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Durch die Bibel. Richter 1,1-3,11. Einführung in das Buch der Richter

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Durch die Bibel Richter 1,1-3,11

Einführung in das Buch der Richter

Die Befreiung des Volkes Israel aus der ägyptischen Sklaverei und die vierzig Jahre dauernde

Wüstenwanderung – beides ist eng mit dem Namen des israelitischen Anführers Mose verknüpft. Er forderte den halsstarrigen Pharao auf, die Israeliten ziehen zu lassen, führte sein Volk durchs Schilfmeer und bekam am Berg Sinai die Zehn Gebote ausgehändigt. Die große Enttäuschung seines Lebens bestand darin, dass sich die Israeliten schließlich weigerten, dass verheißene Land Kanaan in Besitz zu nehmen.

Denn ihre Angst vor den scheinbar übermächtigen Einwohnern des Landes war größer als ihr Gottvertrauen. Doch auch in den darauffolgenden achtunddreißig Jahren, in denen die Israeliten gewissermaßen auf eine zweite Chance warteten, erwies sich Mose als ein treuer Anführer seines Volkes.

Tatsächlich bekamen die Israeliten ihre zweite Chance. Allerdings erst, nachdem die nächste Generation herangewachsen war. Unter der Führung von Moses Nachfolger Josua durchquerten die Israeliten den Jordan und eroberten nach und nach die Städte und Regionen des Landes Kanaan. Abschließend wurde das Land unter den zwölf Stämmen Israels aufgeteilt, so dass jeder Stamm über ein ganz bestimmtes Siedlungsgebiet verfügte.

Nach dem Tod Josuas schließt sich die Zeit der Richter an. Ein Zeitraum von knapp zweihundert Jahren, der zu Ende geht, als um das Jahr 1000 vor Christus der erste König von Israel den Thron besteigt, nämlich Saul. Dass ich die Richter hier in einer Reihe mit Mose, Josua und Saul genannt habe, macht schon deutlich, dass ihre Hauptaufgabe nicht darin bestand Recht zu sprechen, sondern das Volk in politischem Sinne zu führen. Bei näherem Hinsehen stellt man allerdings fest, dass es auch noch eine zweite Personengruppe in Israel gab, die aus Richtern bestand. Die Aufgaben der beiden Gruppen waren sehr unterschiedlich. Da gab es die zuerst beschrieben „großen Richter“, die vor allem in Zeiten der Not politische Entscheidungen zu treffen hatten und die nicht selten als Retter des Volkes eine wichtige Rolle spielten. Denn immer wieder kam es zu Konflikten zwischen einzelnen Stämmen Israels und den

heidnischen Nachbarvölkern. Zu den „großen Richtern“ gehörten wichtige Persönlichkeiten wie Gideon und Jeftah und – als einzige Richterin – Debora. Als zweite Personengruppe werden im Buch der Richter die sogenannten „kleinen Richter“ erwähnt. Ihre Aufgabe bestand tatsächlich darin, im herkömmlichen Sinne Recht zu sprechen. Zugleich repräsentierten sie das stammesübergreifende Richteramt und damit die Einheit des Volkes Israel, das aus zwölf einzelnen Stämmen bestand. Die „kleinen Richter“ spielen jedoch im Vergleich zu den politisch führenden Richtern nur eine untergeordnete Rolle im Buch der Richter. Die „kleinen Richter“ werden lediglich in Kapitel 10 und 12 ganz kurz erwähnt.

An insgesamt vier Stellen im Buch der Richter ist eine interessante Formulierung, eine interessante Aussage zu finden. Sie lautet: „Zu der Zeit war kein König in Israel“ (Ri 17,6, Ri 18,1, Ri 19,1 und Ri 21,25).

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Das lässt den Schluss zu, dass das Buch der Richter erst zu einem Zeitpunkt aufgeschrieben wurde, als Israel bereits von einem König regiert wurde. Ich könnte mir vorstellen, dass der letzte Richter Israels, nämlich der Prophet Samuel der Verfasser ist. Sicher ist das aber keineswegs.

Die zwölf Richter und die eine Richterin, von denen im Buch der Richter erzählt wird, haben übrigens eines gemeinsam: Sie waren alle nicht perfekt. Mehr noch: Soweit ich es beurteilen kann, hatte fast jede dieser Persönlichkeiten eine Eigenart an sich, die nicht so recht zu der Würde des Amtes passte oder zumindest keine echte Qualifikation für dieses Amt darstellte. Doch das hinderte Gott nicht daran, diese Menschen in bestimmten Situationen mit wichtigen Aufgaben zu betrauen. Ein Richter beziehungsweise eine Richterin zu sein bedeutete offenbar aber nicht, in dem Sinne Anführer des Volkes zu sein, wie Mose und Josua es waren. Die Macht der Richter war vielmehr beschränkt. Der biblische Bericht gewährt uns allerdings keinen umfassenden Überblick über das Tätigkeitsfeld der Richter. Sondern es werden einzelne Ereignisse geschildert, die uns einen Eindruck davon vermitteln, auf welche Weise die Richter jeweils vor Ort in das aktuelle Geschehen eingegriffen haben.

Wenn man das Buch der Richter von vorne bis hinten durchliest, wird man bemerken, dass der

„geistliche Grundwasserspiegel“ des Volkes mit der Zeit immer weiter absinkt. Äußerlich macht sich das dadurch bemerkbar, dass das Land Kanaan beziehungsweise einzelne Stammesgebiete immer wieder gegen äußere Feinde verteidigt werden müssen. Manche Regionen teilen sich die Israeliten auch mit anderen Volksgruppen, so dass die Gefahr der Religionsvermischung wächst. Das Auf und Ab von Sieg und Niederlage wird in Kapitel 2 des Richterbuches ausdrücklich als eine Folge von Israels Gehorsam oder Ungehorsam gegenüber den Geboten Gottes gedeutet. Und insgesamt lässt sich eine gewisse Ernüchterung darüber feststellen, dass sich einerseits die hohen Erwartungen des Volkes an das

verheißene Land bisher nicht erfüllt haben und dass andererseits das Volk Israel die Erwartungen Gottes nicht erfüllt. Ein Vers aus den Sprüchen Salomos beschreibt die Situation absolut treffend. Er lautet:

„Gerechtigkeit erhöht ein Volk; aber die Sünde ist der Leute Verderben“ (Spr 14,34).

Historisch betrachtet umfasst das Buch der Richter den Zeitraum zwischen dem Tod Josuas und der Amtszeit des letzten Richters Samuel. Die Zeit der großen Anführer, wie Mose und Josua sie waren, ist vorbei, und die Zeit der Könige noch nicht gekommen.

Was den geistlichen Zustand Israels betrifft, so muss man die Zeit der Richter eindeutig als eine Zeit des Verfalls bezeichnen. Während im allerersten Vers des Richterbuches noch berichtet wird, wie sich die Israeliten wegen eines bestimmten Problems an Gott wendeten, heißt es in Kapitel 17 und Kapitel 21:

„Zu der Zeit war kein König in Israel und jeder tat, was ihn recht dünkte“ (Ri 17,6 und Ri 21,25).

Das Volk Israel scheint in einen richtigen Kreislauf der Sünde zu geraten. Zuerst konzentrieren sich die Israeliten darauf, ihrem Gott zu dienen. Doch dann gehen sie innerlich auf Distanz und dienen

schließlich, wie es in Kapitel 2, Vers 11, heißt, „den Baalen“, also fremden Göttern. Das wiederum bringt sie noch weiter von Gott weg. In Kapitel 2, Vers 13, wird zusätzlich auch noch Astarte genannt, eine Fruchtbarkeitsgöttin, die als Partnerin des kanaanitischen Hauptgottes Baal verehrt wurde. Als Reaktion darauf lässt Gott es zu, dass die Feinde der Israeliten die Oberhand gewinnen. Für Israel folgt daraufhin

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eine Zeit der Knechtschaft und der Unterdrückung. Das bringt sie dazu, sich wieder an Gott zu wenden.

Er erbarmt sich über sie und beruft den einen oder anderen Richter, der zur Befreiung der Israeliten beiträgt. Doch anschließend dauert es nicht lange, bis die Israeliten wieder in diesen Kreislauf der Sünde hineingeraten und sich erneut von Gott abwenden. Im Grunde setzt sich dieses gefährliche Spiel immer weiter fort, durch die ganze Bibel hindurch bis, ja, soweit ich es beurteilen kann, bis in die Gegenwart hinein.

ANFEINDUNGEN DER KANAANITER NACH DEM TOD JOSUAS

Soweit eine kurze Einführung in das Buch der Richter. Das erste Kapitel vermittelt einen Eindruck davon, mit welchen Schwierigkeiten die zwölf Stämme Israels im Land Kanaan zu kämpfen haben. Mit der Ruhe und dem Frieden, die noch am Ende des Josuabuches hervorgehoben wurden (Jos 21,43-45), ist es bald vorbei. Immer wieder werden die einzelnen Stämme Israels von feindlichen kanaanitischen Völkern bedrängt. Neun der zwölf Stämme werden in Kapitel 1 namentlich erwähnt. Aber vermutlich haben alle es schwer, ihr Stammesgebiet zu verteidigen. Angesichts dieser Tatsache fällt es auf, dass sich die zwölf Stämme zu keinem Zeitpunkt gemeinsam darum bemühen, die Feinde abzuwehren. Dabei scheint die Lage zumindest für einzelne Stämme durchaus bedrohlich zu sein. So wird in Vers 3 berichtet, dass der Stamm Juda den Stamm Simeon zu Hilfe ruft. Doch hier zunächst Vers 1:

„Nach dem Tod Josuas befragten die Israeliten den HERRN und sprachen: Wer soll unter uns zuerst hinaufziehen, Krieg zu führen gegen die Kanaaniter?“ (Ri 1,1).

Diese Frage signalisiert meines Erachtens eine gewisse Hilflosigkeit: „Wer soll unter uns zuerst

hinaufziehen?“ Das schwierige an der Situation war, dass manche kanaanitischen Völker nicht nur von außen die Siedlungsgebiete der Israeliten bedrohten. Sondern nach wie vor gab es auch Regionen mitten im Land Kanaan, die von Kanaanitern bewohnt wurden. Auch diese Tatsache wird bereits im Josuabuch erwähnt. So ist dort etwa in Kapitel 17 von Kanaanitern die Rede, die „im Lande zu bleiben vermochten“ (Jos 17,12) und die von den Israeliten „nicht völlig vertrieben“ (Jos 17,13) wurden. Die Israeliten hatten es einfach versäumt, sie beizeiten aus dem Land zu werfen. Nun blieben sie den Israeliten auf Dauer ein Dorn im Fleisch, und zwar bis in die Regierungszeit von König Saul und König David hinein. – Ich lese weiter ab Vers 2. Die Israeliten fragten also Gott um Rat, wer von den Stämmen Israels zuerst etwas gegen die Feinde unternehmen sollte.

„Der HERR sprach: Juda soll hinaufziehen. Siehe, ich habe das Land in seine Hand gegeben. Da sprach Juda zu seinem Bruder Simeon: Zieh mit mir hinauf in mein Erbteil und lass uns mit den Kanaanitern kämpfen, dann will auch ich mit dir ziehen in dein Erbteil. So zog Simeon mit ihm“ (Ri 1,2-3).

Was hier beim ersten Hinhören nach einer wünschenswerten Kooperation zwischen den beiden

Bruderstämmen klingt, enthüllt in Wirklichkeit das Ohnmachtsgefühl der Leute aus dem Stamm Juda. Sie fühlen sich zu schwach, um allein etwas gegen die Kanaaniter auszurichten zu können. Aber was noch schlimmer ist: Sie misstrauen offenbar der Zusage Gottes, dass er ihnen den Sieg schenken möchte. Statt

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sich voll und ganz auf Gott zu verlassen, verlassen sich die Leute aus dem Stamm Juda lieber auf die Hilfe des Stammes Simeon. Ich denke, dieses mangelnde Gottvertrauen ist ganz wesentlich mit schuld daran, dass die Kanaaniter das Land niemals vollständig verlassen. Trotzdem schenkt Gott seinem Volk auch Siege. So heißt es in Vers 4:

„Als nun Juda hinaufzog, gab der HERR die Kanaaniter und Perisiter in ihre Hände, und sie schlugen bei Besek zehntausend Mann“ (Ri 1,4).

Allein dieser triumphale Sieg hätte eigentlich dazu führen müssen, dass der Stamm Juda volles Vertrauen zu Gottes Zusage fasst. Andererseits: Hätte dieses Vertrauen nicht schon vorhanden sein müssen, seitdem die Israeliten das Land Kanaan als Ganzes für sich erobert hatten? Vermutlich ab Vers 9 wird in einer Art Rückblende auf zurückliegende Ereignisse Bezug genommen, über die bereits im Buch Josua berichtet wurde. Hier die Verse 9 bis 13:

„Danach zog Juda hinab, um gegen die Kanaaniter zu kämpfen, die auf dem Gebirge und im Südland und im Hügelland wohnten. Und Juda zog gegen die Kanaaniter, die in Hebron wohnten – Hebron aber hieß vorzeiten Kirjat-Arba – , und sie erschlugen den Scheschai und Ahiman und Talmai und zogen von dort gegen die Einwohner von Debir. Debir aber hieß vorzeiten Kirjat-Sefer. Und Kaleb sprach: Wer Kirjat- Sefer schlägt und erobert, dem will ich meine Tochter Achsa zur Frau geben. Da eroberte es Otniël, der Sohn des Kenas, des jüngsten Bruders von Kaleb. Und Kaleb gab ihm seine Tochter Achsa zur Frau. Und es begab sich, als sie zu ihm kam, beredete er sie, ein Stück Land zu fordern von ihrem Vater. Und sie stieg vom Esel. Da sprach Kaleb zu ihr: Was willst du? Sie sprach: Gib mir eine Segensgabe! Denn du hast mich nach dem dürren Südland gegeben; gib mir auch Wasserquellen! Da gab er ihr die oberen und unteren Quellen“ (Ri 1,9-13).

Soweit die Verse 9 bis 13, die zum Schluss von Kaleb und seiner Tochter Achsa handeln – eine Geschichte, die wir bereits aus dem Josuabuch, Kapitel 15, kennen. In unserem Bibeltext aus dem Richterbuch springe ich jetzt zu Vers 21. Nach den Stämmen Juda und Simeon werden hier nun die Stämme Benjamin und Manasse erwähnt. Auch sie sind in dem Bemühen gescheitert, die heidnischen Einwohner Kanaans aus ihrer Mitte zu vertreiben. In Vers 21 heißt es kurz und knapp:

„Aber Benjamin vertrieb die Jebusiter nicht, die in Jerusalem wohnten, sondern die Jebusiter wohnten bei denen von Benjamin in Jerusalem bis auf diesen Tag“ (Ri 1,21).

Auf ähnliche Weise wird im Rest von Kapitel 1 aufgezählt, wie es den weiteren Stämmen Israels ebenfalls nicht gelingt, sich von der Bedrohung durch die Kanaaniter endgültig zu befreien. Nur die Stämme Ruben, Issachar und Gad bleiben unerwähnt. Aber wie ich vorhin schon sagte, erging es ihnen vermutlich nicht besser. Im Grund eine Tragödie! Denn schließlich ist das Land Kanaan das verheißene Land. Das Land, das Gott seinem Volk versprochen hat. Doch in der Realität kommt es immer wieder zu erbitterten Kämpfen mit denen, die den Israeliten dieses Land streitig machen. Warum das so ist, wird in den ersten vier Versen von Kapitel 2 erklärt:

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DER ENGEL DES HERRN TADELT ISRAELS UNGEHORSAM

„Es kam aber der Engel des HERRN herauf von Gilgal nach Bochim und sprach: Ich habe euch aus Ägypten heraufgeführt und ins Land gebracht, das ich euren Vätern zu geben geschworen habe, und gesprochen, ich wollte meinen Bund mit euch nicht brechen ewiglich. Ihr aber solltet keinen Bund schließen mit den Bewohnern dieses Landes und ihre Altäre zerbrechen. Aber ihr habt meiner Stimme nicht gehorcht. Warum habt ihr das getan? Da sprach ich: Ich will sie nicht vor euch vertreiben, damit sie euch zum Fangstrick werden und ihre Götter zur Falle. Und als der Engel des HERRN diese Worte zu ganz Israel geredet hatte, erhob das Volk seine Stimme und weinte“ (Ri 2,1-4).

Der „Engel des HERRN“ erschien den Israeliten. Man könnte auch sagen: Gott erschien ihnen, und zwar auf eine Art und Weise, dass sie es mit ihren menschlichen Sinnen wahrnehmen konnten. Ihre Reaktion:

Sie fangen an zu weinen, als der Engel des HERRN den Vorwurf erhebt, dass ihr eigener Ungehorsam der Grund ist für die andauernden Konflikte mit den Kanaanitern. Ihre Unentschlossenheit und

Halbherzigkeit führt offenbar immer wieder dazu, dass sich manche Israeliten nicht nur auf die heidnische Kultur der Kanaaniter einlassen, sondern auch auf ihre Religionen.

GOTT SCHICKT RICHTER, UM ISRAEL ZU HELFEN

Erneut überspringe ich einen größeren Abschnitt unseres Bibeltextes, der vom Versagen des Volkes handelt. Und zwar von dem Zeitpunkt an, nachdem Josua gestorben war. Ich lese nun die Verse 18 und 19. Dort kommt ganz klar dieser Kreislauf der Sünde zum Vorschein, den ich vorhin schon erwähnt habe, denn der Schreiber des Richterbuches bringt das Verhalten des Volkes Israel folgendermaßen auf den Punkt:

„Wenn aber der HERR ihnen Richter erweckte, so war der HERR mit dem Richter und errettete sie aus der Hand ihrer Feinde, solange der Richter lebte. Denn es jammerte den HERRN ihr Wehklagen über die, die sie unterdrückten und bedrängten. Wenn aber der Richter gestorben war, so fielen sie wieder ab und trieben es ärger als ihre Väter, indem sie andern Göttern folgten, ihnen zu dienen und sie anzubeten. Sie ließen nicht von ihrem Tun noch von ihrem halsstarrigen Wandel“ (Ri 2,18-19).

Die einzelnen Richter traten also immer dann in Aktion, wenn die Israeliten nicht mehr aus noch ein wussten.

Wieder einmal bitte ich Sie um Verständnis dafür, dass ich im Rahmen dieser Sendereihe nicht jeden einzelnen Vers aus dem Bibeltext vorlesen kann. Ich beschränke mich darauf, Ihnen einen Überblick über den Inhalt zu geben. Das scheint mir besonders dann sinnvoll zu sein, wenn im Bibeltext etwa Personen- und Ortsnamen aufgelistet werden. Oder wenn ein einzelnes Beispiel eigentlich ausreicht, um einen Sachverhalt zu verstehen, der im Bibeltext mehrfach auf ähnliche Weise dargestellt wird. Dennoch wäre es schön, wenn Sie sich in einer ruhigen Viertelstunde den ganzen Bibeltext, um den es in einer

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Sendung geht, einmal am Stück durchlesen.

Lange Rede, kurzer Sinn: Weiter geht es jetzt hier mit dem Anfang von Kapitel 3. Unter dem

Sammelbegriff „die Kanaaniter“ werden im Alten Testament verschiedene Völker bezeichnet, die in Kanaan lebten, bevor das Volk Israel auf Gottes Geheiß hin das Land besiedelte. Da gab es die Kanaaniter im eigentlichen Sinn, aber zum Beispiel auch die Hetiter, die Amoriter, die Perisiter, die Hiwiter und die Jebusiter. Dementsprechend waren die Möglichkeiten, die Sitten und Bräuche der anderen Völker kennenzulernen vielfältig. Und groß war anscheinend auch die Versuchung, mal einen Blick auf die heiratswilligen Frauen und Männer der Gegenseite zu werfen. Auf jeden Fall kam es auf diese Weise immer wieder zu Mischehen, die nicht selten dazu führten, dass ein Ehepartner die Religion des anderen annahm oder dass Elemente aus beiden Religionen miteinander vermischt wurden. Für den Gott Israels ein nicht hinnehmbarer Zustand! Die Untreue der Israeliten ihm gegenüber bestrafte er, indem er den heidnischen Völkern die Macht gab, das Volk Israel zu unterdrücken. Wie vorhin schon geschildert, sandte Gott seinem Volk dann nach einiger Zeit einen Richter, der es aus dieser

demütigenden Situation befreien sollte.

Als erster Richter tritt Otniël in Erscheinung, der Ehemann von Kalebs Tochter Achsa und zugleich ein Neffe Kalebs. Sie erinnern sich: Achsa hatte anlässlich ihrer Hochzeit Kaleb gebeten, ihr ein paar Quellen (oder Zisternen) als Segensgabe zu überlassen.

Der zweite Richter, der den Israeliten aus der Patsche half, heißt Ehud. Er befreite sie aus der

Knechtschaft des Moabiterkönigs Eglon. Seine besondere Qualifikation für diese Aufgabe bestand darin Linkshänder zu sein. Denn genau das versetzte ihn in die Lage, seinen Dolch an einer Stelle seines Gewandes zu befestigen, die völlig unverdächtig erschien. Ein Rechtshänder hätte ziemlich lange gebraucht, um den Dolch fest in die Hand zu nehmen. Doch Ehud zog ihn in null Komma nichts hervor und machte mit König Eglon kurzen Prozess.

Der dritte Richter in Israel war Schamgar. Der wusste offenbar, wie man mit Ochsen umgeht. Denn er verwendete einen Ochsenstecken, mit dem man gewöhnlich die Tiere antrieb, um sechshundert Philistern den Garaus zu machen und die Israeliten, die von ihnen unterdrückt wurden, zu befreien.

ABGÖTTEREI MACHT DIE ISRAELITEN ZU KNECHTEN

Fast alle Richter in Israel, so mein Eindruck, hatten irgendeine Eigenart, die sie auf den ersten Blick eher als ungeeignet für das Richteramt erscheinen ließ. Aber Gott nutzte diese Eigenarten, um sie zugunsten der Israeliten einzusetzen. Das gibt mir die Hoffnung, dass er auch mit den vielen eigenartigen Christen, die es auf diesem Erdball gibt, etwas Vernünftiges anfangen kann. Mich selbst eingeschlossen! Nachdem ich nun schon einiges aus dem dritten Kapitel des Richterbuches vorweggenommen habe, lese ich nun die Verse 1 bis 8 in einem Stück vor. Da heißt es:

„Dies sind die Völker, die der HERR übrig ließ – damit er durch sie Israel prüfte, alle, die nichts wussten

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von den Kriegen um Kanaan, und die Geschlechter Israels Krieg führen lehrte, die früher nichts davon wussten – , nämlich die fünf Fürsten der Philister und alle Kanaaniter und Sidonier und Hiwiter, die am Gebirge Libanon wohnten, vom Berg Baal-Hermon an bis dorthin, wo man nach Hamat kommt. Diese blieben, um Israel durch sie zu prüfen, damit es kundwürde, ob sie den Geboten des HERRN gehorchten, die er ihren Vätern durch Mose geboten hatte. Als nun die Israeliten wohnten unter den Kanaanitern, Hetitern, Amoritern, Perisitern, Hiwitern und Jebusitern, nahmen sie deren Töchter zu Frauen und gaben ihre Töchter deren Söhnen und dienten deren Göttern. Und die Israeliten taten, was dem HERRN missfiel, und vergaßen den HERRN, ihren Gott, und dienten den Baalen und den Ascheren [also fremden Göttern]. Da entbrannte der Zorn des HERRN über Israel und er verkaufte sie in die Hand Kuschan- Rischatajims, des Königs von Mesopotamien; und so diente Israel dem Kuschan-Rischatajim acht Jahre“

(Ri 3,1-8).

DER ERSTE RICHTER ISRAELS: OTNIEL

Soweit die Verse 1 bis 8. Die Art und Weise, wie sich viele der Israeliten von Gott abwendeten, ist wirklich erschreckend. Was blieb denn überhaupt noch übrig von ihrem Glauben an den Gott, der sie einst aus Ägypten befreit und in das verheißene Land gebracht hatte? Acht Jahre, so heißt es hier, ließ Gott die Israeliten zur Strafe in der Hand des Königs von Mesopotamien. Doch dann hatte er Mitleid mit ihnen und schickte ihnen Otniël als ersten Richter zu Hilfe. Dazu die Verse 9 bis 11:

„Da schrien die Israeliten zu dem HERRN, und der HERR erweckte ihnen einen Retter, der sie errettete, Otniël, den Sohn des Kenas, des jüngsten Bruders von Kaleb. Und der Geist des HERRN kam auf ihn, und er wurde Richter in Israel und zog aus zum Kampf. Und der HERR gab den König von Mesopotamien Kuschan-Rischatajim in seine Hand, sodass seine Hand über ihn stark wurde. Da hatte das Land Ruhe vierzig Jahre. Und Otniël, der Sohn des Kenas, starb“ (Ri 3,9-11).

Wie ich vorhin schon sagte, hatten fast alle Richter irgendeine seltsame Eigenart, die nicht so recht zur Würde des Amtes passte oder die man zumindest nicht als eine hervorstechende Qualifikation

bezeichnen kann. Über Otniël gibt es zwar nichts Negatives zu berichten. Aber die einzige Qualifikation, die er vorweisen konnte, scheint seine Herkunft zu sein, die in Vers 9 zum wiederholten Mal

ausdrücklich erwähnt wird: Otniël war ein Neffe Kalebs. Und Kaleb wiederum war ein alter Weggenosse Josuas. Mehr hatte Otniël offenbar nicht vorzuweisen.

Vor ein paar Jahren bin ich mal zufällig einem Mann begegnet, der als Buchautor einige hervorragende Biografien über christliche Persönlichkeiten aus vergangenen Jahrhunderten verfasst hat. Als ich ihn traf, war er gerade dabei, ein Buch über jemanden zu schreiben, der erst kürzlich verstorben war. Und zwar über einen ziemlich prominenten Christen. „Ich hoffe, sie kommen gut voran mit ihrer Arbeit“, sagte ich zu meinem Gesprächspartner. „Nun ja“, schmunzelte er, „im Augenblick habe ich den Eindruck, dass es abgesehen von der Geburt dieser Person und ihrem Tod nichts Wesentliches zu berichten gibt.“ Ich fürchte, dass man Ähnliches über viele Christen auch einmal sagen könnte. Auch über mich. Aber wenn wir unser Leben Gott zur Verfügung stellen, kann er die große Lücke füllen, die sich zwischen der Geburt

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und dem Tod bei manch einem auftut. Gott ist gern bereit diese Lücke zu füllen und „Er-füllung“ zu schenken, wenn wir ihn darum bitten. Außergewöhnliche Fähigkeiten von unserer Seite sind dafür nicht erforderlich.

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