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Manzano Moreno: La frontera de al-Andalus en ipoca de los Omeyas

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Erklärungen in der Historiographie

Von Bettina Münzel, Stuttgart

Das islanüsche Spanien war unter der Herrschaft der Umayyaden niemals ein zen-

tralistischer Einheitsstaat; auch der wohl mächtigste und innen- wie außenpohtisch erfolgreichste Herrscher dieser Dynastie, 'Abd ar-Rahmän El. (912-961), sah sich am Ende seiner Regierungszeit gezwungen, Herrschaften regional mächtiger Geschlechter

zu akzeptieren. Insbesondere die Machthaber in den sogenannten Marken (tugür),

waren mittlerweile von Amtsträgem eher zu Vasallen geworden, ein Vorgang, der in

der jüngeren Literatur als eine Art Feudalisiemng gewertet wird.'

Ein unmittelbares Eingreifen der Herrscher in die Angelegenheiten der tugür, die

etwa die Hälfte des Territoriums ausmachten, das die Umayyaden zu regieren be-

ansprachten, war seit der Schwächung des Emirats in der zweiten Hälfte des 9. Jh.s erschwert.

Rebellen unterschiedlicher Herkunft hielten die umayyadischen Herrscher sowohl

in diesen Grenzzonen als auch im Inneren des Reiches nahezu ständig in Atem und

bedingten oftmals Schlappen in der Außenpolitik gegenüber den nordspanischen

Nachbarreichen. Bedrohlich wurde die Situation für Cördoba vor allem dann, wenn

sich Rebellen im Grenzgebiet mit ihren christhchen Nachbam aus den Königreichen

Leön und Pamplona auf ein gemeinsames mihtärisches Vorgehen gegen die Regie-

rangstmppen verständigten.^

' E. Manzano Moreno: La frontera de al-Andalus en ipoca de los Omeyas. Madrid 1991, S. 387-389, 344 f., 27. H. KENNEDY: Rezension zu MANZANO MoRENO: op.cit. In: Al-Qantara 14 (1993), S. 242- 244. Ähnlich P. Chalmeta: El concepto de tagr. In: P. SenaC (Hrsg.): La marche supärieure d'al- Andalus et l'Occident chritien. Actes de la table ronde de Huesca 1988. Madrid 1991 (Pubhcations de la Casa de Veläzquez, S6rie Arch6ologie. 15.), S. 15-28, hier v.a. 18 f. D. Wasserstein: The Rise and Fall ofthe Party Kings. Politics and Society in Islamic Spain, 1002-1086. Prineeton, New Jersey 1985, S. 23, meint dagegen, daß 'Abd ar-Rahmän Iü. die Grundlagen eines zentralisüschen Staates legte.

Auch Manzano Moreno nimmt an, daß 'Abd ar-Rahmän anfangs dieses Ziel verfolgte, später aber gescheitert sei. Bestätigungen der Emennungen über die von ihnen beherrschten Regionen für die mächtigen Familien der Oberen Mark s. Ibn Hayyän: Al-Muqtabas li-Ibn Hayyän al-Qurtubi (al-guz' al-t}ämis). Ed. P. CHALMETA in Zusammenarbeit mit F. Corriente, M. Subh. Madrid 1979 *; M. J.

VIGUERA u. F. CORRIENTE: Ibn Hayyän de Cördoba: Crönica del califa 'Abdarrahmän III an-Näsir entre los anos 912 y 942 (al-Muqtabis V). Traducciön, notas e Indices. Zaragoza 1981 **; hier Muqt. V (ar.), S. 437 f./ (sp.), S. 327 f

* =MuqLV(ar.)

** = MuqL V (sp.)

- Manzano Moreno: op. cit (Anm. 1), S. 326-329. Unter Muhanunad I. (852-886) baten die Toleda- ner erstmals chrisüiche Nachbam um Unterstützung. Ibid., S. 287-290. Vgl. A. El-HaJJI: Andalusian Diplomatie Relations with Western Europe during the Umayyad Period (A.H. 138-366/A.D. 755-976).

Beimt 1390/1970), S. 99-115.

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Die Geschichte der zahlreichen Aufstände nimmt einen breiten Raum in der spanisch-arabischen Historiographie ein. Ist darin von den Tugenden und Lastern der

umayyadischen Herrscher die Rede, so wird stets auch ein BUck auf ihre Erfolge im

Kampf gegen die fitna und auf ihre Leistung bei der Sicherung der tugür geworfen.' Die diesbezüghche Erfolgsbilanz des Emirs 'Abd Alläh (888-912), des Großvaters und Vorgängers von 'Abd ar-Rahmän III., war beispielsweise niederschmetternd.

Obwohl er Jahr für Jahr gegen die RebeUen Krieg führte, also keineswegs untätig war, blieb ihm ein dauerhafter Erfolg versagt." 'Umar b. Hafsün, ein schon aufgrund der Nähe seiner Basis Bobastro zu Cördoba äußerst gefährlicher Gegner der Umayyaden, war wiedererstarkt,' imd in Badajoz herrschte Ibn Marwän al-Gilliqi' ohne jegliche un¬

erwünschte Einmischung Cördobas, um nur zwei der vielen, letzthch unabhängigen Herren im Lande zu neimen. Am Ende von 'Abd Allähs Regierungszeit war al-Andalus zersphttert, und das tatsächhch von ihm regierte Gebiet umschloß wenig mehr als das Stadtgebiet von Cördoba.' Die Regierungstätigkeit in der Hauptstadt beschränkte sich im wesenthchen darauf, nachträglich mittels eines tasgll, also einer Art Registrierung, anzuerkennen, was faktisch bereits in den Händen unabhängig agierender Lokalherren lag.'

Der Emir 'Abd Alläh wurd nun in zwei annalistisch gegliederten Kompilationen, im

Muqtabas von Ibn Hayyän (gest. 1076) und im Bayän von Ibn 'Idäri (gest. 1320)',

nicht ausdrücklich für den zerrütteten Zustand des Landes verantwortlich gemacht. In ein ungünstiges Licht wird 'Abd Alläh vielmehr dadurch gerückt, daß die Kompila-

' Manzano MORENO: op. cit (Anm.l), S. 67-69. B. MÜNZEL: Feinde, Nachbarn, Bündnispartner

"Themen und Formen" der Darstellung christlich-muslimischer Begegnungen in ausgewählten historiographischen Quellen des islamischen Spanien. Münster 1994 (Spanische Forschungen der Görresgesellchaft, zweite Reihe. 32.), S. 114-117, 227-230. Es gehört zu den Pflichten des Herrschers, die tugür zu schützen. MaNZANO MoRENO: op. cit (Anm.l), S. 66 f A. K. S. LAMBTON: State and Government in Medieval Islam. An Introduction to the Study of Islamic Political Theory: The Jurists.

Oxford 1981, S. 18 f

" E. Levi-ProvenqaL: Espana mu.iulmana hasta la caida del califato de Cördoba (711-1031 de J. C).

Madrid 1982 (Historia de Espafia. 4.), S. 212-251.

' Zu 'Umar s. M. ACIEN Almansa: Entre Feudalismo y el Islam. 'Umar Ibn Hafsün en los historiado¬

res, en las fuentes y en la historia. Granada 1994. R. Marin-GuzmaN: The Causes ofthe Revolt of 'Umar Ibn Hafsün in al-Andalus (880-928). A Study in Medieval Islamic Social History. In: Arabica 42 (1995), S. 180-221. Levi-Proven^al: op cit (Anm. 4), S, 234-240.

' LEVI-ProvenCAL: op. cit. (Anm. 4), S. 193-196. C. Picard: La fondation de Badajoz par Abd al- Rahman ibn Yunus al-Jilliki (fin DC siicle). In: REI 49 (1981), S. 215-229. Manzano Moreno: op. cit (Anm. 1),S. 189 ff

' V. A. Alvarez PaLENZUELA/ L. Suarez Fernandez: Historia de Espaiia. La Espana musulmana y los inicios de los reinos cristianos (711-1157). Madrid 1991, S. 77 {. MaNZANO MorENO: op. cit.

(Anm.l), S. 340-346. Levi-Provenqal: op. cit. (Anm. 4), S. 216-219.

* P. Chalmeta: Concessions territoriales dans al-Andalus: donnees inidites et rectifications. In: R.

Peters (Hrsg.): Proceedings ofthe Ninth Congress ofthe Union Europienne des Arabisants et Islami¬

sants, Amsterdam 1" to /* September 1978. Leiden 1981, S. 48-56. DERS.: Al-Andalus. In: A.

Dominguez Ortiz (Hrsg.): Al-Andalus: musulmanes y cristianos (siglos VIII-XIII). Barcelona 1989 (Historia de Espana. 3.), S. 72-82.

' P. Chalmeta: Historiografla medieval hisparui: arabica. In: Al-Andalus 37 (1972), S. 353-404, hier 373-404.

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toren im Rahmen der statistischen Angaben über seine Herrschaft der Darstellung seiner Regierungsjahre eine lange und ausführliche Liste der zahllosen Aufstände voranstellen.'"

'Abd Alläh hielt - so Ibn Hayyäns abschließende Bewertung jener Liste - zu¬

mindest die Stellung. Er kämpfte sein Leben lang gegen den Widerstand, bis er müde

wurde und starb. Einen sehr viel günstigeren Eindruck hinterläßt dagegen 'Abd

ar-Rahmän III. beim Leser des Muqtabas; mit ihm sei in al-Andalus die Morgendäm¬

merung des Triumphes angebrochen, Ort und Zeitpunkt des Sieges hätten sich genä¬

hert." Gleich der erste Erfolg des umayyadischen Heeres gegen zwei Aufständische in

der heutigen Provinz Campo Real brachte auch den ersten Kopf eines Rebellen mit

sich, der nach Cördoba geschickt und dort zur Schau gestellt wurde. Ein Ereignis, das

den Geschichtsschreiber Ahmad (?) ar-Räzi'^ zu der rühmenden Bemerkung anregte,

später seien dieser ersten Kopftrophäe die Rebellenköpfe gefolgt wie Perlen einer Kette, deren Faden gerissen sei."

Welche Erklärungen gibt nun die spanisch-arabische Historiographie für die Häufig¬

keit und für die Hartnäckigkeit der Aufstände gegen die umayyadische Herrschaft? Die den Ereignissen zeitlich verhältnismäßig nahe stehenden Autoren des 10. und frühen 11. Jh.s, die letzthch auch den Grundstock der späteren Kompilationen ausmachen, schreiben aus umayyadischer Perspektive.''' Darstellungen von seiten der sogenannten Rebellen sind dagegen nicht oder nur äußerst fragmentarisch überliefert. Man kann daher annehmen, daß insbesondere die Erklärungen der noch unter den Umayyaden- herrschem arbeitenden Autoren hinsichthch der zahlreichen Aufstände vom offiziellen

Ibn Hayyän: Al-Muqtabis fi ta'ril} rigäl al-Arulalus. Ed. M. M. Antuna. Paris 1937 *, S. 9-33.

Übersetzung: J. E. Guraieb. In: Cuadernos de Historia de Espana (CHE) 13 (1950), 165-176, CHE 14 (1950), S. 174-182, CHE 15 (1951), S. 157-162. - Ibn Tdäri: Kitäb al-Bayän al-mugrib fi aljbär al- Andalus wa-al-Magrib 2. Ed. G. S. COLIN/ E. Levi-PROVENQAL. Beirut 1983, S. 133-138. Ibn al-Haüb:

Kitäb A'mäl al-a'läm fi man büyi'a qabla al-ihtiläm min mulük al-isläm. Ed. E. LEVI-PrOVENQAL.

Beirut "1956, S. 27. W. Hoenerbach: Islamische Geschichte Spaniens. tJbersetzung der A'mäl al- a'läm und ergänzender Texte. Zürich/Stuttgart 1970, S. 104.

• = Muqt. III (ar.)

" MuqL III (ar.), S. 32 f./CHE 15 (1951), S. 162 f.

'" Wenn Ibn Hayyän nur von ar-Räzi spricht, so ist wahrscheinlich Ahmad ar-Räzi gemeint. J. Castilla BrazalES: Historiografla hispano-ärabe sobre el periodo omeya en al-Andalus: La crönica de 'Arib.

Diss. Granada 1991 (Mikrofiche), S. 114.

" Muqt. V (ar.), S. 54/ (sp.), S. 51. Levi-Provencal: op. cit. (Anm. 4), S. 263. Ähnlich Muqt. V (ar.), S. 56/ (sp.), S. 53. Gegenüberstellungen 'Abd Allähs mit 'Abd ar-Rahmän III.: Ibn al-Atir: Kitäb al- Kämil fi ta'rih 1- Ed. C. J. TORNBERG. Uiden 1865, S. 303 f Ibid 8. Uiden 1862, S. 55 f ÜberseUung:

E. Fagnan: Annates du Maghreb et de l'Espagne. Alger 1898, S. 263, 311 f Al-Maqqari: Naflx at-tib min gusn al-Andalus ar-ratib 1. Ed. I. 'AbbAS. Beirut 1968, S. 352 f P. GAYANGOS: The History ofthe Mohammedan Dynasties in Spain; extracted from the Nafhu-t-ttb min ghosni-l-Andalusi-r-ratt(b wa tärikh Usdnu-d-Dln Ibni-l-Khatttb by Ahmed Ibn Mohammed al-Makkart 1. London 1840, S. 131-134.

Viele Historiographen, auch 'Arib b. Sa'id, waren den Umayyaden persönhch verpflichtet und/oder standen in ihren Diensten (s. Anm. 15).

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Standpunkt der Umayyaden nicht allzu weit entfemt sein dürften."

Diese unter anderem im Muqtabas überUeferten Historiographen, wie beispielsweise Ahmad ar-Räzi, sein Sohn 'Isä oder 'Arib b. Sa'id äußem sich nun auf den ersten BUck nicht gmndsätzUch dazu, wamm die Herrscher so oft und so hartnäckig auf Widerstand stießen." Auch die Gründe eines bestimmten Aufstandes oder worin dieser überhaupt bestand, lassen sich aus der eher nüchtem gehaltenen Darstellung oft nur indirekt

entnehmen, so vor allem dann, wenn die Bedingungen eines amän zwischen einem

Rebellen und dem Herrscher genannt werden." Daß beispielsweise die Steuer- und Abgabenlast eines der Hauptmotive vieler Aufständischer gewesen sein muß, konnte

Marin-Guzmän nur aus der Auswertung verschiedenster Quellen schließen.'* In der

Regel wirkt die Berichterstattung dieser früheren Geschichtsschreiber auf das Gesche¬

hen fixiert und neigt nicht zu Erläutemngen.

Eine gmndsätzliche, nicht auf einen Einzelfall hin formulierte Erklämng gibt dann - allerdings erst im 14. Jh. - Ibn al-Hatib, ein Politiker und Literat aus Granada, in seinem Kitäb A'mäl al-a'läm. In dieser thematisch und nicht annalistisch gegliederten Geschichte des islamischen Spanien nennt Ibn al-Hatib drei Faktoren, die die vielen Aufstände in al-Andalus bedingten:

"Der Gmnd (sabab) aber für die Häufigkeit, mit der diese Rebellen in al-Andalus auf¬

traten, ist ein dreifacher: Erstens der schwer zugängliche Charakter (man'a) des Landes bei sicherem Schutz seiner Burgen (hasäna al-ma'äqil); dazu die Wehrkraft (ba's) der Bewohner, durch des Glaubensfeindes Nähe bedingt, denn mehr als jedes andere Volk sind die Mauren Stich und Stachel. Zweitens die ehrgeizigen Hime und stolzen, der Last des Gehorsams widerstrebenden Nacken; jene nach al-Andalus vorgestoßenen Araber und Berber lehnten gegenseitige Unterordnung als Aristokraten ab. Drittens die Zuflucht (istinäd) in Not und Gefahr zum Christenkönig als dem Hort und sichren Port, dem ständigen Hetzer der Muslime in den Bmderzwist.""

Ibn al-Hatib bedient sich laut HOENERBACH bei dieser Erklämng einer Dreiteilung in eine geopolitische, eine psychologische und eine zeitgeschichtliche Ursache der Rebellionen:^" Die geopolitische Ursache der Aufstände ist bei Ibn al-Hatib der un- zugängUche Charakter des Landes, wozu er auch die durch Menschenhand geschaffene

gute Befestigung der Burgen hinzuzählt. Das psychologische Moment ist der Stolz,

" Manzano Moreno: op.cit. (Anm.l), S. 13-20. Die historiographische Tätigkeit galt derGeschichte der herrschenden Famihe und der Rechtfertigung ihrer Ansprüche. G. Richter: Das Geschichtsbild der arabischen Historiker des Mittelalters. In: Philosophie und Geschichte 43 (1933), S. 26.

WASSERSTEIN: op. cit (Anm. 1), S. 13 f ACIEN Almansa: op. cit (Anm. 5), S. 82 f

" Nach der Eiimahme Toledos durch 'Abd ar-Rahmän m. 320 H. mußten die Bewohner der Stadt keine Steuem mehr abgeben. Manzano MoRENO: op. cit (Anm. 1), S. 296 f, 306-310.

'* Marin-Guzman: op. cit. (Anm. 5), passim, v.a. S. 194-213.

" Zitiert nach der Übersetzung von HOENERBACH: op. cit. (Anm. 10), S. 118; Ibn al-Hatlb: op. cit.

(Anm. 10), S. 36. Die eingeklammerten Begriffe sind von Vfn hinzugefügt. Zum Autor s. Hoener¬

bach: op. cit, S. 9-41. F. Pons Boiglies: Ensayo bio-bibliogrdfico sobre los historiadores y geögrafos arablco-espaholes. Madrid 1898, Nr. 294.

■° Hoenerbach: op. cit. (Anm. 10), S. 536 f., Anm. 34.

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wörtlich das Hochtragen der Nasen, dazu der Widerwillen, sich unterzuordnen, und die geringe Bereitschaft zum Gehorsam. Die zeitgeschichtUche Ursache ist schUeßlich die den Aufständischen stets willkommene Nähe, Einmischung und Hilfe der christhchen Nachbam.

Dieselben Faktoren für die BeharrUchkeit der Rebellen nennt aber bereits 'Arib im 10. Jh., allerdings in bezug auf ein einzehies, außergewöhnhch wichtiges Ereignis: Der Kalif hatte im Jahr 320 H. (932) die Stadt Toledo eingenommen. Toledo kann als das Paradebeispiel für den unbeugsamen Hang zur Rebelhon in al-Andalus gelten.^' 'Arib,

den Ibn Hayyän in seinen Muqtabas aufnahm, bewertet diesen großen Erfolg 'Abd

ar-Rahmäns wie folgt:

... der Kalif sei sich darüber im klaren gewesen,

"daß, hätte Gott ihm nicht die erforderliche Ausdauer hierfür verliehen, er sie [die Stadt]

nicht hätte einnehmen können, angesichts ihrer Unzugänglichkeit (man'a) und der Ge¬

wohnheit ihrer unerbittlichen Bewohner, sich selbst zu regieren, sich von den Kalifen unabhängig zu machen, ihren Gehorsam abzuschütteln und sich mit ihren Nachbam, den Polytheisten, jederzeit abzusprechen (mudäffala) und sie um Hilfe zu bitten (istimdäd)."^^

Auszüge aus den Annalen von 'Arib sind aber nicht ntu- auf dem Umweg über Ibn

Hayyän bekannt; es existiert eine Handschrift in Gotha, die ein Fragment von 'Aribs Geschichte enthält." In dem fraghchen Textabschnitt fehlt gegenüber der bei Ibn

Hayyän überlieferten Version die Bemerkung, daß die Toledaner die Gewohnheit

hatten, sich selbst regieren zu wollen und den Gehorsam abzuschütteln.^'' Ihre schlech¬

ten Gewohnheiten beschränken sich in dieser Version auf ihr gegen die Umayyaden gerichtetes Einvemehmen mit den "polytheistischen" Nachbam. Ibn Hayyän, der im großen und ganzen seine Vorlage im Muqtabas inhalthch unverändert und verhältnis¬

mäßig textgetreu wiedergibt, fügte wohl hier, vermutUch zur Pointiemng der Aussage, zwei weitere schlechte Angewohnheiten hinzu.^'

Unabhängig davon, welche der beiden Versionen man betrachtet - 'Aribs Erklärung,

wamm der Kalif ohne Gottes Hilfe dem Aufstand Toledos nicht beigekommen wäre.

^' Manzano Moreno: op. cit (Anm. l), S. 259-310. J. Porres Martin-CLETO: Historia de Tulaytula (711-1085). Toledo 1985, passim u. S. 83. J. VaLLVE BERMEJO: La frontera de Toledo en el siglo X. In:

Simposio Toledo hispanomozdrabe 6-8 Mayo 1982 (Colegio universitario de Toledo). Toledo 1986, S.

86-97.

^ Muqt. V (ar.), S. 319/ (sp.), S. 239. Zur Autorschaft 'Aribs s. Muqt. V (sp.), S. 238, Anm. 1. Zu 'Arib J. Castilla BraZALES: La crönica de 'Arib sobre al-Andalus. Granada 1992, S. 15-86. A. C. LÖPEZ:

Vida y obra del famoso pollgrafo cordobis del s. X 'Arib b. Sa'id. In: E. Garcia SanCHEZ (Hrsg.):

Ciencias de la naturaleza en al-Arulalus. Textos y estudios 1. Granada 1990, S. 317-347. PONS Boigues: op. cit (Anm. 19), Nr. 47.

" Die Hs. diente DoZY und CASTILLA BRAZALES als Ediüonsvorlage. DozY integrierte den Text 'Aribs in seine Ediüon des Bayän von Ibn 'Idäri. CASTILLA Brazales edierte den Text gesondert.

Castilla Brazales: op. cit (Anm. 22), S. 226 f 'Arib in Ibn 'Idäri: op. cit (Anm. 10), S. 207.

Castilla Brazales: op. cit (Anm. 12), S. 335 f

Castilla Brazales: op. cit (Anm. 12), S. 79-81. Ibn Hayyän war, so Castilla Brazales, wahr¬

scheinlich im Besitz einer unverfälschten Kopie der Annalen von 'Arib. Ein Eingriff des Kompilators ist zwar lucht nachweisbar, aber lücht unwahrscheinhch.

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ähnelt in allen wichtigen Punkten der Analyse Ibn al-Hatibs. Dieser kannte die Annalen 'Aribs über eine seiner Leitquellen, nänüich über Ibn Hayyäns Muqtabas^^ möglicher¬

weise heß er sich in diesem Pimkt auch vom Tenor seiner Vorlage leiten. Die Faktoren zur Erklärung eines Einzelfalles hätten Ibn al-Hatib in diesem Fall zur Behauptung einer Gesetzmäßigkeit gedient. Ob Ibn al-Hatib sich bei seiner grundsätzhchen Aussage allerdings tatsächhch an 'Aribs oben zitierter Erklärung für ein bestimmtes Ereignis orientierte, ist nicht nachweisbar.

Da aber neben 'Arib auch andere Autoren des 10. Jh.s anläßhch anderer Rebelhonen

dieselben Faktoren für die Schwierigkeiten der Umayyaden verantwortlich machen,

eine effektive Herrschaft in den Aufstandszentren auszuüben, darf umgekehrt vermutet

werden, daß diesen Faktoren auch ihrer Meinung nach eine allgemeinere, über den

Einzelfall hinausweisende Geltung zukam. Im Sinne der Ergebnisse Radtkes kann

vermutet werden, daß die von den Historiographen für einzelne Rebellionen genannten Faktoren auch die Rebelhonen in ihrer Allgemeinheit erklären sollen." Hierfür spricht

vor allem die Plazierung dieser Erklärungen innerhalb der Darstellung, nämhch in

Augenblicken der Reflexion. 'Arib führt sie im Zusammenhang mit einem Dank des

Kahfen an Gott an; die mm folgenden Beispiele stammen aus Textabschnitten, in denen der Einmarsch in eine eroberte Stadt beschrieben oder eine Rückblende in die Bericht¬

erstattung aufgenommen wird:

Eine geopolitische oder besser geopsychologische Sicht verrät beispielsweise Ibn

Maslama (2. Hälfte des 10. Jh.s), wenn er den schlechten und mühsam zu bearbei¬

tenden Boden für die Ernährung und diese wiederum für das rebellische Naturell der Toledaner verantwortUch macht.^ Eine weitere psychologische Erklärung gibt in einer

Rückblende auf die Geschichte Toledos 'Isä ar-Räzi: Nach einem ersten Aufstand

gegen die römische Herrschaft sei den Toledanem das Rebellieren zur Gewohnheit geworden." Auf die Bedeutung der Befestigung weist 'Isä anläßlich der Einnahme

Zaragozas hin. Der Kalif habe, als er die Uneinnehmbarkeit {hasäna) ihrer Mauer

gesehen hatte, erkannt, daß darin die treibende Kraft {bä'it) für die häufigen Aufstände der Bewohner liege und ihre Herzen dadurch in der Auflehnung gestärkt würden.'"

Die von Ibn al-Hatib, 'Arib und anderen früheren Geschichtsschreibem vorge-

^ Castilla Brazales: op. cit. (Anm. 22), S. 77 f.

B. Radtke: Versucti einer Grundsatzbetrachtung über das Allgemeine und das Individuelle in der islamischen Historiografie. In: W. DiEM/ A. FALATURI (Hrsg.): XXIV. Deutscher Orientalistentag 1988 in Köln. Stuttgart 1990 (ZDMG. Supplement 8.), S. 264-270, v.a. S. 269; ders.: Weltgeschichte und Weltbeschreibung im mittelalterlichen Islam. Beirut 1992 (BTS. 51.), S. 168. F.-J. SCHMALE: Funktion und Formen mittelalterlicher Geschichtsschreibung. Eine Einführung mit einem Beitrag von Hans- Werner Goetz. Darmstadt "1993, S. 102 f.

" Muqt. V (ar.), S. 276/ (sp.), S. 209. Zu Ibn Maslama Muqt. V (sp.), S. 448, u. PONS BOIGUES: op. cit (Anm. 19), Nr. 66. Manzano MORENO: op. cit (Anm. 1), S. 164. MONZEL: op. cit (Anm. 3), S. 214 f.

Die unzugängliche Lage Toledos soll den Kalifen beim Einmarsch tief beeindmckt haben, Muqt. V (ar.), S.318 f./ (sp.), S. 239.

Muqt. V (ar.), S. 272 f / (sp.), S. 206.

'° Muqt. V (ar.), S. 419/ (sp.), S. 313. MÜNZEL: op. cit (Anm. 3), S. 214.

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brachten Gedanken haben eine lange Tradition und auch ein Fortleben," doch weder der Herkimft noch der Plausibihtät ihrer Erklärungen soll an dieser Stelle nachgegan¬

gen werden. Vielmehr wird die Frage gestellt, welche historiographische Funktion

diese Form der Erklärung für die Häufigkeit der Rebellionen im umayyadischen al-

Andalus erfüllt, anders ausgedrückt, welche Wirkung auf den Leser beabsichtigt war."

Der Leser muß, wenn er die dreiteilige Erklärung überdenkt, den Eindruck

gewinnen, die Aufstände seien naturgegeben, ja geradezu unvermeidbar. Denn weder

die natürhche Umwelt noch die ethnisch bedingten Eigenheiten und schlechten Ange¬

wohnheiten der nach al-Andalus gekommenen Menschen oder die Nachbarschaft zu

christhch beherrschten Reichen waren durch pohtische Maßnahmen von seiten der

Umayyaden beeinflußbar. Der §ihäd wurde seit langem defensiv, nicht offensiv,

geführt; an der Nachbarschaft nichtislamischer Reiche war also so ohne weiteres nichts

zu ändem. Die Umayyaden scheinen in dieser Betrachtungsweise gegen notorische

Unruhestifter zu kämpfen, die durch die natürliche Umwelt in ihrem widerspenstigen Charakter geprägt und begünstigt wurden."

Diese Einschätzung der Lage ist meines Erachtens die von den Autoren beabsich¬

tigte Wirkung auf den Leser. Denn sie erklärt einen Widerspmch iimerhalb der Darstel¬

lungen. Einerseits waren die Historiographen bemüht, der Anfordemng nach Voll¬

ständigkeit und Genauigkeit gerecht zu werden.'" Sie hsteten beispielsweise sorgfältig

und ohne Bagatelhsiemng die Rebellen gegen 'Abd Alläh auf Andererseits war ihnen

aber daran gelegen - ob aus Überzeugung oder aus Angst vor Repressahen, sei dahin¬

gestellt -, die Umayyaden als legitime und gute Herrscher zu schildem. Ibn al-Hatib und seine Vorgänger erklären mit ihrem Bild von den Rebellen also nicht allein die Häufigkeit der Aufstände, sie erklären zugleich das Scheitem der umayyadischen

Herrscher, die Rebellen dauerhaft ins Lager der Gehorsamen zu holen. Kritischen

Rückschlüssen auf die Eignung der Herrscher wird vorgebeugt, ihr schwerer Stand läßt sich erklären, er wird entschuldbar.

Ibn al-Hatlb spendet sogar Trost - nur zu diesem Zwecke habe er schließhch die

zahlreichen Rebellen gegen 'Abd Alläh genannt. Mit Widerstand müsse ein Herrscher immer rechnen, auch wenn an seiner Legitimation keinerlei Zweifel bestehen könne, dafür sei 'Abd Alläh das beste Beispiel."

" Hinzuweisen ist auf die Vorstellung der umweit- und klimabedingten Eigenschaften. Sie geht auf Hippokrates zurück. W. Hoenerbach GeschichtsentwicUung und Landschaft in Spanien. In: Die Weh als Geschichte 15 (1955), S. 16-27, hier 16, Anm. 2. Den Einfluß der Umwelt auf das menschliche Verhalten untersucht die von WILLY Hellpach begründete Geopsychologie. W. Hellpach: Geopsyche.

Die Menschenseele unter dem Einfluß von Wetter und Klima, Boden und Landschafl. Stuttgart '1965, zum Einfluß der Gebirge S. 193 f

Radtke: op. cit. (Weltgeschichte... Anm. 27), S. 7, 204.

" Vgl. Manzano Moreno: op. cit (Anm. 1), S. 164 f

" G. E. VON Grunebaum: Der Islam im Mittelalter. Zürich 1963, S. 358 f

" Ibn al-IJaüb: op. cit (Anm. 10), S. 27 f. HOENERBACH: op. cit (Anm. 10), S. 105.

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Leitung: Lutz Richter-Bernburg (Leipzig)

Folgende Vorträge wurden in der Fachgruppe gehalten:

Claude Gilliot (Aix-en-Provence): Der koranische Kommentar des Ibäditen Hüd b. Muhkim/

Muhakkam.

Cornelia Schöck (Freiburg): Die Träger des Gottesthrones in Koranauslegung und islamischer Überlieferung.

Marco Schöller (Erlangen): Die literarische Gattung der Prophetenbiographie und ihre Funktion.

Omar Hamdan (Tübingen): Lautet das Hadit idä rd'aitum Mu'äwiya 'alä minbari fa-qtulüh oder fa-qbalühl Ein Beitrag zum frühmedinensischen Teil der Sira-Literatur.

Ulrich Rudolph (Göttingen): Das Entstehen der Mäturidiya.

Paul Sander (Göttingen): Wertvoll oder nutzlos? Gedanken zum Umgang mit den frühen imä¬

mitischen Traditionssammlimgen.

Mohamed Abul Fadl Badran (Borm): Die Wunder (karämat) der Freunde Gottes als literarische Form.

Rocio Daga Portillo (Berlin): Rechtskritik und Politik in al-Ahkäm al-kubrä li-Ibn Sahl (11, Jh., Andalusien).

Birgit Krawietz (Tübingen): Ist der Bessere der Feind des Guten? Zur Auswahl des richtigen Mufti.

Rüdiger Lohlker (Göttingen): Die muräbaha: Sari'a in Theorie und Praxis.

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