Matthias Jung Vorlesung:!
Einführung in die
philosophische Anthropologie
Philosophische Anthropologie
• Überblick I. Vorlesung!
• Was oder Wer ist der Mensch?!
• Alltagserfahrung, Wissenschaft, Philosophie!
• PhA als Integrative Anthropologie!
• Aufbau der Vorlesung!
• Literaturhinweise
Literaturhinweise
• Gerald Hartung, Philosophische Anthropologie, Reclam (eher historisch)!
• Christian Thies, Einführung in die philosophische Anthropologie, 2.
Aufl., WB (eher systematisch)!
• Christoph Wulf, Anthropologie, rowohlts enzyklopädie (Kulturalismus)!
• Ganten/Gerhardt etc., Was ist der Mensch, De Gruyter!
• Joachim Illies, Philosophische Anthropologie im biologischen Zeitalter, stw!
• Matthias Jung, Der bewusste Ausdruck, Anthropologie der
Artikulation, De Gruyter
• I. Grundlagen!
• Einführung: die Rückkehr philosophischer Anthropologie!
• Nomaden im Zweistromland: Natürlichkeit/Kulturalität/Ausdrücklichkeit/Symbolizität/Diversität/
Historizität!
• II. Historische und aktuelle Positionen!
• Ohne Menschenbild geht es nicht: Die implizite Anthropologie religiöser und metaphysischer Weltbilder!
• Klassische Positionen I: Lebensphilosophie und Pragmatismus!
• Klassische Positionen II: Scheler/Gehlen/Plessner!
• Gegen den Dualismus: eine Anthropologie der Artikulation!
• III. Problemfelder!
• Die evolutionäre Entstehung des Menschen!
• Bewusstsein, Sprache und Verkörperung!
• Was unterscheidet uns von anderen Lebewesen!
• Freiheit und Verantwortung: Anthropologische Grundlagen der Moral!
• Kontingenz und Transzendenz: Anthropologische Grundlagen der Religion!
• Die Zukunft der menschlichen Natur: Enhancement
Homepage für das Herunterladen der Vorlesung
• http://uni-koblenz.de/
~mjung/
Was oder Wer ist der Mensch?
oder: Die Rückkehr der philosophischen Anthropologie
• Drei Dimensionen:!
• Implizite Menschen- und Weltbilder!
• Narrative Anthropologie in Religion und Kultur!
• Wissenschaftliche Anthropologie
Was oder Wer ist der Mensch?
•
Die Beobachter- und die Teilnehmerperspektive:!
•
Das System der Personalpronomina:!
•
Ich/Wir!
•
Du/Ihr!
•
Er/Sie!
•
Extensionale und intensionale Fragen!
•
Extension: Was fällt alles unter den Begriff?!
•
Intension: Was bedeutet der Begriff?!
•
Gattungsidentität und personale Identität!
•
Deskriptive und normative Fragen
Alltagserfahrung, Wissenschaft, Philosophie
• Die Unhintergehbarkeit gewöhnlicher Erfahrung!
• Die Fähigkeit symbolischer Distanzierung!
• Personale und soziale Innenperspektive, geistes- und naturwissenschaftliche Außenperspektive!
• Die Humanwissenschaften!
• Der überholte Gegensatz von Kultur- und Naturwissenschaften!
• Falsche Auflösungen des Gegensatzes: Naturalismus/
Kulturalismus
Alltagserfahrung
• Unhintergehbarkeit gewöhnlicher Erfahrung!
• Unterschiede zu wissenschaftlicher Erfahrung!
• Nicht-Systematizität: Widerfahrnisse!!
• Holismus (Gefühl, Wille, Vernunft integriert)!
• Subjektivität (Intersubjektivität und Privatheit)!
• Nicht-Vollständigkeit objektiver Weltbeschreibungen
Alltagserfahrung, Wissenschaft, Philosophie
•
Die Bedeutung der Kognitionswissenschaft (cognitive science)!
•
Empirische Forschung der Ontogenese!
•
Evolutionäre Anthropologie!
•
Verbindung von Phänomenologie und kausalem Denken!
•
Suche nach anthropologischen Invarianten („Differences among individuals are so boring“(Steve Pinker))!
•
Zwei Denkansätze:!
•
Funktionalismus: Geist als algorithmische Verarbeitung von Input (Reiz) und Output (Motorik)!
•
Embodied Mind: Geist entsteht aus der Steuerung der Interaktionen des
Organismus mit seiner Umwelt
Alltagserfahrung, Wissenschaft, Philosophie
• Historische bzw. Kulturanthropologie!
• Betonung kultureller Differenzen, verschiedener semantischer Codes etc.!
• Ethnologischer Eurozentrismus-Verdacht!
• Häufig Skepsis gegenüber Naturwissenschaften!
• Skepsis gegenüber der Rede von dem Menschen, aber:
Invarianten als Voraussetzungen der Erkenntnis von
Differenzen
Alltagserfahrung, Wissenschaft, Philosophie
• Immanuel Kant:!
• Schul- und Weltbegriff der Philosophie!
• Idee einer Anthropologie in pragmatischer Hinsicht!
• Zitat Vorrede BA III, IV:
PhA als Integrative Anthropologie
• Interpretation, Integration, Holismus (lt. Ch. Thies, Einf. in die phil.
Anthr.)!
• Integration als Bezug von Perspektiven, die verschieden bleiben (keine Synthese)!
• Nachträgliche Konvergenz vs. Differenzierung eines Grundphänomens!
• Keine „Lehnstuhlphilosophie“!
• Relevanz und Grenze des Wissenschaftlichen!
• Integration der normativen/wertenden Fragen:!
• Was sind Wir?/Was wollen wir sein?
Die Achsenzeit
• Mensch als Wesen, das sein Leben nicht einfach führt, sondern eine Bedeutung ausdrücklich macht:
Riten, Geschichten, Wertekataloge, rechtliche Ordnungen, Weltanschauungen und Religionen!
• Dafür entscheidend: Reflexivität!
• Achsenzeit als Begriff für den Zeitraum, in dem reflexive Einstellungen erstmals kulturelle Wirksamkeit entfalten!
• Begriff wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von Karl Jaspers populär gemacht: seit ca. 15 Jahren wieder zentrales Thema!
• Zitat aus Karl Jaspers, Vom Urpsrung und Ziel der Geschichte:
Die Achsenzeit
• Blütezeit der ersten Hochkulturen!
• Synchrone Entstehung von universalen Weltdeutungen, wissenschaftlichem Denken und politischem Bewusstsein!
• „Entdeckung der Transzendenz“!
• „Second-Order-Thinking“:!
• first-order: Bewusstsein → Gegenstand!
• second-order: Bewusstsein ↔ Gegenstand!
• Mensch wird sich selbst zum Gegenstand des Nachdenkens
Ohne Menschenbild geht es nicht
• Mensch als selbstinterpretierendes Wesen!
• Mythen als Deutungen der Stellung des Menschen in der Welt!
• Anthropomorphismus („Ursprüngliche
Allvermenschlichung“) und Kosmozentrik!
• Mikro-/Makrokosmos-Analogie
Beispiel I: Die hebräische Bibel
• Distanzierung des Mythischen durch Monotheismus und Schöpfungsgedanken!
• Klassische Stellen: die zwei Schöpfungsberichte Gen I, 26-28; Gen 2-3; Psalm 8!
• Kein Dualismus von Leib und Seele!
• Spannung von Größe und Nichtigkeit!
• Sinnfrage: Es gibt keinen Zusammenhang von Tun und
Ergehen (Kohelet)
GEN 1, 26-28
Beispiel II: Chorlied der Antigone
aus Sophokles, Antigone (Uraufführung 442 v. Chr.):!
CHOR!
!
Ungeheuer ist viel und nichts!
Ungeheurer als der Mensch.!
Er überschreitet auch das graue Meer!
Im Notossturm!
Unter tosenden Wogen hindurch.!
Erde, der Güter höchste,!
Die unerschöpfliche, unermeßliche,!
Bedrängt sein Pflug. Auf und ab!
Ackern die Rosse ihm!
Jahr um Jahr.