notw endigkeit! Philosophie darf m an geradezu m it A r i s t o t e l e s als eine Funktion des menschlichen W esens und Lebens bestimmen.

Gegen ein dialektisch-theologisches M ißverständnis sei es gesagt: Im Glauben und aus dem Glauben philosophieren erscheint sinnvoll. Denn der religiöse Glaube tö tet nicht das D enken noch steht er ihm von N atur aus antithetisch gegenüber. A udi im Glauben m u ß und k a n n der Mensch den­

ken! Philosophieren gehört in den Bezirk des Humanen. Das Evangelium C hristi aber gibt nicht erst das Humane, sondern setzt es voraus und fordert und fördert es in der Richtung auf die übernatürliche Zielsetzung. U eber die­

ser V orentscheidung — w oran sich die G eister im letzten G runde scheiden — erscheint dann das Eigentlich-Christliche: „daß dem schuldig gew ordenen M enschen Hoffnung gegeben w ird auf ein tiefstes M enschentum, das zugleich m ehr ist als die reine Hum anität: die Hoffnung auf eine neue, von Gott e r­

löste und von Gott erfüllte H um anitas".57) U eber diesem Sinnbezug aber ordnet sich auch das Denken ein als ein Gottesgeschenk, das dem Menschen im Schöpfungsgeheimnis selbst verliehen. Denn nicht das Denken als Den­

ken sucht der A postel zu treffen, sondern n u r einen sehr bestim m ten Denk­

ansatz: eben den der griechischen Philosophenweisheit!

Dies ist also die bew ußte V oraussetzung des christlichen Philosophen. — V oraussetzungslos? Welche Philosophie w äre dies überhaupt? Die idealisti­

sche ging aus von dem Glauben an den M enschen und an die Vernunft, als Erscheinung der göttlichen Vernunft. Die m aterialistische fand ihren A nsatz im Dogma von der Stofflichkeit alles Seins und der N otw endigkeit alles W er­

dens. Die christliche geht aus von dem G lauben an Gott und w endet sich zum M enschen erst von diesem personalen G ottesbezug her. W ie es K. A d a m58) als ein W esensgesetz der katholischen Theologie erkennt, daß sie in ständi­

ger Fühlungnahm e m it der kirchlichen U eberlieferung stehe und gar nicht voraussetzungslos sein will, so darf m an dies zumal seit E. S p r e n g e r s bedeutsam er A kadem ierede59) — gültig auch von allen geistesw issenschaft­

lichen Bemühungen aussagen. Denn es gibt keine Philosophie, die nicht von einem je gegründeten G ew ißheitsgrunde lebte, w ie es auch keinen M enschen geben kann, ohne eine je gegründete Glaubensüberzeugung.

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234 Richard Schwarz

W enn eine m oderne Besinnung die These vertritt, daß w ir vom Denken auszugehen verm einen, obwohl w ir als D enkende schon im mer in einer je bestim m ten G laubensüberzeugung stehen, so muß dies in letzter Konsequenz eine Erschütterung des V ertrauens in die V ernunft als kritisches Erkenntnis­

organ bedeuten. Damit aber w ird ein m oderner Irrationalism us begründet, der an Stelle der „ratio" irrationale tragende Fundam ente treten läßt. Ein solches Beginnen, im Sinne von D i l t h e y , S c h e l e r , B e r g s o n , K l a g e s und einer gew issen Richtung der E x i s t e n z p h i l o s o p h i e ein vital-biolo­

gisches, em otionales, „stimmungshaftes" A priori usf. zu begründen, bedeutet letzthin das Ende einer rationalen M etaphysik mit ihrer Lehre von der Ho- m ogeneität von D enken und Sein, der Sinnhaftigkeit des „ordo".

Jen e Thesen w ollen grundsätzlich ausgeschlossen sein, w enn im Zu­

sam m enhang mit dem Problem einer „Christlichen Philosophie" die V er­

hältnisbestim m ung von Denken und Glauben als Problem eines „existentiel­

len A priori" erw ogen wird. Von dem c r e d o u t i n t e l l i g a m w ußte ge­

wiß auch die Vorzeit. A llein jenes Problem konnte eben nur als eine speku­

lativ-philosophische bzw. eine theologische Frage empfunden w erden, nicht aber u nter dem A spekt einer existentiellen Seinsverfassung jew eiligen Mensch-seins und des gläubig-existierenden Denkers.60) Die A nsätze h ier­

zu in augustinisdhen G rundkonzeptionen sollen freilich nicht übersehen werden!

Stehen w ir als D enkende schon i m m e r in einer je bestim m ten G lau­

bensüberzeugung? N ur insofern m ag jen e These G ültigkeit beanspruchen, als

„Es" im M enschen bereits zu dem letzten Sinn des Seins eine G rundposition des unreflektierten „Glaubens" bezogen hat, ehe der Geist sich diese Frage bew ußt macht. Dieser „Glaube" m eint zunächst allgem ein jene A rt von Gewißheit über weltanschauliche G rundvoraussetzungen, eine Gewißheit, die „da" ist und nur schwerlich abgew iesen w erden kann, weil sie die Exi­

stenz des jew eiligen Mensch-seins eben „existentiell" trägt. W ir m einen hierm it eine K ategorie der individuellen Besonderheit, etw a des „Stimmungs­

bodens" des U r-V ertrauens in das Sein, des Urm ißtrauens, der Urangst, der Scham usf., wodurch der Persönlichkeitscharakter eines jew eiligen Mensch- seins in seiner Tiefenschicht „bestimmt" ist. Ob der Mensch „von N atur aus"

ein U r-V ertrauen in die Sinnhaftigkeit des Seins besitzt oder aber eine Ur- A ngst vor dem Sein — daran scheidet sich eine christliche und eine nicht- christliche Existenzphilosophie.

H ier aber steht der Mensch vor der „Entscheidung", die im letzten G runde ihn schon immer irgendw ie „betroffen" zu haben scheint, sei es als natürliche, geistig-seelische Disposition, als „ursprüngliche W ahl" im Sinne P. S a r t r e s oder aber als G nadentat jenes göttlichen Schöpferwillens, der im Sinne des E v a n g e l i u m s nur als „Ur-Vertrauen" gedeutet w erden kann.61)

Dies nun betrifft das R ätsel m oderner Selbstbesinnung: daß seit P 1 o t i n , G o e t h e , S c h e l e r nicht m ehr nur um das existentielle A priorj als V or­

entscheidung jew eiliger G laubenshaltung gew ußt wird, sondern daß das mo­

derne Bewußtsein, sofern es außerhalb des Christlichen steht, w eithin durch eben dieses W issen im tiefsten ratlos und erschüttert wird, weil es nicht m ehr eingeordnet zu w erden verm ag in das Reich der Gnade. Alle nur natür­

lichen D eterm inanten jew eiliger letzter Disposition eines konstitutionell-ge­

gründeten Glaubens-„Grundes" verbleiben aber im engen Bezirk der Imma­

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nenz und könnten als S äkularisation ursprünglich christlicher G nadenerfah­

rung gedeutet w erden. Die letzte Frage heutiger W eltanschauungsproblem atik betrifft daher nicht m ehr allein die Frage nach der allgem eingültigen Struk­

tu r einer rationalen Erkenntnis, sondern darüber hinaus die Frage nach der allgem eingültigen Struktur einer seelischen Tiefenschicht, der das G laubens­

und W ertbew ußtsein bereits entstam m t — Glaube hier in diesseitiger A n­

sicht verstanden. Damit nun w ürde die unerläßliche G rundvoraussetzung einer „Christlichen Philosophie", die U eberzeugung von der Einheit und Kon­

stanz der einen M enschennatur, jenem menschlichen W esensgehalt, den der Mensch nicht v erlieren kann, ohne aufzuhören, Mensch zu sein, in einer noch tieferen Fundierung begründet, als dies allein durch die rationale Kennzeich­

nung der M enschennatur möglich ist. Diese F ragestellung greift über jenes zentrale theologische Problem nach der natürlichen, auch in der Sünde u n ­ verlierbaren substantiellen Güte der menschlichen N atur hinaus — w ie es die Scholastik benannte: p r i m u m i g i t u r b o n u m n a t u r a e , n e c t o l l i t u r n e c m i n u i t u r p e r p e c c a t u m . Der O rt jener neuen Frage w äre vielleicht als die Grenzzone einer theologischen und einer strukturell- charakterologischen Problemebene zu charakterisieren, wovon im früheren Zusam m enhang schon die Rede war.

Der kritischen Bemerkung von Η. M e y e r62) zu dieser unserer These, eine existentiell-psychologische A nalyse aller Seelenhaltungen sei zw ar leh r­

reich, aber nicht ausschlaggebend für die „Lösung transzendenter G eltungs­

fragen'1, allein kritisch-rationales Bew ußtw erden der eigenen w eltanschau­

lichen V oraussetzungen und B edingtheiten verm ag als verläßliches Kriterium zu gelten, muß grundsätzlich zugestim m t w erden. Für eine im augustinisch- thom istischen Bewußtsein stehende Philosophie steht dies außer Frage. Allein

— und darauf sollte hingew iesen w erden — nicht weil die m oderne Besin­

nung die Substantialisierung des Typus und aller relativistischen und histo­

ristischen Folgen erstrebt, sondern weil sie keinen A usw eg hieraus mehr erkennt, gerät dieser Mensch in die Krisis seines Lebenssinnes. W eil er durchaus darüber Zweifel empfindet, ob er sich seiner jew eiligen Anlagen und V orentscheidungen, die seine W eltanschauung tragen und bestimmen, kritisch-rational bew ußt w erden k a n n , w ar diese „Problem atik der W elt­

anschauungen" überhaupt möglich. W o aber der G laube an die kritische Ratio verlorenging, verm ag kaum eine A rgum entation m it eben dieser k ri­

tischen Ratio als Kriterium zu heilen. Dieser m oderne Relativism us verm ag daher auch nicht m ehr allein durch kritische A nalysen der System- und Pro­

blemgeschichte überw unden zu werden! Hierm it aber w ird die K ernfrage der Krisis der gegenw ärtigen geistigen Situation berührt, deren M ißtrauen in alle letztgültigen tragenden Fundam ente mit dem Schwinden der Ehrfurcht als der Pietät vor dem Seienden in Erkenntnis und Seinsdeutung, in Ethos und Religion erklärt w erden muß.63)

G r u n d l e g e n d b l e i b t m i t h i n z u s a g e n :

„Christliche Philosophie" erscheint dadurch charakterisiert,

1. daß ihr grundsätzlich a l l e Fragen der philosophischen Problem atik aufgegeben sind, nicht nur etw a ein religiös-bestim m ter Ausschnitt, 2. daß sie als Prinzipienwissenschaft wissenschaftliche W eltanschauungs­

lehre ist, sofern eben jede W issenschaft in ihren letzten Prinzipien in einem „Glauben" an eben diese Prinzipien oder A xiom ata gegrün­

det ist,

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