• Keine Ergebnisse gefunden

pen Harald Kleinschmidt

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "pen Harald Kleinschmidt"

Copied!
48
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

© 2019 Harald Kleinschmidt - http://doi.org/10.3726/ZWG0220193 - Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 Internationalen Lizenz Weitere Informationen: https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/

Zeitschrift für Weltgeschichte — Interdisziplinäre Perspektiven Jahrgang 20 - Heft 02 - Herbst 2019, Peter Lang, Berlin, S. 307–353

Harald Kleinschmidt

Die Verschmelzung von Universalität und Globalität.

Der Wandel der Wahrnehmung der Welt in Praxis und Theorie der Diplomatie während des 16. und 17. Jahrhunderts

1. Einleitung

Wie erschließen sich die Folgen kulturspezifischen Wandels der Weltwahr- nehmung? Die Frage zielt auf die Schnittfläche zwischen Praxis und Theorie weltweiten oder weltweit wirkenden Handelns.

1

Worum es dabei geht, soll einleitend an einem Beispiel kurz erläutert werden. Die frühen portugiesischen und spanischen Expeditionen führten bekanntlich zur sukzessiven Erweiterung des Anteils der von Wasser bedeckten Oberfläche des Planeten im europäischen Weltkartenbild während der ersten Dekade des 16. Jahrhunderts,

2

isolierten dadurch die weiterhin als begehbare Landmasse dargestellte trikontinentale Einheit von Afrika, Asien und Europa von einer zunehmenden Zahl größer werdender „Inseln und Festländer“

3

zwischen Europa und Asien. Kaiser Maxi- milian I. wusste schmerzlich genau, dass weder die kaiserliche Verwaltung noch irgendwelche Herrschaft tragenden Institutionen in den Territorien des Reichs

1 Zu diesem Begriff s. Harald Kleinschmidt: Normgebundenheit weltweiten Handelns.

Transkontinentale Migration als Beispiel, Berlin 2018, S. 8-12.

2 Zur Wahrnehmung der Verteilung von Land und Wasser auf der Oberfläche des Planeten s. Patrick Gautier Dalché: Comment penser l’océan? Modes de connaissance des fines orbis terrarum du Nord-Ouest (de l’Antiquité au XIIIe siècle), in: L’Europe et l’océan au moyen âge. Contribution à l’histoire de la navigation, Nantes 1988, S. 217-233; Claude Nicolet, Patrick Gautier Dalché: Les „quatres sages“ de Jules César et la „mesure du monde“ selon Jules Honorius, in: Journal des savants, 1986, S. 157-218; Arnold Norlind: Das Problem des gegenseitigen Verhältnisses von Land und Wasser und seine Behandlung im Mittelalter, Lund u. Leipzig 1918, bes. S. 12-15, 37-40; Emil Wisotzki:

Die Verteilung von Wasser und Land an der Erdoberfläche, Phil. Diss. Königsberg 1879.

3 Alexander VI., Papst: Bullen Inter caetera [3. Mai 1493], Eximiae devotionis [3. Mai 1493], Inter cetera [4. Mai 1493], Piis fidelium [25. Juni 1493], Dudum siquidem [26. September 1493], in: Josef Metzler (Hg.): America Pontificia primi saeculi evan- gelizationis 1493–1592. Nrn. 1-4. Bd. 1, Vatikanstadt 1991, S. 72-89.

pen

(2)

an den frühen portugiesischen und spanischen Expeditionen mitwirkten, und Maximilian sah sich gezwungen, für eine Beteiligung deutscher Kaufleute an der dritten portugiesischen Fahrt nach Südasien zu werben

4

und über diese Fahrten berichten zu lassen.

5

Wenn jeder wissen konnte, dass nicht Kaiser und

4 Eintrag in die Augsburger Stadtchronik unter dem 24. März 1505 über die Teilnahme deutscher Kaufleute an der (dritten) portugiesischen Expedition nach Südasien, in:

Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 1, 1879, S. 100-102.

5 Balthasar Springer: Die Merfart vnd erfarung nüwer Schiffung vnd Wege zuo viln onerkanten Inseln vnd Künigreichen. 1509, Hs. Gießen: Universitätsbibliothek, cod.

CCXIX [Nachdruck: Franz Schulze (Hg.): Balthasar Springers Indienfahrt, Straßburg 1902; die Originalhandschrift war bereits herausgegeben u. d. T.: Iter Indicum, in: Ed- mond Martène (Hg.): Voyage littéraire de deux religieux Bénédictines de la congrégation de S. Maur, Paris 1724, S. 361-378; weitere Ausg. in: Franz Hümmerich (Hg.): Quellen und Untersuchungen zur Fahrt der ersten Deutschen nach dem portugiesischen Indien, München 1918, S. 104-126; auch in: Andreas Erhard, Eva Ramminger (Hg.): Die Meerfahrt. Balthasar Springers Reise zur Pfefferküste, Innsbruck 1998, S. 8-51]; dazu s.

Beate Borowka-Clausberg: Balthasar Springer und der frühneuzeitliche Reisebericht, München 1999; Winfried Frey: Balthasar Sprengers “Merfart”, in: Dietrich Huschen- bett, John Margetts (Hg.): Reisen und Welterfahrung in der deutschen Literatur des Mittelalters, Würzburg 1991, S. 277-289; Walter Grosshaupt: Commercial Relations between Portugal and the Merchants of Augsburg and Nuremberg, in: La découverte, le Portugal et l’Europe. Colloque 1988, Paris 1990, S. 360-385; Konrad Haebler: Die überseeischen Unternehmungen der Welser und ihrer Gesellschafter, Leipzig 1903, S. 8-17; Franz Hümmerich: Die erste deutsche Handelsfahrt nach Indien 1505/06, München 1922; Christoph von Imhoff: Nürnbergs Indienpioniere. Reiseberichte von der ersten oberdeutschen Handelsfahrt nach Indien 1505/6, in: Pirckheimer-Jahrbuch 2, 1986, S. 11-44; Hermann Kellenbenz: The Portuguese Discoveries and the Italian and German Initiatives in the Indian Trade in the First Two Decades of the 16th Century, in:

Congresso Internacional Bartolomeu Dias e a sua época. Actas. Bd. 3, Porto 1989, S. 609- 23; Renate Kleinschmid: Balthasar Springer. Eine quellenkritische Untersuchung, Phil.

Diss. Wien 1966; Dies.: Balthasar Springers Merfart, eine ethnohistorische Primärquelle, in: Mitteilungen. Akademische Druck- und Verlagsanstalt 14, 1968, S. 7-17; Harald Kleinschmidt: Ruling the Waves. Emperor Maximilian I, the Search for Islands and the Transformation of the European World Picture c. 1500, Utrecht 2007, S. 416-418;

Hedwig Kömmerling-Fitzler: Der Nürnberger Kaufmann Georg Pock (†1528/29) in Portugiesisch-Indien und im Edelsteinland Vijanayagara, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 55, 1967, S. 137-184; Friedrich Kunstmann: Die Fahrt der ersten Deutschen nach dem portugiesischen Indien, München 1861, S. 5-12;

Donald Frederick Lach: Asia in the Making of Europe. Bd. 1, Chicago u. London 1965, S. 107-114; Hildegard Stielau: Balthasar Springers Meerfahrt von 1509, in: Acta

(3)

Harald Kleinschmidt: Die Verschmelzung von Universalität und Globalität | 309

Reich die Expeditionen veranlasst hatten, sondern die Partikularherrscher in der Iberischen Halbinsel, wurde jede kaiserliche Propaganda hohl, die den direkten Anspruch auf Universalherrschaft artikulieren sollte. Aber genau darauf kam es im Zusammenhang mit den Vorbereitungen zur Kaiserproklamation in der zweiten Hälfte des ersten Jahrzehnts des 16. Jahrhunderts an. Wenn Maximilian keine Möglichkeit mehr haben sollte, auf legitime Weite irgendeinen Anspruch auf Universalherrschaft zu äußern, war die Legitimität des kaiserlichen Amts in Frage gestellt, die derjenigen der Partikularherrscher voranstehen sollte.

Gemessen an dem politischen Gewicht dieser Anforderungen an Maximi- lians Theorie universaler Herrschaft war die Lösung nichts weniger als genial.

Maximilian nutzte die habsburgischen dynastischen Beziehungen sowohl nach Portugal als auch in die spanischen Königreiche in Verbindung mit der gerade eben durch den Hofhistoriografen Jakob Mennel

6

neu fabrizierten Genealogie

Germanica 12, 1980, S. 61-114; Hubert Freiherr von Welser: Der Globus des Lucas Rem, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 48, 1958, S. 96- 114; Hermann Wiesflecker: Kaiser Maximilian I. Das Reich, Österreich und Europa an der Wende zur Neuzeit. Bd. 5, München 1986, S. 447-466.

6 Zu Mennel s. Gerd Althoff: Studien zur habsburgischen Merowingersage, in:

Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 87, 1979, S. 77-100, hier S. 90, 96 f.; Jörg W. Busch: Certi et veris cupidus. Die Behandlung geschicht- licher Zweifelsfälle und verdächtiger Dokumente um 1100, um 1300 und um 1475, München 2001, S. 234-253; Eva Irblich: Genealogie Kaiser Maximilians I., in: Dies.

(Hg.): Thesaurus Austriacus, Wien 1996, S. 136-142; Wolfgang Irtenkauf: Jakob Mennel, Hofgenealoge Kaiser Maximilians I., in: Egon Kühebacher (Hg.): Literatur und bildende Kunst im Tiroler Mittelalter, Innsbruck 1982, S. 53-63; Paul Joachimsen:

Geschichtsauffassung und Geschichtsschreibung in Deutschland unter dem Einfluß des Humanismus, Leipzig 1910, S. 91-104, 277 [Nachdruck: Aalen 1968]; Simon Laschitzer: Die Genealogie des Kaisers Maximilian I., in: Jahrbuch der Kunsthistori- schen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses 8, 1888, S. 20-31; Alphons Lhotsky:

Dr. Jacob Mennel. Ein Vorarlberger im Kreise Kaiser Maximilians I., in: Alemannia 10, 1936, S. 1-15 [wieder abgedruckt in: Ders.: Aufsätze und Vorträge (Hg.: Hans Wagner, Heinrich Koller). Bd. 2, München 1970]; Ders.: Neue Studien über Leben und Werk Jacob Mennels, in: Montfort 6, 1951/52, S. 3-12 [wieder abgedruckt in: Ders.: Aufsätze (wie oben)]; Theodor Mayer: St. Trudpert und der Breisgau, in: Ders. (Hg.): Beiträge zur Geschichte von St. Trudpert, Freiburg 1937, S. 11-30 [wieder abgedruckt in: Ders.:

Mittelalterliche Studien, Lindau u. Konstanz 1959, S. 273-288]; Dieter Mertens: Ge- schichte und Dynastie. Zu Methode und Ziel der „Fürstlichen Chronik“ Jakob Mennels, in: Kurt Andermann (Hg.): Historiographie am Oberrhein, Sigmaringen 1988, S. 121- 153; Marianne Pollheimer: Wie der jung weiß kunig die alten gedachtnus insbesonders

(4)

der Habsburger als der vermeintlich kaiserlichen Dynastie schlechthin,

7

um sich als Oberherr über die portugiesischen Stützpunkte in Afrika, Asien und der Terra Sanctae Crucis, dem nordöstlichen Teil Südamerikas, sowie die spanischen Nie- derlassungen in der kolumbischen Inselwelt zu positionieren. Indem er über diese Möglichkeiten reflektierte und reflektieren ließ, kategorisierte er herrschaftliches Handeln als Konnex von Traditionalität und Rationalität.

8

In seiner Theorie war herrscherliches Handeln traditional, da er Legitimität von Herrschaft als Ausfluss des Vorrangs von Abkunft mit Hilfe von Genealogien und genealogiebezogener Historiografie darstellen ließ.

9

Mit anderen Worten: Der Vorrang an Herr- schaftsträgerschaft, die ihm als kaiserlicher und Universalherrscher gegenüber insbesondere den iberischen Monarchen sowie hochrangigen Herrschaftsträgern im Reich zukommen sollte, wurde so dargestellt, als sei er durch unbestreitbare Länge der auf Noah zurückgeführten habsburgischen Genealogie begründbar.

10

Das drucktechnische Monumentalwerk des Stammbaums im Zentralbereich der Ehrenpforte mit Maximilian selbst an der Spitze gab diesem Anspruch bildlichen Ausdruck. Zugleich aber ließ Maximilian herrscherliches Handeln als rational

lieb het. Maximilian I., Jakob Mennel und die frühmittelalterliche Geschichte der Habsburger in der „Fürstlichen Chronik“, in: Richard Corradini, Christina Pössel, Philip Shaw (Hg.): Texts and Identities in the Early Middle Ages, Wien 2006, S. 165-176; Linda Webers, Christoph Hagemann: Frankreich unter Habsburgs Fittichen. Zur politischen Argumentation von Genealogie in der Fürstlichen Chronik Jakob Mennels, in: Sieglinde Hartmann (Hg.): Kaiser Maximilian I. (1459–1519) und die Hofkultur seiner Zeit, Wiesbaden 2009, S. 305-319; Ludwig Welti: Dr. Jakob Mennel, Hofgeschichtsschreiber Maximilians I., in: Montfort 22, 1970, S. 16-33.

7 Jakob Mennel: Fürstlich Chronickh kayser maximilians geburt spiegel. 5 Bde. in 6 Teilen. Hs. Wien: Österreichische Nationalbibliothek Cod. 3072, 3073, 3074, 3075, 3076, 3077. Bd. 2 bietet eine deszendierende Genealogie der Habsburger als Vertreter der „teutschen Franken“ bis zu Philipp dem Schönen und dessen Sohn Karl.

8 Hier zusammengeführt gegen die spätere Unterscheidung von Max[imilian] Weber:

Wirtschaft und Gesellschaft (Hg.: Johannes Winckelmann), Kap. I, § 2, Studienausg., Tübingen 51980, S. 12 [Erstdruck: Tübingen 1922].

9 Dazu Gerd Melville: Geschichte in graphischer Gestalt. Untersuchungen zu einem spätmittelalterlichen Darstellungsprinzip, in: Hans Patze (Hg.): Geschichtsschreibung und Geschichtsbewusstsein im späten Mittelalter, Sigmaringen 1987, S. 57-154, hier S. 91-94, 96-99.

10 Jakob Mennel: [Memorandum für Karl als Kandidat für die Thronfolge in Kastilien], um 1515. Hs. Wien: Österreichisches Staatsarchiv, Haus, Hof- und Staatsarchiv, Kasten Blau 56.

(5)

Harald Kleinschmidt: Die Verschmelzung von Universalität und Globalität | 311

erscheinen. Denn die Legitimität kaiserlicher Herrschaft als Universalherrschaft ließ er ohne jede Anbindung an Eschatologie keineswegs als Ausfluss göttlicher Gnade begründen, sondern nur mit den rationalen Argumenten seines Vorrangs, den er von hauptsächlich militärischem Erfolg ableitete sowie als rechtsetzende Oberherrschaft über Länder und Leute in allen Teilen der Welt sowie die Seewege dorthin darstellen ließ. Die zahlreichen Schlachtenbilder in der Ehrenpforte, das dort gezeigte Wappen der „XVc Inseln“ zwischen Europa

11

und Asien sowie die im Triumphzug vor dem Kaiser im Triumphwagen paradierenden „unterworfe- nen Völker“ der „kalikutischen Leut“

12

verliehen dieser Begründung wiederum bildlichen Ausdruck. Dadurch, dass beide Bildwerke als Drucke konzipiert und hergestellt wurden, war ihre weite Verbreitung im Sinn einer Bildpropaganda mindestens möglich.

13

Maximilians Handeln als kaiserlicher Universalherrscher war demnach weltweit wirkendes Handeln im Sinn seiner Orientierung auf den Globus als Ganzen – mit der trikontinentalen Ökumene und anderer Verteilung von Land und Wasser auf der Erdoberfläche als der, die in der Perspektive der Internatio- nalen Raumstation abbildbar ist –, in dem die „kalikutischen Leut“, scheinbar

11 Maximilian I., Römisch-deutscher Kaiser: Die Ehrenpforte des Kaisers Maximilian I. [nach 1507] (Hg.: Eduard Chmelarz), Wien 1886 = Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses. Bd. 4, Supplement [Nachdruck: Unter- schneidheim 1972].

12 Maximilian I., Römisch-deutscher Kaiser: Triumphzug [Hs. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 2835, nach 1507], s. auch Franz Schestag (Hg.): Kaiser Maxi- milian I. Triumph, in: Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses 1, 1883, S. 154-181, Textausg., S. 155-172 [Textabdruck der Überschrift

„Kaiser Maximilian des Ersten disz namens hochlöbilichister gedechtnus Triumph“, in:

Tabulae codicum manu scriptorum praeter Graecos et Orientales in Bibliotheca Palatina Vindobonensi. Bd. 2, Wien 1864, S. 135; Nachdruck: Graz 1965]; Franz Winzinger (Hg.): Die Miniaturen zum Triumphzug Kaiser Maximilians. 2 Bde., Graz 1972-1973, Bd. 2. Nr. 57, S. 37 [zu den kalikutischen Leuten].

13 Zur Kreuzzugsideologie Maximilians s. Heinz Angermeier (Hg.): Deutsche Reichstags- akten unter Maximilian I., Reichstag von Worms 1495. Bd. 1. Teil 1: Akten, Urkunden und Korrespondenzen, Göttingen 1981, S. 89-116; Maximilian I., Römisch-deutscher Kaiser: Anslag wider die Türcken [1517]. Hs. Wien: Österreichisches Staatsarchiv, Haus- , Hof- und Staatsarchiv, Fz 30B (1517) 2, fol. 131r-140v; dazu s. Christina Lutter:

Politische Kommunikation an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit. Die diploma- tischen Beziehungen zwischen der Republik Venedig und Maximilian I. (1495–1508), Wien u. München 1998, bes. S. 70-74, 79-82, 170 f.

(6)

unter portugiesischer Kontrolle, als papierne Repräsentanten der entferntesten Winkel des Globus dienten. Es sollte weltweite Wirkungen mindestens inso- weit entfalten, als es Kaufleute des deutschen Sprachraums zur Beteiligung an transkontinentalen Wirtschaftsprojekten anhalten sollte. Dabei hielt Maximilian an den aus der Antike überkommenen Konventionen der Weltwahrnehmung fest. Denn sie erlaubten ihm die Zuversicht, dass sein Kaisertum dann mit Universalherrschaft identisch sei, wenn er Leute in Afrika und im fernen Osten sowie auf den Inseln im fernen Westen der trikontinentalen Ökumene als seine Untertanen ausgeben konnte.

Das Beispiel dokumentiert die pragmatische Seite der Orientierung von Herrschaft auf den Globus als Ganzen, der nicht die in der ISS-Perspektive aufscheinende bildliche Gestalt hatte. Die theoretische Reflexion über welt- weit wirkendes Handeln trat seit der Mitte des 16. Jahrhunderts in der wieder dichter werdenden Überlieferung von Lehrbüchern der Diplomatie und fach- wissenschaftlichem, in erster Linie juristischen, aber auch theologischen und philosophischen Hochschulqualifikationsschrifttum hervor. Im Folgenden sollen Zeugnisse politischer Pragmatik aus dem frühen 16. Jahrhundert im Umkreis Maximilians mit Aussagen zur Theorie diplomatischen Handelns haupsächlich des späten 16. und des 17. Jahrhunderts verknüpft werden zur Formulierung von Antworten auf die Frage, welche Folgen die Abkehr vom Weltkartenbild der trikontinentalen Ökumene auf den Wandel der Normgebundenheit welt- weiten oder weltweit wirkenden Handelns und die Konzeptionalisierung von Universalität mit besonderer Berücksichtigung der Diplomatie hatte.

2. Maximilian I. als Universalherrscher

Maximilian scheint Zeit seines Lebens an der Ansicht festgehalten zu haben, dass die Einheit der vom Ozeankreis umgürteten Ökumene fortbestehe, dass mithin die kolumbischen Inselwelten vor der asiatischen Ostküste zu suchen seien. Diese Ansicht warf die seit dem 11. Jahrhundert immer wieder gestellte Problematik auf, ob ozeanische Inseln und Inselwelten terrae nullius seien, da sie außerhalb der begeh- und bewohnbaren terra lagen.

14

Obwohl weder Maximilian selbst noch Personen in seinem unmittelbaren Umkreis zu dieser Problematik ausdrücklich Stellung bezogen, ist doch zu erkennen, dass Maximilian die kolumbischen Inselwelten in zweierlei Weise negativ bestimmte. Zum einen ging er davon aus,

14 Dazu s. Luis Weckmann [-Muñoz]: Las bulas Alejandrinas de 1493 y la teoría política del papado medieval, Mexiko 1949.

(7)

Harald Kleinschmidt: Die Verschmelzung von Universalität und Globalität | 313

dass die kolumbischen Inselwelten keiner Herrschaft unterstellt seien, dass er sie somit in den universalen Herrschaftsbereich des Römischen Reichs einzufügen befugt sei. Zum anderen nahm er nicht an, dass die päpstlichen Investituredikte des Jahres 1493 zugunsten der Katholischen Könige in irgendeiner Weise die Herrschaftsinteressen des Römischen Kaisers zu beeinträchtigen in der Lage seien.

Was immer die Katholischen Könige in den kolumbischen Inselwelten kraft der im Namen Papst Alexanders VI. erlassenen Edikte anordnen können mochten, weitergehende Rechte des Römischen Kaisers schienen von den Edikten nicht tangiert zu sein. Der Wortlaut der Edikte stützt diese Annahme insofern, als der Papst keine originären Herrschaftsansprüche geltend machte, mit denen er die Katholischen Könige hätte belehnen können, sondern die Könige mit den zur Durchführung der Mission erforderlich erscheinenden Kompetenzen ausstattete.

Die päpstliche Kanzlei ging folglich zunächst von der These aus, dass dem Papst keine Oberherrschaft über die kolumbischen Inselwelten eigne.

15

Zehn Jahre nach dem Erscheinen von Sebastian Brants Ausgabe der deutschen Fassung des sogenannten Kolumbusbriefs

16

erreichte Maximilian den Höhepunkt seiner Suche nach ozeanischen Inseln. Die Ergebnisse dieser Suche sind nieder- gelegt in den Großdrucken der Ehrenpforte und des Triumphzugs. Seit 1507 drang Maximilian darauf, die Vorbereitungen zur Drucklegung dieser Werke zu beschleunigen, die er in den Dienst seiner für das folgende Jahr 1508 geplanten Kaiserproklamation stellen wollte.

17

Es war die Zeit der Planungen für den Kon- stanzer Reichstag, der im Jahr 1507 stattfand.

18

In diesem Jahr war Maximilians

15 Maximilians Kenntnis der Edikte ist durch das Vorhandensein einer der seltenen Druck- ausgaben der Bulle Inter cetera des Jahrs 1493 zusammen mit einer handschriftlichen Kopie in Wien nahegelegt; dazu s. Peter Krendl: Ein neuer Brief zur ersten Indienfahrt Vasco da Gamas, in: Mitteilungen des Österreicischen Staatsarchivs 33, 1980, S. 1-21, hier S. 20 f.

16 Christoph Kolumbus: [Kolumbusbrief, erste, lateinische Ausg. von Leandro de Cosco, 29. April 1493], deutsche Fassung in: Konrad Häbler: Der deutsche Kolumbusbrief, Straßburg 1900.

17 Zur Entstehung der Ehrenpforte s. Thomas Ulrich Schwarte: Die Ehrenpforte für Kaiser Maximilian I. Dürer und Altdorfer im Dienst des Herrschers, München u. Berlin 2001, S. 31.

18 Zum Konstanzer Reichstag s. das Einladungsschreiben Maximilians in: Burkhard Georg Spalatin: Historischer Nachlaß und Briefe (Hg.: Christian Gotthelf Neude- cker, Ludwig Preller). Bd. 1, Jena 1851, S. 204-220; teilediert in: Hermann Wiesfle- cker, Inge Wiesflecker-Friedhuber (Hg.): Quellen zur Geschichte Maximilians I. und seiner Zeit, Darmstadt 1996, S. 152-160; s. auch Johannes Janssen (Hg.): Frankfurts

(8)

Interesse an Wandlungen des Weltkartenbilds so weit bekannt geworden, dass die in St. Dié tätigen Geografen Johann Ringmann und Martin Waldseemüller die ihrer Weltkarte beigegebene Schrift Introductio in cosmographiam universalem ihm dedizieren konnten.

19

Zwei Darstellungen in der Ehrenpforte und im Triumphzug bezeugen Ma- ximilians Interesse am Osten Asiens. Es handelt sich um klassische Zeugnisse der Politik im Sinn der Dokumentation von Herrschaftsansprüchen. Jedoch sind sie nicht in der Form verbaler Stellungnahmen abgefasst, sondern be- dienen sich der Sprache des Bilds. Sie passen sich damit ein in den von Maxi- milian mit Nachdruck betriebenen Einsatz des gedruckten Bilds als Medium der Selbstdarstellung

20

und artikulieren die Forderung des Kaisers nach seiner

Reichscorrespondenz nebst verwandten Aktenstücken von 1376–1519, Nr. 904 f.

Bd. 2, Freiburg 1872, S. 702-709; Johann Joachim Müller: Des Heiligen Römischen Reiches ... Deutscher Nation ReichsTagsStaat von 1500–1508 unter Maximilian I. ...

Regierung, Jena 1709, S. 49-52.

19 Matthias Ringmann, Martin Waldseemüller: Cosmographiae Introductio, Straß- burg 1507 [Faksimile (Hg.: Franz Ritter von Wieser), Straßburg 1907]; die Widmung an Maximilian ist gesondert ediert in Franz Laubenberger: Ringmann oder Wald- seemüller? Eine kritische Untersuchung über den Ursprung des Namens Amerika, in:

Erdkunde 13, 1959, S. 163-179, hier S. 172, 175.

20 Zu Maximilians Einsatz des Buchdrucks als Propagandainstrument s. Falk Eisermann:

Bevor die Blätter fliegen lernten. Buchdruck, politische Kommunikation und die

„Medienrevolution“ des 15. Jahrhunderts, in: Karl-Heinz Spieß (Hg.): Medien der Kommunikation im Mittelalter, Stuttgart 2003, S. 289-320; Werner Faulstich: Medien zwischen Herrschaft und Revolte. Die Medienkultur der frühen Neuzeit (1400-1700), Göttingen 1998, S. 250-284; Michael Giesecke: Der Buchdruck in der frühen Neuzeit.

Eine historische Fallstudies über die Durchsetzung neuer Informations- und Kommu- nikationstechnologien, Nachdruck: Frankfurt/Main 1998, S. 63-207, 700 f. [zuerst:

Frankfurt/Main 1991]; Thomas Schauerte: Der Herold an der Druckerpresse. Tradition und Innovation in Kaiser Maximilians I. Gedächniswerk, in: Gabriele Windeck, Karin Leonhard, Markus Friedrich (Hg.): Evidentia. Reichweiten visueller Wahrnehmung in der Frühen Neuzeit, Münster 2007, S. 137-162; Ders.: Größe als Argument. Genealogie als Movens der neuen Gattung der Riesenholzschnitte im 16. Jahrhundert, in: Christoph Kampmann u.a. (Hg.): Neue Modelle im Alten Europa. Traditionsbruch und Innovation als Herausforderung in der Frühen Neuzeit, Köln u.a. 2012, S. 67-85; Larry Silver:

Paper Pageants. The Triumphs of Emperor Maximilian I, in: Barbara Leslie Wollesen- Wisch, Susan Scott Munshower (Hg.): “All the world’s a stage…” Art and Pageantry in the Renaissance and Baroque. Part I, University Park 1990; Ders.: Marketing Maximi- lian. The Visual Ideology of a Holy [sic!] Roman Emperor, Princeton 2008, S. 1-145;

(9)

Harald Kleinschmidt: Die Verschmelzung von Universalität und Globalität | 315

Anerkennung als siegreicher Beherrscher der Welt. Die erste Darstellung findet sich sowohl in der Ehrenpforte als auch im Triumphzug in dem Banner mit dem Wappen nicht näher lokalisierter „XVc Inseln“. In der kolorierten Fassung des Triumphzugs ist eine weibliche Figur mit breitem Weltenmantel abgebildet, der mit Sternen besetzt ist. Die Figur steht vor blauem Hintergrund, in dem sich ebenfalls Sterne befinden. Offensichtlich sollten der blaue Farbton Wasser, die Sterne Inseln bedeuten. In der Ehrenpforte ist dasselbe Wappen als Schwarzweiß- druck ohne Frauengestalt enthalten. Das Wappen ist ohne erkennbare Vorbilder, ein heraldisches Phantasieprodukt. Es steht in beiden Quellen zusammen mit Wappen, die als tatsächliche Herrschaftszeichen in Gebrauch waren. Also darf die retrospektive Unterscheidung zwischen einmaligen oder nur sehr selten belegten Phantasiewappen und gängigen Wappen mit Bezug auf leicht lokali- sierbare Herrschaftssubstrate nicht zu dem Fehlschluss Anlass geben, als hätten in ihrer eigenen Zeit die Phantasiewappen geringere Aussagekraft beansprucht als oft belegte Wappen mit lokalisierbarem Herrschaftssubstrat. Im Gegenteil:

mangelnde Gängigkeit eines Wappens und Probleme der Lokalisierbarkeit der mit ihnen bezeichneten Herrschaftssubstrate deuten eher darauf hin, dass das Wappen aus einem aktuellen Anlass gestaltet wurde, für den die hergebrachten heraldischen Mittel nicht hinreichten.

21

Was war der Anlass für das Wappen der „XVc Inseln“ und wo sollten sie liegen? Zwar ist nicht bekannt, wann dieses Wappen in das Ensemble der Ehrenpforte und des Triumphzugs eingefügt wurde. Aber die Annahme ist möglich, dass der Hauptzweck der beiden Druckwerke, nämlich die Artikula- tion von Maximilians Herrschaftsansprüchen in seiner Eigenschaft als oberster Repräsentant des Römischen Reichs, bereits am Beginn der Arbeiten feststand.

Damit werden die Planungen für die Kaiserproklamation als Anlass für die Er- findung des Wappens wahrscheinlich. Die weitere Frage, wie Maximilian den Anspruch auf die „XVc Inseln“ begründete, hängt von deren Lokalisation ab.

Carl Wehmer: Mit gemäl und schrift. Kaiser Maximilian und der Buchdruck, in: In libro humanitas. Festschrift für Wilhelm Hoffmann, Stuttgart 1962, S. 24-75; Hilde- gard Zimmermann: Hans Burgkmair des Älteren Holzschnittfolge zur Genealogie Kaiser Maximilians I., in: Jahrbuch der Königlich Preußischen Kunstsammlungen 36, 1915, S. 39-64.

21 Dazu s. Georg Scheibelreiter: Die Wappenreihe des österreichischen Fabelfürsten in der sogenannten Chronik der 95 Herrschaften (um 1390), in: Les armoriaux médiévaux, Paris 1997, S. 187-207 [wieder abgedruckt in: Ders.: Wappenbild und Verwandtschafts- geflecht, Köln u.a. 2009, S. 163-176].

(10)

Die Inseln können selbstverständlich nur dann lokalisiert werden, wenn das Weltkartenbild der Zeit um 1500 zugrunde gelegt wird, nicht das heutige.

22

Diese Voraussetzung ergibt sich schon aus dem Kontext, in den das Wappen der „XVc Inseln“ in der Ehrenpforte gestellt ist. Es folgt als letztes, rechtes Glied in der untersten Wappenreihe des rechten Hauptturms. In dieser Reihe finden sich außerdem ein Wappen mit der Überschrift „Gibraltaris et insularum Canarie“ sowie ein weiteres Wappen mit der Überschrift „Insularum Indicarum et maris occdt“ (mit einer Tilde über dem Buchstaben d). Die Lesung des lin- ken Wappens verweist auf Ozeanbereiche im Süden der Iberischen Halbinsel, die unter spanischer Kontrolle standen. Es scheint möglich, die Abkürzung occdt mit occidentalis aufzulösen und mit dieser den gut überlieferten Ge- wässernamen Mare occidentale zusammenzustellen.

23

Dieser Name war mit den Varianten Oceanus occidentalis und Oceanus occiduus in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts für ozeanische Wasserflächen östlich Asiens oder für die von Kolumbus befahrenen Gegenden in Gebrauch,

24

für die jedoch zugleich der konkurrierende Name Mare Oceanum benutzt wurde. Letzterer war der häufigere und findet sich entgegen dem Originaldruck der Ehrenpforte in der

22 Alfred Kohler: Maximilian I. und das Reich des „1500 Inseln“, in: Elisabeth Zeilinger (Hg.): Österreich und die Neue Welt, Wien 1993, S. 3-17, hier S. 3 f., verfährt anders und positioniert die Inseln in der Karibik.

23 Ebd., S. 4, und Krendl: Brief (wie Anm. 15), S. 3, lesen Mare Oceanum; vgl. hin- gegen Vesconte Maggiolo: Planisfero, 1504 [Fano: Biblioteca Federiciana, Ms. I.5.4.];

Benedetto Bordone: Isolario, Venedig 1528 [München: Bayerische Staatsbibliothek, 2 Mapp. 34m]; Planisfero Castiglioni, um 1525 [Mantua: Biblioteca Castiglioni]; Drucke in: Guglielmo Cavallo (Hg.): Cristoforo Colombo e l’apertura degli spazi. Bd. 2, Rom 1992, S. 664 f., 747, zwischen 616 und 617.

24 Oceanus occidentalis in Martin Waldseemüller: Carta marina, 1516, in: Nils Adolf Erik Nordenskjöld: Facsimile Atlas to the Early History of Cartography, Stockholm 1889, Tafel XXXV [Nachdruck (Hg.: J. B. Post): New York 1973]; Gregor Reisch: Weltkarte in: Ders.: Margarita philosophica, in: Nordenskjöld: Atlas (wie oben), Tafel XXXVIII];

Heinrich Glareanus [= Heinirch Loriti aus Glarus]: Gedruckte Weltkarte, 1510, in: Nils Adolf Erik Nordenskjöld: Periplus. An Essay to the Early History of Charts and Sailing Directions, Stockholm 1897, Tafel 82 [Nachdruck: New York 1967]; Ders.: Gedruckte Weltkarte, vor 1520, in: Nordenskjöld: Periplus (wie oben), Tafel 91]; Bordone: Isolario (wie Anm. 23); Eugen Oberhummer: Die Brixener Globen von 1522 in der Sammlung Hauslab-Liechtenstein, Wien u. Leipzig 1926, Nr. 3, Tafel 2; Oceanus occiduus, in:

Diogo Homem: Karte des Nordatlantik, 1558 [London: British Library], in: Hans Wolff (Hg.): America. Das frühe Bild der Neuen Welt, München 1992, S. 60.

(11)

Harald Kleinschmidt: Die Verschmelzung von Universalität und Globalität | 317

von Willibald Pirckheimer überlieferten Lesung der Überschrift.

25

Obwohl der Name Mare Oceanum auch andere Wasserflächen als die vor der asiatischen Ostküste gelegenen bezeichnen konnte, wurde am häufigsten von ihm in den Urkunden zur Vorbereitung und Durchführung der Kolumbusfahrten Gebrauch gemacht.

26

In diesen Quellen waren mit diesem Namen stets die von Kolumbus befahrenen oder zu befahrenden Gewässer gemeint. Es ist also wahrscheinlich, dass sich das Wappen auf Inseln bezog, die im westlichen Teil des Ozeans vor der Ostküste Asiens gelegen sein sollten.

Die Zusammenstellung von Gibraltar mit den Inseln im Mare occidentale oder Mare Oceanum sowie den „XVc Inseln“ erlaubt folglich den Schluss, dass nach der der Ehrenpforte zugrunde liegenden Weltwahrnehmung die „XVc Inseln“

in einem Weltteil liegen sollten, der als Mare occidentale oder Mare Oceanum galt. Es bleibt unter dieser Voraussetzung der Rückbezug auf die Inselwelt um Zipangu,

27

die seit Fra Mauro

28

und Toscanelli

29

vor der asiatischen Ostküste postuliert wurde. Kolumbus hielt Toscanellis Ansichten für empirisch bestätigt, als er in der Gegend, die er der asiatischen Ostküste vorgelagert sah, eine große

25 Willibald Pirckheimer: Opera politica, historica, philologica et epistolica, Frankfurt/

Main 1610, S. 181: „Gibraltaris & Insularum Indiarum maris Oceani, XVc Insulae In- sularum Canariae“.

26 Schon in der ersten Urkunde der Katholischen Könige für Kolumbus vom 40. April 1492, in: Martin Fernandez de Navarrete (Hg.): Colección de los viages y descubri- mientos que hicieron por mar los españoles desde fines del siglo XV. Bd. 2, Madrid

21859, Nr. 2, S. 19 f.

27 Dazu s. Leonid Breitfuss: Early Maps of North-Eastern Asia and of the Lands around the North Pacific, in: Imago Mundi 3, 1939, S. 87-99; Boies Penrose: Travel and Discovery in the Renaissance 1420–1620, Cambridge/MA 1952, S. 155-168 [erweitere Ausg.: Cambridge/MA 1955; weitere Ausg.: Cambridge/MA 1967; New York 1962;

1975; London 2001]; Oskar Hermann Khristian Spate: The Spanish Lake, Minneapolis 1979, S. 25-57; Paul Graf Teleki: Atlas zur Geschichte der Kartographie der Japani- schen Inseln, Budapest 1909 [Nachdruck: Nendeln 1966]; Lawrence C. Wroth: The Early Cartography of the Pacific, in: Papers of the Bibliographical Society of America 38, 1944, S. 87-268.

28 Fra Mauro: Il Mappamondo, in: Piero Falchetta: Fra Mauro’s World Map. With a Commentary and translations of the Inscriptions, Turnhout 2006, Nr. 589, S. 300-303].

29 Hermann Wagner: Die Rekonstruktion der Toscanelli-Karte vom J[ahr] 1474 und die Pseudo-Facsimilia des Behaim-Globus vom J[ahr] 1492, in: Nachrichten von der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen, Philos.-Hist. Kl., 1894, S. 208-312.

(12)

Anzahl Inseln vorfand, und wähnte sich in der Nähe Zipangus.

30

Die in seinem Brief an Papst Alexander VI. vom Jahr 1502 genannte Zahl von „mehr als 1400 Inseln“, die Kolumbus gefunden zu haben beanspruchte,

31

kam dem Herr- schaftsanspruch Maximilians erstaunlich nahe. Allerdings ist unwahrscheinlich, dass Maximilian von dem Schreiben des Kolumbus Kenntnis erhielt. Wird die Zahl 1500 nicht wörtlich genommen, sondern als Ausdruck für eine sehr große Inselgruppe, kann das Wappen der „XVc Inseln“ als Zeugnis dafür gelten, dass es im Sinn der trikontinentalen Ökumene die von Kolumbus auf dem Weg nach Asien aufgesuchte, scheinbar dem Kontinent Asien östlich vorgelagerte Insel- welt bezeichnen sollte. Maximilians Lokalisierung dieser Inselgruppe erlaubt daher den Schluss, dass er diejenigen Inseln im Ozean zwischen Europa und Asien für sich reklamierte, die nach dem Tordesillas-Vertrag unter spanischer Kontrolle standen.

32

Diese zunächst absonderlich anmutende Konstruktion erklärt sich leicht im Blick auf die Ergebnisse von Maximilians Heiratspolitik. Maximilian konnte spätestens ab 1516 behaupten, dass sein Nachkomme rechtmäßiger Beherr- scher Spaniens und der unter spanischer Kontrolle stehenden überseeischen Gebiete und Bevölkerungsgruppen sei. Da alle übrigen Herrschaftstitel, die Maximilian in der Ehrenpforte und im Triumphzug für sich behaupten ließ, ebenso auf dynastische Beziehungen gegründet waren und da Maximilian mit erheblichem Aufwand darauf gedrungen hatte, diese dynastischen Beziehungen mit genealogischen Befunden zu untermauern, ist der Schluss erlaubt, dass er auch die „XVc Inseln“ für sich beanspruchte, da er sich als Ahnherr künftiger spanischer Herrscher und in seiner Eigenschaft als oberster Repräsentant des Römischen Reichs zum Oberherrn auch über die spanischen Überseeherrschaf- ten stilisieren konnte. Gleichwohl handelte es sich, nota bene, um Propaganda, nicht um handfeste Herrschaftsrechte. Anders als bei Karl V., in dessen Titel während der frühen Herrschaftsjahre auf Afrika und Indien sowie die „XVc

30 Christoph Kolumbus: Diario de abordo, Einträge vom 23. Oktober 1492, 24. Oktober 1492, 26. Oktober 1492, (Hg.: Luis Arranz), Madrid 1985, S. 106 f.

31 Kolumbus: Kolumbusbrief (wie Anm. 16).

32 Vertrag Aragón/Kastilien – Portugal, Tordesillas, 7. Juni 1494, in: Wilhelm Carl Georg Grewe (Hg.): Fontes historiae juris gentium. Bd. 2, Berlin u. New York 1992, S. 110- 116; auch in Frances Gardiner Davenport (Hg.): European Treaties Bearing on the History of the United States and Its Dependencies to 1648. Bd. 1, Washington 1917, S. 86-93; auch in Karl Strupp (Hg.): Urkunden zur Geschichte des Völkerrechts. Nr. V.

Bd. 1, Gotha 1911, S. 5-11.

(13)

Harald Kleinschmidt: Die Verschmelzung von Universalität und Globalität | 319

Inseln“ Bezug genommen wurde,

33

fehlt ein solcher Gebrauch bei Maximilian.

34

Der Grund ist offensichtlich. Maximilian war nie selbst Beherrscher Spaniens.

Indem er den Anspruch einer Oberherrschaft über die „XVc Inseln“ an das Römische Kaisertum band, gab er zu erkennen, dass er dieses als dynastisch be- gründete Oberherrschaft zu definieren gewillt war. Neben vielen anderen Teilen Europas betraf diese Definition auch die spanischen Königreiche. Maximilians Anspruch auf Oberherrschaft über die vor der asiatischen Ostküste vermuteten Inselwelten diente also dazu, das römische Kaisertum als Herrschaft über den Teil des Ozeans zwischen der Tordesillas-Linie und der asiatischen Ostküste darzustellen, der nach dem Tordesillas-Vertrag unter spanischer Kontrolle stand.

Die zweite Darstellung findet sich nur im Triumphzug, bestätigt jedoch diese Überlegungen von anderer Warte. Es handelt sich um die Abbildung derjenigen Personengruppe, deren Angehörige zu den im Triumphzug vorzuführenden

„unterworfenen Völkern“ zählen sollten. Maximilian ließ sie „kalikutische Leut“

nennen und gab seit 1512 wiederholt genaue Instruktionen, wie sie im Triumph- zug darzustellen sein sollten. Diesen Instruktionen zufolge sollten sie wie die Landsknechte in Reih und Glied paradieren,

35

eine Schrifttafel tragen, die sie als dem Kaiser untertänig identifizierte, und sie sollten als erste vor der kaiser- lichen Familie im Triumphwagen des Kaisers voranschreiten.

36

Der Hofmaler Jörg Kölderer oder, wie man neuerdings meint, Albrecht Altdorfer, führte den Wunsch Maximilians gehorsam aus.

37

Aber das Gemälde, das die Vorlage für einen später anzufertigenden Holzschnitt sein sollte, fand nicht die Billigung des Holzschneiders Hans Burgkmair in Augsburg. Burgkmair, der gewissermaßen für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig war, hielt sich weder an Maximilians Instruktionen noch an Kölderer/Altdorfers Vorlage, sondern komponierte das Bild der „kalikutischen Leut“ für den Druck des Triumphzugs völlig neu. Der Zeitpunkt, zu dem Burgkmair mit den Arbeiten an diesem Bild beauftragt

33 S. Ludovico Marliano: De ordine aurei velleris serenissimi Caroli regis catholici etc., in: Rerum Germanicarum scriptores. Bd. 5, Straßburg 1717, S. 148.

34 Dazu s. Harald Kleinschmidt: Charles V. The World Emperor, Sutton 2005, S. 123;

Kohler: Maximilian (wie Anm. 22), S. 6.

35 Text in Winzinger: Miniaturen (wie Anm. 12), Nr. 57, S. 37; Abbildung in Klein- schmidt: Ruling (wie Anm. 5), S. 186.

36 Zuerst in Maximilians Instruktion an Marx Treitzsaurwein vom Jahr 1512. Wien: Öster- reichische Nationalbibliothek, Cod. 2835, fol. 25v; Druck in Schestag: Triumph (wie Anm. 12), S. 172.

37 Wien: Albertina, Inventarnummer 25259.

(14)

wurde,

38

ist unklar. Aber offensichtlich benutzte Burgkmair eine Vorlage, die er selbst zur Bebilderung des Reiseberichts Balthasar Springers beigetragen hatte.

39

Dafür hatte Burgkmair das Bild einer weiblichen Figur gestaltet, die aus dem in Südostafrika lokalisierten Ort Allago stammen sollte. Dieses Bild fügte Burgk- mair in seine Darstellung der „kalikutischen Leut“ für den Triumphzug ein. Die Frauenfigur umgab Burgkmair mit einigen locker gruppierten Personen, darunter mehreren Trägern von Federtrachten, die identisch sind mit denjenigen, welche in den frühesten deutschsprachigen Berichten über die Reise des Alviso Cabral im Jahr 1500 zur Terra Sanctae Crucis abgebildet sind.

40

Schließlich sind unter Burgkmairs „kalikutischen Leut“ Personen zu finden, deren Trachten Süd- und

38 Zu Burgkmairs Werken für Maximilian s. Fedja Anzelewsky: Ein unbekannter Entwurf Hans Burgkmairs für das Reiterdenkmal Kaiser Maximilians, in: Ursula Schlegel, Claus Zoege von Manteuffel (Hg.): Festschrift für Peter Metz, Berlin 1965, S. 295-304; Ludwig von Baldass: Die Bildnisse Kaiser Maximilians I., in: Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses 31, 1913/14, S. 247-334; Harry Francis:

The Equestrian Portait of the Emperor Maximilian I by Hans Burgkmair, in: Bulletin of the Cleveland Museum of Arts 39, 1952, S. 223-35; Theodor Frimmel: Ergänzungen zu Burgkmairs Genealogie des Kaisers Maximilian I., in: Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses 10, 1889, S. CCCXXV-CCCLII; Paul Geissler: Hans Burgkmairs Genealogie Kaiser Maximilians I., in: Gutenberg-Jahrbuch, 1965, S. 251-255; Irblich: Genealogie (wie Anm. 6); Zimmermann: Hans Burgkmair (wie Anm. 20).

39 Springer: Merfart (wie Anm. 5), S. 8-51.

40 Zu den bildlichen Darstellungen s. Robert F. Berkhofer, Jr: The White Man’s In- dian. Images of the American Indian from Columbus to the Present, New York 1979, S. 72-80; Dietrich Briesemeister: Frühe Berichte über die spanischen Eroberungen in deutschen Übersetzungen des 16. Jahrhunderts, in: Karl Kohut u.a. (Hg.): Der er- oberte Kontinent. Historische Realität, Rechtfertigung und literarische Darstellung der Kolonisation Amerikas, Frankfurt/Main 1991, S. 246-259; Susi Colin: Das Bild des Indianers im 16. Jahrhundert, Idstein 1988; Tilman Falk: Frühe Rezeption der Neuen Welt in der graphischen Kunst, in: Wolfgang Reinhard (Hg.): Humanismus und Neue Welt, Weinheim 1987, S. 37-64; Hildegard Frübis: Die Wirklichkeit des Fremden.

Die Darstellung der Neuen Welt im 16. Jahrhundert, Berlin 1995, S. 109-121; Stephen Greenblatt: Marvelous Possessions. The Wonder of the New World, Chicago u.

London 1991, S. 52-85; Alfred Hornbogen: Theodor de Bry. Frühe Indianerbilder aus Le Moyne de Morgues Bericht über die zweite Reise René de Laudonnieres nach Florida (1562), Graz 1958; Georg Leidinger: Die älteste bekannte Abbildung süd- amerikanischer Indianer, in: Aloys Ruppel (Hg.): Gvtenberg Festschrift zvr Feier des 25jährigen Bestehens des Gvtenberg Mvsevms in Mainz, Mainz 1925, S. 179-181; Jean

(15)

Harald Kleinschmidt: Die Verschmelzung von Universalität und Globalität | 321

Westasien zugeordnet werden können. Also vereinigte die Gruppe der „kaliku- tischen Leut“ Burgkmairs Personen, die für ihn und seine Zeitgenossen durch ihre Bekleidung als aus Asien, Afrika und der Terra Sanctae Crucis stammend erkennbar waren.

Wie kann diese ungewöhnliche Synthese erklärt werden? Maximilian wusste wie auch Burgkmair und alle anderen Interessierten dieser Zeit, dass Kalikut in Asien lag. Zwar war der Handelsplatz Kalikut an der Südwestküste Südasiens in Europa seit dem 15. Jahrhundert durch den Bericht de’ Contis bekannt.

41

Aber erst die Berichte über die portugiesischen Expeditionen lieferten Details und er- reichten ein größeres Publikum im gesamteuropäischen Bereich. Für Burgkmair kann die Kenntnis Kalikuts zusätzlich erschlossen werden aus der Tatsache, dass er an der Illustration zu Springers Asienbericht beteiligt war. Für Maximilian ergibt sie sich aus dem Umstand, dass er bereits im Jahr 1503 seinem Kanzler Cyprian von Serntein anriet, man müsse bereit sein, für das Wohl des Hauses Österreich sogar bis nach Kalikut, also bis an das Ende der Welt, zu gehen.

42

Der Grund dafür, dass in Burgkmairs Bild der „kalikutischen Leut“ Personen aus Asien, Afrika und der Terra Sanctae Crucis zusammengestellt waren, kann also

Michel Massing: Early European Images of America. The Ethnographic Approach, in:

Jay A. Levenson (Hg.): Circa 1492. Art in the Age of Exploration, Washington 1991, S. 514-520; Cäcilie Quetsch: Die „Entdeckung der Welt“ in der deutschen Graphik der beginnenden Neuzeit. 2 Bde., Phil. Diss. Erlangen 1983; Rudolf Schuller: The Oldest Known Illustration of South American Indians, in: Historical Records and Stu- dies [United States Catholic Historical Society] 9, 1917, S. 885-895; Ders.: The Oldest Known Illustration of South American Indians, in: Indian Notes 7, 1930, S. 484-496;

Friedrich Wilhelm Sixel: Die deutsche Vorstellung vom Indianer in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, in: Annali del Pontifico Museo Missionario Etnologico 30, 1966, S. 9-230 [Separatdruck: Vatikanstadt 1966]; William C. Sturtevant: First Visual Images of Native America, in: Fredi Chiapelli (Hg.): First Images of America. Bd. 1, Berkeley 1976, S. 417-454; Abdruck der sogenannten Cantino-Karte in: Cavallo:

Colombo (wie Anm. 23). Bd. 2, zwischen S. 736 und 737.

41 S. Waldemar Sensburg: Poggio Bracciolini und Nicolò de Conti in ihrer Bedeutung für die Geographie des Renaissancezeitalters, in: Mitteilungen der K[aiserlich]-K[öniglichen]

Geographischen Gesellschaft in Wien 49 (1906), S. 257-376, hier S. 324 [Phil. Diss.

München: Technische Hochschule 1906].

42 Innsbruck: Tiroler Landesarchiv, Autographen; zitiert in: Kohler: Maximilian (wie Anm. 22), S. 6. Zu Serntein s. Gesa Wilangowski: Frieden schreiben im Spätmittelalter.

Entstehung einer Vertragsdiplomatie zwischen Maximilian I., dem Römisch-Deutschen Reich und Frankreich, Berlin u. Boston 2018, S. 189-202.

(16)

nicht in der Unkenntnis des Künstlers oder seines Auftraggebers liegen. Wenn es eine Gemeinsamkeit für die drei Personengruppen gab, dann muss sie selbst- verständlich nicht in den dort lebenden Gruppen, sondern in den europäischen Perzeptionen auf sie gesucht werden.

Mustert man europäische Perzeptionen auf Asien, Afrika und die Terra Sanctae Crucis in der Zeitspanne um 1510 durch, so fällt auf, dass es sich um Weltteile handelte, die nach dem Tordesillas-Vertrag in die portugiesisch kontrollierte Zone fielen. Die „kalikutischen Leut“ wurden somit vorgestellt als Anrainer derjenigen Wasserflächen, die in der Sicht einiger Europäer unter portugiesische Kontrolle gekommen waren. Maximilian stammte über seine Mutter Eleonore, die Tochter Eduards von Portugal gewesen war, von der damals herrschenden portugiesischen Dynastie ab. Der um 1500 herrschende portugiesische König Manuel I. war somit Maximilians Großneffe. Folglich konnte Maximilian sich als älterer Verwandter des portugiesischen Königs darstellen. In derselben Weise, in der Maximilian die Oberherrschaft über die „XVc Inseln“ östlich Asiens für sich als Oberherr über die spanischen Könige reklamierte, beanspruchte er Oberherrschaft über die „kaliku- tischen Leut“ als Verwandter der portugiesischen Dynastie.

So fügten sich die Wappen der „XVc Inseln“ in der Ehrenpforte und im Triumphzug sowie das Bild der „kalikutischen Leut“ zusammen zu dem kühnen Anspruch, der Römische Kaiser sei Oberherr über die portugiesischen Weltteile in der Terra Sanctae Crucis, in Afrika und im Fernen Osten sowie dem spanischen Weltteil im Fernen Westen. Die Schnittlinie, an der der Ferne Osten und der Ferne Westen aufeinander trafen, verlief in dieser Weltwahrnehmung vor der Ostküste Asiens in Gewässern, in denen Kolumbus sich bewegt zu haben schien.

In Maximilians Weltwahrnehmung erstreckte sich folglich Universalherrschaft von Europa ausgehehend einerseits nach Westen bis in die von Kolumbus auf- gesuchte, vor der asiatischen Ostküste lokalisierte Inselwelt und andererseits nach Osten hin in den als Indien bezeichneten und von den Portugiesen erschlossenen Ostteil Asiens. Vor der Ostküste Asiens rundete sich Maximilians Begriff der Universalherrschaft ab zur globalen, die Gemengelage von Land und Wasser überspannenden kaiserlichen Oberherrschaft über die Welt als Ganze.

3. Zwischenbetrachtung: Möglichkeiten der Erschließung der Theorie der internationalen Beziehungen Maximilians

Es scheint ein weiter Weg zu sein von den Beobachtungen zu Maximilians Kai-

serpropaganda und der nur locker an damals bereits erkennbare geografische

Fakten geknüpften Suche nach vielen Inseln im fernen Ozean zu einer Theorie

der internationalen Beziehungen. Unter der Vielzahl von Schriftquellen, die er

(17)

Harald Kleinschmidt: Die Verschmelzung von Universalität und Globalität | 323

selbst verfasst zu haben scheint, die seinen Namen tragen, von ihm mandatiert wurden oder auf ihn bezogen sind, ist kein Text, den die heutige Politikwissen- schaft als „Theorie“ anerkennen könnte.

43

Maximilian war gleichwohl keineswegs wissenschaftsfeindlich, sondern verstand es sogar, Gelehrte für sich in Dienst zu nehmen, auch ohne sie angemessen bezahlen zu können. Gewissenhafte Leute wie Jakob Mennel

44

und Johann Stabius

45

waren darunter, sannen auf neue

43 Herfried Münkler, Grit Strassburger: Politische Theorie und Ideengeschichte. Eine Einführung, München 2016, S. 11-15; Christian Schwaabe: Politische Theorie. Von Platon bis zur Postmoderne, München 42018. S. 9-11 [zuerst: München 2007]; einen breiteren Kreis von Texten bezieht ein Peter Nitschke: Einführung in die Politische Theorie der Prämoderne, Darmstadt 2000 [u. d. T.: Politische Theorie der Prämoderne, Darmstadt 22011].

44 Jakob Mennel: Bůch von den erlauchten vnnd verrümbten weybern des loblichen haus habsburg vnd österreich. Hs. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Cod.

3077xx, 3077xxx (Teil 5 der ersten Fassung der Fürstlichen Chronik; die übrigen Teile sind verloren); Ders.: Chronica Habsburgensis nuper rigmatice edita, Konstanz 1507 (lateinische Fassung der Chronik von Heinrich von Klingenberg); Ders.: Chronica domus Austriae, 1507. Hs. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 2800*, fol. 2v: „Ich dasselbig ordentlich beschryben E. Mayt vnnd derselben nachkommen zu ewiger gedechtnus sondere buecher davon machen soll.“; fol. 31v: Priamos und Francio an der Spitze des Stammbaums; Ders.: Kaiser Maximilians besonder Buch genannt der Zaiger.

Hs. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 7892 (Bilderindex zur Chronik);

Ders.: Der „Habsburger Kalender“ (Urfassung [1513 x 1514], Hg.: Wolfgang Irtenkauf), Göppingen 1979, S. 1-4 [Autograph. Hs. Stuttgart: Württembergische Landesbiblio- thek, HB V 43; zweite Fassung. Hs. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Cod.

3305; 3. Fassung. Hs. Bibliothek des Klosters St. Paul in Kärnten]; Ders.: Keyserall vnd Babstall ... aller Romischen Keyser vnd Babst historien, Basel 1522 (Hs. Wien:

Österreichische Nationalbibliothek, Cod. n. 8786); Ders.: Seel unnd Heiligen buch Keiser Maximilians altfordern, Freiburg 1522 (Teildruck von Bd. 5 der Chronik);

Ders.: Ain hüpsche Chronik von Heidnischen vnd Christenkunigen der Teutschen vnd Welschen Francken, Freiburg 1523 (enthält wesentliche Teile von Bd. 2 der Chronik);

Simon Laschitzer: Die Heiligen aus der „Sipp-, Mag- und Schwägerschaft“ des Kai- sers Maximilian I, in: Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses 4, 1886, S. 70-288, 5, 1887, S. 117-261, hier S. 75-88.

45 Johannes Stabius: Scriptum Joannis Stabii super conclusionibus genealogie illustrissi- me Austrie, 1515. Hs. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 3327; Ders.:

Clavis [zur Ehrenpforte], in: Chmelarz (Hg.): Ehrenpforte (wie Anm. 11), fol. 1 f.;

Ders.: Ein Bericht über die Werke Maximilians I., 1519 [Hs. Hannover, Staatsarchiv, Cod. y 17, Bd. 1, fol. 799 (Hg.: Samuel Steinherz)], in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 27, 1906, S. 152-155.

(18)

Wege der Dynastiehistoriografie und förderten mit vermeintlichen Belegen der trojanischen Abkunft der Habsburger ohne Einschluss des Frankenkönigs Karl scheinbar Erstaunliches zutage.

46

Für die Weltwahrnehmung indes griff man in der Umgebung Maximilians wie auch sonst in der Zeit auf Bewährtes aus antiker Überlieferung zurück. Aber gerade die Veränderungen der Weltwahrnehmung sowie deren Niederschlag in Kartografie und Historiografie stellten die be- stehenden Gewissheiten in Frage. Nur solange Maximilian hoffen konnte, dass das scheinbar neu gewonnene Wissen mit dem geografischen Erbe der Antike vereinbar sei, konnte er sich als Oberherr über die kolumbischen Inselwelten sowie über fern liegenden Orte in der portugiesischer Kontrolle unterstellten Zone positionieren wollen. Der Tod kam zu Maximilian als Freund, ersparte er ihm doch die bittere Einsicht, dass die geografischen Theorien der Antike unhaltbar waren.

Die Ausrichtung auf das Pragmatische brachte es also mit sich, dass Maximilian und der ihn umgebende Humanistenkreis Theorien nicht notwendigerweise im Medium der Schrift niederlegen mussten, sondern gewissermaßen hinter Kartenbildern und Stammbäumen verbergen konnten. Da Karten- und andere Bildwerke Theorien nicht direkt zur Sprache bringen, müssen diese Theorien rekonstruiert werden. Auch pragmatisches Schrifttum wie etwa herrscherliche Instruktionen gibt die hinter ihm stehenden Theorien nicht immer direkt preis.

Politische Theorien als Reflexionen über herrscherliches Handeln sind folglich nicht selten Rekonstruktionen, und der Umstand, dass sie im Fall Maximilians über Karten und andere Bilder zugänglich sind, bedeutet keine besondere Zu- gangsschwierigkeit. Welche theoretischen Reflexionen auf das Handeln Maxi- milians lassen sich aus der Ehrenpforte und dem Triumphzug rekonstruieren? Es waren Reflexionen über die Art universaler Herrschaft. Die Integration von Welt- bildwandlungen in die überlieferten geografischen Weltbilder war für Maximilian aus zwei Gründen schwierig: Zum einen erzwangen nicht nur die kolumbischen transozeanischen Expeditionen, sondern auch die portugiesischen Asienfahrten das Zugeständnis, dass in das überkommene Weltbild größere Wasserflächen und komplexere Inselwelten einzufügen waren als diejenigen, die die biblische und die

46 Mennel: Chronickh (wie Anm. 7), Cod. 3072x, 3073, fol. 2v: „Ottpertus erster Graff zu Habsburg“, fol. 21r-34r, Kap. IV: „wie nach diser zerstörung das römisch reich desgleichen Teutsch vnd welsch Franckenreich von Troy herkommen seyen“, 3074, Übersicht über die fränkisch-französischen Könige von Chlodwig bis Philipp dem Guten.

(19)

Harald Kleinschmidt: Die Verschmelzung von Universalität und Globalität | 325

ptolemäische Überlieferung sowie die Isolarien mittelalterlicher Überlieferung

47

zuließen. Zum anderen hatte Maximilian keine direkte Kommandogewalt über die Expeditionen. Er konnte folglich die Vorgaben der antik-mittelalterlichen Universalismustheorie

48

nicht umsetzen, mithin Universalherrschaft weder als

47 AbŪ Ğafar Muhammad Ibn Mūsā al Ḫuwārizmī (um 820): Kitāb Sūrat al-ar (Hg.:

Hans von Mžik, Das Kitāb Sūrat al-ar des Abū Ğafar Muhammad Ibn Mūsā al Ḫuwārizmī, Leipzig 1926 [Kosmografie mit angehängtem Inselverzeichnis; Ms.

Strasbourg: Bibliothèque Universitaire; lateinische Fassung. Ms. Madrid: Biblioteca Nacional]); Niccolò Scyllacio: De insulis meridiani atque Indici Maris nuper inventis (Hg.: John Mulligan), New York 1859; Henricus Martellus: [Isolari- um]. Hs. London: British Library, Add. Ms. 15760; Bordone: Isolario (wie Anm.

23); Isolario, Venedig 1528 [München: Bayerische Staatsbibliothek, 2 Mapp. 34m;

abgedruckt in: Cavallo: Colombo (wie Anm. 23), S. 747]; dazu s. Roberto Al- magià: I mappamondi di Enrico Martello e alcuni concetti geografici di Cristoforo Colombo, in: La Bibliofilia 42, 1940, S. 288-311; Dietrich Huschenbett: Von landen und ynselen. Literarische und geistliche Meerfahrten nach Palästina im späten Mittelalter, in: Norbert Richard Wolf (Hg.): Wissensorganisierende und wissens- vermittelnde Literatur im Mittelalter, Wiesbaden 1987, S. 187-200; Günter Georg Kinzel: Die rechtliche Begründung der frühen portugiesischen Landnahmen an der westafrikanischen Küste zur Zeit Heinrichs des Seefahrers, Göppingen 1976, S. 101-128; Hartmut Kugler: Imago Mundi. Kartographische Skizze und litera- rische Beschreibung, in: Wolfgang Harms, Jan-Dirk Müller (Hg.): Mediävistische Komparatistk. Festschrift für Franz Josef Worstbrock zum 60. Geburtstag, Stuttgart u.

Leipzig 1997, S. 88 f.; Marica Milanesi: Il sbquoDe Insulis et earum proprietatibus‘

di Domenico Silvestri (1385–1406), in: Geographia antiqua 2, 1993, S. 133-146;

George Tolias: Isolarii. Fifteenth to Seventeenth Century, in: David Woodward (Hg.): History of Cartography. Bd. 3. Teil 1, Chicago u. London 2007, S. 263-284;

Rosemary Tzanaki: Mandeville’s Medieval Audiences. A Study on the Reception of the Book of Sir John Mandeville (1371–1550), Aldershot 2003, S. 83-134; Franz Wawrik: Isolario, in: Ingrid Kretschmer (Hg.): Lexikon zur Geschichte der Karto- graphie. Bd. 1, Wien 1986, S. 401 f.

48 Dazu s. Ulrike Asche: Roms Weltherrschaftsidee und Außenpolitik in der Spätantike im Spiegel der Panegyrici Latini, Bonn 1983; Friedrich Baethgen: Zur Geschichte der Weltherrschaftsidee im späteren Mittelalter, in: Peter Classen, Peter Scheibert (Hg.):

Festschrift Percy Ernst Schramm. Bd. 1, Wiesbaden 1964, S. 189-203; Hans Joachim Kirfel: Weltherrschaftsidee und Bündnispolitik. Untersuchungen zur Politik der Staufer, Bonn 1959, S. 84-171; Harald Kleinschmidt: Geschichte des Völkerrechts in Krieg und Frieden, Tübingen 2013, S. 53-57, 73-76, 89-93.

(20)

friedensbringende Herrschaft nur über die begehbare trikontinentale Ökumene darstellen noch als Ausfluss eigenen Handelns ausgeben lassen. Unter Einbezug des neuen geografischen Wissens musste er Universalherrschaft neu definieren als die Befugnis zur obersten Regulierungsgewalt über Bevölkerungsgruppen ir- gendwo in der Welt unter der Kontrolle legitimer europäischer Herrschaftsträger sowie die Benutzung von Wasserwegen zwischen der trikontinentalen Ökumene und den scheinbar neuen Inselwelten, die sich dem Kartenbild auftaten.

Mit der seiner Theorie der internationalen Beziehungen immanenten Wahr- nehmung kaiserlichen Handelns fügte Maximilian mithin die beiden von Max Weber als getrennt kategorisierten „reinen Typen“ rationaler und traditionaler Herrschaft zu einem einzigen Legitimationskonzept zusammen. Die Traditio- nalität ergänzende Rationalität maximilianeischer Herrschaftswahrnehmung lässt sich besonders gut an einem Ereignis beobachten, das – man mag es be- dauern – eine Quisquilie der Maximilianzeit geblieben ist, nämlich der auf einen Vorschlag des Erasmus von Rotterdam

49

folgende Abschluss eines allgemeinen Friedensvertrags in London im Jahr 1518. Durch dieses Abkommen sollte ein allgemeiner Friede durch zielorientiertes menschliches Vertragshandeln gesetzt, nicht aber im Sinn der augustinischen Theologie als Ausfluss göttlichen Willens bestimmt sein. Ihm traten außer Maximilian neben anderen sein Enkel Karl als König von Aragón, König Franz I. von Frankreich, König Heinrich VIII. von England sowie der Papst bei. Der Vertrag verpflichtete die ihn unterzeichnen- den Herrscher zur friedlichen Beilegung aller Streitigkeiten. Er blieb bis in das Jahr 1524 Gegenstand diplomatischer Kontroversen und wurde erst mit der Schlacht von Pavia 1525 zu den Akten gelegt.

50

Gleichwohl enthüllte der Vertrag

49 Desiderius Erasmus: Querela pacis, 1517, in: Ders.: Opera omnia (Hg.: Johannes Clericus). Bd. 4, Leiden 1703, Sp. 625-642, hier Sp. 641 [Nachdruck: Hildesheim 1962]; auch in: Erasmus: Opera omnia. Ordo IV. Bd. 1 (Hg.: Otto Herding), Amsterdam 1974, S. 1-100; in seiner Institutio principis Christiani vom Jahr 1515, in: Erasmus: Opera omnia. Bd. 4. Teil 1 (Hg.: Otto Herding), Amsterdam, 1974, gebrauchte Erasmus die Formulierung tranquillitas publica, um die Bewahrung des Gleichgewichts als erste Herrscheraufgabe zu bezeichnen.

50 Vertrag England/Frankreich/Aragón/Kastilien – Römischer Kaiser/Papst u.a., London, 2. Oktober 1518 (allgemeiner Friedensvertrag), in: Thomas Rymer (Hg.): Foedera. Bd.

13, London 1714, S. 624-649; auch in: Jean Dumont, Baron von Careels-Cron (Hg.):

Corps diplomatique universel. Bd. 4. Teil 1, Den Haag 1726, S. 269-275; zum Vertrag und den auf ihn folgenden Kontroversen s. Kleinschmidt: Charles V. (wie Anm. 34), S. 94-102; Garrett Mattingly: An Early Non-Aggression Pact, in: Journal of Modern History 10 (1), 1938, S. 1-30.

(21)

Harald Kleinschmidt: Die Verschmelzung von Universalität und Globalität | 327

langfristig das grundsätzliche Dilemma, das Maximilians Kaiserpropaganda gegenüber der Forderung nach Anerkennung souveräner Partikularherrscher bot.

Ansprüche auf universale Herrschaft in globaler, die trikontinentale Ökumene übergreifender Reichweite ließen sich nicht mit militärischen und anderen Machtmitteln durchsetzen. Wollte Maximilians Kanzlei gleichwohl kaiserliche Herrschaft als friedensbringend darstellen, stand nur der Vertragsvorschlag des Erasmus zur Verfügung. Dieser Vorschlag hatte aber zur Voraussetzung, dass der Kaiser mit anderen Herrschern auf der Basis gleicher Rechte und Pflichten ein Abkommen schloss und dadurch implizit den Grundsatz der Rechtsgleichheit der Souveräne anerkannte. Im Blick auf seinen Enkel Karl mag Maxmilian zwar gehofft haben, das dynastische Prinzip werde über den Partikularismus rivali- sierender Herrschaftsträger letztlich obsiegen. Aber diesen gegenüber er musste in rationaler Wahrnehmung seines herrschaftlichen Handelns schon lange vor Jean Bodin Souveränität anerkennen und mit Gleichheit in Bezug setzen und zugleich hoffen, weiterhin seinen Vorrang als kaiserlicher Universalherrscher gegenüber den Partikularherrschern mit dem traditionalen Mittel der Genea- logie rechtfertigen zu können.

Maximilians Theorie der internationalen Beziehungen bestimmte somit die Bedingungen einer herrschaftlichen Überwölbung sowohl der geografischen Ge- mengelage von Land und Wasser auf der Oberfläche des Planeten als auch der Pluralität legitimer europäischer Herrschaftsträger innerhalb wie außerhalb der faktischen Grenzen des Heiligen Römischen Reichs und war in dieser Eigenschaft Reflexion auf das Handeln des Kaisers als Universalherrscher. Theoriegeschicht- lich bedeutete diese Reflexion nichts Geringeres als den Versuch der rationalen Globalisierung römischer Universalherrschaft mit traditionalen Mitteln. Bis an das Ende des 15. Jahrhunderts konnten Ansprüche auf universale Herrschaft gebunden bleiben an Konventionen des Weltkartenbilds, die ungestört vonein- ander im mediterranen Kulturbereich letztendlich auf altvorderorientalische, in Ostasien auf altchinesische Vorbilder zurückgingen

51

und wechselseitig Gegen- stand weder politischer Erwägungen noch militärischer Strategien waren.

52

51 Dazu s. Kleinschmidt: Geschichte (wie Anm. 48), S. 24-49.

52 Gleichwohl kam zu Beginn des 16. Jahrhunderts die Frage auf die Tagesordnung politischer Kontroversen, wie der Anspruch der Herrscher in Moskau auf den Zaren- titel sowie dessen Wiedergabe mit „Imperator“ oder „Kaiser“ beurteilt werden solle;

Maximilian schloss mit dem Großfürsten Wassili III. im Jahr 1514 einen Vertrag und wurde dafür noch im 18. Jahrhundert kritisiert; s. Jakob Paul von Gundling:

(22)

Hingegen konnte in der neuen, Maximilians Kaiserpropaganda zugrunde liegenden Universalherrschaftskonzeption nur ein einziges universales Herrscher- amt bestehen. Maximilian definierte Universalherrschaft einerseits genauso wie Partikularherrschaft als Regulierungsbefugnis über Land und die darauf sitzen- den Leute, andererseits dehnte er diesen territorialen Herrschaftsbegriff auf den Globus insgesamt aus. In seiner Kaiserpropaganda ließ Maximilian Universalherr- schaft zugleich territorialisieren und globalisieren. Maximilians Neukonzeption der Universalherrschaft scheiterte zwar an der Fundamentalität des Wandels des Weltkartenbilds, am Mangel an Machtmitteln zur Globalisierung kaiserlicher Herrschaft sowie an der Maximilian selbst schmerzlich bewussten Pluralität legitimer Herrschaftsträger innerhalb und in unmittelbarer Nachbarschaft der faktischen Grenzen des Heiligen Römischen Reichs.

53

Mit seiner Theorie der internationalen Beziehungen hat er dennoch die Welt als globale Staatenwelt auf den Begriff gebracht. Gegen seine Intention hat er das Internationale als das im Prinzip der Gleichheit der Souveräne Gründende und die Staatenwelt Überwölbende definieren lassen.

In diesem Begriff des Internationalen

54

verschmolz nach Maximilians Tod allmählich Universalität als Begriff der allgemeinen Gültigkeit von Rechts- normen mit Globalität als Bezeichnung für die Wahrnehmung des Planeten.

Bestand des rußischen Kayser-Titels, worbey der von Kayser Maximilian dem Ersten anno 1514, den 4. Augusti, zu Brundenach geschlossenen Alliantz-Tractat gegen alle bißher gemachte nichtige Einwürffe vertheidiget war, Riga 1724 [angebunden an:

Burkhard Gotthelf Struve: Grundmäßige Untersuchung von dem kayserlichen Titul und Würde, wobei auch von der tzarischen Titulatur und was man ... von ihrer Tzaa- rischen Majestät der kaiserliche Titul geführt und praetendiret werde gehandelt und Kaysers Maximilian des I. angegebenes Schreiben an den Tzaar Basilium beygeführt wird, Köln 1723].

53 Dies beobachtete bereits Martin Luther: Ob Kriegs leut auch in seligem Stande seyn künden, Augsburg u. Straßburg 1527, s. p. [neu hg. in: Ders.: Werke. Kritische Gesamtausgabe (Weimarer Ausgabe). Bd. 19, Weimar 1897, S. 623-662], der meinte, Maximilian habe selbst erfahren, wie schwierig es sei, aufmüpfige Reichsstände unter Kontrolle zu halten.

54 Contra Hermann Kamp: Vermittlung in der internationalen Politik des späten Mittel- alters, in: Gerd Althoff (Hg.): Frieden stiften. Vermittlung und Konfliktlösung vom Mittelalter bis heute, Darmstadt 2011, S. 98-123; Martin Kintzinger: Neukonfigu- rationen der Internationalität. Europäisches Hoch- und Spätmittelalter, in: Barbara Haider-Wilson, William G. Godsey, Wolfgang Mueller (Hg.): Internationale Geschichte in Theorie und Praxis, Wien 2017, S. 123-141, hier S. 124.

(23)

Harald Kleinschmidt: Die Verschmelzung von Universalität und Globalität | 329

Seit dem 16. Jahrhundert wurde es in europäischer Wahrnehmung fortschreitend weniger möglich, die universale Gültigkeit von Rechtsnormen mit Bezug auf einen anderen Raum als der Oberfläche des gesamten Planeten in der Gemenge- lage von Land und Wasser zu erwarten oder zu fordern. Mit der Verschmelzung von Globalität und Universalität verbanden sich jedoch mindestens zwei schwer wiegende Folgeprobleme: Zum einen fand diese Verschemlzung zunächst nur in Europa statt, nicht jedoch in anderen Teilen der trikontinentalen „Alten“ und ebenso wenig unter den Native Americans in der sogenannten „Neuen“ Welt, wo traditionale Bilder der vom Wasserstreifen umgürteten Weltinsel bis an das Ende des 18. Jahrhunderts fortbestanden.

55

Die Erkenntnis der kulturellen Partikularität der Verschmelzung von Universalität und Globalität, beispiels- weise durch einige in China tätige jesuitische Missionare oder durch deren Vermittlung,

56

verschärfte ihrerseits zunächst nur in Europa die begriffliche

55 Gotenjiku-zu (五天竺図 Weltkarte) des 14. Jahrhunderts; in: Egon Klemp (Hg.): Asien auf Karten. Von der Antike bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, Weinheim 1989, Nr.

5; Nanba Matsutarō 南波松太郎 (Hg.): Old Maps in Japan, Osaka 1973, S. 160-177;

dieser Kartentyp blieb bis in das 18. Jahrhundert produktiv: Original von 1749 im Städtischen Museum Kobe.

56 Álvaro Semmedo, SJ: The History of That Great and Renouwned Monarchy of China, London 1655, bes. S. 106 [zuerst: Madrid 1642]; Martino Martini, SJ: Novus Atlas Sinensis, Amsterdam 1655; Ders.: Sinicae historiae decas prima, München 1658, S. 3, 11-13 [Neudruck in: Ders.: Opera omnia. Bd. 4. 2 Teile (Hg.: Federico Masini), Trient 2010]; Nicolas Trigault: Regni Chinensis descriptio ex varii authoribus, Leiden 1639, S. 2, 6, 96, 131 [Mikrofiche-Ausg.: Leiden 1986]; Christian Mentzel: Kurtze Chinesi- sche Chronologia oder Zeit-Register/ Aller Chinesischen Kayser, Berlin 1696; Joachim Bouvet, SJ: Estat présent de la Chine. En figures, Paris 1697; Ders.: Portait historique de l’Empereur de la Chine, Paris 1697, bes. S. 7 f.; Ders.: Histoire de l’Empereur de la Chine, Den Haag 1699 [Nachdruck: Tientsin 1940; dt. Fassung u. d. T.: Das heutige Sina, Frankfurt/Main 1699; weitere Ausg., Frankfurt/Main u.a. 1700]; Ders.: Lettres où il est traité de la philosophie et de la mission Chinoise, envoyées à M[onsieur] de Leibniz par le P[ère] Bouvet, Hamburg 1734; Ders.: Lettre au Père Le Gobien, SJ, et à Gottfried Wilhelm Leibniz, 8. November 1700, in: Ludwig Dutens (Hg.): Leibnitii opera omnia. Bd. 4, Genf 1768, S. 146-151 [Nachdruck: Hildesheim u.a. 1989];

Ders.: Lettre à Gottfried Wilhelm Leibniz, 8. November 1702, in: Ebd., S. 165-168;

Athanasius Kircher, SJ: China monumentis qua sacris qua profanes, nec non variis naturae et artis spectaculis aliarumque rerum memorabilium argumentis illustrata.

Teil 6, Amsterdam 1667, S. 225-236 [weitere Ausg.: Amsterdam 1670; Nachdrucke:

Frankfurt/Main 1966; Katmandu 1979; Muskogee/OK 1987; Berlin 2013].

(24)

Trennung allgemeiner, universaler, nicht erzwingbarer, dem Naturrecht zugewie- sener von besonderen, der Grundnorm Pacta sunt servanda unterstellten, durch Verträge sanktionierten und die Vertragsparteien bindenden, aber letztlich nur durch Krieg erzwingbaren Rechtsnormen.

57

Da europäische Herrschaft tragen- de Institutionen bis in das 19. Jahrhundert die weitaus größte Mehrzahl dieser Verträge untereinander abschlossen, entstand in Europa ein Raum verdichteter Vertragsbeziehungen. Dieser war mit den Ausnahmen des Osmanischen und des Russischen Reichs

58

deckungsgleich mit dem Raum, in dem sich ein Netzwerk ständiger diplomatischer Missionen ausbildete, aber getrennt von anderen Teilen der Welt, die in europäischer Wahrnehmung nur dem nicht erzwingbar erschei- nenden Naturrecht unterworfen waren, mit denen keine auf Dauer angelegten

57 Francisco Suárez, SJ: Ausgewählte Texte zum Völkerrecht (Hg.: Josef Soder), Tübin- gen 1965 = Die Klassiker des Völkerrechts 4, S. 64 [aus: De legibus. Buch II. Kap. 19, Nr. 8]: „Duplex modus iuris gentium. ... duobus modis (quantum ex Isidoro et aliis iuribus et actoribus colligo) dici aliquid de iure gentium: uno modo quia est ius, quod omnes populi et gentes variae inter se servare debent [scil., Gesandtenrecht, Recht des Handelsverkehrs, Kriegsführungsrecht, Friedensschlussrecht]; alio modo quia est ius, quod singulare civi- tates vel regna intra se observant; per similitudinem autem et convenientiam ius gentium appellatur.“

58 Im Osmanischen Reich unterhielt auch der Römische Kaiser seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts eine diplomatische Mission, die zwar nicht ausdrücklich als ständig kategorisiert war, für die aber vor der Abreise eines Gesandten ein Nachfolger bereits bei der Hohen Pforte eingetroffen sein musste, und zwar auf Anweisung des Sultans, der gleichwohl mit Rücksicht auf das islamische Konzept des „Hauses des Kriegs“ nur Anlassgesandtschaften aussandte; s. Ogier Ghiselin von Busbecq [Busbeck]: Legationis Turcicae epistolae quatuor, Basel, 1589; Epistola secunda, fol. 49r-57r, hier fol. 49r-v; Epistola tertia, fol. 57v-116v, hier fol. 57v-58v [Vier Briefe aus der Türkei (Hg.: Wolfram von den Steinen), Erlangen 1926, S. 78-89: 2. Brief, Konstantinopel, den 14. Juli 1556;

S. 90-173: 3. Brief, Konstantinopel, den 1. Juni 1560, hier S. 78 f., 90 f.]; den Mangel an Neigung des Sultans zur Errichtung ständiger diplomatischen Missionen beobachtete Abraham de Wicquefort: L’Ambassadeur et ses fonctions, Köln 1677 [zuerst u. d. T.:

Mémoires touchant les ambassadeurs et les ministres publics, Köln 1676; weitere Ausg.:

Den Haag 1675; Den Haag 1677; in 2 Bden., Köln 1679; Den Haag 1680-1681; 1682;

Köln 1689-1690; Neuausg. in 2 Bden, Den Haag, 1724); 2. Aufl. der Ausg. von 1724, Amsterdam 1730; dt. Fassung, Frankfurt/Main 1682, S. 24; englische Fassung, London 1716; London 1740; Nachdruck der englischen Fassung (Hg.: Harold Maurice Alvan Keens-Soper), Leicester 1997]; dazu s. Ernst Dieter Petritsch: Fremderfahrungen kai- serlicher Diplomaten im Osmanischen Reich (1500–1648), in: Michael Rohrschneider, Arno Strohmeyer (Hg.): Wahrnehmungen des Fremden, Münster 2007, S. 345-366.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Götzinger Andr., Bildhauer und Stein- metz 34..

Entweder erfolgt dies über die Veränderung der Ankerspannung oder die Veränderung des Flusses in den Spulen der

I Benth and Šaltytė-Benth (2007): Standard OU-process with seasonal volatility Only two contributions compare these models:.. I Oetomo and

In 14,5% der Fälle wurde ein atopisches Ekzem diagnostiziert, eine atopische Hautdiathese in 36,6% der Fälle nachgewiesen.. Es wurde erstmals für verschiedene Berufsordnungsgruppen

• consultative (relative to stockholders and (or) the common stockholders' meetings)—the introductory study of problematic activity of a corporation; the assessment

Munich Personal RePEc Archive. Cluster policy in

Social Media implicǎ utilizarea internetului și a tehnologiilor mobile pentru a comunica mai bine. Conceptul de social media ȋnseamnǎ implicare și relaționare. Acest lucru este extrem

Under the caveat that (industrial) policy can not expected to create but rather (at most) to promote growth and that the central role of entrepreneurial initiative should always