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Anspruch auf Selbsteintritt und Übernahme ins nationale Verfahren

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Academic year: 2022

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VG Würzburg, Urteil v. 14.10.2019 – W 8 K 19.50570 Titel:

Anspruch auf Selbsteintritt und Übernahme ins nationale Verfahren Normenketten:

VO (EU) Nr. 604/2013 Art. 2 lit. g, Art. 17 AsylG § 34a Abs. 1

AufenthG § 60a Abs. 2 S. 1 GG Art. 6

EMRK Art. 8 Leitsatz:

Eine isolierte Überstellung eines Ehegatten und Vaters im Dublin-Verfahren ist rechtlich unzulässig, wenn eine häusliche Gemeinschaft mit dem Elternpartner und dem gemeinsamen Kind und das gemeinsame Sorgerecht besteht. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Schlagworte:

Dublin-Verfahren, armenische Staatsangehörigkeit, Abschiebungsanordnung nach Spanien, Antrag auf Abänderung eines früheren Dublin-Bescheides, zwischenzeitliche Heimkehr in Heimatland des Klägers unter 3 Monaten, Übernahme von Ehefrau und Kind ins nationale Verfahren, keine Auflösung der

Familieneinheit durch zwischenzeitlichen sechswöchigen Aufenthalt im Heimatland, Beistandsgemeinschaft, Versorgung von krebskranker Ehefrau und Kindern, Kindeswohl, Schutz von Ehe und Familie,

inlandsbezogenes Abschiebungshindernis, Anspruch auf Selbsteintritt und Übernahme ins nationale Verfahren:, Begriff der Familienangehörigen, häusliche Gemeinschaft, Wahrung der Familieneinheit, Ermessensreduzierung auf Null

Fundstelle:

BeckRS 2019, 27200  

Tenor

I. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 3. Juni 2019 wird aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, den Bescheid vom 17. April 2018 (Az. …*) aufzuheben.

II. Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand 1

Der Kläger, armenischer Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angaben zusammen mit seiner Ehefrau und seiner Tochter am 29. Dezember 2017 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sein Asylantrag und die Asylanträge seiner Ehefrau und seiner Tochter wurden mit Bescheid des Beklagten vom 17. April 2018 als unzulässig abgelehnt. Ihnen wurde die Abschiebung nach Spanien angedroht. Ein Sofortantrag sowie eine Klage dagegen blieben erfolglos (vgl. W 8 K 18.50199 und W 8 K 18.50200). Der Kläger, seine Ehefrau und seine Tochter stellten am 27. Mai 2019 erneut förmliche Asylanträge. Der Kläger gab an, von Juli 2018 bis August 2018 für ca. 6 Wochen in Armenien gewesen zu sein. Außerdem legte der Kläger Atteste zur Erkrankung seiner Ehefrau vor.

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Mit Bescheid vom 3. Juni 2019 lehnte die Beklagte den Antrag auf Abänderung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 17. April 2018 (Az: …*) ab. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt: Aufgrund der litauischen Visa, welche stellvertretend für Spanien ausgestellt worden seien, seien nach Art. 12 Abs. 2 i.V.m. Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO Spanien für die Bearbeitung der

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Asylanträge zuständig. Es lägen keine Gründe für die Rücknahme des Bescheides gemäß § 48 VwVfG vor.

Die Bundesrepublik Deutschland sei nicht gemäß Art. 19 Dublin III-VO für die materielle Prüfung zuständig.

Zwar möge sich der Kläger vom Juli 2018 bis zum August 2018 in Armenien aufgehalten haben. Dies erfülle jedoch weder das Drei-Monats-Kriterium des Art. 19 Abs. 2 Dublin III-VO noch sei die Zuständigkeit

Spaniens gemäß Art. 19 Abs. 3 Dublin III-VO erloschen. Hinsichtlich der vorgelegten Atteste und der geltend gemachten Reiseunfähigkeit der Ehefrau sei anzumerken, dass diese nicht ausreichend begründet sei. Erforderlich sei eine konkrete Äußerung zur Frage der Transportunfähigkeit bzw. dazu, ob sich der Gesundheitszustand über eine Ausreise oder Abschiebung als unmittelbare Folge davon wesentlich verschlechtern werde oder ob sich daraus gegebenenfalls eine Suizidgefahr ergibt. Ein Transport nach Spanien erfordere in der Regel nur wenige Stunden. Eine ausreichende medizinische Versorgung in Spanien sei jedenfalls dann gesichert, wenn die Deutschen Behörden schon im Vorfeld bei Überstellung Kontakt mit den spanischen Behörden aufnähmen. Bei Bedarf könne jede Überstellung unter fachärztlicher Begleitung stattfinden.

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Am 21. Juni 2019 ließ der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau und seiner Tochter - den bisherigen Klägerinnen zu 2) und 3) - Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid erheben. Zur Begründung ist ausgeführt: Der Bescheid sei rechtswidrig und verletze den Kläger in seinen geschützten Rechten, da der Kläger, seine Ehefrau und seine Tochter einen Anspruch auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach

§ 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG hätten.

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Mit Schriftsätzen vom 30. September 2019 und 7. Oktober 2019 ließ der Kläger unter Vorlage ärztlicher Atteste auf die schwere Erkrankung seine Ehefrau verweisen. Sie sei reiseunfähig.

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Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 26. Juni 2019, die Klage abzuweisen.

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Die Beklagte hob mit Schriftsätzen vom 27. September 2019 und 2. Oktober 2019 den

streitgegenständlichen Bescheid vom 03.06.2019 insgesamt auf, soweit er die Ehefrau und die Tochter des Klägers betrifft, und teilte mit, dass nun insoweit eine Entscheidung im nationalen Verfahren ergehe.

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Mit Schriftsatz von 2. Oktober 2019 teilte die Beklagte weiter mit, dass das Dublin-Verfahren des Klägers fortgeführt werde, weil er durch seinen zwischenzeitlichen Aufenthalt im Heimatland die Familieneinheit freiwillig aufgelöst habe.

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Die Kammer übertrug den Rechtstreit mit Beschluss vom 24. Juni 2019 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung.

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Das Gericht trennte das Klagebegehren der Ehefrau und der Tochter - der bisherigen Klägerinnen zu 2) und 3) - nach der Abhilfe durch die Beklagte mit Beschluss vom 1. Oktober 2019 ab, führte deren Verfahren unter dem Aktenzeichen W 8 K 19.50713 fort und stellte dieses mit Beschluss vom 8. Oktober 2019 ein.

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Der Kläger beantragte in der mündlichen Verhandlung am 14. Oktober 2019,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 3. Juni 2019 zu verpflichten, den Bescheid vom 17. April 2018, Az. …, aufzuheben,

hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG bezüglich Spanien vorliegen.

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Das Gericht hörte den Kläger informatorisch an.

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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte (einschließlich der Akte der Verfahren W 8 K 18.50199 und W 8 S 18.50200 sowie W 8 K 19.50713) und die beigezogenen

Behördenakten sowie die Ausländerakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe 13

Die Klage, über die entschieden werden konnte, obwohl nicht alle Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erschienen sind (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig und begründet.

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Der Bescheid des Bundesamtes vom 3. Juni 2019 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) einen Anspruch gemäß § 48 VwVfG auf Rücknahme des Dublin-Bescheides vom 17. April 2018 (Az. …*) und einen Anspruch auf Übernahme ins nationale Verfahren gemäß Art. 17 Dublin III-VO. Aus diesem Grund war der streitgegenständliche Bescheid wie beantragt aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Ausgangsbescheid vom 17. April 2018 ebenfalls aufzuheben. Über den hilfsweise gestellten Antrag war nicht zu entscheiden.

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Der streitgegenständliche Bescheid vom 3. Juni 2019 und auch der Ausgangsbescheid vom 17. April 2018 sind nach Aufhebung des Dublin-Bescheides betreffend die Ehefrau und das gemeinsame Kind durch die Beklagte und deren Übernahme ins nationale Verfahren rechtswidrig geworden und verletzen auch den Kläger in seinen Rechten, weil eine Abschiebung nach Spanien im Sinne von § 34a Abs. 1 AsylG von Rechts wegen nicht mehr durchgeführt werden kann und er ebenfalls einen Anspruch auf Selbsteintritt und Übernahme ins nationale Verfahren hat (Art. 17 Dublin III-VO).

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Im vorliegenden Dublin-Verfahren sind entgegenstehende inlandsbezogene Vollzugshindernisse relevant.

Auch nach Erlass der Abschiebungsanordnungsanordnung entstandene Abschiebungshindernisse und Duldungsgründe sind beachtlich. Vorliegend ist der Tatbestand des § 60a Abs. 2 Satz 1 Alternative 2 AufenthG erfüllt, wonach die Abschiebung auszusetzen ist, solange die Abschiebung aus rechtlichen Gründen unmöglich ist. Von Rechts wegen unmöglich ist die Abschiebung, wenn sie im Verhältnis zu dem Betroffenen rechtlich ausgeschlossen ist, wenn sich also aus nationalem oder internationalem Recht ein zwingendes Abschiebungsverbot ergibt (Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrrecht,12. Aufl. 2018,

§ 60a AufenthG Rn. 18 ff.; VG Hannover, B.v. 17.9.2019 - 5 B 3968/19 - juris m.w.N.).

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Die alleinige Abschiebung des Klägers nach Spanien ohne Ehefrau und Kind ist mit Art. 6 GG, Art. 8 EMRK unvereinbar und deshalb aus rechtlichen Gründen - auf Dauer (soweit sich die familiären Verhältnisse nicht grundlegend ändern) - unmöglich. Das gleiche Ergebnis ergibt sich aus der Grundrechtecharta und aus den Regelungen der Dublin III-Verordnung.

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Nach Art. 6 GG und Art. 8 EMRK hat jede Person das Recht auf Achtung ihres privaten Familienlebens.

Umfasst hiervon ist die Wahrung der Familieneinheit, jedenfalls in Bezug auf die Kernfamilie, bestehend aus Ehepartner und Kindern. Geschützt ist hierbei das tatsächlich bestehende Familienleben. Eine gelebte Beziehung reicht aus. Anhaltspunkte hierfür sind ein gemeinsamer Haushalt, Art und Länge der Beziehung, Interesse und Bindung der Partner aneinander, gemeinsame Kinder und weitere Umstände wie Sorge um die Gesundheit, Beiträge zur Erziehung und Personensorge. Auch nach Art. 6 GG steht die Ehe und Familie unter besonderem Schutz der staatlichen Ordnung und ist als wertentscheidende Grundsatznorm zu beachten (vgl. VG Hannover, B.v. 17.9.2019 - 5 B 3968/19 - juris; Marx, Kommentar zum AsylG, 10. Aufl.

2019, § 29 AsylG Rn. 20; Günther in BeckOK, Ausländerrecht, Kluth/Reusch, 23. Edition, Stand 1.8.2019,

§ 29 AsylG Rn. 43 ff.). Eine isolierte Überstellung im Dublin-Verfahren ist danach rechtlich unzulässig, wenn wie hier eine häusliche Gemeinschaft mit dem Elternpartner und dem gemeinsamen Kind und das

gemeinsame Sorgerecht besteht.

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Auch aufgrund der Dublin-Regelungen ist der Schutz der Einheit der Familie vorrangig. Die Regelungen in den Art. 8 ff. der Dublin III-Verordnung belegen, dass Mitglieder einer Familie nicht voneinander getrennt werden sollen. Ebenso lassen die Erwägungsgründe der Dublin III-Verordnung erkennen, dass der

Grundsatz der Einheit der Familie und das Wohl des minderjährigen Kindes vorrangig zu beachten sind (vgl.

hierzu die Erwägungsgründe 13 bis 16 sowie 24). Der Begriff der Familienangehörigen ist in Art. 2 lit. g der Dublin III-Verordnung definiert. Familienangehörige sind insbesondere der Ehegatte und die minderjährigen Kinder, sofern die Familie bereits wie hier im Herkunftsland bestanden hat. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) ist auch davon auszugehen, dass der Kläger mit seiner Ehefrau und den Kindern seit über einem Jahr wieder zusammenlebt. Den schützenswerten Grundsätzen der Einheit der Familie und des Wohls der Kinder würde es zuwiderlaufen, wenn aufgrund der lediglich für einen Teil der Familie geltenden Verlängerung der Überstellungsfrist die Gefahr der Trennung der Familie bestünde (vgl. VG Osnabrück, U.v. 2.9.2019 - 5 A 407/18 - juris). Die dem Kindeswohl und dem Schutz der Familie dienende Regelungen der Dublin III-Verordnung vermitteln den in Deutschland ansässigen

Familienangehörigen ein subjektives Recht auf Einhaltung der Familieneinheit. Die Beteiligten haben einen Anspruch auf Einhaltung des Kindeswohls sowie auf Wahrung der Familieneinheit und können sich auf diesen Anspruch auch berufen. Diese Regelung hat im Rahmen der Dublin III-Verordnung auch Vorrang vor anderen Zuständigkeitsregelungen (VG Münster, B.v. 20.12.2018 - 2 L 989/18.A - ZAR 2019, 74; siehe zum Ganzen auch Marx, Kommentar zum AsylG, 10. Aufl. 2019, § 29 AsylG Rn. 12 ff.; Günther in BeckOK, Ausländerrecht, Kluth/Reusch, 23. Edition, Stand 1.8.2019, § 29 AsylG Rn. 43 ff.).

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Schließlich sprechen auch Art. 7 und 24 der Grundrechtecharta für den Schutz der Familieneinheit und für den Übergang der Zuständigkeit auf die Bundesrepublik Deutschland (vgl. VG Ansbach, B.v. 10.7.2019 - AN 18 E 19.50571, AN 18 E 19.50573 - juris).

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Konkret ist auch von einer bestehenden Familieneinheit und darüber hinaus auch von einer Bedarfsgemeinschaft auszugehen. Insbesondere ist die Ehefrau des Klägers und auch sowohl sein leibliches Kind als auch die beiden anderen Kinder, für die er die Vormundschaft hat, auf die Unterstützung des Klägers angewiesen. Der Umstand, dass sich der Kläger im Juli und August 2018 für sechs Wochen vorübergehend in Armenien aufgehalten hat, ändert nichts an der Beurteilung, weil auf den heutigen Zeitpunkt abzustellen ist. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung glaubhaft ausgeführt, dass sich die endgültige Diagnose über die Schwere der Krebserkrankung seiner Ehefrau mit dem Erfordernis einer Chemotherapie mit allen Folgen und Auswirkungen erst während bzw. nach seinem Aufenthalt in Armenien herausgestellt hat, zumal ohnehin keine dauerhafte Trennung beabsichtigt war. Das Gericht hat keine Zweifel, dass der Kläger - wie auch vor seinem sechswöchigen Zwischenaufenthalt in Armenien - mit seiner Ehefrau und den Kindern wieder seit über einem Jahr in der gemeinsamen Wohnung zusammenlebt, den Haushalt führt und seine Familienangehörigen auch sonst versorgt.

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Aufgrund der Krebserkrankung der Ehefrau und der wöchentlich stattfindenden Chemotherapie, in deren Folge die Ehefrau nach eigenem Bekunden für einige Tage keinen sehen und hören kann und die Zeit bei Dunkelheit im Bett verbringt und sich selbst wie eine Wahnsinnige fühlt, ist die Anwesenheit des Klägers besonders wichtig, damit er sich - wie es auch tatsächlich geschieht - sowohl um seine Ehefrau als auch um die Kinder kümmern kann. Die anderen Familienmitglieder sind auf die Hilfe des Klägers angewiesen (vgl.

auch VG Hannover, B.v. 17.9.2019 - 5 B 3968/19 - juris). Gerade auch eine schwere Krankheit wie hier der Ehefrau ist ein Grund, der gegen eine Trennung spricht (Marx, Kommentar zum AsylG, 10. Aufl. 2019, § 29 AsylG Rn. 22 ff.).

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Des Weiteren spricht auch das Wohl des eigenen Kindes, das noch in den Kindergarten geht, für eine Aufrechterhaltung der Familieneinheit und gegen eine Trennung, zumal die Mutter des Kindes aufgrund ihrer Krebserkrankung die Versorgung des Kindes nicht durchweg gewährleisten kann (vgl. auch VG Osnabrück, U.v. 2.9.2019 - 5 A 407/18 - juris). Vor diesem Hintergrund ist auch eine vorübergehende Trennung nicht zumutbar, zumal nicht ersichtlich ist, dass der Kläger, wenn dieser isoliert nach Spanien abgeschoben würde, nach einem überschaubaren Zeitrahmen wieder die Möglichkeit erhalten könnte, zu Frau und Kindern nach Deutschland zurückzukehren (vgl. auch OVG SH, B.v. 14.9.2018 - 1 LA 40/18 - NVwZ-RR 2019, 292). Die Dublin-Regelungen legen ein besonderes Gewicht auf den Schutz Minderjähriger

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und räumen dabei dem Kindeswohl hohe Priorität ein. Die Zuständigkeit für begleitete Minderjährige ist untrennbar mit der Zuständigkeit für die Behandlung des Asylantrags des Elternteils, mit dem der

Minderjährige eingereist ist, verbunden (Marx, Kommentar zum AsylG, 10. Aufl. 2019, § 29 AsylG Rn. 13).

Vorliegend kommt verstärkend hinzu - ohne dass es noch entscheidungserheblich darauf ankommt -, dass der Kläger zusätzlich auch noch die Vormundschaft über zwei weitere minderjährige Kinder hat, Nichte und Neffe. Diese Kinder versorgt der Kläger neben seinem eigenen Kind sowie neben seiner Ehefrau.

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Im Ergebnis sind sowohl die Ehefrau mit ihrer schweren Krankheit als auch das leibliche Kind und die zwei Pflegekinder, für die der Kläger die Vormundschaft hat, auf die Hilfe des Klägers angewiesen (vgl. Art. 16 Abs. 1 Dublin III-VO; siehe auch Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO).

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Unter diesen Vorzeichen verdichtet sich sowohl im Hinblick auf Art. 17 Dublin III-VO als auch im Hinblick auf

§ 48 VwVfG das eingeräumte Ermessen zu einem Anspruch des Einzelnen darauf, dass sich die

Bundesrepublik Deutschland unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide für die Bearbeitung eines derartigen Gesuchs für zuständig erklären muss (Ermessensreduzierung auf Null). Der humanitären Klausel des Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO kommt nach den Vorstellungen des Verordnungsgebers, wie sich auch aus dem 17. Erwägungsgrund ergibt, gerade die Aufgabe zu, Familienangehörige zusammenzuführen, obwohl sie bei strenger Anwendung der Kriterien getrennt würden (VG Ansbach, B.v. 10.7.2019 - AN 18 E 19.50571, AN 18 E 19.50573 - juris). Das Ermessen verdichtet sich zu einer Pflicht zum Selbsteintritt (VG Berlin, B.v. 15.3.2019 - 23 L 706/18 A - Asylmagazin 2019, 193). Die oben erwähnten Regelungen zum Schutz von Ehe und Familie und zum Schutz des Kindeswohls dienen auch zum Schutz des jeweiligen betroffenen Familienangehörigen, hier des Klägers, und vermitteln eine subjektive Rechtposition, auf die er sich berufen kann (VG Münster, B.v. 20.12.2018 - 2 L 989/18.A - ZAR 2019, 74; siehe auch Marx,

Kommentar zum AsylG, 10. Aufl. 2019, § 29 AsylG Rn. 25).

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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.

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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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