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Totenvorschriften und „Hunde-Magie" imVidevdati

Von Annelies Kammenhuber, München

Die beiden Themen meines Vortrages stellen Teilergebnisse einer um¬

fangreicheren Arbeit über die ältesten Teile des Videvdät dar, deren

I. Band von dem weitgehend altertümlichen Fargard 3 mit dem einen

Hauptthema ,, Totenvorschriften" ausgeht, während ein II. Band eine

entsprechende Analyse an Hand der verschiedenen, sich z. T. wider¬

sprechenden Strafsysteme, ausgehend von dem z. T. alten Fargard 4,

bringen wird^. Methodologisch vergleicht sich diese Untersuchung am

meisten mit jener, die Cheistensen in seinem ,,Le premier chapitre du

Vendidad" (1943) entfaltet hat. Sie geht aus von der Arbeitshypothese,

daß im Avesta noch jahrhundertelang Neues hinzugefügt wurde — be¬

kannt sind Abschnitte wie etwa Vid. 12, das ohne Pahlavi-Übersetzung

vorliegt, also später als diese ist, — und daß es demgemäß möglich sein

müsse, Älteres an Hand einer noch einwandfreieren jungavestischen

Grammatik abzuheben gegenüber Späterem mit immer mehr barbari-

sierter Sprache. In einer notgedrungen sehr breiten philologischen Inter¬

pretation wurde gleichzeitig das Alte des 3. Videvdät-Fargard heraus¬

gearbeitet und das Wichtigste an Sprachkriterien für die verschiedenen

Zeitstufen ermittelt. Daß dabei die Grenze für gutes Jungavestisch

erheblich enger gezogen werden mußte als seinerzeit von Bartholomae

und Reichelt, versteht sich heute von selbst.

Schon jetzt läßt sich sagen, daß z. Zt. der Urfassung des Videvdät noch

eine nahezu fehlerfreie jimgavestische Sprache verwendet wurde. Zwar

scheint der Dual schon damals fast ausgestorben zu sein, und auch der

Injunktiv der Sentenzen ist nur noch bedingt gebräuchlich : doch fehlen

Kasussynkretismen noch so gut wie ganz, und innerhalb von Videvdät 3

kommt außerdem nicht die Verwendung des Instrumentals als Subjekts¬

kasus vor.

Spätere Zuwüchse und Glossen zeigen demgegenüber Vermengxmg von

Dativ Plural und Instrumental; Gfenetiv für Lokativ Singular bei zam-

,,Erde"; Nominativ für Akkusativ und auch sciion Akkusativ als Sub-

' Ein Vortrag, gehalten auf dem XXIV. Internationalen Orientalisten¬

kongreß zu München in der Sektion IX (Iranistik).

' Die Arbeit erscheint demnächst unter dem Titel „Studien zum ältesten

Videvdät" in den ,, Münchener Indologischen Studien".

(2)

300 Anuelebs Kammenhuber

jektskasus; Gfenusunstimmigkeiten zwischen Substantiv und Attribut;

zunehmende Überführung der Verben in thematische Plexionsklassen

u. ä. m.

Mit den Sprachkriterien wiederum harmoniert die Art der Mentalität.

Weite Teile der Urfassung des 3. Videvdät-Fargard — Oberthema

„Erde" — befassen sich noch mit dem „Lob des Ackerbaus", während

das, was wir als Charakteristica des Videvdät empfinden wie u. a. das

beständige Betonen der „orthodoxen" da)rrm-Besta.ttung, die Aus¬

führungen über die Leichenhexe {dru^s yä nasitS), die reichliche Erwäh¬

nung des Hundes, der trocken-pedantische Ritualismus u. a. m. aus¬

nahmslos mit dürftiger Grammatik gepaart erscheint. All das bricht in

einer bestimmten späteren Schicht durch, eignet aber noch nicht der

Urfassung.

Gegenüber dem, was auf Grund von sprachlichen Kriterien der nur

fragmentarisch erhaltenen Urfassung des Videvdät zugeschrieben werden

muß, und dem, was als späterer Zusatz bestimmt werden kann, hebt sich

als dritte Stufe die Pahlavi-Übersetzung der Sasanidenzeit ab, die uns

bis zu einem gewissen Grade die Geisteshaltung dieser Epoche verrät.

Trotz des miserablen Überlieferungszustandes, des mangelhaften,

dunklen Stiles und der vielfach sklavischen Abhängigkeit von der ave¬

stischen Vorlage habe ich den Versuch gemacht, einmal die Pahlavi-

Übersetzung getrennt vom avestischen Text zu interpretieren, um daraus

wiederum Rückschlüsse zu ziehen auf eine glücklicherweise absolut

datierbare Periode — die Zeit nach dem 4. nachchristlichen Jahr¬

hundert — und ihre geistige Einstellung.

Im Rahmen dieses kurzen Vortrages können begreiflicherweise nur

einzelne Beispiele angeführt werden, die das soeben theoretisch Er¬

örterte über

die Urfassung des Videvdät die vorsasanidischen Textzu\vüchse

und die Pahlavi-Übersetzung und die Mentalität der Sasanidenzeit

beleuchten und gleichzeitg ein wenig Licht werfen auf die verschiedenen,

z. T. ziemlich raffinierten Kompilationstechniken, denen in der ge¬

nannten Arbeit ein eigenes Kapitel gewidmet ist. Einzelne eklatante

Textwidersprüche, die so recht das jahrhundertelange Weiterarbeiten am

Videvdät beleuchten, ergeben sich implicite aus den folgenden Beispielen

zur „Hunde-Magie" und zu den Totenvorschriften.

Zur „Hunde-Magie"

Vid. 3.1 fif. berichtet von den fünf behaglichsten Plätzen der Erde,

3.7—11 von den unbehaglichsten, imd zwar in bewußter Komposition,

(3)

Totenvorschriften und „Hunde-Magie" im Videvdät 301

dualistisch, v.'ie es der medisch-magischen Vorliebe entspricht. Vid. 3.3

sprengt diese Komposition und erweist sich — analog zu Vid. 1.3 und

1.14 — als ein avestisches Kommentarfragment, das Vid. 3.2 näher er¬

läutert. Die Pahlavi-Übersetzung hat Vid. 3.3 nicht mehr als Kommentar¬

fragment erkannt, was einen nicht geringen zeitlichen Abstand zwischen

den drei Stufen, sc. der Urfassung in Vid. 3.2, dem später hinzugefügten,

sprachlich dürftigen avestischen Kommentarfragment 3.3 und der

Pahlavi-Übersetzung beweist.

Vid. 3.2 bezeichnet als 2. behaglichsten Ort der Erde jenen, „wo der

osa-hafte Mann sich das Haus erbaut, versehen mit Feuer, Rind( !), Frau,

Kind und guter Herde" {yat bä paiti nä aSava nmänam uzdasta äd-ravat

+gaomat näirivat pu&ravat hvq&wavat). Für das im Avesta-Text über¬

lieferte gaomavat „mit Milch versehen" (einen der beiden Belege Bab¬

tholomaes, wo gaomavant — nicht eben haomavant — ,,mit Soma ver¬

sehen", dem es seine abnorme Bildimg verdankt, steht^), gestattet der

Pahlavi-Text mit seiner Übersetzung göspandomand „mit Rind ver¬

sehen" die Herstellung eines älteren und zugleich sinnvolleren +gaomat

„mit Rind versehen". Anzumerken ist bei dieser Gelegenheit, daß in der

Pahlavi-Übersetzung des Vid. göspand (aus avest. gav- spanta- ,,, heiliges'

Rind") noch ausnahmslos ,,Rind" bedeutet, während es im Mittel¬

persischen der Bücher bereits ,,ICleinvieh" und im Neupersischen dann

ganz konkret „Schaf" bedeutet.

Das Kommentarfragment Vid. 3.3 fügt erläuternd hinzu: äat pascaeta

ahe nmänahe frapiSwö gäus frapißwö aSam frapidwö västram frapi&wö

spä frapi&wö näirika frapidwö aparanäyukö frapidwö ätarS frapi-&wö vtspqm.hujyäitiS — ,,da hernach (ist) diesem Hause (gen. poss.) reichlich

genährt das Rind, reichlich genährt das ASa, reichlich genährt die Weide,

reichlich genährt der Hund, reichlich genährt die Frau, reichlich genährt

das Unmündige (sc. Kind), reichlich genährt das Feuer, reichlich genährt

alles gute Leben", frapi&wö im Nom. Sing. mask, „kongruiert" mit lauter Nominativen, gleich ob mask., fem. oder neutr.; ,, alles gute Leben" ent¬

hält im Vorderglied einen Akkusativ, im Hinterglied den zu erwartenden

Nominativ.

Nach der Herstellung von ursprünglichem +gaomat ,,mit Rind ver¬

sehen" nach der Pahlavi-Übersetzung göspandomand zeigt sich nun, daß

das Kommentarfragment Vid. 3.3 alles, was in Vid. 3.2 genannt ist, sinn¬

gemäß wiederholt. Ergänzend fügt es aber noch das ASa und den Hund

3 Wb. 484. Das andere Beispiel findet sich Yt. 18.1 (ohne Pahlavi-Über¬

setzung), wo ebenfalls die Konjektur +gaomaitim ,,mit Rind versehen" einen

sinnvolleren Inhalt ergibt, gaomavant- in den restlichen Belegen stets zu¬

sammen mit haomavant- als Attribut zu zao&ra-, n. bzw. zao'&rä-, f. (Wb. 484, 1664f.) „mit Milch und Soma versehener Opfertrank" gebraucht.

(4)

302 Annelies Kammenhuber

hinzu, Dinge, die eine spätere Zeit als zoroastrische Charakteristica in

dem an sich religiös neutralen Text vermißt hat.

Die Erwähnung des Hundes würde uns noch nicht überraschen, ob¬

gleich Herodot (1. 140) uns schon berichtete, daß die Meder eine spezielle

Vorliebe für den Hund zeigten. Prüft man nun aber die Belege für den

Hund nach, so ergibt sich, daß er weder in den Gäthäs noch in den Yasts

noch im Yasna genannt ist, obgleich mit der Kulturstufe der Viehwirt¬

schaft und dem Rind, dessen Pflege Zarathustra so sehr am Herzen lag,

auch der Hund als Haustier vorausgesetzt werden muß. Mehr noch: ab¬

gesehen von zwei Fragmenten*, von denen das eine, das späte und dürf¬

tige Fae«?a-Fragment ebenso wie Vid. 8.141f. das Sagdld behandelt,

stammen sämtliche Zeugnisse für den Hund aus dem Videvdät :

a) Scheinbar als Haustier ist der Hund in dem besprochenen Kom¬

mentarfragment Vid. 3.3 erwähnt und möglicherweise ebenso scheinbar

noch in der Yima-Geschichte (Vid. 2.8f. fast = 12f., 16f. und Vid. 2.25

fast = 2.33), wo die Aufzählung +pasavasca staoräca maSyäca ,, Klein¬

vieh und Großvieh und Menschen" altertümlicher zu sein scheint als die

sechsgliedrige Kette (Gen. Plur.) ,, Kleinvieh und Großvieh und Menschen

und Hunde und Vögel und rote ... Feuer". Vogel und Hund sind andern¬

orts oft genug nebeneinander genamit (z. B. als Verschlepper von

Leichenteilen), so daß die Erwähnung der Hunde gleichsam automatisch

auch die der Vögel nach sich ziehen konnte.

b) Aber auch die ,,leichenfressendeii Vögel und Hunde" {sünö vä

kdrdfS.jf^arö vayö vä kardß.x^arö mit der Akkusativform sünö für den

Nominativ Plural in Vid. 6.45 f., wonach Vid. 6.47 f. gebildet ist"' sind

nicht überall als bare Münze zu nehmen. Die Ursteile ist Vid. 8.10, wo

die Erwähnung von aasfressenden Vögeln und Hunden deshalb an¬

gebracht ist, weil ein anfangs wegen imgünstiger Witterung abgesondert

im Hause niedergelegter Leichnam nachträglich inmitten der Siedlung

ausgesetzt wird. Hingegen sind beide Tierarten z. B. in Vid. 6.45f. nur

deshalb genannt, weil das anstößige Fragment, das von der altertüm¬

lichen Aussetzung der Leichen auf höchstgelegenen Orten handelt, zoro¬

astrisch zurechtgemacht werden sollte! In dem der Urfassung ange¬

hörigen Vid. 3.20, wo man den Leichen wärter, iristö.kaSa-, auf einem

Bergvorsprung tötet, fehlt die Interpolation. Hier spricht man nur von

* FrW 11 ( = Westergaard) und FrB ( = Fae^-Fragment).

^ Andere m. B. nach den „Modellen" Vid. 6.42 und Vid. 8.10 verfertigte Typen (s. u. imd Anm. 7): yezi aeSa nasuS aiwi.ynixta sünö vä karafS-x^arä

vayö vä karafS.x^arö Vid. 7.29 = 7.33 = 8.36 = 8.98 und äat yezi nasuS

anaiwi.ynixta sünö vä karajS-x^arö vayö vä kdrajS.yyarö Vid. 7.30 = 7.34 =

8.37 = 8.99. Schon von Bartholomae Wb. 469 als Glossen aufgefaßt:

„wenn diese Leiche angefressen ist — aasfressende Hunde oder aasfressende Vögel (tun das) —".

(5)

Toten Vorschriften und „Hiuide-Magie" im Videvdät 303

„den allergefräßigsten von den dem .heiligen' Geist entstammenden,

aasfressenden Geschöpfen, den Vögeln Geiern" {aS.x^ardtdmaeibyö

spantö.mainyavanqm dämanqm kdrdfS.x^arqm ... vayqm kahrkäsqm),

denen allein so abgelegene, hohe Felsen zugänglich sind.

Die medischen Magier bedienten sich also sichtlich stellenweise der

Nemiung des Himdes, um allzu imzoroastrisch anmutende, altertümliche

Textstückchen ihrer Religionsauffassung gemäß zu verbrämen. Wäre es

nur so, dann hätte allerdings mein Terminus „Hunde-Magie" noch keine

Berechtigung.

c) Doch hat der Hund auch magische Funktion, und zwar in dem schon

erwähnten Sagdid, wörtlich ,,Der Hund sah" (Vid. 8.14fF., Vaeßa-

Fragment). Von einem Weg, auf dem man einen Toten hinausgetragen

hat, verscheucht man nachträglich die Leichenhexe dadurch, daß man

einen ganz bestimmten Hund, der u. a. „vieräugig" (ca&ru.caSman-) sein

mußte, des Weges schickte. Seine Beschreibung ähnelt in so über¬

raschender Weise der Schilderung der beiden Hunde, die den indischen

Totengott Yama begleiten, aus Rgveda X.14.10*, daß hierin eine alte

indo-iranische, ja wohl indogermanische Vorstellung erhalten zu sein

scheint. Diese stellt also anscheinend den einen Ausgangspunkt für den

medisch-magischen Hunde-Kult dar, braucht aber nicht der einzige Aus¬

gangspunkt zu sein.

Für eine klare Beurteilung ist es jedoch nötig, die zuvor erwähnten

Hunde-Glossen sekundärer Art, die allzu unzoroastrisch anmutende

Textstücke dem „orthodoxen" Standpunkt anpassen sollten, abzuheben

gegenüber dem Ererbten, das seinen Niederschlag im Sagdid fand, sowie

gegenüber zwei weiteren Gruppen von möglicherweise typisch medisch-

magischen Zeugnissen:

d) In der einen Gruppe wird der Hund seinem Wesen nach geradezu

mit dem Menschen gleichgesetzt, und Vergehen an ihm werden mit ähn¬

lichen oder gar höheren Strafen geahirdet als entsprechende Vergehen an

Menschen. So in Vid. 13 und Vid. 15.3fiF.

e) In der anderen Gruppe wird die Hundeverehrung gleichsam ins

Überdimensionale gesteigert. Das betrifft den heiligen Otter, Vid. 13

Ende und Vid. 14. Ob in diesem Fall noch alte Fruchtbarkeitszauber mit

hineingespielt haben, vermag ich vorerst nicht zu entscheiden. Daß eg

sich um Spätes handelt (bzw. um spät Wiederdurchgebrochenes), läßt

sich aber mühelos nachweisen: das, was der Otterntöter an jeweils 10000.

fachen Schlägen und „guten Werken" auf sich zu nehmen hat (Vid.

• Aus lexikalischen Gründen schon von Babtholomae Wb. 578 f. genannt.

Neuerdings besprochen von Schlebath in seinem Aufsatz ,,Der Himd bei

den Indogermanen" = Paideuma VI. 25ff., 28 und 33f. (mit einer irischen Parallele).

(6)

342 Herbeet Franke

chi ^ ^ und den literarischen Namen (hao) Ts'un-chai # Er wurde

1341 in Hangchou geboren, hielt sich aber während der Wirren der chih-

cheng-Zeit auch in Ssu-ming 29 HJl und Suchou auf. In den ersten Jahren

der Ming-Dynastie war er Schulkommissar in denBezirken Jen-ho ^ 5fp,

Hangchou und I-yang 'S nachdem er sich durch seine Lieddichtungen

und als Erklärer des Ch'un-ch'iu einen gewissen Namen gemacht hatte,

und wurde schließlich zum Hilfslehrer in der Prinzenakademie (Kuo-tzu

chu-chiao M^- &} $k) befördert (nach 1400). Zu Beginn der yung-lo-Zeit (1403) trat er als Sekretär (chang-shih ^ ^t) in die Dienste des „Fürsten

von Chou" jS] I. Der Träger dieses Lehenstitels war der 5. Sohn des

Kaisers T'ai-tsu, Chu Su ^ ^M^. Ch'ü's Brotherr war anscheinend eine

Persönlichkeit von ebenso großem literarischen wie politischem Ehrgeiz.

1370 als „Fürst von Wu" belehnt, erhielt er den Titel Chou-wang 1378

und siedelte 1389 nach K'ai-feng über. 1389 überwarf er sich mit seinem

Vater. Nach dessen Tode mag er Hoffnungen auf die Thronfolge gehegt

haben, denn 1399 geriet er in den Verdacht umstürzlerischer Bestrebungen

und ging seines Lehens verlustig. Erst 1404 wurde er rehabilitiert, doch

1420 machte er sich erneut verdächtig und mußte 1421 in feierlicher

Zeremonie reuig seine Sünden bekennen. Er starb 1425. Er war ein

großer Freund der Literatur und dichtete auch selbst. Unter seinen Se¬

kretären, also den Amtsvorgängern des Ch'ü Yu, befanden sich namhafte

Literaten wie der spätere Han-lin-Gelehrte Wang Han (JM S. 150 III),

der, um nicht in die politischen Intrigen seines Herrn verstrickt zu

werden, dessen Dienst verließ.

1408 fiel Ch'ü in Ungnade, wie es heißt wegen eines Gedichtes. Er

wurde, nachdem er eine Zeitlang im Gefängnis gesessen hatte, zum ge¬

wöhnlichen Bürger degradiert, strafweise nach dem Grenzort Pao-an

^ (in der heutigen Provinz Suijdian) verschickt und dort „unter Polizei¬

aufsicht" gestellt (pien-kuan || ^). Chu Wen-tsao (vgl. S. 341 Anm. 6)

verweist zu dieser Affaire auf eine Lokalchronik Hang-chou fu-chih der

wan-li-Zeit, die mir aber nicht zugänglich ist.

Es ist nicht ausgeschlossen, daß Ch'ü die Verbannung seinem Brot¬

herrn, dem Fürsten von Chou, zu verdanken hatte. Wir lesen im Kuei-

t'ien shih-hua ch. 3,23 a—24 a, daß ein anderes Mitglied des fürstlichen

Hofstaats, nämlich der Lehrer (chiao-shou) T'eng Shih ^ ^ „auch in

eine Affaire verwickelt wurde und dorthin folgte", d. h. nach Pao-an ver¬

bannt wurde.

1425 wurde Ch'ü begnadigt, und zwar nach Angabe des Ch'i-hsiu lei-

kao (ch. 33,5b — 6a) durch das Eingreifen von Chang Fu ff, einem

1 Seine Biographie findet sich im Ming-shih ch. 116,9b — 14b; vgl. auch

JM S. 268 II. Das Ming-shih chi-shih lUJ ^5 ^ bringt vier Gedichte von

ihm nebst einigem anekdotischen Material (ed. Wan-yu wen-k'u, S. 34—35)

(7)

Totenvorschriften imd „Himde-Magie" im Videvdät 305

Der Pahlavi-Übersetzung bereitete es große Mühe, mit dem Text von

Vid. 3.14£F. fertig zu werden, was noch längere Pahlavi-Erläuterungen

auslöste. Tatsächlich hatte es nämlich in sasanidischer Zeit niemand mehr

nötig, von der Leichenhexe infiziert zu werden, und zwar auch nicht mehr

die beiden Leichenwärter selbst. Denn gegen den Leichenhexeneinfluß

von den Toten aus gab es längst das erwähnte Sagdid aus Vid. 8.14fiF.,

einen Text, der seinerseits — trotz bereits dürftiger Sprache — älter ist

als das Anhängsel Vid. 3.36—38, das die Strafen für »4-, 1- und 2-jährige

Erdbestattimg regelt. Und gegen die Besessenheit Lebender existierte

längst die Leichenhexenaustreibung im sprachlich ebenfalls dürftigen

Vid. 9. Iff. — Anzumerken ist noch, daß die Leichenhexe, druxS yä nasuä,

nur in sprachlich minderwertigen Texten erscheint und eindeutig ein

späterer Ersatz ist fürdieinderUrfassung von Vid. 3.14ff. noch klar zutage

tretende Schutzmaßnahme gegen Leichen und Leicheninfektionsgefahr.

Pahlavi-Übersetzung und -Erläuterung von Vid. 3.14(ff.) halfen sich

nun dadurch, daß sie in dem nicht mehr verstandenen iristö.kasa- jenen

erblickten, der allein eine Leiche trägt (rist kiS i evay-bar), und zwar frei¬

willig und in dem Wissen, daß es sich um eine Leiche handelt, an der das

Sagdid noch nicht vorgenommen war. Das vinäs i margarzän, die die

Todesstrafe nach sich ziehende Sünde (ungefähres Sjmonym zu tanäpuhr

= avest. tanu.p9r9&a-) traf laut Pahlavi-Übersetzung und -Erläuterung

also nur noch den wirklichen Sünder, nicht mehr — wie in früheren

Zeiten den Leichenwärter. (Die Umdeutungen und Milderungen des

modernen Parsismus gehen — laut Modi, The funeral ceremonies of the

Parsees — noch ein erhebliches Stück weiter, was in diesem Zusammen¬

hang aber nicht behandelt zu werden braucht.)

Nebenher erreichte es schon die Pahlavi-Übersetzung mit ihrer viel¬

leicht imfreiwilligen, da aus der Not geborenen Umdeutung von iristö.

kaSa- „Leichenwärter" zu jenem, der allein einen Toten trägt, daß sie

eventuellen ,, Konvertiten" der Sasanidenzeit nicht mehr die ganze Last

rudimentärer Grausamkeiten zumuten mußte. Ein gewisses Bemühen,

dem Zeitgeschmack nach dem 4. nachchristlichen Jahrhundert entgegen¬

zukommen, kann man nämlich der Pahlavi-Übersetzung nicht ab¬

sprechen.

Vid. 8.14 ff. (und Vid. 9.1 ff.) enthalten also modernere Totenvor¬

schriften als die Urfassung von Vid. 3. Von daher erklärt sich der merk¬

würdig starke Einfluß von Vid. 8 Anfang auf Fargard 3, indem man

nämlich durch Glosseneinschübe zu verfilzen suchte, was man thematisch

nicht mehr in Einklang bringen komite, aber aus Pietät gegen den hei¬

ligen Text nicht einfach ausmerzte.

Ein bedeutsames Beispiel findet sich unter den fünf unbehaglichsten

Plätzen der Erde. Geradezu naiv werden als 2. unbehaglichster Ort der

(8)

306 Annelies Kammenhubeb

Erde jener bezeichnet, ,,wo am meisten Leichen vergraben werden"

(Vid. 3.8: yat bä paiti fraeStdin sairi nikante) und als 3. unbehaglichster

jener, ,,wo am meisten dayma mittels Aufschichtung gemacht werden,

worauf tote Männer niedergelegt werden" (Vid. 3.9: yat bä paiti jraeätym

daxma uzdaeza kiryeinte yahmya narö irista nidayeinte). Als diese Zeilen

verfaßt wurden, existierten also beide Bestattungsbräuche noch neben¬

einander. Nach dem Siegeszug der «?a;^ma-Bestattung bedurfte aber die

in Vid. 3.8 noch daneben erwähnte Erdbestattung irgend einer zoroastri¬

schen Verbrämung. Daher fügte man als Erläuterung zu sairi ,, Leiche"'

die Glosse spänasca irista naraeca (sie!) irista ,,tote Himde und tote

Männer" ein, die aus dem Textinnern von Vid. 8.14 stammt^".

Wichtigste, der Urfassung von Vid. 3 entnehmbare Tatsache also, daß

zu diesem Zeitpunkt der daxma-Hitua noch durchaus nicht allgemein

gültig war. Analoges verrät z. B. auch noch Vid. 7.47 ff. — bereits in

schlechterem Avestisch. Und überhaupt ist, wenn man erst einmal hell¬

hörig geworden ist, dem Videvdät noch viel mehr an andersartigen Be¬

stattungsformen als der auf den dayma zu entnehmen, — etwas, was in

meiner Arbeit detailliert zusammengestellt ist.

Unter sämtlichen da;^ma-Belegen erweist sich Vid. 3.9 — mit schönen

grammatischen Raritäten wie den beiden einzigen Belegen für die 3. Plur.

Praes. Pass, in kirye'nte und niöaye'^nte — eindeutig als die älteste. Daran knüpfen sich einige wichtige Konsequenzen:

1. Die da;^ma-Bestattung beruht auf einer Erfindmig der medischen

Magier. Ihr Sinn könnte u. a. in dem Versuch liegen, die heUige Erde

noch sicherer vor dem Einfluß von Leichen zu schützen, als es bei frü¬

heren Bestattungsformen möglich war.

2. Wenn die (ia;^»na-Bestattung nicht von den frühen Achaemeniden

geübt wurde, sondern stattdessen laut Herodot (1.140) das Uberziehen

der Leichen mit Wachs nebst anschließender Erdbestattung, so kann

darin sehr wohl eine ältere, vermutlich regionale Lösung vorliegen, um

die Erde gemäß den Grundsätzen des Mazdaismus rein zu halten vom

Leicheneinfluß. Dies braucht also nicht mehr als Gegenargument gegen

das Bekenntnis der zarathustrischen Religion bei Dareios I., Xerxes usw.

gewer tet zu werden.

3. Das im späten Videvdät immer mehr zunehmende Betonen der

<üa;^TOa-Bestattung seitens der medischen Magier zeigt nicht, daß es sich

um einen allgemein im mazdaistischen Gebiet geübten Brauch handelt,

sondem vielmehr, daß es um eine lange umkämpfte Neuerung seitens

einer religiösen Gruppe geht.

4. Wie weit der Mazdaismus bereits in frühachaemenidischer Zeit nach

Westen verbreitet war, verrät uns ein Elephantine-Papyrus aus dem

10 Vgl. Anm. 8.

(9)

Totenvorschriften rmd „Himde-Magie" im Videvdät 307

5. vorchristlichen Jahrhmidert, in dem ein Ägjrpter einem peMd „Be¬

amten" schmähend vorwirft, daß er Mazdayasnier sei".

5. Nach all dem muß m. E. die Urfassung des Videvdät unter Xerxes

entstanden sein, in jener Zeit also, wo die Magier ihre Macht ja auch in

der Kalenderreform von 485 entfalten imd in der Dareios I. gegenüber

so schroffen Religionspolitik von Xerxes (s. Daiva-Inschrift!) zur Geltung bringen konnten.

Die sprachlich dürftigeren Zuwüchse, in denen sich dunkler Ritualis¬

mus und grausiger Aberglaube dokumentieren, entstammen dann im

großen und ganzen arsakidischer und möglicherweise noch frühsasani-

discher Zeit, d. h. jener Zeit der mehr oder minder konkurrenzlosen

Machtentfaltung der Magier.

Daß die Magier sich zur Sasanidenzeit, vom 4. nachchristlichen Jahr¬

hundert an, als Manichäismus, Gnosis und Christentum konkurrierten,

immerhin um ein wenig Anpassung an die neuen Verhältnisse bemühten,

zeigt die Pahlavi-Übersetzung, wie schon in einem Fall angedeutet'^.

Nicht alles, was die Pahlavi-Übersetzung bringt, beruht auf Mißverständ¬

nissen, es gibt auch halbwegs be^vußte Fälschungen. Ein Beispiel zum

Abschluß: das avestische „wo (ist) es erstens von dieser Erde am be¬

haglichsten?" (kva paoirim aiyhd zdmö ääiStsm, Vid. 3.1(flf.)) übersetzt

die Pahlavi-Übersetzung — wohl dank sklavischer Abhängigkeit von

einzelnen Wörtern der Vorlage — von Anfang an nicht ganz richtig

durch: ku fratum en zamik äsäntum}^ ,,wo (ist) erstens diese Erde am zu¬

friedensten ?" Erläuternd fügt sie hinzu: ku menük i zamlk äsänih haß öe

vei, etwa: ,,was (bringt) dem Geist der Erde am meisten Frieden?" —

Denkard VIII. 44 § 5 greift sich daraufhin für seine Inhaltsangabe von

Vid. 3.1—6 das ,, Geistigste" aus seiner Vorlage heraus und sagt nur noch —

und zwar in solcher Abhängigkeit von seiner Vorlage, der Pahlavi-

Übersetzung, daß sogar dieselben Wörter ideographisch geschrieben

werden: aßar zamlk mÄnük äsänih haö öe vei ,,Über (das), was dem Geist

der Erde am meisten an Frieden (bringt)".

11 Vgl. Kbaeling, The Brooklyn Aramaic Papyri S. 33f.

"ObenS. 81 f.

1' Kursive Minuskeln geben mittelpersisch geschriebene Wörter wieder,

senkrechte Minuskeln hingegen Ideogramme.

(10)

Grammatisches aus dem Apadanabuch

Von Heinz Bechert, Saarbrücken

Im Zusammenhang mit einer größeren Arbeit, für die einige Bemer¬

kungen zur Literaturgeschichte des Apadänabuches aus dem Pälikanon

notwendig waren', habe ich einige grammatische Besonderheiten dieses

Werkes notiert. Sie sind im folgenden, soweit sie mir beachtlich schienen,

ohne Anspruch auf Vollständigkeit zusammengestellt. Auch wird eine

sprachgeschichtliche Beurteilung vieler dieser Erscheinungen erst im

Zusammenhang mit einer historischen Grammatik des Päli nach unseren

heutigen Kenntnissen möglich sein. Eine solche gibt es noch nicht. Diese

Bemerkungen können vielleicht zu den Vorarbeiten dazu zählen. Sie

geben auch wieder Hinweise darauf, wie beachtlich die Angaben der

einheimischen Grammatik, insbesondere der Saddaniti des Aggavamsa,

in vielen Fällen sind^.

I. Zum Sandhi: 1,150 säham (so E«) soll für so'ham bzw. sv-äham

stehen, doch v. 1. C" (Vers 289) sv-aimm, Ap-a yv-aham, S*^ yo'ham

(Sd 639 n. 7). Vgl. CPD s. v. aham 3 B (p. 529 links). Die richtige Form

ist yv-aham. Ähnliches gilt für J III 364,24. ,,Dort sv-äham; somit

yv-äham (nicht mit G. § 71 yäham). Th 632c richtig sv-äjja, wie khv-ässa

usw., G. § 71c (vgl. altisl. fjar < fear, gr. -sac, < -y)o?). Die Beispiele

1 „Bruchstücke buddhistischer Verssammlungen", Teil I, erscheint in:

Sanskrittexte aus den Turfanfunden, herausgeg. von E. Waldschmidt. Die

Bemerkungen zum Apadäna selbst erscheinen WZKSO 1958.

^ Zahlen ohne nähere Angabe bezeichnen Stück und Vers des Theräpadäna

und zwar nach der vollen Nummer der Erzählungen. In der PTS-Ausgabe

fehlen Ap 332 bis 334. Dadurch ist in dieser Ausgabe die Niunmer der

Theräpadänas ab Nr. 332 um drei niedriger. Weitere Abkürzungen : Thi-ap =

rAeri-apcKÜäno; Buddhäp = Bvddhäpadäna ; Th-a, = Theragäthä-afthakathä ;

Thi-a = Thertgäthä-atthakathä; Ap-a = Apadäna-atthakathä (Viavddha-

janaviläsini) ; J = Jätaka; Pv = Petavatthu; Sd = Saddaniti, ed. Helmer

Smith, Lund 1928£f.; G. = Wilh. Geiger, Päli, Literatur und Sprache,

Straßburg 1916; CPD = A critical Päli Dictionary, begun by Trenckner,

Copenhagen; PED = The Päli Text Soc. Päli-Engl. Diet., London; Lilley =

M. E. Lille Y, The Apadäna, PTS, Part II, 1927, Foreword; MSS =

Münchener Studien zur Sprachwissenschaft; Ct. = Kommentar. Die Hand¬

schriften und Ausgaben sind mit denselben Zeichen (C™ C^ usw.) wie in der

Anm. 1 erwähnten Arbeit angegeben, und zwar nach dem im CPD ange¬

wandten System (d. h. C bedeutet singhalesische Hss. usw.). [Nachtrag:

Bv= Buddliayaihsa].

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